04.08.2022, 14:42
Ich fand die Tätigkeit in der Strafstation extrem abschreckend: in den allermeisten Fällen waren die Angeklagten absolute Verlierer der Gesellschaft, die Taten häufig Bagatelle von Vorbestraften. Gleich in der ersten Verhandlung brachte es ein Angeklagter auf den Punkt: "Frau Richterin, raus aus dem Knast, rein in den Knast, das bringt doch nichts." Sinnvoll erschienen die Mittel des Strafrechts in den wenigsten Fällen. Beispiele: 15 jähriger ("Mehmet") hatte zu seinem Erzieher Arschloch gesagt und ein daneben stehender Polizist hatte ihn daraufhin angezeigt; schwerstdrogenabhängiger war mit 0,5gr Haschisch erwischt worden und hatte Pfandflaschen geklaut, mehrfach vorbestrafter war in einem Jahr mehr als 50x beim Schwarzfahren erwischt worden (bin in der Stadt in 4 Jahren keine 3x kontrolliert worden), Vorbestrafter war trotz Hausverbots im Supermarkt usw. Meine Ausbilderin meinte mal zu mir "Man kann der Polizei nicht immer erklären, dass das jetzt keine Straftat ist, da muss man manchmal anklagen."
04.08.2022, 15:34
Kann mich dem Vorpost nur anschließen. Atmospähre bei der StA (NRW) grausam und extrem abschreckend. Akten haben sich überall gestapelt, fast alle schienen gestresst und eher kein freundlicher, kollegialer Umgang (bis auf sehr wenige Ausnahmen). Die Fälle waren überwiegend alle sinnlos und oftmals war das Ergebnis ein Freispruch oder Einstellung. Soweit ich weiß, hat man auch als erfahrener StA auch Sitzungsdienst für diese banalen (und oftmals zeitverschwenderischen) Fälle. Daher ist die Erfahrung aus dem Ref zumindest zum Teil repräsentativ.
Zumal Bezahlung eher mau und Anforderungen relativ hoch. Frage mich bis heute, wer sich das freiwillig gibt bei den vielzähligen Alternativen, die es gibt.
Zumal Bezahlung eher mau und Anforderungen relativ hoch. Frage mich bis heute, wer sich das freiwillig gibt bei den vielzähligen Alternativen, die es gibt.
04.08.2022, 17:19
Kanzleien/Unternehmen zahlen (deutlich) besser. Sie bieten auch sonstige Annehmlichkeiten (und sei es nur ein Obstkorb und eine Kaffemaschine) und schicke Büros mit moderner Ausstattung. Bei der StAhingegen gibt es ein staubiges und düsteres Büro mit Sperrmüll-Einrichtung irgendwo am Stadtrand. Eine Kantine gibt es nicht. Die nächste Essgelegenheit ist weiter weg. Es gibt nur einen ekligen Münz-Kaffeautomat (bietet auch Gemüsesuppe an). Eine eigene Kaffemaschine darfst du nicht mringen oder musst sie jährlich auf Brandsicherheit prüfen lassen.
Massenhaft (unsinniger) Papierkram. Akten werden zwischen verschiedenen Behörden hin und her geschickt, ohne dass sich etwas tut. Man ist auf die Kriminalpolizei angewiesen, sie es sich oft zu einfach macht (aber selbst auch nicht genug Zeit und Mittel hat). Die Akten von anderen Behörden (Steuern, Zoll oder Sozialsachen) sind oft extrem schlecht aufbereitet und es fehlen bedeutende Informationen. Allgemein teilweise meterdicke Akten, von deinen nur drei Blattrelevant sind (Wirtschaftssachen!).
Eigene Entfaltung kaum möglich. Dienst immer nach Vorschrift. Extrem viel Bürokratie, über die selbst Sekretäre stöhnen würden. Karrieremäßig kein/kaum Vorankommen möglich. Einsatz und gute Leistung werden nicht honoriert.
Zumindest bei einigen Sachgebieten immer gleiche Standardsachen, die selbst für die Amtsanwälte zu langweilig sind. Dann gibt es zum tausendsten Mal einen Strafbefehl wegen Unfallflucht gegen einen bisher unauffälligen Rentner, irgendein Student wurde mit einem Joint erwischt oder wieder Mal "Widerstand" gegen Vollstreckungsbeamte, weil sich irgendein völlig Ahnungsloser (und Unschuldiger) nicht von der Polizei auf den Boden drücken lassen wollte. Jobcenterbetrug (Einkommen nicht gemeldet) gegen irgendwelche Minderheiten vom Balkan oder aus arabischen Ländern sind auch nicht gerade spannend. Dafür habe ich nicht studiert und mich durch ein Ref gequält.
Neuerdings darf man auch noch "Hass im Netz" anklagen, weil irgendjemand bei Twitter einen Kommunalpolitiker angefeindet hat (§ 188 StGB !!!!!). Die hiesige Staatsanwaltschaft klagt auch konsequent jedes "Duzen" eine Polizisten als Beleidigung an?! Währenddessen darf man zusehen, wie gewohnheitmäßige Gewalttäter die siebte Bewährungsstrafe bekommen oder Geldstrafen immer schön bei maximal 90 Tagessätzen bleiben.
Allgemein ist man als Staatsanwalt im Gerichtssal nur der Jurist zweiter Klasse. Alles Wichtige macht der Richter. Am besten ist das ein ehemaliger Studien- oder Ref-Kollege. Der entscheidet jetzt alles alleine. Man selbst darf höchstens kurz seine Meinung dazu äußern. In Berufung geht man schon aus Zeitgründen nicht, nur weil das Amtsgericht das angepeilte Strafmaß von 120 auf 60 Tagessätze (kein FZ-Eintrag) halbiert hat.
Du musst in den Sitzungsterminen unsinnige Anklagen deiner Kollegen (und der Amtsanwälte) vertreten. Umgekehrt weißt du nicht bei jeder deiner Akten, was da am Ende herauskommt und was der Sitzungsvertreter für Dummheiten machen wird.
Thematisch nur ein einziges Rechtsgebiet (Strafrecht). Selbst für Strafrechtliebhaber (wie mich) ist das aber nichts, da die Fälle oft juritisch langweilig sind, da man sowieso nur dem BGH nachbetet und weil auch kaum Zeit pro Akte bleibt, um diese anspruchsvoll/sachgerecht zu bearbeiten. Mit rechtsstaatlichen Idealen ist die Praxis bei der StA nicht zu vereinbaren. Das beginnt schon damit, dass Anklage erhoben wird, ohne dass so ganz klar ist, ob der Beschuldigte jemals den Vernehmungsbogen bzw. die polizeiliche Terminbekanntgabe auch erhlten hat (Versand per normaler Post). Oder es wird Anklage gestützt auf einen einzigen Belastungszeugen erhoben, der entweder nur einmalig von der Polizei am Unfallort befragt wurde oder den bis zur Hauptverhandlung überhaupt nie jemand (Polizist, Staatsanwalt, Richter) persönlich gesehen hat (teilweise offensichtliche Freaks).
Wenn manche StA ihre Tätigkeit als "Teamarbeit" bezeichnen, muss ich schmunzeln. Umfeld allgemein wenig inspirierendes Umfeld. Typische Beamten- und Behördenmentalität. Aber noch spießiger, engstirniger und humorloser als anderswo. Teilweise schon ziemliche Soziopathen dabei.
Massenhaft (unsinniger) Papierkram. Akten werden zwischen verschiedenen Behörden hin und her geschickt, ohne dass sich etwas tut. Man ist auf die Kriminalpolizei angewiesen, sie es sich oft zu einfach macht (aber selbst auch nicht genug Zeit und Mittel hat). Die Akten von anderen Behörden (Steuern, Zoll oder Sozialsachen) sind oft extrem schlecht aufbereitet und es fehlen bedeutende Informationen. Allgemein teilweise meterdicke Akten, von deinen nur drei Blattrelevant sind (Wirtschaftssachen!).
Eigene Entfaltung kaum möglich. Dienst immer nach Vorschrift. Extrem viel Bürokratie, über die selbst Sekretäre stöhnen würden. Karrieremäßig kein/kaum Vorankommen möglich. Einsatz und gute Leistung werden nicht honoriert.
Zumindest bei einigen Sachgebieten immer gleiche Standardsachen, die selbst für die Amtsanwälte zu langweilig sind. Dann gibt es zum tausendsten Mal einen Strafbefehl wegen Unfallflucht gegen einen bisher unauffälligen Rentner, irgendein Student wurde mit einem Joint erwischt oder wieder Mal "Widerstand" gegen Vollstreckungsbeamte, weil sich irgendein völlig Ahnungsloser (und Unschuldiger) nicht von der Polizei auf den Boden drücken lassen wollte. Jobcenterbetrug (Einkommen nicht gemeldet) gegen irgendwelche Minderheiten vom Balkan oder aus arabischen Ländern sind auch nicht gerade spannend. Dafür habe ich nicht studiert und mich durch ein Ref gequält.
Neuerdings darf man auch noch "Hass im Netz" anklagen, weil irgendjemand bei Twitter einen Kommunalpolitiker angefeindet hat (§ 188 StGB !!!!!). Die hiesige Staatsanwaltschaft klagt auch konsequent jedes "Duzen" eine Polizisten als Beleidigung an?! Währenddessen darf man zusehen, wie gewohnheitmäßige Gewalttäter die siebte Bewährungsstrafe bekommen oder Geldstrafen immer schön bei maximal 90 Tagessätzen bleiben.
Allgemein ist man als Staatsanwalt im Gerichtssal nur der Jurist zweiter Klasse. Alles Wichtige macht der Richter. Am besten ist das ein ehemaliger Studien- oder Ref-Kollege. Der entscheidet jetzt alles alleine. Man selbst darf höchstens kurz seine Meinung dazu äußern. In Berufung geht man schon aus Zeitgründen nicht, nur weil das Amtsgericht das angepeilte Strafmaß von 120 auf 60 Tagessätze (kein FZ-Eintrag) halbiert hat.
Du musst in den Sitzungsterminen unsinnige Anklagen deiner Kollegen (und der Amtsanwälte) vertreten. Umgekehrt weißt du nicht bei jeder deiner Akten, was da am Ende herauskommt und was der Sitzungsvertreter für Dummheiten machen wird.
Thematisch nur ein einziges Rechtsgebiet (Strafrecht). Selbst für Strafrechtliebhaber (wie mich) ist das aber nichts, da die Fälle oft juritisch langweilig sind, da man sowieso nur dem BGH nachbetet und weil auch kaum Zeit pro Akte bleibt, um diese anspruchsvoll/sachgerecht zu bearbeiten. Mit rechtsstaatlichen Idealen ist die Praxis bei der StA nicht zu vereinbaren. Das beginnt schon damit, dass Anklage erhoben wird, ohne dass so ganz klar ist, ob der Beschuldigte jemals den Vernehmungsbogen bzw. die polizeiliche Terminbekanntgabe auch erhlten hat (Versand per normaler Post). Oder es wird Anklage gestützt auf einen einzigen Belastungszeugen erhoben, der entweder nur einmalig von der Polizei am Unfallort befragt wurde oder den bis zur Hauptverhandlung überhaupt nie jemand (Polizist, Staatsanwalt, Richter) persönlich gesehen hat (teilweise offensichtliche Freaks).
Wenn manche StA ihre Tätigkeit als "Teamarbeit" bezeichnen, muss ich schmunzeln. Umfeld allgemein wenig inspirierendes Umfeld. Typische Beamten- und Behördenmentalität. Aber noch spießiger, engstirniger und humorloser als anderswo. Teilweise schon ziemliche Soziopathen dabei.
04.08.2022, 17:34
(04.08.2022, 17:19)Gast schrieb: Kanzleien/Unternehmen zahlen (deutlich) besser. Sie bieten auch sonstige Annehmlichkeiten (und sei es nur ein Obstkorb und eine Kaffemaschine) und schicke Büros mit moderner Ausstattung. Bei der StAhingegen gibt es ein staubiges und düsteres Büro mit Sperrmüll-Einrichtung irgendwo am Stadtrand. Eine Kantine gibt es nicht. Die nächste Essgelegenheit ist weiter weg. Es gibt nur einen ekligen Münz-Kaffeautomat (bietet auch Gemüsesuppe an). Eine eigene Kaffemaschine darfst du nicht mringen oder musst sie jährlich auf Brandsicherheit prüfen lassen.
Massenhaft (unsinniger) Papierkram. Akten werden zwischen verschiedenen Behörden hin und her geschickt, ohne dass sich etwas tut. Man ist auf die Kriminalpolizei angewiesen, sie es sich oft zu einfach macht (aber selbst auch nicht genug Zeit und Mittel hat). Die Akten von anderen Behörden (Steuern, Zoll oder Sozialsachen) sind oft extrem schlecht aufbereitet und es fehlen bedeutende Informationen. Allgemein teilweise meterdicke Akten, von deinen nur drei Blattrelevant sind (Wirtschaftssachen!).
Eigene Entfaltung kaum möglich. Dienst immer nach Vorschrift. Extrem viel Bürokratie, über die selbst Sekretäre stöhnen würden. Karrieremäßig kein/kaum Vorankommen möglich. Einsatz und gute Leistung werden nicht honoriert.
Zumindest bei einigen Sachgebieten immer gleiche Standardsachen, die selbst für die Amtsanwälte zu langweilig sind. Dann gibt es zum tausendsten Mal einen Strafbefehl wegen Unfallflucht gegen einen bisher unauffälligen Rentner, irgendein Student wurde mit einem Joint erwischt oder wieder Mal "Widerstand" gegen Vollstreckungsbeamte, weil sich irgendein völlig Ahnungsloser (und Unschuldiger) nicht von der Polizei auf den Boden drücken lassen wollte. Jobcenterbetrug (Einkommen nicht gemeldet) gegen irgendwelche Minderheiten vom Balkan oder aus arabischen Ländern sind auch nicht gerade spannend. Dafür habe ich nicht studiert und mich durch ein Ref gequält.
Neuerdings darf man auch noch "Hass im Netz" anklagen, weil irgendjemand bei Twitter einen Kommunalpolitiker angefeindet hat (§ 188 StGB !!!!!). Die hiesige Staatsanwaltschaft klagt auch konsequent jedes "Duzen" eine Polizisten als Beleidigung an?! Währenddessen darf man zusehen, wie gewohnheitmäßige Gewalttäter die siebte Bewährungsstrafe bekommen oder Geldstrafen immer schön bei maximal 90 Tagessätzen bleiben.
Allgemein ist man als Staatsanwalt im Gerichtssal nur der Jurist zweiter Klasse. Alles Wichtige macht der Richter. Am besten ist das ein ehemaliger Studien- oder Ref-Kollege. Der entscheidet jetzt alles alleine. Man selbst darf höchstens kurz seine Meinung dazu äußern. In Berufung geht man schon aus Zeitgründen nicht, nur weil das Amtsgericht das angepeilte Strafmaß von 120 auf 60 Tagessätze (kein FZ-Eintrag) halbiert hat.
Du musst in den Sitzungsterminen unsinnige Anklagen deiner Kollegen (und der Amtsanwälte) vertreten. Umgekehrt weißt du nicht bei jeder deiner Akten, was da am Ende herauskommt und was der Sitzungsvertreter für Dummheiten machen wird.
Thematisch nur ein einziges Rechtsgebiet (Strafrecht). Selbst für Strafrechtliebhaber (wie mich) ist das aber nichts, da die Fälle oft juritisch langweilig sind, da man sowieso nur dem BGH nachbetet und weil auch kaum Zeit pro Akte bleibt, um diese anspruchsvoll/sachgerecht zu bearbeiten. Mit rechtsstaatlichen Idealen ist die Praxis bei der StA nicht zu vereinbaren. Das beginnt schon damit, dass Anklage erhoben wird, ohne dass so ganz klar ist, ob der Beschuldigte jemals den Vernehmungsbogen bzw. die polizeiliche Terminbekanntgabe auch erhlten hat (Versand per normaler Post). Oder es wird Anklage gestützt auf einen einzigen Belastungszeugen erhoben, der entweder nur einmalig von der Polizei am Unfallort befragt wurde oder den bis zur Hauptverhandlung überhaupt nie jemand (Polizist, Staatsanwalt, Richter) persönlich gesehen hat (teilweise offensichtliche Freaks).
Wenn manche StA ihre Tätigkeit als "Teamarbeit" bezeichnen, muss ich schmunzeln. Umfeld allgemein wenig inspirierendes Umfeld. Typische Beamten- und Behördenmentalität. Aber noch spießiger, engstirniger und humorloser als anderswo. Teilweise schon ziemliche Soziopathen dabei.
Oh Gott, du hast einfach den Nagel auf den Kopf getroffen. Danke dafür.
04.08.2022, 17:36
Zitat:Ich fand die Tätigkeit in der Strafstation extrem abschreckend: in den allermeisten Fällen waren die Angeklagten absolute Verlierer der Gesellschaft, die Taten häufig Bagatelle von Vorbestraften. Gleich in der ersten Verhandlung brachte es ein Angeklagter auf den Punkt: "Frau Richterin, raus aus dem Knast, rein in den Knast, das bringt doch nichts." Sinnvoll erschienen die Mittel des Strafrechts in den wenigsten Fällen. Beispiele: 15 jähriger ("Mehmet") hatte zu seinem Erzieher Arschloch gesagt und ein daneben stehender Polizist hatte ihn daraufhin angezeigt; schwerstdrogenabhängiger war mit 0,5gr Haschisch erwischt worden und hatte Pfandflaschen geklaut, mehrfach vorbestrafter war in einem Jahr mehr als 50x beim Schwarzfahren erwischt worden (bin in der Stadt in 4 Jahren keine 3x kontrolliert worden), Vorbestrafter war trotz Hausverbots im Supermarkt usw. Meine Ausbilderin meinte mal zu mir "Man kann der Polizei nicht immer erklären, dass das jetzt keine Straftat ist, da muss man manchmal anklagen."
Witzig. Sowohl das mit der Beleidigung, als auch das mit dem hundertfachen Schwarzfahr (wie kann man so oft kontrolliert werden?) als auch das mit den Drohenabhängigen hatte ich auch gehabt. Da wir nicht in deselben Verhandlungen gewesen sein können, scheint das überall so zu sein. Nur das mit dem Hausverbot hatte ich nicht. Dafür hatte ich: Erkennbar geistig eingeschränkte Frau hustet auf der Straße an der freien Luft ohne Mundschutz herum. Damit hätte sie doch wohl beabsichtigt oder zumindest gebilligt, die wirklich 4 bis 5 Meter entfernt stehenden Passanten mit Corona zu infizieren. Dafür, dass die "Täterin" überhaupt mit Corona infiziert gewesen sein könnte (war sie wohl auch nicht), gab es keinerlei Anhaltspunkte. Der Staatsanwalt (nicht ich) hat aber 6 Monate Freiheitsstrafe wegen gef. KV beantragt. Und die sich aufdrängende geistige Einschränkung der Frau wurde nicht beachtet. Bitte was? Der Strafrichter hat freigesprochen. Bei so einem Unfug zahlt dann die Staatskasse dann die Verfahrenskosten (inklusive Kosten für vom anderen Ende des Landes anreisenden Zeugen) und am besten auch noch einen nur doof rumsitzenden Verteidiger. Von der Zeit- und Ressourcenverschwendung wollen wir nicht reden. Sowas dann als Arbeitsalltag?
Zitat:Kann mich dem Vorpost nur anschließen. Atmospähre bei der StA (NRW) grausam und extrem abschreckend. Akten haben sich überall gestapelt, fast alle schienen gestresst und eher kein freundlicher, kollegialer Umgang (bis auf sehr wenige Ausnahmen). Die Fälle waren überwiegend alle sinnlos und oftmals war das Ergebnis ein Freispruch oder Einstellung. Soweit ich weiß, hat man auch als erfahrener StA auch Sitzungsdienst für diese banalen (und oftmals zeitverschwenderischen) Fälle. Daher ist die Erfahrung aus dem Ref zumindest zum Teil repräsentativ.
Kann ich auch unterschreiben.
04.08.2022, 17:58
(04.08.2022, 17:19)Gast schrieb: Kanzleien/Unternehmen zahlen (deutlich) besser. Sie bieten auch sonstige Annehmlichkeiten (und sei es nur ein Obstkorb und eine Kaffemaschine) und schicke Büros mit moderner Ausstattung. Bei der StAhingegen gibt es ein staubiges und düsteres Büro mit Sperrmüll-Einrichtung irgendwo am Stadtrand. Eine Kantine gibt es nicht. Die nächste Essgelegenheit ist weiter weg. Es gibt nur einen ekligen Münz-Kaffeautomat (bietet auch Gemüsesuppe an). Eine eigene Kaffemaschine darfst du nicht mringen oder musst sie jährlich auf Brandsicherheit prüfen lassen.
Massenhaft (unsinniger) Papierkram. Akten werden zwischen verschiedenen Behörden hin und her geschickt, ohne dass sich etwas tut. Man ist auf die Kriminalpolizei angewiesen, sie es sich oft zu einfach macht (aber selbst auch nicht genug Zeit und Mittel hat). Die Akten von anderen Behörden (Steuern, Zoll oder Sozialsachen) sind oft extrem schlecht aufbereitet und es fehlen bedeutende Informationen. Allgemein teilweise meterdicke Akten, von deinen nur drei Blattrelevant sind (Wirtschaftssachen!).
Eigene Entfaltung kaum möglich. Dienst immer nach Vorschrift. Extrem viel Bürokratie, über die selbst Sekretäre stöhnen würden. Karrieremäßig kein/kaum Vorankommen möglich. Einsatz und gute Leistung werden nicht honoriert.
Zumindest bei einigen Sachgebieten immer gleiche Standardsachen, die selbst für die Amtsanwälte zu langweilig sind. Dann gibt es zum tausendsten Mal einen Strafbefehl wegen Unfallflucht gegen einen bisher unauffälligen Rentner, irgendein Student wurde mit einem Joint erwischt oder wieder Mal "Widerstand" gegen Vollstreckungsbeamte, weil sich irgendein völlig Ahnungsloser (und Unschuldiger) nicht von der Polizei auf den Boden drücken lassen wollte. Jobcenterbetrug (Einkommen nicht gemeldet) gegen irgendwelche Minderheiten vom Balkan oder aus arabischen Ländern sind auch nicht gerade spannend. Dafür habe ich nicht studiert und mich durch ein Ref gequält.
Neuerdings darf man auch noch "Hass im Netz" anklagen, weil irgendjemand bei Twitter einen Kommunalpolitiker angefeindet hat (§ 188 StGB !!!!!). Die hiesige Staatsanwaltschaft klagt auch konsequent jedes "Duzen" eine Polizisten als Beleidigung an?! Währenddessen darf man zusehen, wie gewohnheitmäßige Gewalttäter die siebte Bewährungsstrafe bekommen oder Geldstrafen immer schön bei maximal 90 Tagessätzen bleiben.
Allgemein ist man als Staatsanwalt im Gerichtssal nur der Jurist zweiter Klasse. Alles Wichtige macht der Richter. Am besten ist das ein ehemaliger Studien- oder Ref-Kollege. Der entscheidet jetzt alles alleine. Man selbst darf höchstens kurz seine Meinung dazu äußern. In Berufung geht man schon aus Zeitgründen nicht, nur weil das Amtsgericht das angepeilte Strafmaß von 120 auf 60 Tagessätze (kein FZ-Eintrag) halbiert hat.
Du musst in den Sitzungsterminen unsinnige Anklagen deiner Kollegen (und der Amtsanwälte) vertreten. Umgekehrt weißt du nicht bei jeder deiner Akten, was da am Ende herauskommt und was der Sitzungsvertreter für Dummheiten machen wird.
Thematisch nur ein einziges Rechtsgebiet (Strafrecht). Selbst für Strafrechtliebhaber (wie mich) ist das aber nichts, da die Fälle oft juritisch langweilig sind, da man sowieso nur dem BGH nachbetet und weil auch kaum Zeit pro Akte bleibt, um diese anspruchsvoll/sachgerecht zu bearbeiten. Mit rechtsstaatlichen Idealen ist die Praxis bei der StA nicht zu vereinbaren. Das beginnt schon damit, dass Anklage erhoben wird, ohne dass so ganz klar ist, ob der Beschuldigte jemals den Vernehmungsbogen bzw. die polizeiliche Terminbekanntgabe auch erhlten hat (Versand per normaler Post). Oder es wird Anklage gestützt auf einen einzigen Belastungszeugen erhoben, der entweder nur einmalig von der Polizei am Unfallort befragt wurde oder den bis zur Hauptverhandlung überhaupt nie jemand (Polizist, Staatsanwalt, Richter) persönlich gesehen hat (teilweise offensichtliche Freaks).
Unterschreibe ich insgesamt so. StA ist einfach traurig, dass einzige was dort noch zieht ist der Titel. Der Rest ist Sachbearbeitung auf mäßigem Niveau. Es ist leider Realität, dass man als StA sein Büro, außer für den Sitzungsdienst, nicht verlassen muss/kann. Einfach am Schreibtisch Akte für Akte wegkloppen, Tag für Tag. Dabei werden dann Sachen angeklagt, zB bei der Unfallflucht, da würde der Zivilrichter erstmal n Gutachten anfordern...
Als ich damals bei der StA aufgehört habe, sind innerhalb kurzer Zeit knapp 5 StA gegangen, von Proberichter bis erfahren Dez alles dabei, LostA meinte damals noch, dass es das nie gab, das StA um entlassung bitten, weil ihnen der Job nicht gefällt... Dazu jammern die Älteren , dass alles schlechter wird. Kein Diktat etc mehr möglich, immer höherer Aktendruck, keine richtigen Ermittlungsmöglichkeiten ggü Amazon/Ebay etc., immer mehr Sachbearbeitung wird auf den StA übertragen, Kernarbeitszeiten unbezahlter Eildienst, unterbesetzte Geschäftsstellen etc.
Man muss nur den Brief des GStA von Köln lesen, der zu freiwilliger Arbeit am Samstag bittet, um überhaupt Ordnung in die Bude zu bekommen, dann weiß man was da los ist.
Es sind echt hauptsächlich Leute geblieben, die einen Kinderwunsch haben oder nichts anderes finden (würden).
04.08.2022, 18:07
Lassen einen wenigstens die Vorgesetzten in Ruhe oder nerven die einen auch mit peniblen Korrekturen usw?
Und wie sind die Arbeitszeiten? Homeoffice möglich? Flexible Bürozeiten?
Ich arbeite in einer GK und mich nervt, dass ich ständig ins Büro muss und mein Chef mich ständig zwischen einzelnen Aufgaben hin und her hetzt.
Und wie sind die Arbeitszeiten? Homeoffice möglich? Flexible Bürozeiten?
Ich arbeite in einer GK und mich nervt, dass ich ständig ins Büro muss und mein Chef mich ständig zwischen einzelnen Aufgaben hin und her hetzt.
04.08.2022, 18:27
Dann wechsel die GK oder werde Richter. Staatsanwaltschaft ist (zumindest bei uns in NRW) echt kein Job, den man irgendwem wünscht.
Von peniblen Korrekturen habe ich tatsächlich noch nie gehört. Insgesamt aber natürlich Weisungsgebundenheit. Wenn diese in der Praxis nicht zum Zuge kommt, dann nur, weil sowieso schon alle Schäfchen ganz auf Linie getrimmt sind. Zumindest anfangs musst du auch jeden Entwurf abzeichnen lassen, kannst also nichtmals den hier erwähnten Pfandflaschendiebstahl eigenständig anklagen und wieder wie ein besser bezahlter Referendar.
Und ob due am Dienstag an irgendeinem entlegenenen Amtsgericht den Sitzungsdienst machen musst, erfährst du unter Umständen erst am Montag. Aber auch nur, wenn du dort bist und dein Postfach leerst. Insgesamt schränkt die weitgehende Papiergebundenheit ( zumindest hier bei uns; noch keine Digitalisierung) und enge zeitliche Taktung die Möglichkeit des Homeoffice schon aus praktischen Gründen ein.
Das Richteramt schlägt den Job bei der Staatsanwaltschaft in jeder Hinsicht. Für dich vermutlich besonders interessant dürfte die Unabhängigkeit sein. Staatsanwaltschaft ist nur für diejenigen, die es in das Richteramt nicht geschafft haben. Gegen diese Vorstellung wehren sich manche immer und bezeichnen sie als Irrglauben. Meinem Eindruck nach ist es aber schlichtweg richtig. Wenigste Ausnahme bestätigen wie immer die Regel.
Von peniblen Korrekturen habe ich tatsächlich noch nie gehört. Insgesamt aber natürlich Weisungsgebundenheit. Wenn diese in der Praxis nicht zum Zuge kommt, dann nur, weil sowieso schon alle Schäfchen ganz auf Linie getrimmt sind. Zumindest anfangs musst du auch jeden Entwurf abzeichnen lassen, kannst also nichtmals den hier erwähnten Pfandflaschendiebstahl eigenständig anklagen und wieder wie ein besser bezahlter Referendar.
Und ob due am Dienstag an irgendeinem entlegenenen Amtsgericht den Sitzungsdienst machen musst, erfährst du unter Umständen erst am Montag. Aber auch nur, wenn du dort bist und dein Postfach leerst. Insgesamt schränkt die weitgehende Papiergebundenheit ( zumindest hier bei uns; noch keine Digitalisierung) und enge zeitliche Taktung die Möglichkeit des Homeoffice schon aus praktischen Gründen ein.
Das Richteramt schlägt den Job bei der Staatsanwaltschaft in jeder Hinsicht. Für dich vermutlich besonders interessant dürfte die Unabhängigkeit sein. Staatsanwaltschaft ist nur für diejenigen, die es in das Richteramt nicht geschafft haben. Gegen diese Vorstellung wehren sich manche immer und bezeichnen sie als Irrglauben. Meinem Eindruck nach ist es aber schlichtweg richtig. Wenigste Ausnahme bestätigen wie immer die Regel.
04.08.2022, 19:37
Und was macht bitte ein (Straf-)Richter außer Tag für Tag Akten wegkloppen,wenn er nicht gerade Sitzung hat?
Richter und Staatsanwalt sind eben verschiedene Arbeitsbereiche. Ich würde kein Richter sein wollen (auch wenn es natürlich generell kein schlechter Job ist).
Richter und Staatsanwalt sind eben verschiedene Arbeitsbereiche. Ich würde kein Richter sein wollen (auch wenn es natürlich generell kein schlechter Job ist).
04.08.2022, 19:57
(04.08.2022, 18:27)Gast schrieb: Dann wechsel die GK oder werde Richter. Staatsanwaltschaft ist (zumindest bei uns in NRW) echt kein Job, den man irgendwem wünscht.
Von peniblen Korrekturen habe ich tatsächlich noch nie gehört. Insgesamt aber natürlich Weisungsgebundenheit. Wenn diese in der Praxis nicht zum Zuge kommt, dann nur, weil sowieso schon alle Schäfchen ganz auf Linie getrimmt sind. Zumindest anfangs musst du auch jeden Entwurf abzeichnen lassen, kannst also nichtmals den hier erwähnten Pfandflaschendiebstahl eigenständig anklagen und wieder wie ein besser bezahlter Referendar.
Und ob due am Dienstag an irgendeinem entlegenenen Amtsgericht den Sitzungsdienst machen musst, erfährst du unter Umständen erst am Montag. Aber auch nur, wenn du dort bist und dein Postfach leerst. Insgesamt schränkt die weitgehende Papiergebundenheit ( zumindest hier bei uns; noch keine Digitalisierung) und enge zeitliche Taktung die Möglichkeit des Homeoffice schon aus praktischen Gründen ein.
Das Richteramt schlägt den Job bei der Staatsanwaltschaft in jeder Hinsicht. Für dich vermutlich besonders interessant dürfte die Unabhängigkeit sein. Staatsanwaltschaft ist nur für diejenigen, die es in das Richteramt nicht geschafft haben. Gegen diese Vorstellung wehren sich manche immer und bezeichnen sie als Irrglauben. Meinem Eindruck nach ist es aber schlichtweg richtig. Wenigste Ausnahme bestätigen wie immer die Regel.
Kannst du das noch einmal ausführen?
Hier in Hessen sind Voraussetzung für die Justiz 8.0 Punkte im zweiten Staatsexamen. Da wird notentechnisch nicht differenziert zwischen Richter und StA.