18.12.2023, 16:40
Hallo zusammen,
ich schwanke zwischen dem Berufseinstieg am VG oder SG.
Hat jemand schon bei beiden Gerichten Erfahrung gesammelt und kann darstellen, was aus seiner oder ihrer Sicht der Vorteil ist?
Ich befürchte am VG nur Asyl machen zu müssen, aber habe im Sozialrecht noch keine großen Vorkenntnisse.
ich schwanke zwischen dem Berufseinstieg am VG oder SG.
Hat jemand schon bei beiden Gerichten Erfahrung gesammelt und kann darstellen, was aus seiner oder ihrer Sicht der Vorteil ist?
Ich befürchte am VG nur Asyl machen zu müssen, aber habe im Sozialrecht noch keine großen Vorkenntnisse.
18.12.2023, 17:06
SG dürfte thematisch und rechtlich glaube ich nicht sonderlich spannend sein. Viel Hartz4..
18.12.2023, 23:17
(18.12.2023, 17:06)ObjektiverDritter schrieb: SG dürfte thematisch und rechtlich glaube ich nicht sonderlich spannend sein. Viel Hartz4..
Viel "Hartz4" am Sozialgericht ist schon lange passé. Die sog. AS-Klagen brechen seit 2-3 Jahren deutlich ein. Die sozialgerichtlichen Rechtsgebiete sind v.a. durch medizinische Rechtsgebiete geprägt, dazu etwas Verwaltungsverfahrensrecht, Prozessrecht und eine Prise Verfassungsrecht.
Der wesentliche Unterschied besteht in der Gerichtsbesetzung (ein Berufsrichter vs. Kollegialspruchkörper) und ein Unterschied in der "Kultur" allgemein, der sich aber durch die Verjüngung der VGe in den letzten Jahren langsam etwas ausgleicht.
Ich bin sehr gerne am Sozialgericht und empfinde die Arbeit dort auch nach Jahren noch als erfüllend. Nichts für Faulenzer, aber auch keine Großkanzlei-Arbeitszeiten (weit entfernt davon, um genau zu sein). Die Freiheit des Einzelrichter-Daseins in erster Instanz und die sehr freie Homeoffice-Kultur sind unbezahlbar.
Hier also #teamsozialgericht! :-)
19.12.2023, 09:24
Als kleiner Einblick ins VG:
Asyl macht durchschnittlich etwa 50% aus (mag je nach Bundesland und etwaigen Konzentrierungen schwanken), ist aber mE letztlich auch nur besonderes Verwaltungsrecht. Hier liegen oftmals die Fragen im Tatsächlichen, aber auch rechtlich bieten sich viele Fragen, allein schon wegen der zunehmenden Europäisierung.
Ansonsten schätze ich, dass wir das Kammerprinzip haben. Klar, je nach Rechtsgebiet macht man viel als Einzelrichter, aber es ist schön, sich mit Kollegen und Kolleginnen austauschen zu können, die fachlich sehr ähnliche Fragestellungen haben. Und als Kammer gemeinsam an einer schwierigen oder grundsätzlichen Entscheidung zu „tüfteln“, hat auch was.
Wie die Kollegen so sind, lässt sich pauschal nicht sagen. Aber auch die Verwaltungsjustiz wird immer jünger und der hier manchmal geäußerte „Elitedünkel“ ist mir noch gar nicht begegnet. Die Tagungen machen jedenfalls mir immer viel Spaß.
Dein Argument gegen das SG (keine Vorkenntnisse) dürfte aber auch auf das VG zutreffen. Selbst wenn man tolle Examina haben sollte, wird man sich einfach noch nie mit Luftverkehrsrecht, der Kreisumlage, der Abwasserabgabe oder ähnlichem beschäftigt haben.. aber das macht mE den Reiz aus. Jeder Fall (oder zumindest sehr viele) sind jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung und man lernt ganz viel bzw muss mit seinem juristischen Rüstzeug an die Lösung herangehen.
Asyl macht durchschnittlich etwa 50% aus (mag je nach Bundesland und etwaigen Konzentrierungen schwanken), ist aber mE letztlich auch nur besonderes Verwaltungsrecht. Hier liegen oftmals die Fragen im Tatsächlichen, aber auch rechtlich bieten sich viele Fragen, allein schon wegen der zunehmenden Europäisierung.
Ansonsten schätze ich, dass wir das Kammerprinzip haben. Klar, je nach Rechtsgebiet macht man viel als Einzelrichter, aber es ist schön, sich mit Kollegen und Kolleginnen austauschen zu können, die fachlich sehr ähnliche Fragestellungen haben. Und als Kammer gemeinsam an einer schwierigen oder grundsätzlichen Entscheidung zu „tüfteln“, hat auch was.
Wie die Kollegen so sind, lässt sich pauschal nicht sagen. Aber auch die Verwaltungsjustiz wird immer jünger und der hier manchmal geäußerte „Elitedünkel“ ist mir noch gar nicht begegnet. Die Tagungen machen jedenfalls mir immer viel Spaß.
Dein Argument gegen das SG (keine Vorkenntnisse) dürfte aber auch auf das VG zutreffen. Selbst wenn man tolle Examina haben sollte, wird man sich einfach noch nie mit Luftverkehrsrecht, der Kreisumlage, der Abwasserabgabe oder ähnlichem beschäftigt haben.. aber das macht mE den Reiz aus. Jeder Fall (oder zumindest sehr viele) sind jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung und man lernt ganz viel bzw muss mit seinem juristischen Rüstzeug an die Lösung herangehen.
19.12.2023, 09:32
(19.12.2023, 09:24)JungemitTaubenei schrieb: Als kleiner Einblick ins VG:
Asyl macht durchschnittlich etwa 50% aus (mag je nach Bundesland und etwaigen Konzentrierungen schwanken), ist aber mE letztlich auch nur besonderes Verwaltungsrecht. Hier liegen oftmals die Fragen im Tatsächlichen, aber auch rechtlich bieten sich viele Fragen, allein schon wegen der zunehmenden Europäisierung.
Ansonsten schätze ich, dass wir das Kammerprinzip haben. Klar, je nach Rechtsgebiet macht man viel als Einzelrichter, aber es ist schön, sich mit Kollegen und Kolleginnen austauschen zu können, die fachlich sehr ähnliche Fragestellungen haben. Und als Kammer gemeinsam an einer schwierigen oder grundsätzlichen Entscheidung zu „tüfteln“, hat auch was.
Wie die Kollegen so sind, lässt sich pauschal nicht sagen. Aber auch die Verwaltungsjustiz wird immer jünger und der hier manchmal geäußerte „Elitedünkel“ ist mir noch gar nicht begegnet. Die Tagungen machen jedenfalls mir immer viel Spaß.
Dein Argument gegen das SG (keine Vorkenntnisse) dürfte aber auch auf das VG zutreffen. Selbst wenn man tolle Examina haben sollte, wird man sich einfach noch nie mit Luftverkehrsrecht, der Kreisumlage, der Abwasserabgabe oder ähnlichem beschäftigt haben.. aber das macht mE den Reiz aus. Jeder Fall (oder zumindest sehr viele) sind jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung und man lernt ganz viel bzw muss mit seinem juristischen Rüstzeug an die Lösung herangehen.
Hier gibt es nicht viel zu ergänzen.
An größeren VGen wird es häufig Kammern geben, die fast nur Asyl machen. Aber erstens bleibt man nicht ewig und einer Kammer und zweitens verbinden mit Asyl viele eben die Aufstockerklagen von Syrern. Das ist aber nur ein winziger Teil eines Gebietes, das häufig unheimlich viele Probleme des allgemeinen VerwR mit sich bringt und ganz viele besondere Konstellationen hat, teils mit tiefen europarechtlichen Bezügen.
19.12.2023, 09:46
Was fällt eigentlich thematisch in den Kammern ein? Hat jede Kammer „nur“
einen teil des besonderes Verwaltungsrechtes oder hat man auch mehrere Rechtsgebiete?
einen teil des besonderes Verwaltungsrechtes oder hat man auch mehrere Rechtsgebiete?
19.12.2023, 18:50
(19.12.2023, 09:46)ObjektiverDritter schrieb: Was fällt eigentlich thematisch in den Kammern ein? Hat jede Kammer „nur“
einen teil des besonderes Verwaltungsrechtes oder hat man auch mehrere Rechtsgebiete?
Hierzu würde ich einfach mal auf die veröffentlichten GVPs verweisen.
Grob wird man sagen können, dass jede Kammer ein großes „Oberthema“ (BauR, PolizeiR, SozialhilfeR, AbgabenR etc.) sowie bestimmte Asylländer hat. Zur gleichmäßigen Geschäftsverbelastung werden diese Themen dann oft mit kleineren Gebieten „angedickt“.
Schwierig wird es mE bei (sehr) kleinen VGs, die dann mehrere „große“ Oberthemen zusammen haben, bspw DienstR und AusländerR. Von Kollegen höre ich da, dass das echt anstrengend sein kann, weil natürlich auch an kleineren VGs eine bunte Breite an Fällen auftritt und einem dann die Spezialisierung fehlt.
20.12.2023, 10:48
(19.12.2023, 09:46)ObjektiverDritter schrieb: Was fällt eigentlich thematisch in den Kammern ein? Hat jede Kammer „nur“
einen teil des besonderes Verwaltungsrechtes oder hat man auch mehrere Rechtsgebiete?
Schau dir mal den GVP des VG Berlin an, das hat wegen der Bundesministerium sicher die meisten Rechtsgebiete, es ist auch das größte VG und hat damit die größten Möglichkeiten der Spezialisierung. Viele Gebiete sind aber so speziell, dass man damit nicht eine ganze Kammer beschäftigen könnte (Anzahl der Fälle). Bei kleineren VGs kannst du dir dann denken, dass die Kammern jeweils viel mehr verschiedene Dinge bearbeiten müssen.
20.12.2023, 12:09
Wenn ich das, was ich so von einer Bekannten höre, die seit einigen Jahren am SG arbeitet, mit meiner Arbeit am VG vergleiche, habe ich trotz Asylkrise immer noch den besseren Stundenlohn. Ein früherer Kollege, der mal auf dem Höhepunkt der Asylkrise für 1 Jahr vom SG zu uns abgeordnet wurde, meinte, es fühle sich von den Arbeitsbedingungen her wie eine Beförderung an ;-)
Letztlich ist bei den VGs wegen des Asyls und der ständigen Forderung nach schnelleren Asylverfahren einfach ein höherer politischer Druck als bei den SGs vorhanden, der zumindest in den meisten westlichen Bundesländern für die erforderlichen Planstellen sorgt.
Am SG wird auch mehr gesessen als am VG, bei letzterem würde ich im Schnitt von 2 Tagen im Monat mit mV ausgehen. Ist wieder Typsache, ob man das mag.
Das Gleiche gilt für das Einzelrichterdasein. Grundsätzlich arbeite ich gerne in der Kammer. Wenn man einen schwierigen Kammersvorsitzenden oder schwierige Beisitzer erwischt, sehnt man sich natürlich danach, möglichst viel alleine machen zu dürfen. Letztlich geht das am VG aber auch in den meisten Rechtsgebieten sehr gut, anders wären die Fallzahlen auch gar nicht zu bewältigen.
Letztlich ist bei den VGs wegen des Asyls und der ständigen Forderung nach schnelleren Asylverfahren einfach ein höherer politischer Druck als bei den SGs vorhanden, der zumindest in den meisten westlichen Bundesländern für die erforderlichen Planstellen sorgt.
Am SG wird auch mehr gesessen als am VG, bei letzterem würde ich im Schnitt von 2 Tagen im Monat mit mV ausgehen. Ist wieder Typsache, ob man das mag.
Das Gleiche gilt für das Einzelrichterdasein. Grundsätzlich arbeite ich gerne in der Kammer. Wenn man einen schwierigen Kammersvorsitzenden oder schwierige Beisitzer erwischt, sehnt man sich natürlich danach, möglichst viel alleine machen zu dürfen. Letztlich geht das am VG aber auch in den meisten Rechtsgebieten sehr gut, anders wären die Fallzahlen auch gar nicht zu bewältigen.
22.12.2023, 00:11
(20.12.2023, 12:09)Spencer schrieb: Am SG wird auch mehr gesessen als am VG, bei letzterem würde ich im Schnitt von 2 Tagen im Monat mit mV ausgehen. Ist wieder Typsache, ob man das mag.
Kann ich nicht bestätigen. Ich habe ein, höchstens zwei Verhandlungstage pro Monat. Zwei sind schon eher viel. Ich mache lieber mehr im schriftlichen Verfahren. Die Kollegen machen auch nie mehr als zwei im Monat.
Ich empfinde das Einzelrichterdasein als großen Luxus, auch wenn es natürlich schön ist, einzelne Verfahren mit Kollegen zu besprechen. Aber sich quasi nicht abstimmen zu müssen, arbeiten zu können wann, wie und wo man will und die Verfahren so zu bearbeiten wie man es selbst für richtig hält finde ich schon sehr nett.
Arbeitsbelastung empfinde ich auch als absolut angenehm und die medizinischen Rechtsgebiete finde ich sehr abwechslungsreich und interessant.