10.12.2023, 11:00
Welche Gerichtsbarkeit würdet ihr wählen oder habt ihr gewählt als Einstieg in die Justiz?
Ich mag gerne rechtliche Fragestellungen, bin damit am LG/AG im Zivilrecht aber sicherlich falsch aufgehoben, weil meist 0815 (liegt Mangel vor?) oder nur im tatsächlichen streitig, oder?
Am VG ist die Arbeit als VG Richter rechtlich eher auch langweilig, oder? Am Ende entscheidet man doch ständig über den gleichen Kram (Baugenehmigung, Rücknahme einer Gaststättenerlaubnis, Sondernutzungserlaubnis, Nutzung der Stadthalle durch die Partei) ohne dass man dafür nun juristische Höchstleistungen vollbringen muss, oder?
Habt ihr evtl. Erfahrungen, welche ihr mit mir teilen könnt?
LG
Ich mag gerne rechtliche Fragestellungen, bin damit am LG/AG im Zivilrecht aber sicherlich falsch aufgehoben, weil meist 0815 (liegt Mangel vor?) oder nur im tatsächlichen streitig, oder?
Am VG ist die Arbeit als VG Richter rechtlich eher auch langweilig, oder? Am Ende entscheidet man doch ständig über den gleichen Kram (Baugenehmigung, Rücknahme einer Gaststättenerlaubnis, Sondernutzungserlaubnis, Nutzung der Stadthalle durch die Partei) ohne dass man dafür nun juristische Höchstleistungen vollbringen muss, oder?
Habt ihr evtl. Erfahrungen, welche ihr mit mir teilen könnt?
LG
10.12.2023, 12:55
Ich hab in der ordentlichen angefangen und bin damit sehr happy.
Ob es viel 0815 ist, kommt sicher sehr darauf an wo du konkret landest und was die Kammer am LG für eine Spezialzuständigkeit hat. Ich habe wenig allgemeine Sachen, weil unsere Spezialzuständigkeiten so einen großen Anteil haben. Bei den Spezialsachen ist bei uns nichts 0815 und eigentlich jedes Verfahren komplett verschieden.
Aber klar, bei den allgemeinen Sachen gibt es auch die klassischen mangelhaften Sachen.
Am AG sieht das vermutlich auch was anders aus, kommt aber auch da sicher drauf an, wo man landet. Bekommt man eine Fluggastabteilung ab, ist’s vermutlich nicht sehr abwechslungsreich. Was ich von den anderen Proberichtern bei mir höre, die am AG in allgemeinen Abteilungen sind, klingt aber durchaus auch ziemlich abwechslungsreich. Aber klar, da sind auch viele klassische Miet-, Kaufrechtsachen etc. Ich kann für meinen Teil jedenfalls sagen, ich freue mich in der Regel, wenn ich auch mal was „klassisches“ allgemeines zwischendurch auf dem Tisch hab. Viel hab ich davon nämlich tatsächlich nicht ?
Ob es viel 0815 ist, kommt sicher sehr darauf an wo du konkret landest und was die Kammer am LG für eine Spezialzuständigkeit hat. Ich habe wenig allgemeine Sachen, weil unsere Spezialzuständigkeiten so einen großen Anteil haben. Bei den Spezialsachen ist bei uns nichts 0815 und eigentlich jedes Verfahren komplett verschieden.
Aber klar, bei den allgemeinen Sachen gibt es auch die klassischen mangelhaften Sachen.
Am AG sieht das vermutlich auch was anders aus, kommt aber auch da sicher drauf an, wo man landet. Bekommt man eine Fluggastabteilung ab, ist’s vermutlich nicht sehr abwechslungsreich. Was ich von den anderen Proberichtern bei mir höre, die am AG in allgemeinen Abteilungen sind, klingt aber durchaus auch ziemlich abwechslungsreich. Aber klar, da sind auch viele klassische Miet-, Kaufrechtsachen etc. Ich kann für meinen Teil jedenfalls sagen, ich freue mich in der Regel, wenn ich auch mal was „klassisches“ allgemeines zwischendurch auf dem Tisch hab. Viel hab ich davon nämlich tatsächlich nicht ?
10.12.2023, 17:24
Wenn man ÖRecht per se langweilig findet, wird es am VG natürlich schlimm. Wer aber hingegen ein Interesse dafür mitbringt, wird zumindest juristisch nicht enttäuscht. Auch die Arbeitsbedingungen sind trotz Asylkrise gut. Schwieriger finde ich eher den Menschenschlag, den man dort traditionell antrifft…
10.12.2023, 17:55
(10.12.2023, 17:24)Spencer schrieb: Wenn man ÖRecht per se langweilig findet, wird es am VG natürlich schlimm. Wer aber hingegen ein Interesse dafür mitbringt, wird zumindest juristisch nicht enttäuscht. Auch die Arbeitsbedingungen sind trotz Asylkrise gut. Schwieriger finde ich eher den Menschenschlag, den man dort traditionell antrifft…
Nämlich? Finde, das ist der wichtigste Faktor von allen. Interessante Themen gibt es in vielen Bereichen.
Edit: Im Sinne von Einstellung zur Arbeit, Lernbereitschaft, technokratisches Denken etc. Manche finden etwa politische Einflüsse in der Behörde spannend, manche störend. Manche wollen Routine und in einer Sache immer besser werden, manche nicht.. usw.
11.12.2023, 00:00
Am LG in Zivilsachen hätte ich ziemlich viel interessante Rechtsfragen. Das entscheidet sich keineswegs alles im Tatsächlichen. Auch am AG nicht, und in nicht wenigen Berufungssachen hat sich die erstinstanzliche Beweisaufnahme als nicht notwendig herausgestellt ;)
11.12.2023, 12:21
Ich empfinde die Kollegen hier im Schnitt als weniger offen und insgesamt deutlich angepasster als die Kollegen aus anderen Gerichtsbarkeiten, die hier im Wege der Abordnung gelegentlich reinschauen. Hinzu kommt ein gewisser Elite-Dünkel. Die jüngere Generation, die seit einigen Jahren nachkommt, macht allerdings Hoffnung ;-)
11.12.2023, 18:00
Zum VG:
Dass man hier rechtlich immer ähnliche Fragestellungen behandelt, vermag ich so nicht zu bestätigen. Klar, thematisch wird man - wenn man in der Baurechtskammer ist - häufig baurechtliche Fragen haben, die nahe beieinander liegen. Allerdings sind die Dezernatszuschnitte oft bunt gemischt, man hat immer ein paar exotische Gebiete neben „klassischen“.Dass man einen nahezu identischen Fall hat, hab ich noch nicht erlebt. Das kann in Asylsachen anders sein, wenn man Herkunftsländer hat, bei denen viele eine ähnliche Story haben (plötzlicher Tod eines Bekannten, dessen Familie einen jetzt landesweit verfolgt…).
Menschlich ist es letztlich zufallsabhängig, wie Gericht und Kammer zugeschnitten sind. Aber wie mein Vorredner Spencer schon meinte, wird es immer besser. Es gibt inzwischen richtig viele junge Kolleg:innen und ein „Elite-Dünkel“ kann ich jedenfalls nicht erkennen…
Die Gerichte sind oft etwas kleiner, das sorgt idR für eine kollegiale Atmosphäre, weil man sich viel sieht. Durch das Kammerprinzip wird das gestärkt.
Dass man hier rechtlich immer ähnliche Fragestellungen behandelt, vermag ich so nicht zu bestätigen. Klar, thematisch wird man - wenn man in der Baurechtskammer ist - häufig baurechtliche Fragen haben, die nahe beieinander liegen. Allerdings sind die Dezernatszuschnitte oft bunt gemischt, man hat immer ein paar exotische Gebiete neben „klassischen“.Dass man einen nahezu identischen Fall hat, hab ich noch nicht erlebt. Das kann in Asylsachen anders sein, wenn man Herkunftsländer hat, bei denen viele eine ähnliche Story haben (plötzlicher Tod eines Bekannten, dessen Familie einen jetzt landesweit verfolgt…).
Menschlich ist es letztlich zufallsabhängig, wie Gericht und Kammer zugeschnitten sind. Aber wie mein Vorredner Spencer schon meinte, wird es immer besser. Es gibt inzwischen richtig viele junge Kolleg:innen und ein „Elite-Dünkel“ kann ich jedenfalls nicht erkennen…
Die Gerichte sind oft etwas kleiner, das sorgt idR für eine kollegiale Atmosphäre, weil man sich viel sieht. Durch das Kammerprinzip wird das gestärkt.
11.12.2023, 20:57
Im Asylrecht hat man eigentlich eher sehr viele komplexe Rechtsfragen, häufig z.B. bei der Zulässigkeit. Wenn man nicht nur Aufstockerklagen von Syrern hat, sondern die ganze Bandbreite (offensichtlich unbegründet, unzulässig inkl. Dublin und Drittstaatenentscheidungen und Folgeverfahren, Widerruf und Rücknahmeverfahren), kommt man zusammen mit nicht seltenen Zulässigkeitsproblemen auf eine große Menge von Rechtsfragen, die sich auch über die Jahre häufig das erste Mal stellen. Zusätzlich zur Sachaufklärung, die man durchaus auch spannend finden kann, als Kammer eine Linie über die tatsächlichen Umstände vor Ort (unabhängig von dem individuellen Schicksal) für alle Fälle auszuarbeiten.
An einem sehr kleinen VG stelle ich mir allerdings eine sachgerechte Bearbeitung von Asyl sehr schwer vor.
An einem sehr kleinen VG stelle ich mir allerdings eine sachgerechte Bearbeitung von Asyl sehr schwer vor.
12.12.2023, 08:34
(10.12.2023, 11:00)MelissaNRW schrieb: Welche Gerichtsbarkeit würdet ihr wählen oder habt ihr gewählt als Einstieg in die Justiz?
Ich mag gerne rechtliche Fragestellungen, bin damit am LG/AG im Zivilrecht aber sicherlich falsch aufgehoben, weil meist 0815 (liegt Mangel vor?) oder nur im tatsächlichen streitig, oder?
Am VG ist die Arbeit als VG Richter rechtlich eher auch langweilig, oder? Am Ende entscheidet man doch ständig über den gleichen Kram (Baugenehmigung, Rücknahme einer Gaststättenerlaubnis, Sondernutzungserlaubnis, Nutzung der Stadthalle durch die Partei) ohne dass man dafür nun juristische Höchstleistungen vollbringen muss, oder?
Habt ihr evtl. Erfahrungen, welche ihr mit mir teilen könnt?
LG
Mit der Einstellung wirst du es überall schwer haben, nicht nur in der Justiz. Es gehört insbesondere als Richter nunmal zum Beruf dazu, Verfahren auch in der breiten Masse zu erledigen. Man sieht immer wieder Kollegen, die das nicht können, weil sie entweder keinen Bock darauf haben oder intellektuell nicht in der Lage dazu sind, nicht aus jeder Kleinigkeit ein riesiges Problem zu fabrizieren, an dem sie sich dann abarbeiten können. Das ist häufig schade, weil die Leute dadurch weit hinter ihren beruflichen Möglichkeiten zurückbleiben.
12.12.2023, 09:16
Wenn ihr die Wahl hättet, zwischen Verwaltungsgericht und AG/LG und beides inhaltlich spannend findet, wofür würdet ihr euch entscheiden? Am VG soll es ja wesentlich entspannter zugehen..