09.08.2022, 21:04
Liebes Forum,
ich bin gerade in der Zivilstation und etwas am verzweifeln
In meinem Fall ist es so, dass sich der Parteivortrag und die Aussage des von der Partei benannten Zeugen in wirklich wesentlichen Punkten widersprechen. Die Version des Zeugen vom Unfallhergang ist, als wahr unterstellt, für die Partei aus anderen Gesichtspunkten dann aber trotzdem günstig. Der Zeuge schildert den Unfallhergang auch recht plausibel und ich sehe einige Realkennzeichen. Allerdings wirkt das ganze eben dadurch sehr merkwürdig, dass die Partei den Sachverhalt zunächst komplett anders geschildert hat.. dieser Widerspruch führt eigentlich dazu, dass ich den Beweis für die streitige Tatsache als nicht erbracht ansehen würde, weil der Zeuge die Version der Partei nicht bestätigt hat und ich die Version des Zeugen zwar prinzipiell logisch finde, mich aber der Widerspruch zum Parteivortrag stört und das ganze etwas abgesprochen wirkt.
Meine Frage ist nur: Kann ein Zeuge glaubhaft sein und ich dennoch sagen, dass ich nach § 286 nicht überzeugt bin? Macht das Sinn? Oder sage ich aufgrund des Widerspruchs der Zeugenaussage zum Parteivortrag, dass die Zeugenaussage bereits nicht glaubhaft ist? Aber der Widerspruch betrifft ja eigentlich nicht die Realkennzeichen..
Ich hoffe, jemand versteht mein Problem
ich bin gerade in der Zivilstation und etwas am verzweifeln
In meinem Fall ist es so, dass sich der Parteivortrag und die Aussage des von der Partei benannten Zeugen in wirklich wesentlichen Punkten widersprechen. Die Version des Zeugen vom Unfallhergang ist, als wahr unterstellt, für die Partei aus anderen Gesichtspunkten dann aber trotzdem günstig. Der Zeuge schildert den Unfallhergang auch recht plausibel und ich sehe einige Realkennzeichen. Allerdings wirkt das ganze eben dadurch sehr merkwürdig, dass die Partei den Sachverhalt zunächst komplett anders geschildert hat.. dieser Widerspruch führt eigentlich dazu, dass ich den Beweis für die streitige Tatsache als nicht erbracht ansehen würde, weil der Zeuge die Version der Partei nicht bestätigt hat und ich die Version des Zeugen zwar prinzipiell logisch finde, mich aber der Widerspruch zum Parteivortrag stört und das ganze etwas abgesprochen wirkt.
Meine Frage ist nur: Kann ein Zeuge glaubhaft sein und ich dennoch sagen, dass ich nach § 286 nicht überzeugt bin? Macht das Sinn? Oder sage ich aufgrund des Widerspruchs der Zeugenaussage zum Parteivortrag, dass die Zeugenaussage bereits nicht glaubhaft ist? Aber der Widerspruch betrifft ja eigentlich nicht die Realkennzeichen..
Ich hoffe, jemand versteht mein Problem
09.08.2022, 22:03
(09.08.2022, 21:04)VerzweifelterGast schrieb: Liebes Forum,
ich bin gerade in der Zivilstation und etwas am verzweifeln
In meinem Fall ist es so, dass sich der Parteivortrag und die Aussage des von der Partei benannten Zeugen in wirklich wesentlichen Punkten widersprechen. Die Version des Zeugen vom Unfallhergang ist, als wahr unterstellt, für die Partei aus anderen Gesichtspunkten dann aber trotzdem günstig. Der Zeuge schildert den Unfallhergang auch recht plausibel und ich sehe einige Realkennzeichen. Allerdings wirkt das ganze eben dadurch sehr merkwürdig, dass die Partei den Sachverhalt zunächst komplett anders geschildert hat.. dieser Widerspruch führt eigentlich dazu, dass ich den Beweis für die streitige Tatsache als nicht erbracht ansehen würde, weil der Zeuge die Version der Partei nicht bestätigt hat und ich die Version des Zeugen zwar prinzipiell logisch finde, mich aber der Widerspruch zum Parteivortrag stört und das ganze etwas abgesprochen wirkt.
Meine Frage ist nur: Kann ein Zeuge glaubhaft sein und ich dennoch sagen, dass ich nach § 286 nicht überzeugt bin? Macht das Sinn? Oder sage ich aufgrund des Widerspruchs der Zeugenaussage zum Parteivortrag, dass die Zeugenaussage bereits nicht glaubhaft ist? Aber der Widerspruch betrifft ja eigentlich nicht die Realkennzeichen..
Ich hoffe, jemand versteht mein Problem
Das ist schwer zu beurteilen. Natürlich kann es vorkommen, dass Lebenssachverhalte unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet werden. Der Widerspruch könnte sich auch daraus ergeben, dass die Partei den Vortrag, aus Angst zu unterliegen, noch ein Stück ausgeschmückt hat. Ferner könnte der Widerspruch auch dafür sprechen, dass sich Partei und Zeuge keine gemeinsame Geschichte erfunden haben; umgekehrt könnte der Widerspruch aber auch Strategie sein. Letztlich kann man da als Außenstehender nur spekulieren. Du musst nur berücksichtigten, dass sich die Glaubhaftigkeit auf die Aussage und nicht auf den Zeugen bezieht; letzteres meint die Glaubwürdigkeit. Auf Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit kommt es letztlich auch an. Eine Zeugenaussage kann natürlich plausibel sein, letztlich aber doch nicht zur Beweisführung ausreichen, weil der Zeuge nicht glaubwürdig ist. Hier musst du dann aber Farbe bekennen und im Urteil zum Ausdruck bringen, warum du den Zeugen nicht für glaubwürdig erachtest. Das gleiche gilt für die Glaubhaftigkeit der Aussage. Und klar, du kannst dich nach § 286 ZPO auch trotz Übereinstimmung gegen die Beweisführung aussprechen. § 286 ZPO setzt einen Vollbeweis voraus, es dürfen also keine vernünftigen Zweifel bestehen. Du musst dir also die Frage stellen, ob sich für dich aus dem Widerspruch von Zeugenaussage und Parteivortrag vernünftige Gründe ergeben, die daran zweifeln lassen, dass die behauptete Tatsache der Wahrheit entspricht.
09.08.2022, 22:34
Du wirst dich fragen müssen, ob sich der Kläger den Inhalt der Zeugenaussage (ggf. konkludent) als Vortrag zu eigen gemacht hat. Ist das nicht der Fall, wirst du zu dem Ergebnis kommen, dass der Beweis der klägerischen Behauptung (jdf. durch die Zeugenvernehmung) nicht erbracht worden ist.
Für einen Widerspruch zwischen Parteivortrag und günstiger Zeugenaussage gibt es gerade bei einem Verkehrsunfall einen häufigen und naheliegenden Grund: Vielfach klagt der Fahrzeugeigentümer, der bei dem Unfall gar nicht zugegen wahr. Er schildert dann ein Geschehen, das er selbst nur vom Hörensagen kennt oder er sich zusammengereimt hat.
Für einen Widerspruch zwischen Parteivortrag und günstiger Zeugenaussage gibt es gerade bei einem Verkehrsunfall einen häufigen und naheliegenden Grund: Vielfach klagt der Fahrzeugeigentümer, der bei dem Unfall gar nicht zugegen wahr. Er schildert dann ein Geschehen, das er selbst nur vom Hörensagen kennt oder er sich zusammengereimt hat.
09.08.2022, 22:54
Danke für die Antworten!
Das Problem ist, dass es nicht um einen klassischen Verkehrsunfall, sondern um die Beschädigung einer Garage geht. Die Partei sagt, sie sei nicht vor Ort gewesen und der Zeuge, der das Auto gefahren hat, hat ihr telefonisch geschildert, wie es zu der Beschädigung kam. Der Zeuge sagt nun, dass die Partei auch vor Ort war, das Geschehen also mitbekommen haben muss. Außerdem sagt die Partei, sie habe sich den Führerschein des Zeugen zeigen lassen. Der Zeuge sagt, er hat keinen Führerschein (mehr) und er hat das Auto auch nur geschoben und dabei wäre die Garage beschädigt worden. Diese zwei Sachen passen natürlich gaar nicht zusammen
Das Problem ist, dass es nicht um einen klassischen Verkehrsunfall, sondern um die Beschädigung einer Garage geht. Die Partei sagt, sie sei nicht vor Ort gewesen und der Zeuge, der das Auto gefahren hat, hat ihr telefonisch geschildert, wie es zu der Beschädigung kam. Der Zeuge sagt nun, dass die Partei auch vor Ort war, das Geschehen also mitbekommen haben muss. Außerdem sagt die Partei, sie habe sich den Führerschein des Zeugen zeigen lassen. Der Zeuge sagt, er hat keinen Führerschein (mehr) und er hat das Auto auch nur geschoben und dabei wäre die Garage beschädigt worden. Diese zwei Sachen passen natürlich gaar nicht zusammen
09.08.2022, 23:01
Das lässt sich mit so wenigen Sachverhaltsinfos schlecht bewerten. Welche Einwendungen macht denn die Beklagtenseite geltend? Dass der Zeuge gar nicht gegen die Garage gefahren sei (ist das überhaupt der klägerische Vortrag?)?
10.08.2022, 01:59
(09.08.2022, 22:54)Gast schrieb: Danke für die Antworten!
Das Problem ist, dass es nicht um einen klassischen Verkehrsunfall, sondern um die Beschädigung einer Garage geht. Die Partei sagt, sie sei nicht vor Ort gewesen und der Zeuge, der das Auto gefahren hat, hat ihr telefonisch geschildert, wie es zu der Beschädigung kam. Der Zeuge sagt nun, dass die Partei auch vor Ort war, das Geschehen also mitbekommen haben muss. Außerdem sagt die Partei, sie habe sich den Führerschein des Zeugen zeigen lassen. Der Zeuge sagt, er hat keinen Führerschein (mehr) und er hat das Auto auch nur geschoben und dabei wäre die Garage beschädigt worden. Diese zwei Sachen passen natürlich gaar nicht zusammen
Also das ist jetzt natürlich nur Spekulation, aber ich denke es ist nicht abwegig zu vermuten, dass sich der Zeuge, der keinen Führerschein mehr hat, mit der Aussage schützen will. Wurde denn in der Verhandlung nicht aufgeklärt, warum er das Fahrzeug nur geschoben haben will; war das Fahrzeug kaputt? Wurde der Zeuge von der Partei benannt? Macht irgendwie keinen Sinn für mich, da nach dem Vortrag der Partei - der Zeuge sei mit seinem Fahrzeug gegen die Garage gefahren - doch ohnehin die Halterhaftung nach § 7 StVG greifen würde, oder?
10.08.2022, 04:12
Mit Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit hat das alles nichts zu tun. Die Glaubwürdigkeit bewertest du allein anhander der Person des Zeugen (in der Klausur nur eingeschränkt möglich, außer bei offensichtlichen Motiven für eine mögliche Falschaussage). Bei der Glaubhaftigkeit bewertest du allein die Aussage selbst, also inwiefern diese Lücken/Widersprüche aufweist, inwiefern sie plausibel ist oder "vorgetextet" wurde. Auch Fragen der Be-/Entlastungstendenz kann/muss man hier anbringen.
Aber der Parteivortrag des Klägers hat damit absolut nichts zu tun. Wenn der Zeuge von dem parteivortrag abweicht, dann macht es ihn nicht weniger glaubwürdig und DIESE Widersprüche begründen auch keine Unglaubhaftigkeit. Der Parteivortrag ist ganz einfach nicht der Maßstab der Wahrheit. Der Inhalt des (beiderseitgen) Parteivortrags ist (zumindest im Falle des Bestreitens) noch als quasi nicht existent anzunehmen. Wenn du den zu Rate ziehst, dann würdest du diesen implizit als zutreffend annehmen und damit das Ergebnis der Beweisaufnahme vorweg nehmen. Schlimmer noch: Erst soll der Parteivortrag die heilige Wahrheit sein, die Aussage des Zeugen dieser Partei dann wegen fehlender Übereinstimmung unglaubhaft sein und wegen der Unglaubhaftigkeit der "eigenen" Zeugenaussage soll das Ergebnis dann sein, dass die Partei doch gelogen haben muss und ihr Vortrag daher nicht dem Urteil zugrunde liegen kann...!?
Ich würde zuncäsht mal genau überlegen, inwiefern der Parteivortrag auch relevant ist. Das mit dem Vorzeigen des Führerscheins ist jetzt nicht gerade eine unmittelbare Tatbestandvoraussetzung der mir bekannten Anspruchsgrundlagen. Ob der Geschädigte am Tatort anwesend war oder nicht, ist für dessen Ansprüche auch allenfalls auf Umwegen relevant.
Mal angenommen, der Vortrag ist in vollem Umfang relevant, für den Kläger günstig und wird dann bestritten:
Wenn der Kläger den Sachverhalt mit Ablauf X vorträgt, aber der eigene Zeuge dann Ablauf Y schildert, dann interessiert der Zeuge von da an überhaupt nicht mehr. Der Zeuge als Beweismittel war NICHT ERGIEBIG. Schlimmer noch: Wenn und swoeit Ablauf Y den Ablauf X logisch ausschließt, dann war die Zeugenaussage sogar "NEGATIV ERGIEBIG". Darauf kommt es zunächst aber schon nicht mehr an (also auch weiterhin nicht auf Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit), wenn die "Nicht-Ergiebigkeit" schon dazu führt, dass der bestrittene Vortrag des Klägers ohne Beweise bleibt und die Anspruchsvoraussetzungen dann nicht ausgefüllt werden können.
Anders KÖNNTE es aussehen, wenn der Ablauf Y ebenfalls die Klage begründet machen würde (bloße irgendwie gelagerte "Günstigkeit" reicht nicht aus; es sind die konkret geltend gemachten Ansprüche [im prozessualen Sinne] zu betrachten).
Dann könnte der Kläger jetzt seinen Vortrag ändern und nun ebenfalls den Ablauf Y behaupten. DAFÜR hat er ja nun auch ein ergiebiges Beweismittel. Der entsprechende Zeuge müsste jetzt nur noch glaubwürdig sein und glaubhaft ausgesagt haben.
Es ist also jetzt der Kläger, der dafür sorgen müsste, dass sein Vortrag zu der Aussage des Zeugen passt. Er muss sichden Inhalt der Zeugenaussage (also Ablauf Y) "zu eigen machen". Das kann auch konkludent passieren. Und danach würde ich Ausschau halten.
Ansonsten könnten solchen "zufälligen" Hinweise auf den eigentlichen Ablauf (offenbar Y) noch in Ausnahmefällen eine Ermittlungs- oder zumindest Hinweispflicht des Gerichts begründen. Das könnte insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien vor dem AG gelten. Bekanntermaßen ist es grundsätzlich aber (auch am AG) Aufgabe der Parteien, ihre eigenen Interessen zu wahren. Das gilt insbesondere für Beibringung, Darlegung und Beweisantritt. Damit würde man sich also auf ganz dünnes Eis begeben. Das würde ich nicht tun, solange der Klausurersteller nicht erkennbar auf ein ganz bestimmtes Problem hinaus wollte.
In der Praxis kann es hier (insbesondere für den Beklagten) "gefährlich" werden, wenn nicht so ganz klar ist, inwiefern der Kläger sich nun den Inhalt der Zeugenaussage zu eigen gemacht hat oder nicht.
Aber auch für das Erfolgen auf konkludente Weise muss irgendein Anhaltspunkt bestehen. Man kann nicht einfach sagen "das ist besser für den Kläger, also will er sich das wohl zu eigen machen".
Aber der Parteivortrag des Klägers hat damit absolut nichts zu tun. Wenn der Zeuge von dem parteivortrag abweicht, dann macht es ihn nicht weniger glaubwürdig und DIESE Widersprüche begründen auch keine Unglaubhaftigkeit. Der Parteivortrag ist ganz einfach nicht der Maßstab der Wahrheit. Der Inhalt des (beiderseitgen) Parteivortrags ist (zumindest im Falle des Bestreitens) noch als quasi nicht existent anzunehmen. Wenn du den zu Rate ziehst, dann würdest du diesen implizit als zutreffend annehmen und damit das Ergebnis der Beweisaufnahme vorweg nehmen. Schlimmer noch: Erst soll der Parteivortrag die heilige Wahrheit sein, die Aussage des Zeugen dieser Partei dann wegen fehlender Übereinstimmung unglaubhaft sein und wegen der Unglaubhaftigkeit der "eigenen" Zeugenaussage soll das Ergebnis dann sein, dass die Partei doch gelogen haben muss und ihr Vortrag daher nicht dem Urteil zugrunde liegen kann...!?
Ich würde zuncäsht mal genau überlegen, inwiefern der Parteivortrag auch relevant ist. Das mit dem Vorzeigen des Führerscheins ist jetzt nicht gerade eine unmittelbare Tatbestandvoraussetzung der mir bekannten Anspruchsgrundlagen. Ob der Geschädigte am Tatort anwesend war oder nicht, ist für dessen Ansprüche auch allenfalls auf Umwegen relevant.
Mal angenommen, der Vortrag ist in vollem Umfang relevant, für den Kläger günstig und wird dann bestritten:
Wenn der Kläger den Sachverhalt mit Ablauf X vorträgt, aber der eigene Zeuge dann Ablauf Y schildert, dann interessiert der Zeuge von da an überhaupt nicht mehr. Der Zeuge als Beweismittel war NICHT ERGIEBIG. Schlimmer noch: Wenn und swoeit Ablauf Y den Ablauf X logisch ausschließt, dann war die Zeugenaussage sogar "NEGATIV ERGIEBIG". Darauf kommt es zunächst aber schon nicht mehr an (also auch weiterhin nicht auf Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit), wenn die "Nicht-Ergiebigkeit" schon dazu führt, dass der bestrittene Vortrag des Klägers ohne Beweise bleibt und die Anspruchsvoraussetzungen dann nicht ausgefüllt werden können.
Anders KÖNNTE es aussehen, wenn der Ablauf Y ebenfalls die Klage begründet machen würde (bloße irgendwie gelagerte "Günstigkeit" reicht nicht aus; es sind die konkret geltend gemachten Ansprüche [im prozessualen Sinne] zu betrachten).
Dann könnte der Kläger jetzt seinen Vortrag ändern und nun ebenfalls den Ablauf Y behaupten. DAFÜR hat er ja nun auch ein ergiebiges Beweismittel. Der entsprechende Zeuge müsste jetzt nur noch glaubwürdig sein und glaubhaft ausgesagt haben.
Es ist also jetzt der Kläger, der dafür sorgen müsste, dass sein Vortrag zu der Aussage des Zeugen passt. Er muss sichden Inhalt der Zeugenaussage (also Ablauf Y) "zu eigen machen". Das kann auch konkludent passieren. Und danach würde ich Ausschau halten.
Ansonsten könnten solchen "zufälligen" Hinweise auf den eigentlichen Ablauf (offenbar Y) noch in Ausnahmefällen eine Ermittlungs- oder zumindest Hinweispflicht des Gerichts begründen. Das könnte insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien vor dem AG gelten. Bekanntermaßen ist es grundsätzlich aber (auch am AG) Aufgabe der Parteien, ihre eigenen Interessen zu wahren. Das gilt insbesondere für Beibringung, Darlegung und Beweisantritt. Damit würde man sich also auf ganz dünnes Eis begeben. Das würde ich nicht tun, solange der Klausurersteller nicht erkennbar auf ein ganz bestimmtes Problem hinaus wollte.
In der Praxis kann es hier (insbesondere für den Beklagten) "gefährlich" werden, wenn nicht so ganz klar ist, inwiefern der Kläger sich nun den Inhalt der Zeugenaussage zu eigen gemacht hat oder nicht.
Aber auch für das Erfolgen auf konkludente Weise muss irgendein Anhaltspunkt bestehen. Man kann nicht einfach sagen "das ist besser für den Kläger, also will er sich das wohl zu eigen machen".
13.08.2022, 09:11
(10.08.2022, 04:12)Gast schrieb: Mit Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit hat das alles nichts zu tun. Die Glaubwürdigkeit bewertest du allein anhander der Person des Zeugen (in der Klausur nur eingeschränkt möglich, außer bei offensichtlichen Motiven für eine mögliche Falschaussage). Bei der Glaubhaftigkeit bewertest du allein die Aussage selbst, also inwiefern diese Lücken/Widersprüche aufweist, inwiefern sie plausibel ist oder "vorgetextet" wurde. Auch Fragen der Be-/Entlastungstendenz kann/muss man hier anbringen.
Aber der Parteivortrag des Klägers hat damit absolut nichts zu tun. Wenn der Zeuge von dem parteivortrag abweicht, dann macht es ihn nicht weniger glaubwürdig und DIESE Widersprüche begründen auch keine Unglaubhaftigkeit. Der Parteivortrag ist ganz einfach nicht der Maßstab der Wahrheit. Der Inhalt des (beiderseitgen) Parteivortrags ist (zumindest im Falle des Bestreitens) noch als quasi nicht existent anzunehmen. Wenn du den zu Rate ziehst, dann würdest du diesen implizit als zutreffend annehmen und damit das Ergebnis der Beweisaufnahme vorweg nehmen. Schlimmer noch: Erst soll der Parteivortrag die heilige Wahrheit sein, die Aussage des Zeugen dieser Partei dann wegen fehlender Übereinstimmung unglaubhaft sein und wegen der Unglaubhaftigkeit der "eigenen" Zeugenaussage soll das Ergebnis dann sein, dass die Partei doch gelogen haben muss und ihr Vortrag daher nicht dem Urteil zugrunde liegen kann...!?
Ich würde zuncäsht mal genau überlegen, inwiefern der Parteivortrag auch relevant ist. Das mit dem Vorzeigen des Führerscheins ist jetzt nicht gerade eine unmittelbare Tatbestandvoraussetzung der mir bekannten Anspruchsgrundlagen. Ob der Geschädigte am Tatort anwesend war oder nicht, ist für dessen Ansprüche auch allenfalls auf Umwegen relevant.
Mal angenommen, der Vortrag ist in vollem Umfang relevant, für den Kläger günstig und wird dann bestritten:
Wenn der Kläger den Sachverhalt mit Ablauf X vorträgt, aber der eigene Zeuge dann Ablauf Y schildert, dann interessiert der Zeuge von da an überhaupt nicht mehr. Der Zeuge als Beweismittel war NICHT ERGIEBIG. Schlimmer noch: Wenn und swoeit Ablauf Y den Ablauf X logisch ausschließt, dann war die Zeugenaussage sogar "NEGATIV ERGIEBIG". Darauf kommt es zunächst aber schon nicht mehr an (also auch weiterhin nicht auf Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit), wenn die "Nicht-Ergiebigkeit" schon dazu führt, dass der bestrittene Vortrag des Klägers ohne Beweise bleibt und die Anspruchsvoraussetzungen dann nicht ausgefüllt werden können.
Anders KÖNNTE es aussehen, wenn der Ablauf Y ebenfalls die Klage begründet machen würde (bloße irgendwie gelagerte "Günstigkeit" reicht nicht aus; es sind die konkret geltend gemachten Ansprüche [im prozessualen Sinne] zu betrachten).
Dann könnte der Kläger jetzt seinen Vortrag ändern und nun ebenfalls den Ablauf Y behaupten. DAFÜR hat er ja nun auch ein ergiebiges Beweismittel. Der entsprechende Zeuge müsste jetzt nur noch glaubwürdig sein und glaubhaft ausgesagt haben.
Es ist also jetzt der Kläger, der dafür sorgen müsste, dass sein Vortrag zu der Aussage des Zeugen passt. Er muss sichden Inhalt der Zeugenaussage (also Ablauf Y) "zu eigen machen". Das kann auch konkludent passieren. Und danach würde ich Ausschau halten.
Ansonsten könnten solchen "zufälligen" Hinweise auf den eigentlichen Ablauf (offenbar Y) noch in Ausnahmefällen eine Ermittlungs- oder zumindest Hinweispflicht des Gerichts begründen. Das könnte insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien vor dem AG gelten. Bekanntermaßen ist es grundsätzlich aber (auch am AG) Aufgabe der Parteien, ihre eigenen Interessen zu wahren. Das gilt insbesondere für Beibringung, Darlegung und Beweisantritt. Damit würde man sich also auf ganz dünnes Eis begeben. Das würde ich nicht tun, solange der Klausurersteller nicht erkennbar auf ein ganz bestimmtes Problem hinaus wollte.
In der Praxis kann es hier (insbesondere für den Beklagten) "gefährlich" werden, wenn nicht so ganz klar ist, inwiefern der Kläger sich nun den Inhalt der Zeugenaussage zu eigen gemacht hat oder nicht.
Aber auch für das Erfolgen auf konkludente Weise muss irgendein Anhaltspunkt bestehen. Man kann nicht einfach sagen "das ist besser für den Kläger, also will er sich das wohl zu eigen machen".
Sehe ich genauso.
14.08.2022, 18:01
Die erste Frage ist, ob die Partei sich die Aussage des Zeugen mindestens hilfsweise zu Eigen gemacht hat. Idealerweise fragt der Richter danach. Wenn nicht, ist man im Bereich des konkludenten Behauptens, da sind die Hürden nicht so hoch.
Erst im zweiten Schritt stellt sich die Frage nach der Glaubhaftigkeit der Aussage: erst der Streitstand, dann der Beweis :)
Erst im zweiten Schritt stellt sich die Frage nach der Glaubhaftigkeit der Aussage: erst der Streitstand, dann der Beweis :)
14.08.2022, 22:44
(14.08.2022, 18:01)Praktiker schrieb: Die erste Frage ist, ob die Partei sich die Aussage des Zeugen mindestens hilfsweise zu Eigen gemacht hat. Idealerweise fragt der Richter danach. Wenn nicht, ist man im Bereich des konkludenten Behauptens, da sind die Hürden nicht so hoch.
Erst im zweiten Schritt stellt sich die Frage nach der Glaubhaftigkeit der Aussage: erst der Streitstand, dann der Beweis :)
Wenn ich die Ausgangsfrage nicht völlig missinterpretiere, ist der Braten aber schon gegessen.