22.10.2024, 13:27
Hi, ich befinde mich in folgender Situation und wäre für Erfahrungswerte und Ratschläge dankbar:
Ich bin Referent an einem Landesministerium und bin derzeit nicht wirklich ausgelastet. Das mag schwanken, aber generell hätte ich genügend Zeit, um eine Doktorarbeit in den nächsten Jahren zu schreiben. Mit diesem Gedanken trage ich mich schon länger, schwanke aber aus verschiedenen Gründen zwischen zwei Themen:
A) Das erste Thema ist abseitig. Ich habe vor einigen Wochen, als wir eine Verwaltungsformalie auf den Tisch bekommen haben entdeckt, dass eine bundesgesetzliche Norm verfassungswidrig ist. Deren Befolgung würde unseren Haushalt mittelbar mehrere Millionen Euro p.a. kosten. Zu dem Thema gibt es keine Promotionen, weil es zu dem Thema keine (brauchbare) Literatur gibt. Das Gesetz selber samt Materialien ist eine Katastrophe und da ist einiges schiefgegangen. Ich bin einer von sicher weit unter 100 Juristen im Land, die sich mit dem Thema beruflich/dienstlich befassen müssen. Die Schwerpunkte dieser Arbeit würden sich im Europarecht, Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht abspielen. Der Vorteil wäre, dass ich bereits einen erheblichen Grundstock an Wissen zum Thema habe. Das Thema wäre m.E. perfekt für eine Promotion bei meinem Professor des öfftl. Rechts, bei dem ich damals eine sehr gut benotete Seminararbeit hatte und mit dem ich persönlich gut konnte. Der Nachteil ist, dass das Thema wirklich kein Schwein interessiert und ich davon ausgehe, dass aus politischen Gründen früher oder später der bundesgesetzlichen Regelung nachgegeben wird, da sie zwar rechtswidrig, aber am Ende doch zweckmäßig ist. Es besteht also die Gefahr, dass ich von tatsächlichen Entwicklungen überholt werde. Ferner haben die konkret erworbenen worden seienden juristischen Kenntnisse für meinen weiteren Werdegang nur bedingt Nutzen.
B) Das andere Thema spielt sich in einem großen Rechtsgebiet mit enormer Relevanz sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft ab. Das Thema ist sehr dogmatisch, es gibt unzählige Doktorarbeiten zu allen Facetten des sehr tiefgreifenden Problems. Der Vorteil ist der, dass sowohl in freier Wirtschaft als auch an meinem Ministerium eine Doktorarbeit thematisch, trotz des hohen Dogmatismus, sachnäher und nützlicher Wäre. Da ich nicht weiß, ob ich für immer im öffentlichen Dienst bleiben will, wäre ein "Kenntnisnachweis" in diesem Rechtsgebiet sicher nicht verkehrt. Der anvisierte Doktorvater ist eine Koryphäe und selbst bei einem "Nein" wäre es kein Problem einen anderen Doktorvater zu finden, da es mehr oder minder eine "Schule" gibt, die sich dem Thema verschrieben hat.
Der Nachteil ist, dass das Thema gigantisch ist, die Literatur unmöglich überblickbar und die Fronten im Streit verhärtet. Die Arbeit wäre fachlich und handwerklich bedeutend schwerer und langwieriger. Das Thema an sich interessiert mich dafür sehr und ich habe tausende Seiten bereits dazu gelesen. Trotzdem fürchte ich immer, in einer obskuren Literaturquelle ein Argument zu finden, das meine sehr ausgeprägte Meinung wie ein Kartenhaus zusammenbrechen ließe.
Wichtigster Faktor für die Promotion ist für mich schon der Titel an sich. Aber gleich danach kommen als erhebliche Anreize die gesteigerten Karrierechancen (über den Grad der Steigung mag man streiten) sowie die Möglichkeit, die eigene Meinung zu publizieren, also sicherlich ein gewisser Geltungsdrang.
Ich bin demnach völlig zwiegespalten zwischen der einfachen Variante und der Herzensangelegenheit. Wie waren eure Erfahrungen? Hat jemand je eine Schmalspurdissertation bereut? Interessiert, gerade vielleicht im Ministerialbeamtentum, der Doktortitel noch die Personalreferate?
Ich bin Referent an einem Landesministerium und bin derzeit nicht wirklich ausgelastet. Das mag schwanken, aber generell hätte ich genügend Zeit, um eine Doktorarbeit in den nächsten Jahren zu schreiben. Mit diesem Gedanken trage ich mich schon länger, schwanke aber aus verschiedenen Gründen zwischen zwei Themen:
A) Das erste Thema ist abseitig. Ich habe vor einigen Wochen, als wir eine Verwaltungsformalie auf den Tisch bekommen haben entdeckt, dass eine bundesgesetzliche Norm verfassungswidrig ist. Deren Befolgung würde unseren Haushalt mittelbar mehrere Millionen Euro p.a. kosten. Zu dem Thema gibt es keine Promotionen, weil es zu dem Thema keine (brauchbare) Literatur gibt. Das Gesetz selber samt Materialien ist eine Katastrophe und da ist einiges schiefgegangen. Ich bin einer von sicher weit unter 100 Juristen im Land, die sich mit dem Thema beruflich/dienstlich befassen müssen. Die Schwerpunkte dieser Arbeit würden sich im Europarecht, Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht abspielen. Der Vorteil wäre, dass ich bereits einen erheblichen Grundstock an Wissen zum Thema habe. Das Thema wäre m.E. perfekt für eine Promotion bei meinem Professor des öfftl. Rechts, bei dem ich damals eine sehr gut benotete Seminararbeit hatte und mit dem ich persönlich gut konnte. Der Nachteil ist, dass das Thema wirklich kein Schwein interessiert und ich davon ausgehe, dass aus politischen Gründen früher oder später der bundesgesetzlichen Regelung nachgegeben wird, da sie zwar rechtswidrig, aber am Ende doch zweckmäßig ist. Es besteht also die Gefahr, dass ich von tatsächlichen Entwicklungen überholt werde. Ferner haben die konkret erworbenen worden seienden juristischen Kenntnisse für meinen weiteren Werdegang nur bedingt Nutzen.
B) Das andere Thema spielt sich in einem großen Rechtsgebiet mit enormer Relevanz sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft ab. Das Thema ist sehr dogmatisch, es gibt unzählige Doktorarbeiten zu allen Facetten des sehr tiefgreifenden Problems. Der Vorteil ist der, dass sowohl in freier Wirtschaft als auch an meinem Ministerium eine Doktorarbeit thematisch, trotz des hohen Dogmatismus, sachnäher und nützlicher Wäre. Da ich nicht weiß, ob ich für immer im öffentlichen Dienst bleiben will, wäre ein "Kenntnisnachweis" in diesem Rechtsgebiet sicher nicht verkehrt. Der anvisierte Doktorvater ist eine Koryphäe und selbst bei einem "Nein" wäre es kein Problem einen anderen Doktorvater zu finden, da es mehr oder minder eine "Schule" gibt, die sich dem Thema verschrieben hat.
Der Nachteil ist, dass das Thema gigantisch ist, die Literatur unmöglich überblickbar und die Fronten im Streit verhärtet. Die Arbeit wäre fachlich und handwerklich bedeutend schwerer und langwieriger. Das Thema an sich interessiert mich dafür sehr und ich habe tausende Seiten bereits dazu gelesen. Trotzdem fürchte ich immer, in einer obskuren Literaturquelle ein Argument zu finden, das meine sehr ausgeprägte Meinung wie ein Kartenhaus zusammenbrechen ließe.
Wichtigster Faktor für die Promotion ist für mich schon der Titel an sich. Aber gleich danach kommen als erhebliche Anreize die gesteigerten Karrierechancen (über den Grad der Steigung mag man streiten) sowie die Möglichkeit, die eigene Meinung zu publizieren, also sicherlich ein gewisser Geltungsdrang.
Ich bin demnach völlig zwiegespalten zwischen der einfachen Variante und der Herzensangelegenheit. Wie waren eure Erfahrungen? Hat jemand je eine Schmalspurdissertation bereut? Interessiert, gerade vielleicht im Ministerialbeamtentum, der Doktortitel noch die Personalreferate?
22.10.2024, 15:21
aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass sich kein Mensch für deine Dissertation (egal welchen Themas) interessieren wird, es sei denn, dass du am MPI oder einem vergleichbar renommierten Institut promovierst
Insbesondere zu einem viel diskutierten Thema läuft man außerdem Gefahr, dass die eigene Leistung durch eine nachfolgende, umfassendere (v.a. über den juristischen Tellerrand blickende) Habilitationsschrift aufgeschluckt wird
Insbesondere zu einem viel diskutierten Thema läuft man außerdem Gefahr, dass die eigene Leistung durch eine nachfolgende, umfassendere (v.a. über den juristischen Tellerrand blickende) Habilitationsschrift aufgeschluckt wird
22.10.2024, 15:33
Gegen das erste Thema würde für mich auf jeden Fall die auch von dir angeführte Gefahr sprechen überholt zu werden. Sollte die entsprechende Regelung geändert gestrichen werden etc wäre alles für die Katz.
Ich persönlich hatte schon bei einem recht abseitigen Thema öfters die "Angst" von irgendwem oder irgendeiner Entwicklung überholt zu werden. Wenn da bereits was aktuelles im Hintergrund sein könnte würde ich das keinesfalls machen.
Dazu kommt halt auch, dass du den Zeitplan selbst schwer bestimmen kannst. Die Korrekturen können von bis dauern und da ist nichts was du tun könntest.
Also Thema 2 👌
Ich persönlich hatte schon bei einem recht abseitigen Thema öfters die "Angst" von irgendwem oder irgendeiner Entwicklung überholt zu werden. Wenn da bereits was aktuelles im Hintergrund sein könnte würde ich das keinesfalls machen.
Dazu kommt halt auch, dass du den Zeitplan selbst schwer bestimmen kannst. Die Korrekturen können von bis dauern und da ist nichts was du tun könntest.
Also Thema 2 👌
22.10.2024, 15:38
Und: ich bin auch in einem Ministerium, der Titel zählt hier schon noch einiges. Ich will niemandem auf den Schlips treten, aber die Qualität der Juristen die bei uns arbeiten schwankt schon gewaltig. Mit Dr zählt man direkt zu denjenigen von denen die meisten etwas halten (ob nun berechtigt oder nicht ist eine zweite Frage). Zusätzlich bringt das schon bei Nebentätigkeiten was.
22.10.2024, 16:09
Zum Punkt "Niemanden interessiert." Ich hatte dieses Jahr noch eine Diss gelesen, die letztlich zum Ergebnis gekommen ist - und mE im Ergebnis auch nachvollziehbar und zutreffend - dass die gesamte Finanzierung des bestimmten Gesetzes (finanz-)verfassungswidrig ist, das allerdings letztlich alle davon betroffenen zufrieden sind, dass es überhaupt jetzt eine Regelung gibt, sodass jeder, der sich gegen das Gesetz wenden könnte und zur Finanzierung herangezogen wird, es nicht würde. Da wurde tatsächlich das Sprichwort "Wo kein Kläger, da kein Richter" genannt. Dementsprechend: Die Praxisrelevanz/-interesse ist ziemlich irrelevant, sofern es eben eigene wissenschaftliche Leistung darstellt, die die Befähigung zur selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit demonstriert. Sonst wären die ganzen dogmatischen Arbeiten zudem obsolet, wenn es um Praxisrelevanz ginge.