09.03.2021, 15:15
Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
09.03.2021, 20:17
(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich denke, dass überhaupt keine Bindung im Folgeprozess besteht, weil auch die Tatsachenpräklusion nur innerhalb des selben Streitgegenstandes relevant ist. Bei den jeweiligen Teilklagen dürfte es sich aber doch um verschiedene Streitgegenstände handeln, was auch gleichzeitig jede Tatsachenpräklusion ausschließt?
09.03.2021, 20:23
(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich meine wie auch der Vorposter, dass in beiden Beispielen keine Bindungswirkung besteht.
Sowohl beim Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um Vorfragen, die gerade nicht in Rechtskraft erwachsen. Durch das auf die erste Teilklage ergangene Urteil steht rechtskräftig (präjudiziell) nur fest, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000,- € (nicht) zusteht. Dass der Kaufvertrag (nicht) besteht, ist als Vorfrage von der Rechtskraft nicht umfasst und müsste demnach durch Zwischenfeststellungsklage einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zugeführt werden. Selbst im Falle eines entsprechenden Feststellungsurteils in Bezug auf das (Nicht-)Bestehen des Vertragsverhältnisses wäre aber der (potentielle) Auflösungsgrund "Anfechtung wegen arglistiger Täuschung" von der Rechtskraft nicht umfasst, sondern eben nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses.
Wäre allerdings bspw. auf eine Zwischenfeststellungsklage hin das Bestehen des Vertrages rechtskräftig festgestellt, wäre diese Feststellung im Prozess über die zweite Teilklage präjudiziell. Der Beklagte könnte daher das Bestehen des Vertrages nicht mehr infrage stellen, etwa mit dem Anfechungseinwand wegen arglistiger Täuschung. Er könnte sich aber sehr wohl noch auf die arglistige Täuschung berufen, um etwa Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten o.Ä. geltend zu machen, da die arglistige Täuschung selbst von der Rechtskraftwirkung nicht umfasst ist.
(Vgl. zum Ganzen BGH NJW 2017, 893)
Hinzu kommt allerdings in den gewählten Beispielen der bereits vom Vorposter angesprochene zweite Punkt, dass es sich in beiden Beispielen um Teilklagen handelt, bei denen sich der Umfang der Rechtskraft (und damit auch der Präjudizwirkung und Tatsachenpräklusion) auf den eingeklagten Teil beschränkt. Die Rechtskraft von Urteilen über Teilklagen beschränkt sich auf den eingeklagten Teil. In Bezug auf den noch nicht eingeklagten Rest besteht keinerlei Bindung, auch wenn die Zuerkennung des Rests eigentlich nur folgerichtig wäre. Die Rechtskraft umfasst nicht die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe.
(Vgl. hierzu BGH NJW 1985, 1340).
Wirklich zwingend ist dieses Verständnis - mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff - aber zugegeben nicht. So geht etwa das BAG davon aus, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (NZA 2017, 593 Rn. 40).
09.03.2021, 20:46
(09.03.2021, 20:23)Landvogt schrieb:(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich meine wie auch der Vorposter, dass in beiden Beispielen keine Bindungswirkung besteht.
Sowohl beim Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um Vorfragen, die gerade nicht in Rechtskraft erwachsen. Durch das auf die erste Teilklage ergangene Urteil steht rechtskräftig (präjudiziell) nur fest, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000,- € (nicht) zusteht. Dass der Kaufvertrag (nicht) besteht, ist als Vorfrage von der Rechtskraft nicht umfasst und müsste demnach durch Zwischenfeststellungsklage einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zugeführt werden. Selbst im Falle eines entsprechenden Feststellungsurteils in Bezug auf das (Nicht-)Bestehen des Vertragsverhältnisses wäre aber der (potentielle) Auflösungsgrund "Anfechtung wegen arglistiger Täuschung" von der Rechtskraft nicht umfasst, sondern eben nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses.
Wäre allerdings bspw. auf eine Zwischenfeststellungsklage hin das Bestehen des Vertrages rechtskräftig festgestellt, wäre diese Feststellung im Prozess über die zweite Teilklage präjudiziell. Der Beklagte könnte daher das Bestehen des Vertrages nicht mehr infrage stellen, etwa mit dem Anfechungseinwand wegen arglistiger Täuschung. Er könnte sich aber sehr wohl noch auf die arglistige Täuschung berufen, um etwa Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten o.Ä. geltend zu machen, da die arglistige Täuschung selbst von der Rechtskraftwirkung nicht umfasst ist.
(Vgl. zum Ganzen BGH NJW 2017, 893)
Hinzu kommt allerdings in den gewählten Beispielen der bereits vom Vorposter angesprochene zweite Punkt, dass es sich in beiden Beispielen um Teilklagen handelt, bei denen sich der Umfang der Rechtskraft (und damit auch der Präjudizwirkung und Tatsachenpräklusion) auf den eingeklagten Teil beschränkt. Die Rechtskraft von Urteilen über Teilklagen beschränkt sich auf den eingeklagten Teil. In Bezug auf den noch nicht eingeklagten Rest besteht keinerlei Bindung, auch wenn die Zuerkennung des Rests eigentlich nur folgerichtig wäre. Die Rechtskraft umfasst nicht die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe.
(Vgl. hierzu BGH NJW 1985, 1340).
Wirklich zwingend ist dieses Verständnis - mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff - aber zugegeben nicht. So geht etwa das BAG davon aus, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (NZA 2017, 593 Rn. 40).
Ritterschlag, wenn der Landvogt einem zustimmt. Der Thread kann dann zu.
Aber noch zur Ergänzung deines letzten Punktes: Die Aussage, dass bei klageabweisenden Urteilen stets der ausschlaggebende Abweisungsgrund mit in Rechtskraft erwächst, habe ich bisher immer so verstanden, dass beispielsweise bei abgewiesenen Zahlungsklage in Rechtskraft erwächst, dass der geltend gemacht Anspruch nicht besteht. Diese Auffassung gerät ja aber in keinen Konflikt mit den sonstigen Grundsätzen zur Rechtskraft, weil spiegelbildlich bei stattgebenden Klage zugleich rechtskräftig feststeht, dass der Anspruch besteht (das Bestehen des Anspruchs also selbstverständlich keine bloße Vorfrage des stattgebenden Urteils ist). Oder denkst du, dass "ausschlaggebender Abweisungsgrund" weiter zu verstehen ist (z.B. im Sinne des Nichtbestehens des Kaufvertrags)?
09.03.2021, 20:53
(09.03.2021, 20:23)Landvogt schrieb:(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich meine wie auch der Vorposter, dass in beiden Beispielen keine Bindungswirkung besteht.
Sowohl beim Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um Vorfragen, die gerade nicht in Rechtskraft erwachsen. Durch das auf die erste Teilklage ergangene Urteil steht rechtskräftig (präjudiziell) nur fest, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000,- € (nicht) zusteht. Dass der Kaufvertrag (nicht) besteht, ist als Vorfrage von der Rechtskraft nicht umfasst und müsste demnach durch Zwischenfeststellungsklage einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zugeführt werden. Selbst im Falle eines entsprechenden Feststellungsurteils in Bezug auf das (Nicht-)Bestehen des Vertragsverhältnisses wäre aber der (potentielle) Auflösungsgrund "Anfechtung wegen arglistiger Täuschung" von der Rechtskraft nicht umfasst, sondern eben nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses.
Wäre allerdings bspw. auf eine Zwischenfeststellungsklage hin das Bestehen des Vertrages rechtskräftig festgestellt, wäre diese Feststellung im Prozess über die zweite Teilklage präjudiziell. Der Beklagte könnte daher das Bestehen des Vertrages nicht mehr infrage stellen, etwa mit dem Anfechungseinwand wegen arglistiger Täuschung. Er könnte sich aber sehr wohl noch auf die arglistige Täuschung berufen, um etwa Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten o.Ä. geltend zu machen, da die arglistige Täuschung selbst von der Rechtskraftwirkung nicht umfasst ist.
(Vgl. zum Ganzen BGH NJW 2017, 893)
Hinzu kommt allerdings in den gewählten Beispielen der bereits vom Vorposter angesprochene zweite Punkt, dass es sich in beiden Beispielen um Teilklagen handelt, bei denen sich der Umfang der Rechtskraft (und damit auch der Präjudizwirkung und Tatsachenpräklusion) auf den eingeklagten Teil beschränkt. Die Rechtskraft von Urteilen über Teilklagen beschränkt sich auf den eingeklagten Teil. In Bezug auf den noch nicht eingeklagten Rest besteht keinerlei Bindung, auch wenn die Zuerkennung des Rests eigentlich nur folgerichtig wäre. Die Rechtskraft umfasst nicht die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe.
(Vgl. hierzu BGH NJW 1985, 1340).
Wirklich zwingend ist dieses Verständnis - mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff - aber zugegeben nicht. So geht etwa das BAG davon aus, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (NZA 2017, 593 Rn. 40).
Vielen Dank für den Aufwand, denn du dir gemacht hast. Ich glaube ich habe dann vieles noch nicht verstanden. Mein Gedanke war, dass sich der Kaufvertrag nicht aufspalten lässt, sodass das Gericht auch im Folgeprozess vom Bestehen des Kaufvertrages ausgehen muss, da es der Entscheidung im Ausgangsprozess anderenfalls die Grundlage nehmen muss. Wenn ich euch beide aber richtig verstanden habe, wird im Ausgangsprozess nur rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch aus 10.000 Euro hat; die präjudizierte Vorfrage würde sich auch nur auf den Abschluss des Kaufvertrages über 10.000 Euro beziehen. Das würde für mich dann auch Sinn ergeben, da das Ausgangsgericht ja nur prüfen darf, ob der Kläger einen Anspruch über 10.000 Euro aus Kaufvertrag hat; § 308 Abs. 1 ZPO. Es kann also überhaupt nicht feststellen, dass ein Kaufvertrag über 20.000 Euro geschlossen wurde; es sei denn natürlich es wird Zwischenfeststellungsklage erhoben, was ich aber aus Sicht des Klägers wegen dann fehlenden Feststellungsinteresse schwierig finden würde.
09.03.2021, 20:53
(09.03.2021, 20:17)Gast schrieb:(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich denke, dass überhaupt keine Bindung im Folgeprozess besteht, weil auch die Tatsachenpräklusion nur innerhalb des selben Streitgegenstandes relevant ist. Bei den jeweiligen Teilklagen dürfte es sich aber doch um verschiedene Streitgegenstände handeln, was auch gleichzeitig jede Tatsachenpräklusion ausschließt?
Auch dir vielen Dank
09.03.2021, 21:02
(09.03.2021, 20:53)Gast schrieb:(09.03.2021, 20:23)Landvogt schrieb:(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich meine wie auch der Vorposter, dass in beiden Beispielen keine Bindungswirkung besteht.
Sowohl beim Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um Vorfragen, die gerade nicht in Rechtskraft erwachsen. Durch das auf die erste Teilklage ergangene Urteil steht rechtskräftig (präjudiziell) nur fest, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000,- € (nicht) zusteht. Dass der Kaufvertrag (nicht) besteht, ist als Vorfrage von der Rechtskraft nicht umfasst und müsste demnach durch Zwischenfeststellungsklage einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zugeführt werden. Selbst im Falle eines entsprechenden Feststellungsurteils in Bezug auf das (Nicht-)Bestehen des Vertragsverhältnisses wäre aber der (potentielle) Auflösungsgrund "Anfechtung wegen arglistiger Täuschung" von der Rechtskraft nicht umfasst, sondern eben nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses.
Wäre allerdings bspw. auf eine Zwischenfeststellungsklage hin das Bestehen des Vertrages rechtskräftig festgestellt, wäre diese Feststellung im Prozess über die zweite Teilklage präjudiziell. Der Beklagte könnte daher das Bestehen des Vertrages nicht mehr infrage stellen, etwa mit dem Anfechungseinwand wegen arglistiger Täuschung. Er könnte sich aber sehr wohl noch auf die arglistige Täuschung berufen, um etwa Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten o.Ä. geltend zu machen, da die arglistige Täuschung selbst von der Rechtskraftwirkung nicht umfasst ist.
(Vgl. zum Ganzen BGH NJW 2017, 893)
Hinzu kommt allerdings in den gewählten Beispielen der bereits vom Vorposter angesprochene zweite Punkt, dass es sich in beiden Beispielen um Teilklagen handelt, bei denen sich der Umfang der Rechtskraft (und damit auch der Präjudizwirkung und Tatsachenpräklusion) auf den eingeklagten Teil beschränkt. Die Rechtskraft von Urteilen über Teilklagen beschränkt sich auf den eingeklagten Teil. In Bezug auf den noch nicht eingeklagten Rest besteht keinerlei Bindung, auch wenn die Zuerkennung des Rests eigentlich nur folgerichtig wäre. Die Rechtskraft umfasst nicht die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe.
(Vgl. hierzu BGH NJW 1985, 1340).
Wirklich zwingend ist dieses Verständnis - mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff - aber zugegeben nicht. So geht etwa das BAG davon aus, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (NZA 2017, 593 Rn. 40).
Vielen Dank für den Aufwand, denn du dir gemacht hast. Ich glaube ich habe dann vieles noch nicht verstanden. Mein Gedanke war, dass sich der Kaufvertrag nicht aufspalten lässt, sodass das Gericht auch im Folgeprozess vom Bestehen des Kaufvertrages ausgehen muss, da es der Entscheidung im Ausgangsprozess anderenfalls die Grundlage nehmen muss. Wenn ich euch beide aber richtig verstanden habe, wird im Ausgangsprozess nur rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch aus 10.000 Euro hat; die präjudizierte Vorfrage würde sich auch nur auf den Abschluss des Kaufvertrages über 10.000 Euro beziehen. Das würde für mich dann auch Sinn ergeben, da das Ausgangsgericht ja nur prüfen darf, ob der Kläger einen Anspruch über 10.000 Euro aus Kaufvertrag hat; § 308 Abs. 1 ZPO. Es kann also überhaupt nicht feststellen, dass ein Kaufvertrag über 20.000 Euro geschlossen wurde; es sei denn natürlich es wird Zwischenfeststellungsklage erhoben, was ich aber aus Sicht des Klägers wegen dann fehlenden Feststellungsinteresse schwierig finden würde.
Das hat nicht zwingend etwas mit Unverständnis zu tun, bei der Teilklage ist ja nicht ohne Grund vieles umstritten. Die hier dargestellte Ansicht entspricht aber eben der Rspr. Du kannst dir leicht einen Überblick verschaffen, indem du allgemein zur Teilklage und deren Rechtskraftwirkung recherchierst. Mit Tatsachenpräklusion hat das zunächst erst einmal gar nichts zu tun. Die interessiert wie gesagt erst bei Tatsachenvortrag innerhalb eines Streitgegenstands.
Das schöne ist aber, dass man sich hier die Rspr. ganz leicht merken kann, weil sie den Streitgegenstand und somit auch die Rechtskraftwirkung der Teilklage (egal ob offen oder verdeckt) denkbar eng begreift.
War jetzt nur aus dem Kopf runtergetippt, aber der Landvogt wird mich sicher korrigieren, falls ich mich irren sollte.
09.03.2021, 21:07
(09.03.2021, 21:02)Gästle schrieb:(09.03.2021, 20:53)Gast schrieb:(09.03.2021, 20:23)Landvogt schrieb:(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich meine wie auch der Vorposter, dass in beiden Beispielen keine Bindungswirkung besteht.
Sowohl beim Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um Vorfragen, die gerade nicht in Rechtskraft erwachsen. Durch das auf die erste Teilklage ergangene Urteil steht rechtskräftig (präjudiziell) nur fest, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000,- € (nicht) zusteht. Dass der Kaufvertrag (nicht) besteht, ist als Vorfrage von der Rechtskraft nicht umfasst und müsste demnach durch Zwischenfeststellungsklage einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zugeführt werden. Selbst im Falle eines entsprechenden Feststellungsurteils in Bezug auf das (Nicht-)Bestehen des Vertragsverhältnisses wäre aber der (potentielle) Auflösungsgrund "Anfechtung wegen arglistiger Täuschung" von der Rechtskraft nicht umfasst, sondern eben nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses.
Wäre allerdings bspw. auf eine Zwischenfeststellungsklage hin das Bestehen des Vertrages rechtskräftig festgestellt, wäre diese Feststellung im Prozess über die zweite Teilklage präjudiziell. Der Beklagte könnte daher das Bestehen des Vertrages nicht mehr infrage stellen, etwa mit dem Anfechungseinwand wegen arglistiger Täuschung. Er könnte sich aber sehr wohl noch auf die arglistige Täuschung berufen, um etwa Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten o.Ä. geltend zu machen, da die arglistige Täuschung selbst von der Rechtskraftwirkung nicht umfasst ist.
(Vgl. zum Ganzen BGH NJW 2017, 893)
Hinzu kommt allerdings in den gewählten Beispielen der bereits vom Vorposter angesprochene zweite Punkt, dass es sich in beiden Beispielen um Teilklagen handelt, bei denen sich der Umfang der Rechtskraft (und damit auch der Präjudizwirkung und Tatsachenpräklusion) auf den eingeklagten Teil beschränkt. Die Rechtskraft von Urteilen über Teilklagen beschränkt sich auf den eingeklagten Teil. In Bezug auf den noch nicht eingeklagten Rest besteht keinerlei Bindung, auch wenn die Zuerkennung des Rests eigentlich nur folgerichtig wäre. Die Rechtskraft umfasst nicht die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe.
(Vgl. hierzu BGH NJW 1985, 1340).
Wirklich zwingend ist dieses Verständnis - mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff - aber zugegeben nicht. So geht etwa das BAG davon aus, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (NZA 2017, 593 Rn. 40).
Vielen Dank für den Aufwand, denn du dir gemacht hast. Ich glaube ich habe dann vieles noch nicht verstanden. Mein Gedanke war, dass sich der Kaufvertrag nicht aufspalten lässt, sodass das Gericht auch im Folgeprozess vom Bestehen des Kaufvertrages ausgehen muss, da es der Entscheidung im Ausgangsprozess anderenfalls die Grundlage nehmen muss. Wenn ich euch beide aber richtig verstanden habe, wird im Ausgangsprozess nur rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch aus 10.000 Euro hat; die präjudizierte Vorfrage würde sich auch nur auf den Abschluss des Kaufvertrages über 10.000 Euro beziehen. Das würde für mich dann auch Sinn ergeben, da das Ausgangsgericht ja nur prüfen darf, ob der Kläger einen Anspruch über 10.000 Euro aus Kaufvertrag hat; § 308 Abs. 1 ZPO. Es kann also überhaupt nicht feststellen, dass ein Kaufvertrag über 20.000 Euro geschlossen wurde; es sei denn natürlich es wird Zwischenfeststellungsklage erhoben, was ich aber aus Sicht des Klägers wegen dann fehlenden Feststellungsinteresse schwierig finden würde.
Das hat nicht zwingend etwas mit Unverständnis zu tun, bei der Teilklage ist ja nicht ohne Grund vieles umstritten. Die hier dargestellte Ansicht entspricht aber eben der Rspr. Du kannst dir leicht einen Überblick verschaffen, indem du allgemein zur Teilklage und deren Rechtskraftwirkung recherchierst. Mit Tatsachenpräklusion hat das zunächst erst einmal gar nichts zu tun. Die interessiert wie gesagt erst bei Tatsachenvortrag innerhalb eines Streitgegenstands.
Das schöne ist aber, dass man sich hier die Rspr. ganz leicht merken kann, weil sie den Streitgegenstand und somit auch die Rechtskraftwirkung der Teilklage (egal ob offen oder verdeckt) denkbar eng begreift.
War jetzt nur aus dem Kopf runtergetippt, aber der Landvogt wird mich sicher korrigieren, falls ich mich irren sollte.
Vielen Dank, dann schau ich mir das mit der Teilklage nochmal genauer an.
10.03.2021, 00:31
(09.03.2021, 20:46)Gästle schrieb:(09.03.2021, 20:23)Landvogt schrieb:(09.03.2021, 15:15)Gast schrieb: Hallo Leute
mit folgendem Problem komme ich alleine nicht mehr weiter, sodass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich habe mir das mit der Tatsachenpräklusion (Präjudizialität) so gemerkt, dass Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, der sich nicht mit dem Ergebnis der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über den Streitgegenstand verträgt, sprich im Widerspruch zu dieser steht. In folgenden Beispielen habe ich allerdings Schwierigkeiten:
Beispiel 1: Der Kläger macht im Wege der Teilklage einen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.000 Euro (aus 20.000 Euro) aus Kaufvertrag geltend. Der Abschluss des Kauvertrages wird vom Beklagten nicht bestritten. Er behauptet allerdings, dass der Kläger ihn bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht habe. Der Kläger dringt mit seiner Teilklage nicht durch, da das Gericht von der arglistigen Täuschung überzeugt ist.
Soweit ich es richtig verstanden habe, wäre Vorfrage lediglich der Abschluss des Kaufvertrages. Dieser wurde vom Beklagten nicht bestritten. Hieran wäre das Gericht gebunden, wenn der Kläger in einem weiteren Prozess versuchen würde, zumindest den Restbetrag, also die restlichen 10.000 Euro geltend zu machen. Der Beklagte wäre demnach mit der Behauptung ausgeschlossen, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist. An die Einwendung der arglistigen Täuschung, den das Gericht des vorangegangenen Prozesses anerkannt hat, wäre das Gericht im Folgeprozess demgegenüber nicht gebunden. Es könnte das mit der arglistigen Täuschung also auch anders sehen und dem Kläger die 10.000 Euro zusprechen; in der Praxis wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Ist das so richtig und kann der Beklagte diese Möglichkeit nur ausschließen, in dem er im Ursprungsprozess die Zwischenfeststellungsklage erhebt?
Beispiel 2: Diesmal dringt der Kläger durch.
Wäre das Gericht nun daran gebunden, dass das Gericht im ersten Prozess die Einwendung der Anfechtung nicht durchgreifen hat lassen, sodass die Einwendung des Beklagten wegen der Anfechtung präkludiert wäre? Ich würde sagen, ja, da die Entscheidung andernfalls im Widerspruch zu den in der ersten Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen Streitgegenstand stehen würde.
Ich meine wie auch der Vorposter, dass in beiden Beispielen keine Bindungswirkung besteht.
Sowohl beim Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um Vorfragen, die gerade nicht in Rechtskraft erwachsen. Durch das auf die erste Teilklage ergangene Urteil steht rechtskräftig (präjudiziell) nur fest, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000,- € (nicht) zusteht. Dass der Kaufvertrag (nicht) besteht, ist als Vorfrage von der Rechtskraft nicht umfasst und müsste demnach durch Zwischenfeststellungsklage einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zugeführt werden. Selbst im Falle eines entsprechenden Feststellungsurteils in Bezug auf das (Nicht-)Bestehen des Vertragsverhältnisses wäre aber der (potentielle) Auflösungsgrund "Anfechtung wegen arglistiger Täuschung" von der Rechtskraft nicht umfasst, sondern eben nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses.
Wäre allerdings bspw. auf eine Zwischenfeststellungsklage hin das Bestehen des Vertrages rechtskräftig festgestellt, wäre diese Feststellung im Prozess über die zweite Teilklage präjudiziell. Der Beklagte könnte daher das Bestehen des Vertrages nicht mehr infrage stellen, etwa mit dem Anfechungseinwand wegen arglistiger Täuschung. Er könnte sich aber sehr wohl noch auf die arglistige Täuschung berufen, um etwa Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten o.Ä. geltend zu machen, da die arglistige Täuschung selbst von der Rechtskraftwirkung nicht umfasst ist.
(Vgl. zum Ganzen BGH NJW 2017, 893)
Hinzu kommt allerdings in den gewählten Beispielen der bereits vom Vorposter angesprochene zweite Punkt, dass es sich in beiden Beispielen um Teilklagen handelt, bei denen sich der Umfang der Rechtskraft (und damit auch der Präjudizwirkung und Tatsachenpräklusion) auf den eingeklagten Teil beschränkt. Die Rechtskraft von Urteilen über Teilklagen beschränkt sich auf den eingeklagten Teil. In Bezug auf den noch nicht eingeklagten Rest besteht keinerlei Bindung, auch wenn die Zuerkennung des Rests eigentlich nur folgerichtig wäre. Die Rechtskraft umfasst nicht die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe.
(Vgl. hierzu BGH NJW 1985, 1340).
Wirklich zwingend ist dieses Verständnis - mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff - aber zugegeben nicht. So geht etwa das BAG davon aus, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (NZA 2017, 593 Rn. 40).
Ritterschlag, wenn der Landvogt einem zustimmt. Der Thread kann dann zu.
Aber noch zur Ergänzung deines letzten Punktes: Die Aussage, dass bei klageabweisenden Urteilen stets der ausschlaggebende Abweisungsgrund mit in Rechtskraft erwächst, habe ich bisher immer so verstanden, dass beispielsweise bei abgewiesenen Zahlungsklage in Rechtskraft erwächst, dass der geltend gemacht Anspruch nicht besteht. Diese Auffassung gerät ja aber in keinen Konflikt mit den sonstigen Grundsätzen zur Rechtskraft, weil spiegelbildlich bei stattgebenden Klage zugleich rechtskräftig feststeht, dass der Anspruch besteht (das Bestehen des Anspruchs also selbstverständlich keine bloße Vorfrage des stattgebenden Urteils ist). Oder denkst du, dass "ausschlaggebender Abweisungsgrund" weiter zu verstehen ist (z.B. im Sinne des Nichtbestehens des Kaufvertrags)?
Sehr guter und berechtigter Einwand.
Ich habe mir nochmal ein paar Entscheidungen des BAG und BGH angeschaut und bin gerade selbst etwas ins Rätseln gekommen über die Bedeutung des "ausschlaggebenden Abweisungsgrundes".
Die Formulierung erscheint auch in der Rspr des BGH (NJW 1993, 3204, 3205); seine Schlussfolgerung in der genannten Entscheidung ist dann aber - wie von dir dargestellt - nur, dass im Falle der Abweisung eines Zahlungsanspruchs in Rechtskraft erwächst, dass der Kl. am Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess gegen den Bekl. keinen Zahlungsanspruch hatte. Das erschöpft sich nach meinem Verständnis aber in der Feststellung, dass der Tenor eines abweisenden Urteils unter Zuhilfenahme der Entscheidungsgründe auszulegen ist.
Das BAG scheint hier allerdings ein weiteres Verständnis zugrunde zu legen (vgl. NZA 2014, 653 Rn. 29, 30). In der genannten Entscheidung hält das BAG zunächst fest, dass auch der ausschlaggebende Abweisungsgrund an der Rechtskraft teilnimmt. Als ausschlaggebenden Abweisungsgrund für den im Vorprozess verfolgten Beschäftigungsanspruch nennt es dann, dass der Anspruch durch eine Änderungskündigung entfallen ist. Nach der (in der BAG-Entscheidung übrigens zitierten) Rspr des BGH dürfte aber mit der Abweisung der Beschäftigungsklage präjudiziell nur feststehen, dass ein Beschäftigungsanspruch am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bestand. Warum der Anspruch nicht bestand, wäre hierzu lediglich eine Vorfrage.