17.01.2025, 15:23
(17.01.2025, 15:13)ez95 schrieb: Glückwunsch an alle, die es heute geschafft haben! Womit wurde heute abgeschlossen?
Nichts wildes. Mandantin war Krankenschwester, diese Eigenschaft wurde ihr wegen einer Verurteilung wegen KV entzogen. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dagegen wollte sie vorgehen, möglichst schnell da sie selbstständig war. Eilrechtsschutz.
Dann gabs noch ein Begehren, sie wollte einen Anspruch aus 56 InfsG iVm GoA geltend machen nachdem sie eigenständig Mitarbeiterinnen abgesondert (nach Hause geschickt wegen Corona) hat.
17.01.2025, 18:35
(17.01.2025, 15:23)KT95 schrieb:(17.01.2025, 15:13)ez95 schrieb: Glückwunsch an alle, die es heute geschafft haben! Womit wurde heute abgeschlossen?
Nichts wildes. Mandantin war Krankenschwester, diese Eigenschaft wurde ihr wegen einer Verurteilung wegen KV entzogen. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dagegen wollte sie vorgehen, möglichst schnell da sie selbstständig war. Eilrechtsschutz.
Dann gabs noch ein Begehren, sie wollte einen Anspruch aus 56 InfsG iVm GoA geltend machen nachdem sie eigenständig Mitarbeiterinnen abgesondert (nach Hause geschickt wegen Corona) hat.
könntest du auch erzählen wie du vorgegangen bist?
17.01.2025, 19:26
Also ich hab erst die Zulässigkeit und Begründetheit eines Antrags nach 80 V VwGO geprüft und bin dabei auf die üblichen Punkte eingegangen. In der Zulässigkeit war inzident eine Wiedereinsetzung zu prüfen und in der Begründetheit nach Feststellung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung die summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs. Da dann als einziges Problem das Vorliegen der Unzuverlässigkeit. Das hab ich anhand der gegebenen Definition sehr ausführlich gewürdigt und dabei Schwere der Verfehlung mit dem Gesamteindruck der Mandantin (lange Erfahrung ohne ähnliche Vorfälle, berufliche Existenz etc) abgewogen und mich dann am Ende gegen die Unzuverlässigkeit entschieden. Denke da kann man aber in beide Richtungen gehen.
Dann noch kurz Zulässigkeit und Begründetheit der Klage mit Verweis nach oben bejaht und im praktischen Teil in einem Schriftsatz Klage erhoben und den Antrag gestellt.
Bezüglich des zweiten Anliegens habe ich vor allem diskutiert ob man eine ör GoA annehmen darf, obwohl sich die Mandantin ja damit über die gesetzliche Zuständigkeit und Ermessenseinräumung für die Behörde hinweggesetzt hat. Habe ich mit der besonderen Ausnahmesituation durch Corona und die Schutzbedürftigkeit der älteren Patienten dann aber bejaht.
Dann noch kurz Zulässigkeit und Begründetheit der Klage mit Verweis nach oben bejaht und im praktischen Teil in einem Schriftsatz Klage erhoben und den Antrag gestellt.
Bezüglich des zweiten Anliegens habe ich vor allem diskutiert ob man eine ör GoA annehmen darf, obwohl sich die Mandantin ja damit über die gesetzliche Zuständigkeit und Ermessenseinräumung für die Behörde hinweggesetzt hat. Habe ich mit der besonderen Ausnahmesituation durch Corona und die Schutzbedürftigkeit der älteren Patienten dann aber bejaht.
17.01.2025, 19:30
(17.01.2025, 18:35)DUnited schrieb:(17.01.2025, 15:23)KT95 schrieb:(17.01.2025, 15:13)ez95 schrieb: Glückwunsch an alle, die es heute geschafft haben! Womit wurde heute abgeschlossen?
Nichts wildes. Mandantin war Krankenschwester, diese Eigenschaft wurde ihr wegen einer Verurteilung wegen KV entzogen. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dagegen wollte sie vorgehen, möglichst schnell da sie selbstständig war. Eilrechtsschutz.
Dann gabs noch ein Begehren, sie wollte einen Anspruch aus 56 InfsG iVm GoA geltend machen nachdem sie eigenständig Mitarbeiterinnen abgesondert (nach Hause geschickt wegen Corona) hat.
könntest du auch erzählen wie du vorgegangen bist?
Gutachten zu 1)
-EGL § 3 II S. 1 PflBG
-Zuständigkeit, Verfahren, Form waren keine Probleme
-Dann im Rahmen der materiellen Vss. ewig breit diskutiert, ob die Mandantin nun unzuverlässig ist oder nicht. Das ist mMn wie im Gewerberecht, Waffenrecht und co. ein Schwerpunkt der Klausur. Am Ende dann angenommen dass rein aus dem Strafurteil nicht auf die Unzuverlässigkeit geschlossen werden kann, jedenfalls nicht, da fehlende negative Zukunftsprognose. Definition der Unzuverlässigkeit war in der Klausur gegeben.
-Rechtsverletzung festgestellt, jedenfalls in der Berufsfreiheit
-Bin noch kurz auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung eingegangen. Ob die Begründung wirklich die formellen Anforderungen des § 80 III VwGO erfüllte ist denke ich jedenfalls diskussionswürdig. Die weitere Abwägung die bei § 80 II Nr. 4 VwGO normalerweise zu treffen ist, ist hier dann recht knapp, da an dem Vollzug eines rechtswidrigen VA schon kein Interesse bestehen kann.
Gutachten zu 2)
-Hier habe ich zunächst einen Anspruch aus 56 IfSG direkt geprüft. Vorher natürlich alle Vss. durchgeprüft. Gescheitert ist es dann daran, dass eben nicht die Behörde die Absonderung angeordnet hat.
-Bei GoA stand was im Palandt. Hier war mMn zu differenzieren zwischen öffentlich rechtlichem und privatrechtlichem Verhältnis. Davon hängt dann ab, ob die 677 ff. direkt anwendbar sind oder eben nur entsprechend. Bin letzterem gefolgt und habe dann geprüft ob die angestrebte Rechtsfolge schon gesetzlich geregelt ist (dann schon kleine planwidrige Regelungslücke), was ich aber im Endeffekt verneint habe, weil die Regelung keinen abschließenden Charakter aufweist und gerade nicht den Fall erfasst, dass der Private handelt (anderes denke ich auch gut vertretbar, wollte aber noch weiter prüfen). Dann scheidet eine Anwendung aus, wenn die Befugnis einer Behörde zugeteilt wird und eine Ermessensentscheidung vorliegt. Das ganze war dann ganz gut mit dem Unterlaufen des Regelungszwecks zu argumentieren, was wohl Sinn und Zweck dieser Einschränkung ist. Hier war dann mMn wichtig zu sehen, dass eben bei den sonstigen Krankheiten (wie Corona) im Gegensatz zu den genannten eine Ermessensentscheidung durch die zuständige Behörde getroffen wird und keine gebundene Entscheidung. Habe dann nach vielen Argumenten mit Sinn und Zweck usw. die Anwendung der GoA abgelehnt.
Zweckmäßigkeiterwägungen
-In Betracht kommt Widerspruch, AK, 80 V - hier habe ich dann nochmal herausgearbeitet, worauf der Antrag denn abzielen soll, mMn lebt die Erlaubnis wieder auf, wenn der Widerruf derselbigen beseitigt wird, deshalb Angriff des Widerrufs maßgeblich.
-Widerspruchsverfahren war in Hessen wegen § 16a II HessAGVwGO nicht statthaft (hier dann noch kurz ausgeführt dass "bedarf es nicht" = "darf nicht" bedeutet...
-Anfechtungsklage dann die Zulässigkeit dargestellt, hier Schwerpunkt auf der Frist - Behörde hat sich Freiwillig den Regeln der Zustellung unterworfen, Fristbeginn dann mit Einlegung in Briefkasten, Monatsfrist (-), deshalb Wiedereinsetzung in vorherigen Stand zu beantragen, 2 Wochenfrist dessen kann noch gewahrt werden.
-Dann habe ich noch etwas über 114 VwGO und den Prüfungsumfang des Gerichts bzw. das "nachschieben von Gründen" ausgeführt, da man theoretisch auf die Idee kommen kann, dass durch Vorlage des Attests nicht nur das unverschuldete Versäumen der Frist nachgewiesen werden kann, sondern auch dass nach § 2 Nr. 3 PflBG iVm § 3 II S. 2 PflBG ein Widerruf der Erlaubnis aus gesundheitlichen Gründen in Betracht kommen könnte. Da aber vorher schon keine Ermessenentscheidung getroffen wurde und § 3 II S. 2 im Gegensatz zu S. 1 eine solche voraussetzt, kann hier der Grund insofern weder durch das Gericht noch durch die Beklagte "ausgetauscht" werden.
- Dann eben noch den Eilrechtsschutz, 80 V angeführt. Hier habe ich ein bisschen ausgeführt warum es nun notwendig ist jedenfalls parallel die Anfechtungsklage zu erheben, hier war wieder (in Hessen) zu beachten, dass ein Widerspruch schon nicht statthaft wäre
-Schließlich im praktischen Teil eine Klage und ein Antrag auf Eilrechtsschutz gestellt. Eben mit unterschiedlichem Rubrum und noch paar Ausführungen beim Eilrechtsschutz on top.
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Das sind aber nur meine Gedanken und sicherlich ist nicht alles richtig. Bin selbst nicht so der Profi im Ö-Recht. Also bitte nicht verrückt machen lassen
All in All muss ich zu dem Durchgang wiederholt sagen, dass es gefühlt 98% materielles Recht war, ein paar Klausuren hätte man wohl so auch im ersten Examen stellen können. Sehr enttäuschend, wenn man sich in der Vorbereitung haufenweise Prozessrecht aufgeladen hat.
Es bleibt mir ein Rätsel, wie man auch nur eine der Klausuren mit der Hand hätte schreiben sollen. Selbst mit Tastatur, nicht all zu exzessiver Arbeit mit den Kommentaren und nur gröbster Vorüberlegungen, bin ich in jeder Klausur mit der Zeit nur knapp hingegen. Und nein, ich tippe sicher nicht langsamer als der Durchschnitt.
Euch allen ganz viel Erfolg, dass ihr das von euch gewünschte Ergebnis erzielt Ich persönlich hoffe, nicht noch einmal ran zu müssen... einmal reicht.
17.01.2025, 20:20
Bin wirklich kein ör Experte, aber bin im zweiten Teil über die Verpflichtungsklage gegangen mit entsprechenden Klageentwurf verbunden mit Wiedereinsetzungsantrag…
17.01.2025, 20:30
(17.01.2025, 20:20)Eric schrieb: Bin wirklich kein ör Experte, aber bin im zweiten Teil über die Verpflichtungsklage gegangen mit entsprechenden Klageentwurf verbunden mit Wiedereinsetzungsantrag…
Im zweiten Teil? Meinst Du betreffend die Erstattung nach §56 IfSG? In Hessen sollte man den Teil nur begutachten, keine praktische Entscheidung entwerfen.
17.01.2025, 20:38
Genau, dann hatten wir in NRW einen anderen Bearbeitervermerk…
17.01.2025, 20:42
18.01.2025, 00:06
VG Braunschweig, Urteil vom 30.06.2020 - 1 A 283/19
Habe mich anders entschieden… für mich hat der Umstand, dass die Mandantin ohne die Erlaubnis ihre Selbstständigkeit aufgeben muss zu schwer gewogen. Außerdem fand ich den Fall bei uns auch aufgrund der Arbeitszeugnisse mit Hinweisen auf Deeskalationstrainings und Co auch eher darauf angelegt, die Unzuverlässigkeit zu verneinen, aber naja. 8/8 und hoffentlich nie wieder.
Habe mich anders entschieden… für mich hat der Umstand, dass die Mandantin ohne die Erlaubnis ihre Selbstständigkeit aufgeben muss zu schwer gewogen. Außerdem fand ich den Fall bei uns auch aufgrund der Arbeitszeugnisse mit Hinweisen auf Deeskalationstrainings und Co auch eher darauf angelegt, die Unzuverlässigkeit zu verneinen, aber naja. 8/8 und hoffentlich nie wieder.
18.01.2025, 00:21
(18.01.2025, 00:06)Holymoly schrieb: VG Braunschweig, Urteil vom 30.06.2020 - 1 A 283/19Und sich dann in der Klausur sämtliche Zweckmässigkeitserwägungen abschneiden? Streng genommen müsste man dann selbst das Fristproblem im Hilfsgutachten prüfen?
Habe mich anders entschieden… für mich hat der Umstand, dass die Mandantin ohne die Erlaubnis ihre Selbstständigkeit aufgeben muss zu schwer gewogen. Außerdem fand ich den Fall bei uns auch aufgrund der Arbeitszeugnisse mit Hinweisen auf Deeskalationstrainings und Co auch eher darauf angelegt, die Unzuverlässigkeit zu verneinen, aber naja. 8/8 und hoffentlich nie wieder.
Denke mit gescheiter Argumentation kann man da auch gut gegen das VG Braunschweig argumentieren.