13.03.2024, 19:59
Hallo zusammen.
Ich bin weder Staatsanwalt noch Staatsanwältin, verzweifele aber gerade an einer ebensolchen.
Folgende Situation:
In einem riesenhaften Zivilstreit mit einem namhaften Konzern leistet die Gegenseite vom ersten Schriftsatz an erweislich falschen Sachvortrag. Erstinstanzlich hat dies der Gegenseite wenig geholfen, wir konnten alles Problematische unter Beweisantritt widerlegen.
Im Berufungsverfahren ist nun die Gegenseite so weit gegangen, dem OLG ein gefälschtes Beweismittel vorzulegen, das ihren Falschvortrag stützen soll, den sie fortführt und erweitert. Das können wir beweisen, und wir haben es angezeigt.
Ermittelt wird allerdings nicht:
Die Staatsanwältin betrachtet die Frage, ob gefälschte und manipulierte Beweismittel verwendet werden, als "zivilrechtliche Vorfrage", über welche das OLG zu entscheiden habe. Also 154d. Mir erscheint das etwas zirkulär. Eine erfolgreiche Täuschung hätte womöglich zur Folge, dass wegen eines fehlerhaften Urteils zu unserem Nachteil die StA zum falschen Schluss kommt, eine Täuschung habe nicht stattgefunden.
Wenn nicht buchstäblich meine Existenz vom Verfahrensausgang anhängen würde, sähe ich das ganze gewiss entspannter. Wir wollen nur erreichen, dass die Gegenseite wahrheitsgemäß vorträgt.
Meine Frage:
KANN die Fragestellung, ob ein Prozessbetrug versucht wird - oder ob ein Beweismittel echt ist - überhaupt eine zivilrechtliche Vorfrage sein?
Als Laie erkenne ich den zivilrechtliche Charakter des Prozessbetrugs nicht, und Gegenstand des OLG-Verfahrens ist auch nicht die Echtheit von Beweismitteln. Dort wird stattdessen auf Grundlage der Beweisvorträge der Parteien über Eigentumsverhältnisse entschieden.
Ich bin weder Staatsanwalt noch Staatsanwältin, verzweifele aber gerade an einer ebensolchen.
Folgende Situation:
In einem riesenhaften Zivilstreit mit einem namhaften Konzern leistet die Gegenseite vom ersten Schriftsatz an erweislich falschen Sachvortrag. Erstinstanzlich hat dies der Gegenseite wenig geholfen, wir konnten alles Problematische unter Beweisantritt widerlegen.
Im Berufungsverfahren ist nun die Gegenseite so weit gegangen, dem OLG ein gefälschtes Beweismittel vorzulegen, das ihren Falschvortrag stützen soll, den sie fortführt und erweitert. Das können wir beweisen, und wir haben es angezeigt.
Ermittelt wird allerdings nicht:
Die Staatsanwältin betrachtet die Frage, ob gefälschte und manipulierte Beweismittel verwendet werden, als "zivilrechtliche Vorfrage", über welche das OLG zu entscheiden habe. Also 154d. Mir erscheint das etwas zirkulär. Eine erfolgreiche Täuschung hätte womöglich zur Folge, dass wegen eines fehlerhaften Urteils zu unserem Nachteil die StA zum falschen Schluss kommt, eine Täuschung habe nicht stattgefunden.
Wenn nicht buchstäblich meine Existenz vom Verfahrensausgang anhängen würde, sähe ich das ganze gewiss entspannter. Wir wollen nur erreichen, dass die Gegenseite wahrheitsgemäß vorträgt.
Meine Frage:
KANN die Fragestellung, ob ein Prozessbetrug versucht wird - oder ob ein Beweismittel echt ist - überhaupt eine zivilrechtliche Vorfrage sein?
Als Laie erkenne ich den zivilrechtliche Charakter des Prozessbetrugs nicht, und Gegenstand des OLG-Verfahrens ist auch nicht die Echtheit von Beweismitteln. Dort wird stattdessen auf Grundlage der Beweisvorträge der Parteien über Eigentumsverhältnisse entschieden.
13.03.2024, 22:20
(13.03.2024, 19:59)Arnix schrieb: Hallo zusammen.
Ich bin weder Staatsanwalt noch Staatsanwältin, verzweifele aber gerade an einer ebensolchen.
Folgende Situation:
In einem riesenhaften Zivilstreit mit einem namhaften Konzern leistet die Gegenseite vom ersten Schriftsatz an erweislich falschen Sachvortrag. Erstinstanzlich hat dies der Gegenseite wenig geholfen, wir konnten alles Problematische unter Beweisantritt widerlegen.
Im Berufungsverfahren ist nun die Gegenseite so weit gegangen, dem OLG ein gefälschtes Beweismittel vorzulegen, das ihren Falschvortrag stützen soll, den sie fortführt und erweitert. Das können wir beweisen, und wir haben es angezeigt.
Ermittelt wird allerdings nicht:
Die Staatsanwältin betrachtet die Frage, ob gefälschte und manipulierte Beweismittel verwendet werden, als "zivilrechtliche Vorfrage", über welche das OLG zu entscheiden habe. Also 154d. Mir erscheint das etwas zirkulär. Eine erfolgreiche Täuschung hätte womöglich zur Folge, dass wegen eines fehlerhaften Urteils zu unserem Nachteil die StA zum falschen Schluss kommt, eine Täuschung habe nicht stattgefunden.
Wenn nicht buchstäblich meine Existenz vom Verfahrensausgang anhängen würde, sähe ich das ganze gewiss entspannter. Wir wollen nur erreichen, dass die Gegenseite wahrheitsgemäß vorträgt.
Meime Frage:
KANN die Fragestellung, ob ein Prozessbetrug versucht wird - oder ob ein Beweismittel echt ist - überhaupt eine zivilrechtliche Vorfrage sein?
Als Laie erkenne ich den zivilrechtliche Charakter des Prozessbetrugs nicht, und Gegenstand des OLG-Verfahrens ist auch nicht die Echtheit von Beweismitteln. Dort wird stattdessen auf Grundlage der Beweisvorträge der Parteien über Eigentumsverhältnisse entschieden.
Welche zivilrechtliche Vorfrage soll denn geklärt werden?
13.03.2024, 23:20
"Welche zivilrechtliche Vorfrage soll denn geklärt werden?"
Das zu lesen kann ich kaum erwarten!
Habe von der Entscheidung bisher nur über unseren Anwalt erfahren, ein Dokument liegt uns noch nicht vor.
Der Mann ist ein erfahrener Strafrechtler und erklärte es mir wie folgt:
Wenn die Gegenseite trotz unserer Gegenbeweise das OLG mit ihren Beweismitteln überzeugen kann, können laut StA die Beweismittel der Gegenseite nicht gefälscht gewesen sein.
Anscheinend ist also die Idee der Staatsanwältin: Wenn wir der StA gegenüber beweisen können, dass die Gegenseite Beweise fälscht, dann können wir es erst recht gegenüber dem OLG. Es geht um einen technischen Sachverhalt (Patentrecht).
Die Echtheit der Beweismittel ist offenbar zur zivilrechtlichen Vorfrage erklärt worden. Anders kann es nicht sein, denn deren Fälschung hatten wir angezeigt.
Das zu lesen kann ich kaum erwarten!
Habe von der Entscheidung bisher nur über unseren Anwalt erfahren, ein Dokument liegt uns noch nicht vor.
Der Mann ist ein erfahrener Strafrechtler und erklärte es mir wie folgt:
Wenn die Gegenseite trotz unserer Gegenbeweise das OLG mit ihren Beweismitteln überzeugen kann, können laut StA die Beweismittel der Gegenseite nicht gefälscht gewesen sein.
Anscheinend ist also die Idee der Staatsanwältin: Wenn wir der StA gegenüber beweisen können, dass die Gegenseite Beweise fälscht, dann können wir es erst recht gegenüber dem OLG. Es geht um einen technischen Sachverhalt (Patentrecht).
Die Echtheit der Beweismittel ist offenbar zur zivilrechtlichen Vorfrage erklärt worden. Anders kann es nicht sein, denn deren Fälschung hatten wir angezeigt.
14.03.2024, 07:20
Es ist jedenfalls nicht unüblich, so zu verfahren. Die ZPO bietet Mittel, um die Echtheit von Beweismitteln zu klären. Die Lust, im laufenden Zivilverfahren dazwischenzufunken und auf Staatskosten die gleiche Frage aufzuklären, ist gering ausgeprägt. Auch aus praktischen Gründen: die Urkunde liegt sonst erst einmal beigezogen bei der StA und der Zivilprozess kann nicht mehr weiterlaufen. Das alles ist nicht gewollt, denn es ist ganz typisch, dass im Zivilprozess jede Seite der anderen Betrug vorwirft (wenn auch nicht so krass wie in deinem Fall), und wenn die StA da immer den Anzeigen folgen würde, gäbe es kaum noch einen geordneten Zivilprozess. Sie werden also erst einmal abwarten, was das Zivilgericht tut und ob die Echtheit dort mittels Gutachtens geklärt wird.
14.03.2024, 09:39
Der entscheidende Punkt ist eigentlich, dass die Schwelle zum strafbaren Versuch bei falschem Prozessvortrag erst mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung überschritten wird, d.h. vor diesem Zeitpunkt ist die Lügerei zwar ärgerlich, aber nicht strafbar, d.h. es gibt noch nicht mal einen Anfangsverdacht. Dies scheint die StA im vorliegenden Fall aber nicht zu wissen. Das, was die StA da mit 154d macht, ist rechtlich halt ziemlich falsch.
14.03.2024, 10:00
Wer sich auf eine Urkunde beruft, muss bei substantiierten Bestreiten derer Echtheit (!) deren Echtheit beweisen. Das ist also eure Gegenseite. Das ist ganz normales Zivilrecht. Das OLG würde dann am Ende die Akte schon selbst zur StA schicken, wenn es Anhaltspunkte für Urkundenfälschung, Prozessbetrug etc. hat.
14.03.2024, 10:24
(14.03.2024, 10:00)1Ri schrieb: Wer sich auf eine Urkunde beruft, muss bei substantiierten Bestreiten derer Echtheit (!) deren Echtheit beweisen. Das ist also eure Gegenseite. Das ist ganz normales Zivilrecht. Das OLG würde dann am Ende die Akte schon selbst zur StA schicken, wenn es Anhaltspunkte für Urkundenfälschung, Prozessbetrug etc. hat.
Dazu muss man aber sagen, dass ungenaue oder für die eigene Seite günstige Dokumente absoluter Standard sind im Zivilprozess. Da biegt sich die vorgelegte Grafik schon so sehr, dass es ächzt aber gefälscht ist sie damit noch nicht.
Ich glaube, deswegen sollten Laien (bzw. die betroffenen Parteien) auch einen Schritt zurück machen und es erstmal ihren qualifizierten Anwälten überlassen. In einem Zivilverfahren behauptet die Gegenseite oft viel Bullshit, der mich aber nicht großartig tangiert, wenn ich den Fall trotzdem gewinne.
Einen Mandanten zur Staatsanwaltschaft würde ich nur lassen, wenn es offensichtlich gefälschte Urkunden sind (also keine wilde Interpretation von Tatsachen, sondern glattweg eine Fälschung [z.B. Änderung eines Geldbetrags in einer Urkunde]). Würde ein Mandant ohne mein Ok zur StA gehen, würde ich ihm ernsthaft ins Gewissen reden. Würde er es weiter betreiben, würde ich die Vertretung niederlegen. Ich bin der Profi und brauche keine betroffene Partei, die mir von der Seite ins Verfahren "pfuscht".
14.03.2024, 12:12
(14.03.2024, 07:20)Praktiker schrieb: Es ist jedenfalls nicht unüblich, so zu verfahren. Die ZPO bietet Mittel, um die Echtheit von Beweismitteln zu klären. Die Lust, im laufenden Zivilverfahren dazwischenzufunken und auf Staatskosten die gleiche Frage aufzuklären, ist gering ausgeprägt. Auch aus praktischen Gründen: die Urkunde liegt sonst erst einmal beigezogen bei der StA und der Zivilprozess kann nicht mehr weiterlaufen. Das alles ist nicht gewollt, denn es ist ganz typisch, dass im Zivilprozess jede Seite der anderen Betrug vorwirft (wenn auch nicht so krass wie in deinem Fall), und wenn die StA da immer den Anzeigen folgen würde, gäbe es kaum noch einen geordneten Zivilprozess. Sie werden also erst einmal abwarten, was das Zivilgericht tut und ob die Echtheit dort mittels Gutachtens geklärt wird.
Die Urkunden, um die es geht, liegen als PDFs vor (per BeA). Das Zivilverfahren würde also nicht verzögert. Besonders schrullig: In einem Fall hatte die Gegenseite versucht, ihre Beweismittel zu schwärzen, und zwar unserer Auffassung nach grob sinnentstellend bzw. sogar sinnverkehrend.
Sie haben sich aber zu blöde angestellt, wir fanden unter den vermeintlichen Schwärzungen unserer Auffassung nach entscheidungsrelevante Informationen, welche mit unserem Sachvortrag verträglich sind - aber im Widerspruch zu deren Sachvortrag stehen.
Seitdem werfen sie uns einen Rechtsbruch vor: Wir hätten "widerrechtlich eine Spezialsoftware" verwendet, um die Schwärzungen zu entfernen.
Die Gegenseite behält ihren Falschen Sachvortrag einfach bei und möchte die unsererseits aufgefundenen technischen Informationen vom Verfahren ausschließen lassen. Das Gericht soll eine Story glauben, welche so nicht aufrecht erhalten werden kann, wenn man das Beweismittel der Gegenseite vollständig kennt - und nicht nur von der Gegenseite gewünschte, ausgewählte Bereiche.
Wir hatten allerdings keine "Spezialsoftware" verwendet, sondern einfach wie üblich deren files mit pdfimages geöffnet, einer in unserer Linux-Distribution vorinstallierten Kommandozeilen-Anwendung. Wir haben nichts entschlüsselt, und es gab keinerlei Barriere, die wir hätten überwinden müssen.
14.03.2024, 12:29
(14.03.2024, 09:39)Ballaballa schrieb: Der entscheidende Punkt ist eigentlich, dass die Schwelle zum strafbaren Versuch bei falschem Prozessvortrag erst mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung überschritten wird, d.h. vor diesem Zeitpunkt ist die Lügerei zwar ärgerlich, aber nicht strafbar, d.h. es gibt noch nicht mal einen Anfangsverdacht. Dies scheint die StA im vorliegenden Fall aber nicht zu wissen. Das, was die StA da mit 154d macht, ist rechtlich halt ziemlich falsch.
Dann darf jeder Beweismittel fälschen und beibringen, solange sie nicht Teil der mündlichen Verhandlung werden?
Das ist übrigens auch ein Punkt: Der Falschvortrag begann ja bereits vorm Landgericht. Wir hatten ihn unter Beweisantritt widerlegt, was enorm anstrengend war, uns aber gelungen ist. Einen erkennbaren Einfluss auf das Urteil hatte der Falschvortrag nicht. Den schwerwiegendsten erstinstanzlichen Falschvortrag hatte die Gegenseite in der Berufungsinstanz einfach wiederholt, per copy&paste. Wir hatten erneut widerlegt, und seitdem insistiert die Gegenseite, das ganze Thema läge neben der Sache.
Um die Größenordnung zu veranschaulichen: Die direkten Kosten unserer rechtlichen Vertretung liegen bisher im Bereich von 2M Euro, von den Opportunitätskosten ganz zu schweigen. Dummerweise sind wir nicht reicht, müssen uns das Geld also leihen. Dabei entstehen die Kosten zu großem Teil durchs aufwendige Widerlegen des falschen Sachvortrags der Gegenseite. Die Gegenseite ist ein Konzern mit fast beliebig tiefen Taschen. Zwischendurch wurden wir sogar von einer Art Privatdetektivin besucht, deren einziges Anliegen war, herauszukriegen, wie unsere Prozessfinanzierung funktioniert. Wegen eines ulkigen Missgeschicks war sie aufgeflogen und hatte sich verkrümelt.
Jedenfalls scheint die Strategie der Gegenseite darin zu bestehen, LG und OLG zu belügen, um mit der Widerlegung der Lügen unsere Streitkosten ins unerträgliche zu steigern.