07.02.2023, 20:29
Hey,
gibt es welche, die in einer Kanzlei tätig sind, die pures Arbeitsrecht für AN und BR macht? Könntet ihr mal so von eurer Tätigkeite berichten? Und wie sehen wohl die Chancen aus, in solchen Kanzlein unterzukommen, obwohl keinerlei Berufserfahrung und Lebenslauf auch gar nicht darauf ausgerichtet?
gibt es welche, die in einer Kanzlei tätig sind, die pures Arbeitsrecht für AN und BR macht? Könntet ihr mal so von eurer Tätigkeite berichten? Und wie sehen wohl die Chancen aus, in solchen Kanzlein unterzukommen, obwohl keinerlei Berufserfahrung und Lebenslauf auch gar nicht darauf ausgerichtet?
07.02.2023, 21:30
Ich habe in so einer Kanzlei (KK) damals angefangen.
Den Großteil der Mandate haben Kündigungsschutzklagen ausgemacht. Danach sämtliche anderen Rechstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis wie Abmahnungen, Zahlungsklagen, vertragsgemäße Beschäftigung, Eingruppierungsklage im öD u.a.
Ein bisschen Sozialrecht, insbesondere bei Krankheit/Erwerbsminderung. Mehrere Verfahren wegen verbotener Arbeitnehmerüberlassung (Werkvertrag der eigentlich AÜ war) gegen drei der bekannten Automobilkonzerne.
Schulungen für Betriebsräte, z.T. auch Verfahren von Betriebsräten gegen ihren Arbeitgeber.
Eine Spartengewerkschaft haben wir vertreten. Dort ging es (mittelbar) um die Anfechtung der Wahl in den BR oder Aufsichtsrat. Details weiß ich nicht mehr genau. Im großen und ganzen Verdi gg. Spartengewerkschaft und ob diese Gewerkschaft überhaupt Gewerkschaft ist. Zwei Verfassungsbeschwerden in dem Zusammenhang gegen ein Urteil und das Tarifeinheitsgesetz.
Ich hatte im Ref als Schwerpunkt ArbR. Viele Vorkenntnisse hatte ich dadurch jedoch nicht, da ich in der Wahlstation mit prüfungsrelevantem Stoff keine Berührungspunkte hatte. Trotzdem war mein Schwerpunkt sicherlich ein Argument, mich anderen mit null Erfahrung vorzuziehen. Ausgeschlossen ist es aber nicht, ohne Vorkenntnisse anzufangen, sofern Berufseinsteiger gesucht werden. Das meiste lernt man erst mit zunehmender Berufserfahrung.
Mein Chef war ein Choleriker, aber immerhin konnte ich die Zeit nutzen um die Fallzahlen für den Fachanwalt vollzumachen. Nach 1 1/2 Jahren bin ich in eine WPG auf Arbeitgeberseite gewechselt und weitere Jahre später als in die Personalabteilung eines großen Konzerns, wo ich jetzt auf der "anderen Seite des Tisches" Betriebsvereinbarungen aushandel oder arbeitsrechtliche Fragen kläre.
Den Großteil der Mandate haben Kündigungsschutzklagen ausgemacht. Danach sämtliche anderen Rechstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis wie Abmahnungen, Zahlungsklagen, vertragsgemäße Beschäftigung, Eingruppierungsklage im öD u.a.
Ein bisschen Sozialrecht, insbesondere bei Krankheit/Erwerbsminderung. Mehrere Verfahren wegen verbotener Arbeitnehmerüberlassung (Werkvertrag der eigentlich AÜ war) gegen drei der bekannten Automobilkonzerne.
Schulungen für Betriebsräte, z.T. auch Verfahren von Betriebsräten gegen ihren Arbeitgeber.
Eine Spartengewerkschaft haben wir vertreten. Dort ging es (mittelbar) um die Anfechtung der Wahl in den BR oder Aufsichtsrat. Details weiß ich nicht mehr genau. Im großen und ganzen Verdi gg. Spartengewerkschaft und ob diese Gewerkschaft überhaupt Gewerkschaft ist. Zwei Verfassungsbeschwerden in dem Zusammenhang gegen ein Urteil und das Tarifeinheitsgesetz.
Ich hatte im Ref als Schwerpunkt ArbR. Viele Vorkenntnisse hatte ich dadurch jedoch nicht, da ich in der Wahlstation mit prüfungsrelevantem Stoff keine Berührungspunkte hatte. Trotzdem war mein Schwerpunkt sicherlich ein Argument, mich anderen mit null Erfahrung vorzuziehen. Ausgeschlossen ist es aber nicht, ohne Vorkenntnisse anzufangen, sofern Berufseinsteiger gesucht werden. Das meiste lernt man erst mit zunehmender Berufserfahrung.
Mein Chef war ein Choleriker, aber immerhin konnte ich die Zeit nutzen um die Fallzahlen für den Fachanwalt vollzumachen. Nach 1 1/2 Jahren bin ich in eine WPG auf Arbeitgeberseite gewechselt und weitere Jahre später als in die Personalabteilung eines großen Konzerns, wo ich jetzt auf der "anderen Seite des Tisches" Betriebsvereinbarungen aushandel oder arbeitsrechtliche Fragen kläre.
07.02.2023, 21:39
Ganz lieben Dank für die Antwort. Da ich bis jetzt so keinerlei Erfahrungen vorweisen kann: würdest du sagen, dass das eine reizvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit ist? Und auch ein Bereich, wo man mal "tief" einsteigen kann?
07.02.2023, 22:46
(07.02.2023, 21:39)frage9999 schrieb: Ganz lieben Dank für die Antwort. Da ich bis jetzt so keinerlei Erfahrungen vorweisen kann: würdest du sagen, dass das eine reizvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit ist? Und auch ein Bereich, wo man mal "tief" einsteigen kann?
Das kommt drauf an.... ;-)
ArbR für Arbeitnehmer ist oftmals sehr emotional. Ist ja auch klar, denn der Job ist für viele die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Auf Arbeitgeberseite geht es deutlich sachlicher zu und ich habe gemerkt, dass mir das mehr liegt.
Dann kommt es darauf an, ob du in einer KK oder größeren Einheit bist. In der KK haben wir mit knappen Ressourcen auf RVG-Basis gegen Arbeitgeber gekämpft, die - zumindest was die Automobilkonzerne und Verdi betrifft - von Großkanzleien vertreten waren. Man merkt schon, dass das Geld in der kleinen Kanzlei nicht so locker sitzt und man sich auch mal mit einem seit längerem nur ungenügend funktionierenden Drucker auseindersetzen muss und bei Google recherchiert, während die Anwälte in der GK sich über solche Themen gar keine Gedanken machen müssen. Gut bezahlt war es dementsprechend auch nicht, aber viel Arbeit. Dementsprechend hat man in der KK eigentlich auch nicht die Zeit, sich vertieft einzugraben, macht es als Berufseinsteiger aber trotzdem, weil man ja etwas lernen will und einen Anspruch an sich hat, was die Qualität der Arbeit betrifft.
In einer größeren Kanzlei mag das alles besser aussehen. Deswegen würde ich dir raten, fange, wenn es die Noten zulassen, nicht beim Einzelanwalt um die Ecke an.
Spaß machen kann es auf jeden Fall. Wie gesagt, ich habe mich für die Arbeitgeberseite entschieden. Hier sehe ich mich zum einen persönlich eher und zum anderen macht mir die Arbeit tatsächlich Spaß. Kommt auch mal vor, aber im Normalfall begleite ich hier nicht jeden Tag Kündigungen sondern mache viele andere Dinge. Als externer Berater wirst du nicht nur bei Kündigungen hinzugezogen, sondern bei allen möglichen Fragen in Richtung ArbR, Payroll (Gehaltsabrechnung), arbeitsrechtsnahem Sozialversicherungsrecht, bei Betriebsprüfungen, M&A Deals und anderen Projekten. Das macht es sehr vielfältig und interessant. Auch für einen selbst ist das relevant, weil ich meine Gehaltsabrechnung und das wie und warum viel besser verstehe als vorher.
Jetzt intern im Konzern bin ich in viele Dinge involviert, die weite Teile der Mitarbeiter betreffen. Anders als der externe Berater bekomme ich hier die Projekte von der Idee bis zur Umsetzung und offiziellen Verkündung mit. Letzens war ich auf einer Betriebsversammlung eines anderen Betriebes von uns und es ist schon cool, zu sehen wie etwas vorgestellt wird, woran man mitgewirkt hat und was Auswirkungen auf alle Mitarbeiter hat. Gilt für andere Bereiche sicher auch, für das ArbR sitze ich an der Quelle der Informationen und bekomme die Sachen mit, lange bevor sie offiziell gemacht werden.
Also ja, ArbR macht Spaß. Ob auf AN-Seite oder AG-Seite hängt wohl von der ideologischen Einstellung von einem selbst ab. Viele Kanzleien machen nur entweder oder. Ich sehe das grundsätzlich nicht so verbissen und konnte mich z.B. mit den Problemen der Gewerkschaft sehr gut identifizieren. Als Seelentröster für die Mandanten war ich hingegen nicht so gemacht.
07.02.2023, 23:44
(07.02.2023, 22:46)Egal schrieb:(07.02.2023, 21:39)frage9999 schrieb: Ganz lieben Dank für die Antwort. Da ich bis jetzt so keinerlei Erfahrungen vorweisen kann: würdest du sagen, dass das eine reizvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit ist? Und auch ein Bereich, wo man mal "tief" einsteigen kann?
Das kommt drauf an.... ;-)
ArbR für Arbeitnehmer ist oftmals sehr emotional. Ist ja auch klar, denn der Job ist für viele die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Auf Arbeitgeberseite geht es deutlich sachlicher zu und ich habe gemerkt, dass mir das mehr liegt.
Dann kommt es darauf an, ob du in einer KK oder größeren Einheit bist. In der KK haben wir mit knappen Ressourcen auf RVG-Basis gegen Arbeitgeber gekämpft, die - zumindest was die Automobilkonzerne und Verdi betrifft - von Großkanzleien vertreten waren. Man merkt schon, dass das Geld in der kleinen Kanzlei nicht so locker sitzt und man sich auch mal mit einem seit längerem nur ungenügend funktionierenden Drucker auseindersetzen muss und bei Google recherchiert, während die Anwälte in der GK sich über solche Themen gar keine Gedanken machen müssen. Gut bezahlt war es dementsprechend auch nicht, aber viel Arbeit. Dementsprechend hat man in der KK eigentlich auch nicht die Zeit, sich vertieft einzugraben, macht es als Berufseinsteiger aber trotzdem, weil man ja etwas lernen will und einen Anspruch an sich hat, was die Qualität der Arbeit betrifft.
Ach, auf AN-Seite muss man sich doch gar nicht vertieft eingraben. Ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung rügen, die ordnungsgemäße Durchführung einer Sozialauswahl bestreiten, den Kündigungssachverhalt im Übrigen pauschal bestreiten und zack kann der Arbeitgeber mal schön 5 Bruttomonatsgehälter Abfindung hinlegen :D