13.10.2023, 08:25
Guten Tag,
ich habe mein zweites Examen nun endlich mit Prädikat abgeschlossen und interessiere mich langfristig für eine Tätigkeit in der Justiz, insbesondere als Arbeitsrichter.
Zuerst möchte ich jedoch andere Tätigkeiten ausprobieren und Berufserfahrung sammeln. Dabei habe ich auch festgestellt, dass Gewerkschaften regelmäßig Juristen suchen. Oft ja auch einhergehend mit der Vertretung von Arbeitnehmern vor Gericht.
Denkt ihr, dass die Tätigkeit bei einer Gewerkschaft im Lebenslauf mir schaden könnte, wenn ich Arbeitsrichter werden will? Ich habe Bedenken, dass der Eindruck entstehen könnte, ich hätte für die Arbeitnehmerseite pauschal mehr Sympathie.
Ich wäre für eure Einschätzung dankbar.
ich habe mein zweites Examen nun endlich mit Prädikat abgeschlossen und interessiere mich langfristig für eine Tätigkeit in der Justiz, insbesondere als Arbeitsrichter.
Zuerst möchte ich jedoch andere Tätigkeiten ausprobieren und Berufserfahrung sammeln. Dabei habe ich auch festgestellt, dass Gewerkschaften regelmäßig Juristen suchen. Oft ja auch einhergehend mit der Vertretung von Arbeitnehmern vor Gericht.
Denkt ihr, dass die Tätigkeit bei einer Gewerkschaft im Lebenslauf mir schaden könnte, wenn ich Arbeitsrichter werden will? Ich habe Bedenken, dass der Eindruck entstehen könnte, ich hätte für die Arbeitnehmerseite pauschal mehr Sympathie.
Ich wäre für eure Einschätzung dankbar.
Erste Infos zum Bewerbungsverfahren für den Justizdienst findest Du auf den Richter-Infoseiten von Juristenkoffer.de:
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
13.10.2023, 08:31
Nein, weil mit der Argumentation auch jedem früheren GK-Associate unterstellt werden müsste, der Arbeitgeberseite nahe zu stehen. Irgendwie muss man eben Berufserfahrung sammeln, das geht im Arbeitsrecht meist nur entweder auf der einen oder auf der anderen Seite
13.10.2023, 11:22
Ich sehe das ein bisschen anders. Eine Gewerkschaft ist sehr nahe am Tendenzbetrieb und zeigt die politisch-soziale Einstellung sehr deutlich. Die meisten Gewerkschaftler, die ich kennengelernt habe, waren deutlich dem linken Spektrum zuzuordnen.
Ich weiß nicht, ob es dir für die Richtertätigkeit schaden wird, Nachfragen wird es aber bestimmt erzeugen. Zudem wird man vermuten, dass du eher linksorientiert bist. Wenn du beides vermeiden willst, würde ich mich eher nach Anwaltskanzleien umschauen, die Arbeitnehmer vertreten. Die sind idR weniger tendenziös.
Ich selbst habe damals in einer kleinen Kanzlei angefangen, die Arbeitnehmer und Gewerkschaften vertreten hat. Mein Chef war links und hat das auch sehr öffentlichkeitswirksam gelebt. Nach 1 1/2 Jahren wechselte ich auf die Arbeitgeberseite. In den Bewerbungsgesprächen musste ich mich mehrmals dazu erklären, warum ich von einer offensichtlich linksorientierten Kanzlei auf die Arbeitgeberseite wechseln will.
An deiner Stelle würde ich es nicht riskieren.
Ich weiß nicht, ob es dir für die Richtertätigkeit schaden wird, Nachfragen wird es aber bestimmt erzeugen. Zudem wird man vermuten, dass du eher linksorientiert bist. Wenn du beides vermeiden willst, würde ich mich eher nach Anwaltskanzleien umschauen, die Arbeitnehmer vertreten. Die sind idR weniger tendenziös.
Ich selbst habe damals in einer kleinen Kanzlei angefangen, die Arbeitnehmer und Gewerkschaften vertreten hat. Mein Chef war links und hat das auch sehr öffentlichkeitswirksam gelebt. Nach 1 1/2 Jahren wechselte ich auf die Arbeitgeberseite. In den Bewerbungsgesprächen musste ich mich mehrmals dazu erklären, warum ich von einer offensichtlich linksorientierten Kanzlei auf die Arbeitgeberseite wechseln will.
An deiner Stelle würde ich es nicht riskieren.
13.10.2023, 12:02
(13.10.2023, 11:22)Egal schrieb: An deiner Stelle würde ich es nicht riskieren.
Ich bin kein Freund von diesem maximal angepassten Verhalten. Bloß nichts riskieren, damit einem bloß keiner irgendwann irgendwo mal irgendwas sagen kann. So entsteht kein Profil.
Wenn der Frager schon sein Prädikat hat, sehe ich seine Idee bei der Berufswahl nicht sonderlich kritisch. Sicher, wer jetzt die Gewerkschaften vertritt und später zur FDP will, muss eine Nachfrage riskieren. Aber die Verwaltung/Gerichte haben nun aus meiner Erfahrung kein Problem mit einer leicht linken Haltung... außer vielleicht im tiefsten Bayern o.ä.
14.10.2023, 20:34
Das "Profil" eines (Arbeits-)Richters sollte neutral und orientiert am Recht sein + Berufserfahrung tätigkeitsbezogen, d.h. man sollte möglichst viele unterschiedliche arbeitsrechtliche Konstellationen, möglichst im Prozesskontext, gesehen haben. Natürlich sollte niemand seine politische Einstellung verstecken müssen, aber die Idee, dass das umgekehrt besonders gut profilbildend einzusetzen sei, finde ich schwierig. Mein Eindruck vom Bewerbungsverfahren ist, dass insbesondere der Wille dazu, sachorientiert, freiheitlich und neutral Sachverhalte zu entscheiden und letztlich zu befrieden, gesucht und abgefragt wird. Das sollte also das erstrebenswerte "Profil" sein, wenn man Richter werden will.
Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass die Arbeit in einer Gewerkschaft kein Nachteil fürs Richteramt sein wird, vgl. was andere über die GK-Arbeit geschrieben haben. Aber sicher weiß man es ja nie. Wenn man seine zudem bisherige Tätigkeit als Interessenvertreter reflektieren kann, kommt das ini jedem Fall sicher nicht schlecht an. Und wenn man seine eigene gesellschaftliche/politische Einstellung hat und die auch reflektiert und im Rahmen der demokratischen Werteordnung vertreten und reflektieren kann, warum nicht?
Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass die Arbeit in einer Gewerkschaft kein Nachteil fürs Richteramt sein wird, vgl. was andere über die GK-Arbeit geschrieben haben. Aber sicher weiß man es ja nie. Wenn man seine zudem bisherige Tätigkeit als Interessenvertreter reflektieren kann, kommt das ini jedem Fall sicher nicht schlecht an. Und wenn man seine eigene gesellschaftliche/politische Einstellung hat und die auch reflektiert und im Rahmen der demokratischen Werteordnung vertreten und reflektieren kann, warum nicht?
15.10.2023, 10:03
Die Frage ist doch, ob der Eindruck zutreffend wäre. Gewerkschaften gehen bei der Personalwahl durchaus danach, ob die Person mit den Werten übereinstimmt. Wenn du das für dich verneinst, wirst du bei einer Gewerkschaft nicht glücklich. Wenn du es bejahst, kannst du da arbeiten, aber klar ist das ein Label. Und dann musst du halt überlegen, ob du später unvoreingenommen Arbeitsrichter sein kannst. Wenn du das verneinst, wirst du wsl auch dort nicht glücklich.
Du kannst ja den Wechsel zum ArbG bei einer etwaigen Frage danach sogar damit begründen, dass es dir zu einseitig bei der Gewerkschaft war.
Meine öffentlich einsehbare Parteimitgliedschaft wurde bei meinem Vorstellungsgespräch (allerdings StA) angesprochen, es wurde jedoch kein Strick draus gedreht.
Du kannst ja den Wechsel zum ArbG bei einer etwaigen Frage danach sogar damit begründen, dass es dir zu einseitig bei der Gewerkschaft war.
Meine öffentlich einsehbare Parteimitgliedschaft wurde bei meinem Vorstellungsgespräch (allerdings StA) angesprochen, es wurde jedoch kein Strick draus gedreht.
15.10.2023, 10:48
(15.10.2023, 10:03)Drin schrieb: Die Frage ist doch, ob der Eindruck zutreffend wäre. Gewerkschaften gehen bei der Personalwahl durchaus danach, ob die Person mit den Werten übereinstimmt. Wenn du das für dich verneinst, wirst du bei einer Gewerkschaft nicht glücklich. Wenn du es bejahst, kannst du da arbeiten, aber klar ist das ein Label. Und dann musst du halt überlegen, ob du später unvoreingenommen Arbeitsrichter sein kannst. Wenn du das verneinst, wirst du wsl auch dort nicht glücklich.
Du kannst ja den Wechsel zum ArbG bei einer etwaigen Frage danach sogar damit begründen, dass es dir zu einseitig bei der Gewerkschaft war.
Meine öffentlich einsehbare Parteimitgliedschaft wurde bei meinem Vorstellungsgespräch (allerdings StA) angesprochen, es wurde jedoch kein Strick draus gedreht.
Genau das meine ich. In der Welt der Arbeitsrechtler ist es nicht schlimm, mal die AG-, mal die AN-Seite vertreten zu haben. Links und rechts von dieser Mitte gibt es aber jeweils ein Extrem und die Frage ist, ob man sich diesen Stempel unbedingt aufdrücken lassen möchte. Wer in einer Gewerkschaft oder als Betriebsrat arbeitet, wird in eine bestimmte Schublade einsortiert.
Deswegen: Warum soll es unbedingt die Gewerkschaft sein? Prozesserfahrung kannst du in jeder KK/MK sammeln. Gerade in der KK bist du wöchentlich mehrmals bei Gericht.
Es wird dir nicht unbedingt schaden. Trotzdem stellt sich mir die Frage nach dem Warum, denn mit dem Tätigwerden für die Gewerkschaft sortierst du dich eindeutig in diese Schublade ein.
Ach, und auch ich bin Mitglied einer Partei, was öffentlich einsehbar ist. CDU, SPD, FDP bringen dir in der Regel in Deutschland keine Probleme. Bist du in der Linken oder der AfD, wirst du hingegen kritisch beäugt.
Klar, wenn du dich mit der Gewerkschaftsarbeit identifizierst, verstecke dich nicht. Das war mit meinem obigen Post nicht gemeint. Zum Ausprobieren aber taugt dieser Einstieg nur mäßig. Unser Betriebsrat (Gewerkschaftsmitglied) wirft auf Betriebsversammlungen regelmäßig mit kämpferischen Parolen um sich. Diese Show kommt nicht bei allen meiner Personaler-Kollegen gut an, denn im normalen Arbeitsalltag arbeiten wir gut zusammen. Gegenüber dem normalen Mitarbeiter aber muss man wohl seinem Image gerecht werden (= das Image, dass du dir mit der Gewerkschaftsarbeit gibst).
15.10.2023, 11:03
Also wenn ich mir anschaue, was vorm Arbeitsgericht abgeht und geurteilt wird, sind locker 80% der Arbeitsrichter verkappte Gewerkschaftssekretäre... Da nehmen die einen mit tatsächlicher Vorbeschäftigung doch sicher mit Kusshand
16.10.2023, 10:29
(13.10.2023, 08:25)mikamika schrieb: Zuerst möchte ich jedoch andere Tätigkeiten ausprobieren und Berufserfahrung sammeln.
In der Justiz kann man sich als Richter m. E. n. nur sehr bedingt die Stelle aussuchen, wer sagt dir, dass du direkt Arbeitsrichter wirst? Die Arbeitsrichter, die ich kenne, waren vorher Staatsanwälte, Sozialrichter und sonst was gewesen. Da kommen andere Tätigkeiten ganz von selbst auf dich zu, ganz ohne Gewerkschaften.
16.10.2023, 10:58
(16.10.2023, 10:29)Eyelashes schrieb:(13.10.2023, 08:25)mikamika schrieb: Zuerst möchte ich jedoch andere Tätigkeiten ausprobieren und Berufserfahrung sammeln.
In der Justiz kann man sich als Richter m. E. n. nur sehr bedingt die Stelle aussuchen, wer sagt dir, dass du direkt Arbeitsrichter wirst? Die Arbeitsrichter, die ich kenne, waren vorher Staatsanwälte, Sozialrichter und sonst was gewesen. Da kommen andere Tätigkeiten ganz von selbst auf dich zu, ganz ohne Gewerkschaften.
Das sagen ihm die verschiedenen Webseiten der Bundesländer, da es in manchen Bundesländern je Gerichtsbarkeit separate Bewerbungsverfahren gibt.