05.07.2024, 08:57
(05.07.2024, 08:40)Spencer schrieb: Könntet ihr mal - ungefähr - umreissen, was ihr in der Verwaltung macht?
Ich bin Referent in einem Landesministerium. Beschäftige mich hier viel mit Rechtsfragen, die das gesamte Land betreffen / die einheitlich beantwortet werden sollen und daher vom nachgeordneten Bereich zu uns kommen. Daneben begleite ich für meinen Fachbereich Gesetzgebungsverfahren. Da die meisten Sachen hier in der Kompetenz des Bundes liegen finden regelmäßig Bund-Länder-Abstimmungen in Berlin statt bei denen man dann den entsprechenden Kram diskutiert. Selten geht man auch mit zu den jeweiligen Sitzungen im BR, dann aber eher auf Standby als Ansprechperson für den Fall der Fälle.
Daneben kommen natürlich auch immer wieder kurzfristig Anfragen aus dem Ministerbüro die man dann beantworten muss, regelmäßig sind das Antworten zu kleinen Anfragen im Landtag oder Presseanfragen... Letzters ist aufgrund der oftmals kurzen Fristen natürlich nicht so toll.
05.07.2024, 09:17
Ich leite ein Referat in einem Landesministerium. Mit mehreren Referenten, die sehr unterschiedliche berufliche Hintergründe haben. Ich bin der einzige Jurist ;) Meine Vorgesetzten sind menschlich angenehm und lassen mir riesige Gestaltungsfreiräume. Es ist ebenso hochpolitisch wie fachlich interessant, mal sehr prominente, mal leicht nerdige Nischenthemen. Sehr große Bandbreite, viel Kommunikation, viel Arbeit an und mit Texten.
05.07.2024, 10:07
Nein, aber ich bin auch aus der Justiz raus und jetzt in der Verwaltung sehr happy. Die Zeit in der Justiz war aber trotzdem lehrreich für mich, sodass ich trotzdem noch etwas positives für mich mitnehme, auch wenn ich es nicht wieder machen möchte.
05.07.2024, 10:29
An die, die den Wechsel in die Verwaltung gemacht haben: was hat sich für euch gebessert? Werden die Arbeitszeiten signifikant besser, die Belastung geringer? Und ist es nicht auch irgendwie blöd, aus der völligen selbst Bestimmtheit mit mal wieder Fremdbestimmung zu sein?
05.07.2024, 10:52
(05.07.2024, 10:29)Unbegruendet17 schrieb: An die, die den Wechsel in die Verwaltung gemacht haben: was hat sich für euch gebessert? Werden die Arbeitszeiten signifikant besser, die Belastung geringer? Und ist es nicht auch irgendwie blöd, aus der völligen selbst Bestimmtheit mit mal wieder Fremdbestimmung zu sein?
Ich empfinde die Arbeit in der Verwaltung ehrlicherweise als viel selbstbestimmter. Bis auf die wenigen Sachen aus dem MB kann ich meine Sachen machen wann ich will und wo ich will. Die Ausstattung ist um ein vielfaches besser (z.B. Im HO Telefonie über PC und nicht über das eigene Handy / Dienstwagen für Dienstreisen / Zugfahrten erste Klasse...). Zudem kommt bei uns jetzt die Möglichkeit auch aus dem europäischen Ausland mobil zu arbeiten. Dazu kommen die mE besseren Aufstiegschancen, auch die Möglichkeit ab Tag 1 (Einstieg als Führungskraft) Aufgaben zu delegieren ist nicht zu unterschätzen
Wichtig war mir zudem auch die Möglichkeit meinen fachlichen Schwerpunkt selbst zu wählen.
Auch hat man bei uns erkannt, dass wir Personalnot haben, dementsprechend wird man (in der Regel) auch behandelt.
Zudem werde ich für Nebentätigkeiten (real) freigestellt und werde in meinem Urlaub auch tatsächlich vertreten. In der Justiz waren die zwei Wochen vor und nach dem Urlaub eigentlich immer die schlimmsten des Jahres...
Noch als Edit: Stempeln nervt zwar, aber es stellt halt auch sicher, dass ich im Schnitt nicht mehr als die 40 Stunden arbeite, die ich auch bezahlt bekomme. Überstunden abfeiern (also einfach um 12 gehen) ist kein Problem und muss auch bei niemandem beantragt oder genehmigt werden. Außer es ist jetzt mal eine ganze Woche oder so...
05.07.2024, 12:26
(05.07.2024, 10:29)Unbegruendet17 schrieb: An die, die den Wechsel in die Verwaltung gemacht haben: was hat sich für euch gebessert? Werden die Arbeitszeiten signifikant besser, die Belastung geringer? Und ist es nicht auch irgendwie blöd, aus der völligen selbst Bestimmtheit mit mal wieder Fremdbestimmung zu sein?
Ich arbeite in der Verwaltung mal definitiv sehr viel mehr als am Landgericht, zudem ab und zu späte Abendtermine. Allerdings ist mobiles Arbeiten besser umsetzbar - Telefonieren kann man auch beim Laufen durch die Stadt, Bauverfahren bearbeiten eher nicht. Dadurch ist es in der Summe trotzdem familienfreundlicher. Weniger Selbstbestimmung habe ich nicht. Aber man kann schon sagen: wenn man es spannender und verantwortungsvoller sucht als bei Gericht, wird es nicht gerade lässiger. Und meine Vorkenntnisse aus der Justiz helfen mir enorm. Es bringt auch nochmal eine andere Prägung in die Verwaltung, wenn man gewohnt ist, jeden Vorgang zügig zu einer Lösung bringen zu müssen.
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
05.07.2024, 21:18
(05.07.2024, 10:29)Unbegruendet17 schrieb: An die, die den Wechsel in die Verwaltung gemacht haben: was hat sich für euch gebessert? Werden die Arbeitszeiten signifikant besser, die Belastung geringer? Und ist es nicht auch irgendwie blöd, aus der völligen selbst Bestimmtheit mit mal wieder Fremdbestimmung zu sein?
Ich fand mich in der Justiz fremdbestimmter, am LG musste man doch einiges nach dem Vorsitzenden ausrichten und bei der StA bestimmt man nicht mal die Sitzungstage selbst... Beim AG ist's was anderes, aber im Grunde ist man am Gericht halt ein Sachbearbeiter.
In der Verwaltung bin ich Führungskraft und das macht mir deutlich mehr Spaß. Ich prüfe zwar auch immer mal wieder juristische Sachverhalte, aber ganz anders lösungsorientiert und v.a. oftmals mit einem Team.
Die Arbeitszeiten sind je nach Bundesland 40 oder 41 Stunden in der Woche, aber Überstunden kann man halt abfeiern. In der Justiz hatte ich gedanklich nie wirklich Feierabend, die Arbeitslast ist schwankend und kann äußerst fremdbestimmt sein (Versetzung in ein abgesoffenes Dezernat, nachdem man sein eigenes schön aufgeräumt hat).
Man muss schon Spaß dran haben, sonst frustet es.
06.07.2024, 11:37
Ganz ehrlich kann man nur sagen, dass der Aspekt der Arbeitsbelastung sowohl in der Justiz als auch in der Verwaltung so stark zwischen verschiedenen Stellen schwankt, dass eine pauschale Aussage, was in dieser Hinsicht nun angenehmer ist, unmöglich ist. Jede Behörde und jedes Gericht, sogar jeder Spruchkörper und jedes Referat sind anders und führen zu unterschiedlichen Erfahrungswerten.
Ich bin derzeit Richter an einem Verwaltungsgericht und komme ziemlich locker mit 40 Wochenstunden hin. Home Office mache ich wann ich will. Keinen hier juckt, zu welchen Uhrzeiten ich wo und wie arbeite. In der Kammer machen alle weitgehend ihr Ding und reden einander bei Entscheidungen nicht rein, sind aber zugleich bereit, bei Beratungsbedarf in die Diskussion zu kommen. Ich weiß nicht, ob es viele Berufe gibt, in denen die Rahmenbedingungen noch angenehmer sind. Mir ist natürlich bewusst und von manchen Kollegen auch bekannt, dass es an anderen Stellen im Richteramt völlig anders aussehen kann.
Einzigartig am Richterberuf ist die sachliche und persönliche Unabhängigkeit, im Gegensatz zur Weisungsgebundenheit und Hierarchie in Verwaltungsbehörden. Es kann einem eben keiner reingrätschen und sagen, dass man irgendetwas anders entscheiden soll, oder die eigene Linie vorgeben. Ausschlaggebend ist letztlich allein die eigene Rechtsansicht und nicht die Wünsche einer übergeordneten Ebene. Dazu kommt die freie Gestaltung der eigenen Arbeitszeit. Schließlich sind viele Verwaltungsstellen für Juristen mehr mit organisatorischen Aufgaben betraut als mit juristischen, jedenfalls außerhalb der Ministerialverwaltung. Also arbeitet man weniger als Rechtswissenschaftler und mehr in Bereichen wie Personalführung etc., was natürlich denen missfallen kann, die eigentlich entsprechend ihrer Qualifikation Rechtsfragen und -streitigkeiten bearbeiten möchten. Für Aufgaben wie etwa Personalmanagement und andere Rollen in der Verwaltungsleitung sind Juristen übrigens durch ihre Ausbildung keineswegs gut qualifiziert. Dass man sie dennoch in solchen Funktionen einstellt, liegt am althergebrachten Juristenmonopol in Teilen der höheren Verwaltung und nicht an irgendeiner fachlichen Eignung. Wenn man dann z. B. als Volljurist ohne steuerrechtliche Vorbildung im höheren Dienst der Finanzverwaltung eingestellt wird, arbeitet man hinsichtlich der Führungsaufgaben außerhalb seiner Qualifikation und ist den erfahrenen Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes im Bereich des Steuerrechts auch fachlich unterlegen. Und dann ist man schnell in der Rolle eines "Frühstücksdirektors".
Ich bin derzeit Richter an einem Verwaltungsgericht und komme ziemlich locker mit 40 Wochenstunden hin. Home Office mache ich wann ich will. Keinen hier juckt, zu welchen Uhrzeiten ich wo und wie arbeite. In der Kammer machen alle weitgehend ihr Ding und reden einander bei Entscheidungen nicht rein, sind aber zugleich bereit, bei Beratungsbedarf in die Diskussion zu kommen. Ich weiß nicht, ob es viele Berufe gibt, in denen die Rahmenbedingungen noch angenehmer sind. Mir ist natürlich bewusst und von manchen Kollegen auch bekannt, dass es an anderen Stellen im Richteramt völlig anders aussehen kann.
Einzigartig am Richterberuf ist die sachliche und persönliche Unabhängigkeit, im Gegensatz zur Weisungsgebundenheit und Hierarchie in Verwaltungsbehörden. Es kann einem eben keiner reingrätschen und sagen, dass man irgendetwas anders entscheiden soll, oder die eigene Linie vorgeben. Ausschlaggebend ist letztlich allein die eigene Rechtsansicht und nicht die Wünsche einer übergeordneten Ebene. Dazu kommt die freie Gestaltung der eigenen Arbeitszeit. Schließlich sind viele Verwaltungsstellen für Juristen mehr mit organisatorischen Aufgaben betraut als mit juristischen, jedenfalls außerhalb der Ministerialverwaltung. Also arbeitet man weniger als Rechtswissenschaftler und mehr in Bereichen wie Personalführung etc., was natürlich denen missfallen kann, die eigentlich entsprechend ihrer Qualifikation Rechtsfragen und -streitigkeiten bearbeiten möchten. Für Aufgaben wie etwa Personalmanagement und andere Rollen in der Verwaltungsleitung sind Juristen übrigens durch ihre Ausbildung keineswegs gut qualifiziert. Dass man sie dennoch in solchen Funktionen einstellt, liegt am althergebrachten Juristenmonopol in Teilen der höheren Verwaltung und nicht an irgendeiner fachlichen Eignung. Wenn man dann z. B. als Volljurist ohne steuerrechtliche Vorbildung im höheren Dienst der Finanzverwaltung eingestellt wird, arbeitet man hinsichtlich der Führungsaufgaben außerhalb seiner Qualifikation und ist den erfahrenen Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes im Bereich des Steuerrechts auch fachlich unterlegen. Und dann ist man schnell in der Rolle eines "Frühstücksdirektors".
06.07.2024, 13:01
(06.07.2024, 11:37)Fröhlicher Richter schrieb: Ganz ehrlich kann man nur sagen, dass der Aspekt der Arbeitsbelastung sowohl in der Justiz als auch in der Verwaltung so stark zwischen verschiedenen Stellen schwankt, dass eine pauschale Aussage, was in dieser Hinsicht nun angenehmer ist, unmöglich ist. Jede Behörde und jedes Gericht, sogar jeder Spruchkörper und jedes Referat sind anders und führen zu unterschiedlichen Erfahrungswerten.
Ich bin derzeit Richter an einem Verwaltungsgericht und komme ziemlich locker mit 40 Wochenstunden hin. Home Office mache ich wann ich will. Keinen hier juckt, zu welchen Uhrzeiten ich wo und wie arbeite. In der Kammer machen alle weitgehend ihr Ding und reden einander bei Entscheidungen nicht rein, sind aber zugleich bereit, bei Beratungsbedarf in die Diskussion zu kommen. Ich weiß nicht, ob es viele Berufe gibt, in denen die Rahmenbedingungen noch angenehmer sind. Mir ist natürlich bewusst und von manchen Kollegen auch bekannt, dass es an anderen Stellen im Richteramt völlig anders aussehen kann.
Einzigartig am Richterberuf ist die sachliche und persönliche Unabhängigkeit, im Gegensatz zur Weisungsgebundenheit und Hierarchie in Verwaltungsbehörden. Es kann einem eben keiner reingrätschen und sagen, dass man irgendetwas anders entscheiden soll, oder die eigene Linie vorgeben. Ausschlaggebend ist letztlich allein die eigene Rechtsansicht und nicht die Wünsche einer übergeordneten Ebene. Dazu kommt die freie Gestaltung der eigenen Arbeitszeit. Schließlich sind viele Verwaltungsstellen für Juristen mehr mit organisatorischen Aufgaben betraut als mit juristischen, jedenfalls außerhalb der Ministerialverwaltung. Also arbeitet man weniger als Rechtswissenschaftler und mehr in Bereichen wie Personalführung etc., was natürlich denen missfallen kann, die eigentlich entsprechend ihrer Qualifikation Rechtsfragen und -streitigkeiten bearbeiten möchten. Für Aufgaben wie etwa Personalmanagement und andere Rollen in der Verwaltungsleitung sind Juristen übrigens durch ihre Ausbildung keineswegs gut qualifiziert. Dass man sie dennoch in solchen Funktionen einstellt, liegt am althergebrachten Juristenmonopol in Teilen der höheren Verwaltung und nicht an irgendeiner fachlichen Eignung. Wenn man dann z. B. als Volljurist ohne steuerrechtliche Vorbildung im höheren Dienst der Finanzverwaltung eingestellt wird, arbeitet man hinsichtlich der Führungsaufgaben außerhalb seiner Qualifikation und ist den erfahrenen Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes im Bereich des Steuerrechts auch fachlich unterlegen. Und dann ist man schnell in der Rolle eines "Frühstücksdirektors".
Stimmt absolut - das kann man auch niemandem vernünftig erklären.
Wer macht in der Verwaltung IT - Juristen
Wer macht Personalführung - Juristen
Wer macht Controlling - Juristen
Wer macht Haushaltsplanung - Juristen
Wer managet den Fuhrpark - Juristen
...
Ist off topic, aber da sollte man wirklich dran. Das Problem ist halt, dass fast alle anderen Berufsgruppen keine Laufbahnbefähigung haben und mit E 13 - E 15 lockst du halt keine Profis an...
Es gibt aber eben auch Bereiche in denen du als Jurist noch Jura machen darfst... Aber weit über A 15 gehts dann eben nicht hinaus - bei allem darüber liegt der Fokus regelmäßig nicht mehr auf Jura.
06.07.2024, 14:40
(06.07.2024, 11:37)Fröhlicher Richter schrieb: Für Aufgaben wie etwa Personalmanagement und andere Rollen in der Verwaltungsleitung sind Juristen übrigens durch ihre Ausbildung keineswegs gut qualifiziert. Dass man sie dennoch in solchen Funktionen einstellt, liegt am althergebrachten Juristenmonopol in Teilen der höheren Verwaltung und nicht an irgendeiner fachlichen Eignung. Wenn man dann z. B. als Volljurist ohne steuerrechtliche Vorbildung im höheren Dienst der Finanzverwaltung eingestellt wird, arbeitet man hinsichtlich der Führungsaufgaben außerhalb seiner Qualifikation und ist den erfahrenen Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes im Bereich des Steuerrechts auch fachlich unterlegen. Und dann ist man schnell in der Rolle eines "Frühstücksdirektors".
Ich weiß nicht, ob ich es nur anmaßend oder auch belustigend finden soll, dass so etwas über die Kollegen in der Finanzverwaltung gesagt wird, während die Justiz in einigen Bereichen dringend Personalmanagement nötig hätte
Aber macht ruhig weiter so, die jetzige Generation hat verstanden, dass man das, was in der Justiz teilweise abgeht, nicht mitmachen muss.