06.07.2024, 15:49
(06.07.2024, 14:40)Exri schrieb:(06.07.2024, 11:37)Fröhlicher Richter schrieb: Für Aufgaben wie etwa Personalmanagement und andere Rollen in der Verwaltungsleitung sind Juristen übrigens durch ihre Ausbildung keineswegs gut qualifiziert. Dass man sie dennoch in solchen Funktionen einstellt, liegt am althergebrachten Juristenmonopol in Teilen der höheren Verwaltung und nicht an irgendeiner fachlichen Eignung. Wenn man dann z. B. als Volljurist ohne steuerrechtliche Vorbildung im höheren Dienst der Finanzverwaltung eingestellt wird, arbeitet man hinsichtlich der Führungsaufgaben außerhalb seiner Qualifikation und ist den erfahrenen Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes im Bereich des Steuerrechts auch fachlich unterlegen. Und dann ist man schnell in der Rolle eines "Frühstücksdirektors".
Ich weiß nicht, ob ich es nur anmaßend oder auch belustigend finden soll, dass so etwas über die Kollegen in der Finanzverwaltung gesagt wird, während die Justiz in einigen Bereichen dringend Personalmanagement nötig hätte
Aber macht ruhig weiter so, die jetzige Generation hat verstanden, dass man das, was in der Justiz teilweise abgeht, nicht mitmachen muss.
Auch unabhängig von der Finanzverwaltung bin ich nicht sicher, ob man das so sagen kann. Natürlich kennt jeder jemanden im Ministerium, der tolle Arbeit macht, aber wegen fehlender formaler Qualifikation nicht verbeamtet wird oder nicht so aufsteigt, wie er es verdient hat. Also volle Zustimmung, dass man nicht automatisch nur Juristen einstellen soll.
Andererseits hilft einem Jura doch bei sehr vielen Dingen. Der Leiter des Personalreferats macht am Ende halt doch viel Arbeits- und Beamtenrecht und wenig Psychologie. Die IT arbeitet bei uns vollkommen ohne Juristen - ideal laufen tut es aber dennoch nicht, und wenn sie einen guten Juristen als Referatsleiter hätten, wären vielleicht wenigstens die Prozesse klarer strukturiert und die Informationen ans Haus etwas mehr auf den Punkt. Als jemand, der für ein Ressort zuständig ist, das sehr fachlich und wenig juristisch unterwegs ist, muss ich sagen: In fachliche Fragen kann man sich reinarbeiten, wenn einem gute Fachleute zuarbeiten - wie man ja als Richter auch das Gutachten nachvollziehen muss, ohne dass deshalb die Arzthaftungskammer mit Medizinern oder die Baumkammer mit Ingenieuren besetzt würde anstatt Juristen. Ähnlich muss man für Ministerien sagen: wie man ein Referat leitet, eine fachliche Idee in ein Gesetz bringt und das innerhalb und außerhalb des Hauses durchsetzt, haben die Mediziner, Lehrer und Förster, die in den Häusern arbeiten, halt auch nicht im Studium gelernt.
Also volle Übereinstimmung, nicht zu sehr auf den Beruf zu schauen - aber dafür bitte dann sehr genau auf die organisatorischen Fähigkeiten und Ähnliches.
06.07.2024, 17:28
(06.07.2024, 14:40)Exri schrieb:(06.07.2024, 11:37)Fröhlicher Richter schrieb: Für Aufgaben wie etwa Personalmanagement und andere Rollen in der Verwaltungsleitung sind Juristen übrigens durch ihre Ausbildung keineswegs gut qualifiziert. Dass man sie dennoch in solchen Funktionen einstellt, liegt am althergebrachten Juristenmonopol in Teilen der höheren Verwaltung und nicht an irgendeiner fachlichen Eignung. Wenn man dann z. B. als Volljurist ohne steuerrechtliche Vorbildung im höheren Dienst der Finanzverwaltung eingestellt wird, arbeitet man hinsichtlich der Führungsaufgaben außerhalb seiner Qualifikation und ist den erfahrenen Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes im Bereich des Steuerrechts auch fachlich unterlegen. Und dann ist man schnell in der Rolle eines "Frühstücksdirektors".
Ich weiß nicht, ob ich es nur anmaßend oder auch belustigend finden soll, dass so etwas über die Kollegen in der Finanzverwaltung gesagt wird, während die Justiz in einigen Bereichen dringend Personalmanagement nötig hätte
Aber macht ruhig weiter so, die jetzige Generation hat verstanden, dass man das, was in der Justiz teilweise abgeht, nicht mitmachen muss.
Ich bin selbst Teil der jetzigen Generation.
Ich denke, du hast mich da missverstanden. Ich habe keineswegs gesagt, dass Personalmanagement nicht gebraucht würde. Nur, dass Juristen dafür durch ihre Ausbildung nicht unbedingt besser geeignet sind, als Personen mit anderen Qualifikationen. Es gibt sicher Leute mit juristischen Abschlüssen, die das sehr gut können, aber eine Bevorzugung von Juristen in solchen Positionen im öffentlichen Dienst ist m. E. nicht aus fachlichen Gründen gerechtfertigt.
06.07.2024, 18:32
Seit des Einzugs des Homeoffice und der mancherorts erfolgten Abschaffung fester Arbeitszeiten sind allerdings auch die früher vorwiegend dem Richteramt vorbehalten Vorzüge relativiert worden.
Auch der Umstand, dass man grundsätzlich weisungsfrei ist, stimmt natürlich. Nur gibt es da meistens noch die 2. Instanz, manchmal noch die 3., die meine Entscheidung komplett umdrehen und durch eine völlig neue ersetzen kann. Das läuft dann letztendlich aufs selbe raus. Oder die Tatsache, dass ich keine Verwaltungsrichtlinien befolgen muss, wird dadurch relativiert, dass ich mich doch via juris und Kommentar nach den Obergerichten bzw Bundesgerichten richte. Und komplizierte bzw rechtlich uneindeutigere Fälle gehen dann wieder durch die Kammer, wo ich 1 von 3 Berufsrichtern bin und die 2 ehrenamtlichen Richter auch noch Stimmrecht haben.
Kommen wir noch zur persönlichen Unabhängigkeit. Ja, die habe ich, aber allzuoft erlebe ich gerade jüngere Richter, die aus Karrieregründen am Ende doch nicht den Konflikt in der Kammer suchen oder doch noch „freiwillig“ unbezahlte Zusatzaufgaben übernehmen bzw. brav mit dem Vorsitzenden in die Kantine trotten usw.
Oder Richter, die Erledigungen produzieren müssen („wer schreibt, der bleibt), um vom Vorsitzenden nicht irgendwann zum „Wanderpokal“ gemacht zu werden. Bzw Liebkind beim Gerichtspräsidenten machen, um bei der nächsten Geschäftsverteilung nicht das Nachsehen zu haben.
Wer Unabhängigkeit wirklich konsequent (nicht querulatorisch) lebt, gilt schnell als schwierig usw.
Das Bild vom freischwebenden Richter habe ich leider die letzten Jahre ein bisschen aufgeben müssen. Vielleicht alles allzu menschlich, aber Anspruch und Wirklichkeit fallen da eben oft auseinander. Da ist mir die ehrliche Weisungsgebundenheit in der Verwaltung doch noch lieber.
Auch der Umstand, dass man grundsätzlich weisungsfrei ist, stimmt natürlich. Nur gibt es da meistens noch die 2. Instanz, manchmal noch die 3., die meine Entscheidung komplett umdrehen und durch eine völlig neue ersetzen kann. Das läuft dann letztendlich aufs selbe raus. Oder die Tatsache, dass ich keine Verwaltungsrichtlinien befolgen muss, wird dadurch relativiert, dass ich mich doch via juris und Kommentar nach den Obergerichten bzw Bundesgerichten richte. Und komplizierte bzw rechtlich uneindeutigere Fälle gehen dann wieder durch die Kammer, wo ich 1 von 3 Berufsrichtern bin und die 2 ehrenamtlichen Richter auch noch Stimmrecht haben.
Kommen wir noch zur persönlichen Unabhängigkeit. Ja, die habe ich, aber allzuoft erlebe ich gerade jüngere Richter, die aus Karrieregründen am Ende doch nicht den Konflikt in der Kammer suchen oder doch noch „freiwillig“ unbezahlte Zusatzaufgaben übernehmen bzw. brav mit dem Vorsitzenden in die Kantine trotten usw.
Oder Richter, die Erledigungen produzieren müssen („wer schreibt, der bleibt), um vom Vorsitzenden nicht irgendwann zum „Wanderpokal“ gemacht zu werden. Bzw Liebkind beim Gerichtspräsidenten machen, um bei der nächsten Geschäftsverteilung nicht das Nachsehen zu haben.
Wer Unabhängigkeit wirklich konsequent (nicht querulatorisch) lebt, gilt schnell als schwierig usw.
Das Bild vom freischwebenden Richter habe ich leider die letzten Jahre ein bisschen aufgeben müssen. Vielleicht alles allzu menschlich, aber Anspruch und Wirklichkeit fallen da eben oft auseinander. Da ist mir die ehrliche Weisungsgebundenheit in der Verwaltung doch noch lieber.
06.07.2024, 18:56
Klar kann man durch Rechtsmittel an ein höheres Gericht aufgehoben werden. Dann hat irgendwer in der höheren Instanz halt eine andere Meinung. Das ist nach meinem Empfinden etwas ganz anderes, als von einer weisungsbefugten Stelle dazu angehalten zu werden, ggf. Dinge gegen die eigene Überzeugung oder eigenes besseres Wissen zu vertreten und seinen Namen unter etwas zu setzen, das man selbst für falsch hält.
Aber am Ende ist es eben auch alles "Geschmackssache". Es gibt nicht den richtigen oder falschen Beruf, man muss das finden, das den eigenen Bedürfnissen am besten entspricht.
Aber am Ende ist es eben auch alles "Geschmackssache". Es gibt nicht den richtigen oder falschen Beruf, man muss das finden, das den eigenen Bedürfnissen am besten entspricht.
06.07.2024, 19:30
(06.07.2024, 18:56)Fröhlicher Richter schrieb: Klar kann man durch Rechtsmittel an ein höheres Gericht aufgehoben werden. Dann hat irgendwer in der höheren Instanz halt eine andere Meinung. Das ist nach meinem Empfinden etwas ganz anderes, als von einer weisungsbefugten Stelle dazu angehalten zu werden, ggf. Dinge gegen die eigene Überzeugung oder eigenes besseres Wissen zu vertreten und seinen Namen unter etwas zu setzen, das man selbst für falsch hält.
Aber am Ende ist es eben auch alles "Geschmackssache". Es gibt nicht den richtigen oder falschen Beruf, man muss das finden, das den eigenen Bedürfnissen am besten entspricht.
Stimme Spencer da voll und ganz zu. Seit der Einführung des HO läuft in der Verwaltung schon vieles deutlich entspannter und man hat eine Menge persönlicher Freiheit einfach dadurch, dass man seinen Arbeitsort nahezu frei wählen kann. Gerade wenn jetzt auch die angesprochene Möglichkeit kommt aus dem europäischen Ausland zu arbeiten feiere ich das schon sehr. Auch jetzt machen bei uns manche in den Sommerferien 3 Wochen Nordsee mit den Kindern und können z.B. von dort arbeiten und nur 2 Wochen Urlaub nehmen...
Ich habe mich in der Justiz so unfrei gefühlt, weil ich einfach von morgens bis abends zu tun hatte und die Akten hinter mir gefühlt trotzdem nicht weniger wurden - womit ich zugebenermaßen nicht super zurechtkomme. Ich will irgendwann auch mal fertig sein. Klar, Typfrage.
Die Fälle, in denen man in der Verwaltung tatsächlich krass gegen seine eigene Meinung verstoßen muss sind aber extrem selten, ich hatte so einen Fall noch nicht. Natürlich gibt Prüfaufträge aus dem MB, wo das Ergebnis mit auf dem Prüfauftrag steht, aber hier kann man die eigene Meinung immerhin noch unter "weiterhin gebe ich zu bedenken, dass..." fassen. Und wenn ein Ministerium daraufhin ggf. mal seine Meinung ändert hat man schon einen großen Impact.
Zudem ist man ja auch Beamter, ergo unkündbar. Wenn dir mal was so gegen den Strich gehen sollte, dass es dir den Sprung von A 15 auf A 16 nicht wert ist (Stark-Watzinger lässt grüßen) mach es halt einfach nicht. Über/ab R 2, also für Beförderungen wird es auch in der Justiz mit der Weisungsfreiheit enger...
06.07.2024, 19:41
Aber inhaltlich unterscheidet sich doch auch die Verwaltung (Führung) grundlegend von der Justiz (Jura)- das muss man ja auch immer berücksichtigen, also was einem mehr liegt/ wo man mehr Bock drauf hat?
06.07.2024, 19:43
Hattet/Habt ihr keine HO-Möglichkeit in der Justiz? Das ist bei uns kein Problem. Ich habe aber auch schon anderes von Kollegen aus anderen Bundesländern gehört.
06.07.2024, 20:02
(06.07.2024, 19:43)Fröhlicher Richter schrieb: Hattet/Habt ihr keine HO-Möglichkeit in der Justiz? Das ist bei uns kein Problem. Ich habe aber auch schon anderes von Kollegen aus anderen Bundesländern gehört.
Als ich gegangen bin gab es HO faktisch nicht - weiß aber auch von Kollegen, dass sich das geändert hat. Läuft bei denen aber auf maximal einen Tag hinaus, was man hört klappt das mit der EAkte noch nicht so.
06.07.2024, 21:16
Die Aussagen des fröhlichen Richters zur Finanzverwaltung in dieser Allgemeinheit sind natürlich abwegig. Wer sollte denn die Rechtsbehelfsstellen in der Finanzverwaltung leiten? Numismatiker? Auch in der Steuerfahndung und Buß- und Strafsachenstelle sind Juristen mit ihren sinnlosen Strafrechtskenntnissen selbstverständlich deplatziert. Da bräuchte man besser den Altamtsprüfer als Führungskraft, der ein Semester mal ein paar StGB-Normen vor 30 Jahren hineingeprügelt bekommen hat. Und auch in den Körperschaften und Personengesellschaften braucht man keine Juristen; egal, dass die Hälfte der Amtsprüfer ihre Lebtage lang nie verstehen wird, was Gesamthand bedeutet. Und Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht ist natürlich auch vollkommen zivilrechtsferne Materie.
Mal im Ernst: Der Grund für Juristen in der Finanzverwaltung ist das hohe Maß an Selbstorganisation und die Befähigung zu logischem Denken. Natürlich weiß jeder Sachbearbeiter mehr über doppelte Haushaltsführung und außergewöhnliche Belastung als die allermeisten Juristen. Der Jurist hat dort seine Berechtigung, wo die Finanzbeamten nicht weiterkommen. Das ist dort, wo die EStR und das BMF schweigen. Die meisten Bearbeiter verabscheuen diese Situation, während wir gerade gelernt haben anhand abstrakter Regeln einen Sachverhalt zu beurteilen. Dem Finanzbeamten liegt ein Rechtsdenken näher, dass eher dem Common Law entspricht. Der Jurist ist für die Finanzverwaltung unverzichtbar. Wo er meines Erachtens nichts verloren hat, ist in der allgemeinen Veranlagung.
Und was Führungskompetenz betrifft: Das kann man mE nicht erlernen. Es gibt Leute, die geborene Anführer sind und solche, die der millionenste Kurs nicht zur Menschenführung befähigen würde. Kurse, Bücher etc. sind da nur Hilfsmittel zur Weiterbildung.
Mal im Ernst: Der Grund für Juristen in der Finanzverwaltung ist das hohe Maß an Selbstorganisation und die Befähigung zu logischem Denken. Natürlich weiß jeder Sachbearbeiter mehr über doppelte Haushaltsführung und außergewöhnliche Belastung als die allermeisten Juristen. Der Jurist hat dort seine Berechtigung, wo die Finanzbeamten nicht weiterkommen. Das ist dort, wo die EStR und das BMF schweigen. Die meisten Bearbeiter verabscheuen diese Situation, während wir gerade gelernt haben anhand abstrakter Regeln einen Sachverhalt zu beurteilen. Dem Finanzbeamten liegt ein Rechtsdenken näher, dass eher dem Common Law entspricht. Der Jurist ist für die Finanzverwaltung unverzichtbar. Wo er meines Erachtens nichts verloren hat, ist in der allgemeinen Veranlagung.
Und was Führungskompetenz betrifft: Das kann man mE nicht erlernen. Es gibt Leute, die geborene Anführer sind und solche, die der millionenste Kurs nicht zur Menschenführung befähigen würde. Kurse, Bücher etc. sind da nur Hilfsmittel zur Weiterbildung.
06.07.2024, 21:26
(06.07.2024, 18:32)Spencer schrieb: Seit des Einzugs des Homeoffice und der mancherorts erfolgten Abschaffung fester Arbeitszeiten sind allerdings auch die früher vorwiegend dem Richteramt vorbehalten Vorzüge relativiert worden.
Auch der Umstand, dass man grundsätzlich weisungsfrei ist, stimmt natürlich. Nur gibt es da meistens noch die 2. Instanz, manchmal noch die 3., die meine Entscheidung komplett umdrehen und durch eine völlig neue ersetzen kann. Das läuft dann letztendlich aufs selbe raus. Oder die Tatsache, dass ich keine Verwaltungsrichtlinien befolgen muss, wird dadurch relativiert, dass ich mich doch via juris und Kommentar nach den Obergerichten bzw Bundesgerichten richte. Und komplizierte bzw rechtlich uneindeutigere Fälle gehen dann wieder durch die Kammer, wo ich 1 von 3 Berufsrichtern bin und die 2 ehrenamtlichen Richter auch noch Stimmrecht haben.
Kommen wir noch zur persönlichen Unabhängigkeit. Ja, die habe ich, aber allzuoft erlebe ich gerade jüngere Richter, die aus Karrieregründen am Ende doch nicht den Konflikt in der Kammer suchen oder doch noch „freiwillig“ unbezahlte Zusatzaufgaben übernehmen bzw. brav mit dem Vorsitzenden in die Kantine trotten usw.
Oder Richter, die Erledigungen produzieren müssen („wer schreibt, der bleibt), um vom Vorsitzenden nicht irgendwann zum „Wanderpokal“ gemacht zu werden. Bzw Liebkind beim Gerichtspräsidenten machen, um bei der nächsten Geschäftsverteilung nicht das Nachsehen zu haben.
Wer Unabhängigkeit wirklich konsequent (nicht querulatorisch) lebt, gilt schnell als schwierig usw.
Das Bild vom freischwebenden Richter habe ich leider die letzten Jahre ein bisschen aufgeben müssen. Vielleicht alles allzu menschlich, aber Anspruch und Wirklichkeit fallen da eben oft auseinander. Da ist mir die ehrliche Weisungsgebundenheit in der Verwaltung doch noch lieber.
Zur persönlichen Unabhängigkeit: es ist meiner Erfahrung nach immer eine Frage, wie man es macht und kommuniziert. Probleme entstehen in erster Linie dann, wenn die restlichen Kollegen das Gefühl haben, sich nicht auf einen verlassen zu können. Wir hatten zB mehrere jüngere Kollegen am Gericht, die tagsüber teilweise für mehrere Stunden weg und auch nicht erreichbar waren, ohne sich vorher „abgemeldet“ zu haben. Das ist natürlich richterliche Unabhängigkeit und rechtlich völlig in Ordnung. Für das Sozialgefüge eines mit mehreren Kollegen besetzten Spruchkörpers aber natürlich ziemlicher Mist. Gleiches gilt zB (so schon selbst erlebt), wenn eine Kammersitzung vorberaten werden soll und die Leute nicht reinkommen wollen, „weil das nicht ihr Bürotag ist“. Im Übrigen nutzen halt auch nicht wenige Kollegen die Unabhängigkeit als Vorwand, um irgendwelche Spleens auszuleben.