15.06.2022, 14:44
(15.06.2022, 14:09)Gast schrieb: Das zweite Examen stellt nach dem ersten Examen keine Kompetenzen mehr unter Beweis. Hier siegt nur, wer einfach gut geübt hat (was ihm aber für die Praxis kaum was bringt). Mit wirklichen Akten zu arbeiten, darauf bereiten einen die Fake-Akten aus dem zweiten Examen dann auch nicht vor.
Meiner Meinung nach ist das zweite Examen nur optisch gesehen näher an der Praxis. Und wegen dem bischen ZPO (was einem je nach Gericht/Kanzlei aber nichts bringt).
Ich sehe das ganz anders. Vielmehr empfand ich das erste Examen als Idiotentest. Du bekommst einen komplett aufgeklärten Sachverhalt, um dann aus dem Kopf irgendwelche Streitigkeiten herunterzuschreiben, die in der Praxis niemand interessieren. Wenn du Glück hast, hattest du das Schema zum Klausurproblem im Kopf, wenn nicht, hattest du Pech.
Im zweiten Examen hat es allein durch die Nutzung der Kommentare stark entzerrt, weil man einzelne Dinge einfach nachschlagen konnte, statt sie auswendig können zu müssen. Dazu eben die Arbeit mit unklaren Sachverhalten und das Lösen vieler Streitigkeiten über die Darlegungs- und Beweislastverteilung. Das sind auch die Fragen, die sich mit in der Praxis stellen, wenn ich mich mit einem Problem beschäftige; nicht ob irgendein Prof dazu mal betrunken eine Mindermeinung geschrieben hat, sondern wer trägt hier überhaupt die Beweislast und muss ich mich damit beschäftigen oder nicht.
15.06.2022, 20:14
Ich denke, man muss auch bedenken, dass beide Examina nur eine Art "Simulation" der juristischen Arbeit darstellen.
Im Ersten Examen wird v.a. Wissen abgeprüft, was durchaus auch wichtige Grundlagen beinhalten - jedoch auch viel zu detaillierte Probleme/Meinungsstreitigkeiten.
Ich stimme insoweit zu, dass im Zweiten Examen man auch nur simulierte Akten hat und es in der Praxis noch ganz anders abläuft (am PC schreiben, Formalia sind bereits als Vorlagen enthalten etc.).
Dennoch finde ich, dass das Zweite näher an der Praxis dran ist und damit auch für die spätere Arbeit, egal in welchem Bereich, relevanter ist.
Ob man tatsächlich später noch so arbeitet wie in den Klausuren steht auf einem anderen Blatt. Wie bereits mehrfach gesagt, sollte man auch das Ordnen des Sachverhalts, Filtern und Differenzieren von Streitigem/Unstreitigem, schnelles Auffinden von Problemen, Kommentar-Arbeit, Ergebnisorientierung usw. nicht unterbewerten: Das sind alles Aspekte, die man sowohl als Richter, StA als auch Rechtsanwalt mehr oder weniger braucht. Zumindest mit Blick auf das juristische Handwerkszeug.
Dass sich schlussendlich jeder spezialisiert auf bestimmte Bereiche und es im echten Job anders abläuft als in der "Examens-Welt"/Studium, ist nicht jura-typisch. Das gibt es in jedem Fach.
Ich denke, die Examina prüfen primär ab, ob jemand das juristische Handwerkszeug beherrscht und wie mit unbekannten Problemen in sehr kurzer Zeit umgegangen wird. Sozusagen ein sprichwörtlicher Stresstest.
Insofern simuliert das Zweite Examen diese Arbeit finde ich noch besser als das Erste.
P.S.: Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das ganze System reformbedürftig ist. Schlussendlich zählen alle (praktischen) Leistungen im Referendariat (wo durchaus "richtig praxisnah" gearbeitet wird) überhaupt nicht in die Gesamtnote rein.
Im Ersten Examen wird v.a. Wissen abgeprüft, was durchaus auch wichtige Grundlagen beinhalten - jedoch auch viel zu detaillierte Probleme/Meinungsstreitigkeiten.
Ich stimme insoweit zu, dass im Zweiten Examen man auch nur simulierte Akten hat und es in der Praxis noch ganz anders abläuft (am PC schreiben, Formalia sind bereits als Vorlagen enthalten etc.).
Dennoch finde ich, dass das Zweite näher an der Praxis dran ist und damit auch für die spätere Arbeit, egal in welchem Bereich, relevanter ist.
Ob man tatsächlich später noch so arbeitet wie in den Klausuren steht auf einem anderen Blatt. Wie bereits mehrfach gesagt, sollte man auch das Ordnen des Sachverhalts, Filtern und Differenzieren von Streitigem/Unstreitigem, schnelles Auffinden von Problemen, Kommentar-Arbeit, Ergebnisorientierung usw. nicht unterbewerten: Das sind alles Aspekte, die man sowohl als Richter, StA als auch Rechtsanwalt mehr oder weniger braucht. Zumindest mit Blick auf das juristische Handwerkszeug.
Dass sich schlussendlich jeder spezialisiert auf bestimmte Bereiche und es im echten Job anders abläuft als in der "Examens-Welt"/Studium, ist nicht jura-typisch. Das gibt es in jedem Fach.
Ich denke, die Examina prüfen primär ab, ob jemand das juristische Handwerkszeug beherrscht und wie mit unbekannten Problemen in sehr kurzer Zeit umgegangen wird. Sozusagen ein sprichwörtlicher Stresstest.
Insofern simuliert das Zweite Examen diese Arbeit finde ich noch besser als das Erste.
P.S.: Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das ganze System reformbedürftig ist. Schlussendlich zählen alle (praktischen) Leistungen im Referendariat (wo durchaus "richtig praxisnah" gearbeitet wird) überhaupt nicht in die Gesamtnote rein.
15.06.2022, 20:21
Nachtrag: Auch die Kommentar-Arbeit bedeutet nicht, dass man einfach abschreibt. Vielmehr bringt es einem in der Klausur nichts, wenn im Habersack o.ä. steht, "§§ ist unwirksam". Auf die Argumentation muss man grundsätzlich ganz allein kommen.
Insofern würde ich dem widersprechen, dass das Zweite Examen inhaltlich "einfacher" ist. Es ist schlussendlich die Fortsetzung des Wissens des Ersten Examens. Zwar fallen ein paar Dinge weg (Meinungsstreits), jedoch kommen auch viele Dinge hinzu.
Zudem kamen in meinen Examensklausuren (im Zweiten) durchgängig nur Themen dran, die man grundsätzlich zum ersten Mal in der Prüfung gehört hat. Hier ist v.a. Verständnis- und Zusammenhangswissen maßgeblich und den Fall lösen (ohne Probleme "zu schaffen").
Darauf kommt es in der Praxis ebenso an - für die Parteien, den Mandanten,...
Insofern würde ich dem widersprechen, dass das Zweite Examen inhaltlich "einfacher" ist. Es ist schlussendlich die Fortsetzung des Wissens des Ersten Examens. Zwar fallen ein paar Dinge weg (Meinungsstreits), jedoch kommen auch viele Dinge hinzu.
Zudem kamen in meinen Examensklausuren (im Zweiten) durchgängig nur Themen dran, die man grundsätzlich zum ersten Mal in der Prüfung gehört hat. Hier ist v.a. Verständnis- und Zusammenhangswissen maßgeblich und den Fall lösen (ohne Probleme "zu schaffen").
Darauf kommt es in der Praxis ebenso an - für die Parteien, den Mandanten,...
15.06.2022, 23:10
18.06.2022, 16:22
Nach Lesen dieses Threads scheint es sich hier um eine Gruppe von Referendaren zu handeln, welche sich gegenseitig die Angst vor dem 2. Examen nehmen sollen, indem sie ihr tolles Erstes StEx beweihräuchern und die Relevanz des Zweiten klein reden.
Bei uns, MC-Kanzlei, schauen wir (v. A. der Partner) mehr auf das Zweite Examen. Es ist (1) Aktueller, (2) Praxisnäher und (3) sagt mehr als das Erste Examen über die praktische Arbeitsfähigkeit aus. Das heißt nicht, dass das Erste unwichtig ist. Jedoch sieht eine starke Verschlechterung im Zweiten für uns danach aus, als wäre der Bewerber „akademischer“, eine Verbesserung im Zweiten unterstreicht hingegen die praktischen Stärken des Bewerbers.
Bei uns, MC-Kanzlei, schauen wir (v. A. der Partner) mehr auf das Zweite Examen. Es ist (1) Aktueller, (2) Praxisnäher und (3) sagt mehr als das Erste Examen über die praktische Arbeitsfähigkeit aus. Das heißt nicht, dass das Erste unwichtig ist. Jedoch sieht eine starke Verschlechterung im Zweiten für uns danach aus, als wäre der Bewerber „akademischer“, eine Verbesserung im Zweiten unterstreicht hingegen die praktischen Stärken des Bewerbers.
18.06.2022, 17:58
(18.06.2022, 16:22)RAlol schrieb: Nach Lesen dieses Threads scheint es sich hier um eine Gruppe von Referendaren zu handeln, welche sich gegenseitig die Angst vor dem 2. Examen nehmen sollen, indem sie ihr tolles Erstes StEx beweihräuchern und die Relevanz des Zweiten klein reden.Ich weiß ja nicht, aus welcher Praxisgruppe diese Einzelerfahrung stammt, aber viele Großkanzlei-Bereiche werden vom 2. Examen genauso wenig abgebildet wie vom 1. Examen.
Bei uns, MC-Kanzlei, schauen wir (v. A. der Partner) mehr auf das Zweite Examen. Es ist (1) Aktueller, (2) Praxisnäher und (3) sagt mehr als das Erste Examen über die praktische Arbeitsfähigkeit aus. Das heißt nicht, dass das Erste unwichtig ist. Jedoch sieht eine starke Verschlechterung im Zweiten für uns danach aus, als wäre der Bewerber „akademischer“, eine Verbesserung im Zweiten unterstreicht hingegen die praktischen Stärken des Bewerbers.
Von Litigation (und sonstigen streitigen Mandaten) einmal abgesehen braucht man prozessuale Kenntnisse in Großkanzleien nur selten bis gar nicht. Was man aber braucht, ist ein gutes juristisches Handwerkszeug. Das wird von beiden Examensprüfungen abgeprüft.
Ansonsten würde ich etwaige Abweichungen nicht allein auf die Praxistauglichkeit des Kandidaten zurück führen, sondern vor allem auf etwaige Messunschärfen der Prüfformate.
Im Übrigen ist die Praxistauglichkeit in der Großkanzlei eine facettenreiche Eigenschaft. Die Tätigkeit als Großkanzleianwalt besteht nämlich typischerweise aus verschiedenen Elementen (praxisgruppenübergreifend: knappe Rechtsausführungen per Mail, ausführliche Rechtsgutachten unter Auswertung sämtlicher Literatur, Publikationen fürs Business Development uvm). Das wird mein Vorredner kaum anders sehen. Insofern bilden sämtliche Aspekte eines Bewerberprofils (1. und 2. Examen, LLM, Promotion, meinetwegen auch MBA) bestimmte Facetten der praktischen Tätigkeit ab.
19.06.2022, 12:05
(18.06.2022, 16:22)RAlol schrieb: Nach Lesen dieses Threads scheint es sich hier um eine Gruppe von Referendaren zu handeln, welche sich gegenseitig die Angst vor dem 2. Examen nehmen sollen, indem sie ihr tolles Erstes StEx beweihräuchern und die Relevanz des Zweiten klein reden.
Bei uns, MC-Kanzlei, schauen wir (v. A. der Partner) mehr auf das Zweite Examen. Es ist (1) Aktueller, (2) Praxisnäher und (3) sagt mehr als das Erste Examen über die praktische Arbeitsfähigkeit aus. Das heißt nicht, dass das Erste unwichtig ist. Jedoch sieht eine starke Verschlechterung im Zweiten für uns danach aus, als wäre der Bewerber „akademischer“, eine Verbesserung im Zweiten unterstreicht hingegen die praktischen Stärken des Bewerbers.
Schade, dass es so gesehen wird, weil auch das zweite Examen mE nach nicht hinreichend zum Ausdruck bringt, ob man "praktisch" besser arbeiten könnte. Am Ende schreibt man doch nur Klausuren und ist damit staatliche geprüfter Klausurenschreiber. Wo genau die praktische Erfahrung beim monatelangen tauchen und beim Klausuren schreiben über Strafrecht und Erbrecht herkommen soll, ist mir nicht ersichtlich. Das Ref wird als eine praktische Erfahrung verkauft, aber es ist einfach keine richtige Ausbildung die eine solche notwendiger praktische Erfahrung vermittelt, aufgrund von gestressten Richtern, AG-Leiter die kein Bock haben und Referendare in Anwaltsstationen, die dauernd Recherche-Aufgaben machen. Das ist leider grundsätzlich das Referendariat. Aber gut, man kann es sich auch schön reden. Die zweite Examensnote sagt zu wenig darüber aus, ob man in der Praxis nun "gut" oder "schlecht" ist.
19.06.2022, 12:43
Man sollte sich die Dinge nur nicht illusorisch so reden, wie man sie gerne hätte - ich kann nur aus unserer Rekrutierungspraxis berichten. Meine persönliche Meinung ist hier gar nicht abgebildet, da nicht ich, sondern unser Partner letztlich entscheidet und wir nur abnicken bzw. Einwände erheben, die aber wesentlich auf Charaktereigenschaften des Bewerbers beschränkt sind.
Wenn ich mich pers. äußern darf: Meine persönliche Meinung ist, dass beide Staatsexamina unzureichend auf die GK-Praxis vorbereiten & daher wenig aussagekräftig sind. Zumindest nicht derart, dass ich einen Kollegen mit 7P meiden und mit 11P bevorzugen würde. Mich persönlich überzeugt eine thematisch passende (!) Diss zur Tätigkeit sowie ein LLM, der im englischsprachigem Ausland bei einer guten Uni absolviert wurde mit einer Kurswahl, die zu unserer Tätigkeit passt, wesentlich mehr als nun 7,9 oder 9,7 Punkte in einem Examen.
Ich entscheide aber nicht und die Einstellungspraxis ist regelm. 2x9P bei uns, neg. Abweichungen eher im Ersten als im Zweiten verschmerzbar. Betonen möchte ich, dass letztlich jeder Partner für sein Team rekrutiert und ich daher nur für unser Team sprechen kann. Wie andere Teams das intern gewichten weiß ich nicht / die HR kommuniziert - wie alle - 2x9P als MindestVss (obwohl auch bei uns Bewerber wegbleiben wie ich auch von Kollegen aus anderen MC-Kanzleien höre bzw. regelm. nach 1-3 Jahren gewechselt wird zu In House).
Wenn ich mich pers. äußern darf: Meine persönliche Meinung ist, dass beide Staatsexamina unzureichend auf die GK-Praxis vorbereiten & daher wenig aussagekräftig sind. Zumindest nicht derart, dass ich einen Kollegen mit 7P meiden und mit 11P bevorzugen würde. Mich persönlich überzeugt eine thematisch passende (!) Diss zur Tätigkeit sowie ein LLM, der im englischsprachigem Ausland bei einer guten Uni absolviert wurde mit einer Kurswahl, die zu unserer Tätigkeit passt, wesentlich mehr als nun 7,9 oder 9,7 Punkte in einem Examen.
Ich entscheide aber nicht und die Einstellungspraxis ist regelm. 2x9P bei uns, neg. Abweichungen eher im Ersten als im Zweiten verschmerzbar. Betonen möchte ich, dass letztlich jeder Partner für sein Team rekrutiert und ich daher nur für unser Team sprechen kann. Wie andere Teams das intern gewichten weiß ich nicht / die HR kommuniziert - wie alle - 2x9P als MindestVss (obwohl auch bei uns Bewerber wegbleiben wie ich auch von Kollegen aus anderen MC-Kanzleien höre bzw. regelm. nach 1-3 Jahren gewechselt wird zu In House).