26.11.2024, 13:52
Könnte ich nicht einfach immer einfach bestreiten, der Kläger sei bspw. kein unmittelbarer Besitzer, um den Vermutungstatbestand von § 1006 I BGB zu beseitigen? Was kann der Kläger dann tun und was mache ich, wenn der Kläger vorträgt, ihm gehöre die Sache und er sei Gewahrsamsinhaber. Reicht das für § 1006 I BGB?
Dann noch eine Frage zu Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Sehe ich das richtig, dass ich, wenn aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt wird, § 794 I Nr. 2 ZPO, und ich hiergegen die Aufrechnung erkläre, das Bestehen der Hauptforderung (also die des Kostenfestsetzungsbeschlusses) praktisch eigentlich nie prüfen müsste? In den Kommentaren steht nämlich, dass auch ein Kostenfestsetzungsbeschluss, jedenfalls nach Ablauf der Beschwerdefrist formell (und damit auch materiell?) rechtskräftig wird.
Danke!
Dann noch eine Frage zu Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Sehe ich das richtig, dass ich, wenn aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt wird, § 794 I Nr. 2 ZPO, und ich hiergegen die Aufrechnung erkläre, das Bestehen der Hauptforderung (also die des Kostenfestsetzungsbeschlusses) praktisch eigentlich nie prüfen müsste? In den Kommentaren steht nämlich, dass auch ein Kostenfestsetzungsbeschluss, jedenfalls nach Ablauf der Beschwerdefrist formell (und damit auch materiell?) rechtskräftig wird.
Danke!
26.11.2024, 14:16
Nach § 138 ZPO ist es auch erforderlich, dass sich der Bekl. dazu erklärt, ansonsten gilt die Tatsache als zugestanden und damit unstreitig, § 138 III ZPO.
Allerdings musst du bedenken, dass der gegenseitige Vortrag eine Substantiierungssteigerung zur Folge hat. Das heißt, solange der Kläger erstmal nur vorträgt, dass er eben die Sache in unmittelbarem Besitz habe und basierend darauf auch das Eigentum an der Sache behaupte, dann kann ggf. erstmal einfaches Bestreiten, dass das nicht so sei genügen. Sobald der Kläger aber ausführlicher dazu vorträgt, woraus sich der unmittelbare Besitz ergebe, wie er zustande gekommen sei, womöglich einen Beweisantritt durch Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Sache anbietet o.ä. steigt dadurch auch die Substantiierungspflicht des Beklagten dazu.
Sofern der Beklagte dann nicht ebenso substantiiert vortragen kann, warum das nicht der Fall sei, genügt das einfache Bestreiten des Beklagten gerade nicht mehr, sodass die Tatsache unstreitig ist.
Allerdings musst du bedenken, dass der gegenseitige Vortrag eine Substantiierungssteigerung zur Folge hat. Das heißt, solange der Kläger erstmal nur vorträgt, dass er eben die Sache in unmittelbarem Besitz habe und basierend darauf auch das Eigentum an der Sache behaupte, dann kann ggf. erstmal einfaches Bestreiten, dass das nicht so sei genügen. Sobald der Kläger aber ausführlicher dazu vorträgt, woraus sich der unmittelbare Besitz ergebe, wie er zustande gekommen sei, womöglich einen Beweisantritt durch Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Sache anbietet o.ä. steigt dadurch auch die Substantiierungspflicht des Beklagten dazu.
Sofern der Beklagte dann nicht ebenso substantiiert vortragen kann, warum das nicht der Fall sei, genügt das einfache Bestreiten des Beklagten gerade nicht mehr, sodass die Tatsache unstreitig ist.
26.11.2024, 14:45
Hammer, danke dir! Dh es ist deiner Meinung nach ausreichend, dass hier auch der Gewahrsam (also nicht der Besitz) bestritten wird, um die Vermutungstatbestand des § 1006 I BGB erstmal zu Fall zu bringen?
26.11.2024, 14:58
(26.11.2024, 14:45)Iamy schrieb: Hammer, danke dir! Dh es ist deiner Meinung nach ausreichend, dass hier auch der Gewahrsam (also nicht der Besitz) bestritten wird, um die Vermutungstatbestand des § 1006 I BGB erstmal zu Fall zu bringen?
Was meinst du mit Gewahrsam? Das BGB kennt den Gewahrsam nicht, sondern nur den Besitz. Der unmittelbare Besitz ist auch gerade die Voraussetzung/Tatbestandsmerkmal des § 1006 I BGB. Die ZPO kennt den Gewahrsam im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechtes.
vgl. auch § 1362 BGB und der korrespondierende § 739 ZPO.
26.11.2024, 15:30
(26.11.2024, 14:58)RefNdsOL schrieb:(26.11.2024, 14:45)Iamy schrieb: Hammer, danke dir! Dh es ist deiner Meinung nach ausreichend, dass hier auch der Gewahrsam (also nicht der Besitz) bestritten wird, um die Vermutungstatbestand des § 1006 I BGB erstmal zu Fall zu bringen?
Was meinst du mit Gewahrsam? Das BGB kennt den Gewahrsam nicht, sondern nur den Besitz. Der unmittelbare Besitz ist auch gerade die Voraussetzung/Tatbestandsmerkmal des § 1006 I BGB. Die ZPO kennt den Gewahrsam im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechtes.
vgl. auch § 1362 BGB und der korrespondierende § 739 ZPO.
Dachte halt nur, weil Gewahrsam ja sehr ähnlich wie Besitz ist (wenngleich auch nicht identisch)
27.11.2024, 01:12
(26.11.2024, 15:30)Iamy schrieb:(26.11.2024, 14:58)RefNdsOL schrieb:(26.11.2024, 14:45)Iamy schrieb: Hammer, danke dir! Dh es ist deiner Meinung nach ausreichend, dass hier auch der Gewahrsam (also nicht der Besitz) bestritten wird, um die Vermutungstatbestand des § 1006 I BGB erstmal zu Fall zu bringen?
Was meinst du mit Gewahrsam? Das BGB kennt den Gewahrsam nicht, sondern nur den Besitz. Der unmittelbare Besitz ist auch gerade die Voraussetzung/Tatbestandsmerkmal des § 1006 I BGB. Die ZPO kennt den Gewahrsam im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechtes.
vgl. auch § 1362 BGB und der korrespondierende § 739 ZPO.
Dachte halt nur, weil Gewahrsam ja sehr ähnlich wie Besitz ist (wenngleich auch nicht identisch)
Streitig können ohnehin nur Tatsachen sein. Es müssen also die tatsächlichen Voraussetzungen von Tatbestandsmerkmalen bestritten werden. Irgend ein Rechtsinstitut bestreiten, ob ähnlich oder nicht, ist schon insofern schwierig. Wenn also der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich der Besitz ergibt, sollte man diese Tatsachen bestreiten.
27.11.2024, 01:29
(26.11.2024, 13:52)Iamy schrieb: Dann noch eine Frage zu Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Sehe ich das richtig, dass ich, wenn aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt wird, § 794 I Nr. 2 ZPO, und ich hiergegen die Aufrechnung erkläre, das Bestehen der Hauptforderung (also die des Kostenfestsetzungsbeschlusses) praktisch eigentlich nie prüfen müsste? In den Kommentaren steht nämlich, dass auch ein Kostenfestsetzungsbeschluss, jedenfalls nach Ablauf der Beschwerdefrist formell (und damit auch materiell?) rechtskräftig wird.
Danke!
Das ist der Witz an einem Vollstreckungstitel, dass erst einmal nicht relevant ist, ob die titulierte Forderung tatsächlich besteht. Das hat mit Rechtskraft nichts zu tun. Die Existenz der Forderung ist nicht Vollstreckungsvoraussetzung, sondern die Existenz des Titels.
Jetzt erklärst Du aber die Aufrechnung. Dann braucht es die Vollstreckungsgegenklage, wenn der Gläubiger es nicht von selbst einsieht. Dann stellt sich die Frage, ob 767 II anwendbar ist - meinst Du das? Weil Du prüfen willst, ob die Hauptforderung überhaupt besteht? Das wäre dann aber mit Rechtsbehelfen im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen gewesen. Was Du hier machst, ist übrigens eine Hilfsaufrechnung - Du willst nur für den Fall aufrechnen, dass die Hauptforderung besteht, oder? Dagegen prüft das Gericht die Hauptforderung bei der Aufrechnung nicht. Es sagt: jedenfalls ist die Forderung durch Aufrechnung erloschen.
27.11.2024, 09:03
Und nochmal konkreter, ich vermute, es geht Dir darum: Natürlich setzt die Aufrechnung materiellrechtlich denklogisch eine Hauptforderung voraus, so wie nur eine Forderung erfüllt oder verjährt sein kann.
Prozessual verlangt die Entscheidung über den Streitgegenstand aber nicht zwingend, dass alle materiellrechtlichen Vorfragen abgearbeitet werden. Wenn Verjährung durchgreift, lässt das Gericht die vielleicht sehr komplizierte Frage offen, ob die Klageforderung überhaupt entstanden und nicht erloschen ist. Entsprechend bei der Erfüllung und eben auch bei der Aufrechnung. Wenn man sicher gehen will, dass man die Gegenforderung nicht ohne Grund verliert, muss man sich gegen die Klageforderung wenden und hilfsweise aufrechnen - und die Mehrarbeit wird dem Gericht vergütet (45 I 2 GKG). So die Klageabweisungstheorie. Die Beweiserhebungstheorie sieht es dagegen wie Du: auch bei der Primäraufrechnung muss vorrangig die Hauptforderung geprüft werden.
Natürlich kann das Gericht jedenfalls auch bei einer unbedingt erklärten Aufrechnung die Hauptforderung prüfen. Wenn sie tituliert ist, aber nur im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage mit den dort vorgesehenen Grenzen.
Hilft Dir das?
Prozessual verlangt die Entscheidung über den Streitgegenstand aber nicht zwingend, dass alle materiellrechtlichen Vorfragen abgearbeitet werden. Wenn Verjährung durchgreift, lässt das Gericht die vielleicht sehr komplizierte Frage offen, ob die Klageforderung überhaupt entstanden und nicht erloschen ist. Entsprechend bei der Erfüllung und eben auch bei der Aufrechnung. Wenn man sicher gehen will, dass man die Gegenforderung nicht ohne Grund verliert, muss man sich gegen die Klageforderung wenden und hilfsweise aufrechnen - und die Mehrarbeit wird dem Gericht vergütet (45 I 2 GKG). So die Klageabweisungstheorie. Die Beweiserhebungstheorie sieht es dagegen wie Du: auch bei der Primäraufrechnung muss vorrangig die Hauptforderung geprüft werden.
Natürlich kann das Gericht jedenfalls auch bei einer unbedingt erklärten Aufrechnung die Hauptforderung prüfen. Wenn sie tituliert ist, aber nur im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage mit den dort vorgesehenen Grenzen.
Hilft Dir das?