01.04.2025, 17:32
Liebes Forum,
wie man an meiner Post-Historie sehen kann, bin ich Richter, mit dem Beruf aber nicht glücklich. Der Job ist (für mich) inhaltlich meist langweilig und die allermeisten Fälle (sei es Amtsgericht, große Strafkammer, oder spezialisierte Zivilkammer am LG) rechtlich nicht äußerst komplex. Die Aufgabe besteht also meistens "nur" darin, den häufig unübersichtlichen Streitstoff gegenüber zu stellen, saubere Relationstechnik zu machen, und dann ein Urteil runterzuschreiben. Für mich sind das reine Fleißarbeiten. Ich muss die (häufig unnötig langen) Schriftsätze lesen und dann meist nur den Schreibstoff ordnen. In der Baukammer sind in einer Akte 20 Mängel, am Amtsgericht dafür 20 Akten mit einem Problem, letztlich kommt es auf dasselbe hinaus. Dass ich ernsthaft juristisch denken muss, passiert gefühlt 1x im Monat. Jedenfalls langweilt mich dies immens. Den Job als (Prozess-)Anwalt stelle ich mir insofern aber auch nicht besser vor, denn da muss man ja die selbe gedankliche Leistung bringen (auch wenn man ggf. als derjenige der den Streitstoff bestimmt ggf. etwas mehr gestalten kann). Jedenfalls fehlt mir an dem Beruf das "Kreative" (wenn man über juristische Jobs überhaupt sagen kann) und die Möglichkeit irgendwie gestalterisch tätig zu werden und nicht nur auf die zugeteilten Fälle zu reagieren.
Meine Frage: Gibt es überhaupt den juristischen Job, der nicht nur stumpfe Fleiß- und Fließbandarbeit ist? Muss ich außerhalb der Juristerei schauen? Jobs für BWL-er versuchen? Gibt es diesen Job überhaupt?
Viele Grüße und vielen Dank von einem frustrierten Kollegen
wie man an meiner Post-Historie sehen kann, bin ich Richter, mit dem Beruf aber nicht glücklich. Der Job ist (für mich) inhaltlich meist langweilig und die allermeisten Fälle (sei es Amtsgericht, große Strafkammer, oder spezialisierte Zivilkammer am LG) rechtlich nicht äußerst komplex. Die Aufgabe besteht also meistens "nur" darin, den häufig unübersichtlichen Streitstoff gegenüber zu stellen, saubere Relationstechnik zu machen, und dann ein Urteil runterzuschreiben. Für mich sind das reine Fleißarbeiten. Ich muss die (häufig unnötig langen) Schriftsätze lesen und dann meist nur den Schreibstoff ordnen. In der Baukammer sind in einer Akte 20 Mängel, am Amtsgericht dafür 20 Akten mit einem Problem, letztlich kommt es auf dasselbe hinaus. Dass ich ernsthaft juristisch denken muss, passiert gefühlt 1x im Monat. Jedenfalls langweilt mich dies immens. Den Job als (Prozess-)Anwalt stelle ich mir insofern aber auch nicht besser vor, denn da muss man ja die selbe gedankliche Leistung bringen (auch wenn man ggf. als derjenige der den Streitstoff bestimmt ggf. etwas mehr gestalten kann). Jedenfalls fehlt mir an dem Beruf das "Kreative" (wenn man über juristische Jobs überhaupt sagen kann) und die Möglichkeit irgendwie gestalterisch tätig zu werden und nicht nur auf die zugeteilten Fälle zu reagieren.
Meine Frage: Gibt es überhaupt den juristischen Job, der nicht nur stumpfe Fleiß- und Fließbandarbeit ist? Muss ich außerhalb der Juristerei schauen? Jobs für BWL-er versuchen? Gibt es diesen Job überhaupt?
Viele Grüße und vielen Dank von einem frustrierten Kollegen
01.04.2025, 17:37
Vielen Dank für diesen Thread! Ich kann leider nicht aus meiner Realität berichten (ebenfalls öD), bin aber auf see Suche nach demselben. Dachte schon, mit diesem Dilemma alleine zu sein.
01.04.2025, 17:54
Doktorand, Habilitant oder Professor an einer Uni.
01.04.2025, 17:58
Richter am BGH oder am BVerfG ist doch bestimmt spannender, oder nicht? Allerdings muss man da erstmal hinkommen.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Arbeit für ein Startup in irgendeinem Nischenbereich spannender ist oder bswp. die Arbeit bei einer NGO.
Alles andere ist ja doch mehr oder weniger immer Rechtsberatung, nur in jeweils in einem anderen Rechtsgebiet.
Oder du gehst bewusst in ein Unternehmen und dort in Stellen, die nicht rein juristisch sind.
Irgendwer hier arbeitet doch im Ministerium. Ich habe den Nickname nicht parat. Auch das stelle ich mir spannend vor, zumindest wenn man am aktuellen politischen Geschehen mitarbeiten kann.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Arbeit für ein Startup in irgendeinem Nischenbereich spannender ist oder bswp. die Arbeit bei einer NGO.
Alles andere ist ja doch mehr oder weniger immer Rechtsberatung, nur in jeweils in einem anderen Rechtsgebiet.
Oder du gehst bewusst in ein Unternehmen und dort in Stellen, die nicht rein juristisch sind.
Irgendwer hier arbeitet doch im Ministerium. Ich habe den Nickname nicht parat. Auch das stelle ich mir spannend vor, zumindest wenn man am aktuellen politischen Geschehen mitarbeiten kann.
01.04.2025, 18:04
01.04.2025, 18:19
Edit: sry, dachte u.a. wegen des 1. Aprils und Inhalts, dass TE/Almöhi den Kommentar nicht wirklich ernst meinen...;)...mein Kommentar war auf jeden nicht ernst gemeint/getrolle :)
01.04.2025, 18:21
(01.04.2025, 18:19)nachdenklich schrieb: Ein Grund mehr in der Justiz massiv KI einzusetzen. Der produktive Teil der Bevölkerung soll nicht mit diesen exorbitanten Pensionslasten erstickt werden.
Die Fähigkeiten zum Mathe-/Informatikstudium oder WIng-Studium hast du wohl nicht (sonst hättest du bestimmt nicht Jura studiert)? Ansonsten würde ich dir das empfehlen. Das ist wirklich komplex.
Deshalb: schließe dich doch mit Almöhli zusammen und tretet im Kabarett auf. Als Programm könnt ihr die Justiz bzw die Verwaltung und ihre Privilegien bei unterfordernder Arbeit als Thema aufnehmen und stellt einen Vergleich zum Kranken-/Altenpfleger, Handwerker usw auf.
Bei der Programmgestaltung müsst ihr jedes mal sehr kreativ sein, weil sonst keine zahlende Zuschauer und ohne zahlende Zuschauer keine Nahrung.
Vielen Dank für diesen unfassbar einfühlsamen und hilfreichen Beitrag! /s
01.04.2025, 18:24
(01.04.2025, 18:21)Blues5 schrieb:(01.04.2025, 18:19)nachdenklich schrieb: Ein Grund mehr in der Justiz massiv KI einzusetzen. Der produktive Teil der Bevölkerung soll nicht mit diesen exorbitanten Pensionslasten erstickt werden.
Die Fähigkeiten zum Mathe-/Informatikstudium oder WIng-Studium hast du wohl nicht (sonst hättest du bestimmt nicht Jura studiert)? Ansonsten würde ich dir das empfehlen. Das ist wirklich komplex.
Deshalb: schließe dich doch mit Almöhli zusammen und tretet im Kabarett auf. Als Programm könnt ihr die Justiz bzw die Verwaltung und ihre Privilegien bei unterfordernder Arbeit als Thema aufnehmen und stellt einen Vergleich zum Kranken-/Altenpfleger, Handwerker usw auf.
Bei der Programmgestaltung müsst ihr jedes mal sehr kreativ sein, weil sonst keine zahlende Zuschauer und ohne zahlende Zuschauer keine Nahrung.
Vielen Dank für diesen unfassbar einfühlsamen und hilfreichen Beitrag! /s
Heute ist der 1. April. Tut mir leid, ich bin eigentlich u.a. deshalb davon ausgegangen, dass dein Kommentar nicht ernst gemein ist ;-): insbesondere auch wegen des Hinweises auf die Baukammer lol. Gleiches gilt für den Kommentar von Almöhi :).
Also, wenn das ernst gemeint ist (was ich mir iwie nicht so richtig vorstellen kann :D): warum nicht Vorsitzender Richter (1 Jahr Abordnung zur Erprobung ans OLG?) Vergabekammern oder später Kartellsenate in den Blick nehmen. Ich bin mir sicher, dass man in Boutiquen oder GKs, gerade wenn es um grenzüberschreitende Sachverhalte geht (Steuerrecht, Kartellrecht, Beihilfenrecht, Kapitalmarktrecht oder Bankaufsichts- und Aktienrecht) genügend herausfordernde Sachverhalte abarbeiten wird, und das unter Beachtung der Zeitverschiebung und dem Zeitdruck...wenn man die entsprechenden Noten hat, steht einem doch wirklich alles offen.
01.04.2025, 21:04
Ministerien würden sich evtl. anbieten
01.04.2025, 23:08
(01.04.2025, 17:32)Blues5 schrieb: Liebes Forum,Leider ist das auch mein Fazit nach mehreren Jahren Justiz. Juris-Googlen und Kommentar-Hopping reichen idR statt echter juristischer Denkarbeit aus. Der Rest ist allzu häufig Fleissarbeit. Irgendwann konnte ich mich kaum mehr motivieren, einen Tatbestand zu schreiben und habe mich an den Eilverfahren hochgezogen. In meinem jetzigen Job („Projektarbeit“ in der Verwaltung) musste ich in wenigen Wochen meine grauen Zellen mehr anstrengen als in 1 Jahr Justiz. Das ist zwar fordernder, aber auch viel erfüllender.
wie man an meiner Post-Historie sehen kann, bin ich Richter, mit dem Beruf aber nicht glücklich. Der Job ist (für mich) inhaltlich meist langweilig und die allermeisten Fälle (sei es Amtsgericht, große Strafkammer, oder spezialisierte Zivilkammer am LG) rechtlich nicht äußerst komplex. Die Aufgabe besteht also meistens "nur" darin, den häufig unübersichtlichen Streitstoff gegenüber zu stellen, saubere Relationstechnik zu machen, und dann ein Urteil runterzuschreiben. Für mich sind das reine Fleißarbeiten. Ich muss die (häufig unnötig langen) Schriftsätze lesen und dann meist nur den Schreibstoff ordnen. In der Baukammer sind in einer Akte 20 Mängel, am Amtsgericht dafür 20 Akten mit einem Problem, letztlich kommt es auf dasselbe hinaus. Dass ich ernsthaft juristisch denken muss, passiert gefühlt 1x im Monat. Jedenfalls langweilt mich dies immens. Den Job als (Prozess-)Anwalt stelle ich mir insofern aber auch nicht besser vor, denn da muss man ja die selbe gedankliche Leistung bringen (auch wenn man ggf. als derjenige der den Streitstoff bestimmt ggf. etwas mehr gestalten kann). Jedenfalls fehlt mir an dem Beruf das "Kreative" (wenn man über juristische Jobs überhaupt sagen kann) und die Möglichkeit irgendwie gestalterisch tätig zu werden und nicht nur auf die zugeteilten Fälle zu reagieren.
Meine Frage: Gibt es überhaupt den juristischen Job, der nicht nur stumpfe Fleiß- und Fließbandarbeit ist? Muss ich außerhalb der Juristerei schauen? Jobs für BWL-er versuchen? Gibt es diesen Job überhaupt?
Viele Grüße und vielen Dank von einem frustrierten Kollegen
Ich zitiere hierzu einmal abschließend den großen Fischer:
„Der deutsche Richter ist kein König wie der englische oder der italienische. Das weiß er auch. Er tendiert seinem Wesen nach zum Beamtentum, also zu einer "Laufbahn". Er möchte Deutschland dienen. Was dies ist, weiß er nicht immer genau. Im Zweifel meint er daher, dass er Deutschland umso näher sei, je mehr sich die Ziffer seiner Besoldungsgruppe der Unendlichkeit annähert. Und auf diesem Weg zur Erfüllung, wenn man sich darauf einmal eingelassen hat, ist "R 2" auf jeden Fall um 100 Prozent näher an Deutschland als "R 1". Von da an ist alles eigentlich ganz einfach, wenn man einmal von den unvorstellbaren Schwierigkeiten absieht, auf einer elfstufigen Himmelsleiter ans Licht zu krabbeln. Man benötigt dazu allerdings, entgegen verbreiteter Ansicht, keine ausdifferenzierte Intellektualität. Eine gewöhnliche kleine Meeresschildkröte bewältigt die Aufgabe mit annähernd derselben Perfektion: Schlüpfe aus dem Ei, wenn der Mond dunkel ist und die Möwe schläft, und renne hurtig zum Meer! Ganz ähnlich die Kaulquappe oder das Spermium. Es gibt, so heißt die Botschaft, einen Sinn am Ende des Weges. Tu, was immer Du vermagst, so wird er Dir offenbar werden, wenn Du angekommen bist.“
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