08.04.2025, 14:23
(08.04.2025, 14:18)Praktiker schrieb:(07.04.2025, 21:18)Jona schrieb: "Entscheidungsfreudig sein" ist auch so ein Euphemismus dafür, Strafbefehle und schwere Ermittlungsmaßnahmen nach 2 Minuten Überfliegen der Akte mit einer "Wird schon passen"-Mentalität einfach zu unterschreiben.
Nein, das ist es nicht. Wer nicht gescheit arbeitet, frei von allen Zweifeln ist, Anträge nicht liest und deshalb sehenden Auges Grundrechte verletzt, begeht objektiv Rechtsbeugung und ist keineswegs "entscheidungsfreudig".
Nur ist das Gegenteil halt auch nicht richtig.
Brecht, Lob des Zweifels:
[...]
Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt
So lobt nicht
Das Zweifeln, das ein Verzweifeln ist!
Was hilft zweifeln können dem
Der nicht sich entschließen kann!
Falsch mag handeln
Der sich mit zu wenigen Gründen begnügt
Aber untätig bleibt in der Gefahr
Der zu viele braucht.
Es geht hier um ein vernünftiges Maß, Verhältnismäßigkeit und Goldene Mitte. Die sollte man nicht diskreditieren (und natürlich ebenso wenig ins andere Extrem verfallen). Vergleiche den Parallelstrang zu effektiver Arbeitstechnik am VG.
Wenn die älteren Kollegen dem Berufsanfänger, auf dessen Schreibtisch sich die Akten stapeln, sagen ,,er sollle doch einfach etwas entscheidungsfreudiger sein'', ist aber genau das von mir Implizierte gemeint. Einfach unterschreiben, wenn sichs im Ansatz vertretbar anhört. Augen zu und durch statt wirklich den verstaubten Kommentar aus dem Regal zu holen.
Die Schwelle zur Rechtsbeugung überschreitet man so schnell nicht, wenn es im Entferntesten irgendwie vertretbar ist - und das ist in der Juristerei bekanntlich Vieles.
08.04.2025, 14:53
(08.04.2025, 14:23)Jona schrieb:(08.04.2025, 14:18)Praktiker schrieb:(07.04.2025, 21:18)Jona schrieb: "Entscheidungsfreudig sein" ist auch so ein Euphemismus dafür, Strafbefehle und schwere Ermittlungsmaßnahmen nach 2 Minuten Überfliegen der Akte mit einer "Wird schon passen"-Mentalität einfach zu unterschreiben.
Nein, das ist es nicht. Wer nicht gescheit arbeitet, frei von allen Zweifeln ist, Anträge nicht liest und deshalb sehenden Auges Grundrechte verletzt, begeht objektiv Rechtsbeugung und ist keineswegs "entscheidungsfreudig".
Nur ist das Gegenteil halt auch nicht richtig.
Brecht, Lob des Zweifels:
[...]
Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt
So lobt nicht
Das Zweifeln, das ein Verzweifeln ist!
Was hilft zweifeln können dem
Der nicht sich entschließen kann!
Falsch mag handeln
Der sich mit zu wenigen Gründen begnügt
Aber untätig bleibt in der Gefahr
Der zu viele braucht.
Es geht hier um ein vernünftiges Maß, Verhältnismäßigkeit und Goldene Mitte. Die sollte man nicht diskreditieren (und natürlich ebenso wenig ins andere Extrem verfallen). Vergleiche den Parallelstrang zu effektiver Arbeitstechnik am VG.
Wenn die älteren Kollegen dem Berufsanfänger, auf dessen Schreibtisch sich die Akten stapeln, sagen ,,er sollle doch einfach etwas entscheidungsfreudiger sein'', ist aber genau das von mir Implizierte gemeint. Einfach unterschreiben, wenn sichs im Ansatz vertretbar anhört. Augen zu und durch statt wirklich den verstaubten Kommentar aus dem Regal zu holen.
Die Schwelle zur Rechtsbeugung überschreitet man so schnell nicht, wenn es im Entferntesten irgendwie vertretbar ist - und das ist in der Juristerei bekanntlich Vieles.
Ich meine das jedenfalls nicht, wenn ich das empfehle, und ich sage das hier auch nicht so dahin, sondern gebe entsprechende Tipps. Wer sich aber nicht entscheiden kann - und darum ging es hier ja - sollte nicht Richter werden, weil entscheiden Kernaufgabe des Amtes ist.
08.04.2025, 15:03
(07.04.2025, 21:18)Jona schrieb:(07.04.2025, 19:25)KölscheJung1 schrieb: Also ich kann nur für das VG sprechen: Die Mehrzahl der Fälle (95%) sind kein juristisches Bollwerk, auch wenn die VG-Richter gerne der Nabel der juristischen Welt sein möchten. Die, die juristisch "spannend" sind, gehen eh in die zweite Instanz. Ergo: Die Gefahr, etwas richtig "falsch" zu machen, ist nicht sonderlich groß. Es geht vielmehr darum, den Beteiligten zeitnah zum Rechtsfrieden zu verhelfen. Das ist viel wichtiger, als die x-te BVerwG rauszusuchen und damit sein Urteil zu untermauen. Das müssen viele, so auch ich, verinnerlichen. Die Frage ist: Bist du jemand, der/die entscheidungsfreudig ist und "einfach mal macht" oder zerdenkst du jeder deiner Entscheidungen bis ins kleinste Detail? Wenn Letzteres der Fall ist, wirst du in der Justiz mit der Masse an Verfahren (bei der StA und in der ordentlichen noch viel viel mehr) sang und klanglos untergehen.
"Entscheidungsfreudig sein" ist auch so ein Euphemismus dafür, Strafbefehle und schwere Ermittlungsmaßnahmen nach 2 Minuten Überfliegen der Akte mit einer "Wird schon passen"-Mentalität einfach zu unterschreiben.
Es ist leider kein Zufall, dass Strafverteidiger(innen) mittlerweile in großem Stil berichten, dass man gerade bei Rechtsfragen erst in 2. Instanz mit einer sorgfältigen Sachbefassung rechnen kann
kann ich aus meiner ausbildung und eigener nebentätigkeit auch bestätigen, in erster instanz wird auch manchmal ganz offen "kein bock" kommuniziert. das gilt insbesondere für die vernehmung von zeugen, da kann ich als verteidiger schnell den 153a ziehen - sogar bei behaupteten permanenten körperlichen beeinträchtigungen des opfers