13.08.2023, 15:25
Dass in der Praxis auch die vV einheitlich tenoriert wird, ist mir bekannt. Von meinem AG-Leiter und Repetitor wurde für das Examen aber ein getrennter Tenor empfohlen
13.08.2023, 19:37
Diese getrennte Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht weder der herrschenden Meinung noch der gerichtlichen Praxis. Ich kenne mehrere Kollegen, die das sehr irritiert, und würde daher davon abraten, es in der Klausur so zu machen.
Auch die Vollstreckung hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts auch leicht begründet: Die Entscheidung ergeht durch ein Urteil mit Kostenmischentscheidung und gegen dieses findet eben nicht "das Rechtsmittel der Beschwerde" (§ 794 I Nr. 3 ZPO) statt. Mit einigem teleologischen Argumentationsaufwand lässt sich bestimmt auch anderes vertreten. Aber praxisgerecht ist das eher nicht.
Auch die Vollstreckung hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts auch leicht begründet: Die Entscheidung ergeht durch ein Urteil mit Kostenmischentscheidung und gegen dieses findet eben nicht "das Rechtsmittel der Beschwerde" (§ 794 I Nr. 3 ZPO) statt. Mit einigem teleologischen Argumentationsaufwand lässt sich bestimmt auch anderes vertreten. Aber praxisgerecht ist das eher nicht.
14.08.2023, 06:43
(13.08.2023, 19:37)Adlatus schrieb: Diese getrennte Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht weder der herrschenden Meinung noch der gerichtlichen Praxis. Ich kenne mehrere Kollegen, die das sehr irritiert, und würde daher davon abraten, es in der Klausur so zu machen.
So ist es - "soweit..." geht nicht, weil unbestimmt, das muss man schon betragsmäßig festmachen, z.B. "der Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von..." oder "über einen Betrag von x EUR hinaus aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von...". Die vollsteckbare Ausfertigung enthält keine Gründe, weshalb das Vollstreckungsorgan die Sicherheit aus dem Tenor erkennen können muss.
14.08.2023, 07:38
(13.08.2023, 19:37)Adlatus schrieb: Diese getrennte Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht weder der herrschenden Meinung noch der gerichtlichen Praxis. Ich kenne mehrere Kollegen, die das sehr irritiert, und würde daher davon abraten, es in der Klausur so zu machen.
Auch die Vollstreckung hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts auch leicht begründet: Die Entscheidung ergeht durch ein Urteil mit Kostenmischentscheidung und gegen dieses findet eben nicht "das Rechtsmittel der Beschwerde" (§ 794 I Nr. 3 ZPO) statt. Mit einigem teleologischen Argumentationsaufwand lässt sich bestimmt auch anderes vertreten. Aber praxisgerecht ist das eher nicht.
Im Kaiser Skript ZPO wird das vehement vertreten als hM. Hat mich als ich das gelesen habe schon irritiert. Hab dann ein bißchen dazu recherchiert und außer kaiser hab ich keine Quelle gefunden, die das so macht. Sogar ein Ausbildungsaufsatz der davon abrät. Ich würde es auch nicht so machen - ist auch schlicht einfacher.
14.08.2023, 14:10
Okay, also wie hieße jetzt der korrekte Satz iRd vorläufigen Vollsteckbarkeit?
15.08.2023, 21:12
(11.08.2023, 15:33)FragenüberFragen schrieb: Wie würdet ihr tenorieren, wenn der Kläger seine Klage, die ursprünglich 40.000 EUR betragen hat, nach richterlichem Hinweis um 5000 EUR reduziert und er mit den verbleibenden 35.000 EUR mit 10.000 EUR gewinnt? Ich hab hier vor allem Probleme mit dem Einbau der Kostentragung nach § 269 III 2 ZPO. Wisst ihr, wie man das am besten macht?
Um bei diesem Eingangsbeispiel zu bleiben:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 75 % und der Beklagte 25 %.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Erläuterung:
zu 1:
Mit 10.000,00 EUR hat der Kläger ja obsiegt. Die Klageabweisung im Übrigen darfst du nicht vergessen. Sie bezieht sich aber nur auf die noch rechtshängigen 25.000,00 EUR. Über die zurückgenommenen 5.000,00 EUR ergeht in der Hauptsache keine Entscheidung mehr.
zu 2:
Hier musst du berücksichtigen, dass es sich um eine Kostenmischentscheidung handelt. Der Kläger hat mit 10.000,00 EUR (= 25 % vom Gebührenstreitwert von 40.000,00 EUR) obsiegt; der Beklagte mit 30.000,00 EUR (25.000,00 EUR streitig zu seinen Gunsten abgewiesen und 5.000,00 EUR zuvor zurückgenommen).
zu 3:
Du brauchst eine Sicherheitsleistung, weil § 708 Nr. 11 ZPO nicht erfüllt ist. Die durch den Kläger in der Hauptsache erlangte Verurteilung des Beklagten übersteigt mit 10.000,00 EUR die Schwelle 1.250,00 EUR. Der Beklagte kann wegen seiner Kosten 2.510,16 EUR (Dreiviertel seiner Anwaltskosten bei einem Gegenstandswert von 40.000,00 EUR, bestehend aus einer 1,3 Verfahrensgebühr, einer 1,2 Termisngebühr, 20,00 EUR Auslagenpauschale zzgl. 19 % Umsatzsteuer) vollstrecken, was die Schwelle von 1.500,00 EUR übersteigt.
16.08.2023, 06:39
(15.08.2023, 21:12)Adlatus schrieb:(11.08.2023, 15:33)FragenüberFragen schrieb: Wie würdet ihr tenorieren, wenn der Kläger seine Klage, die ursprünglich 40.000 EUR betragen hat, nach richterlichem Hinweis um 5000 EUR reduziert und er mit den verbleibenden 35.000 EUR mit 10.000 EUR gewinnt? Ich hab hier vor allem Probleme mit dem Einbau der Kostentragung nach § 269 III 2 ZPO. Wisst ihr, wie man das am besten macht?
Um bei diesem Eingangsbeispiel zu bleiben:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 75 % und der Beklagte 25 %.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Erläuterung:
zu 1:
Mit 10.000,00 EUR hat der Kläger ja obsiegt. Die Klageabweisung im Übrigen darfst du nicht vergessen. Sie bezieht sich aber nur auf die noch rechtshängigen 25.000,00 EUR. Über die zurückgenommenen 5.000,00 EUR ergeht in der Hauptsache keine Entscheidung mehr.
zu 2:
Hier musst du berücksichtigen, dass es sich um eine Kostenmischentscheidung handelt. Der Kläger hat mit 10.000,00 EUR (= 25 % vom Gebührenstreitwert von 40.000,00 EUR) obsiegt; der Beklagte mit 30.000,00 EUR (25.000,00 EUR streitig zu seinen Gunsten abgewiesen und 5.000,00 EUR zuvor zurückgenommen).
zu 3:
Du brauchst eine Sicherheitsleistung, weil § 708 Nr. 11 ZPO nicht erfüllt ist. Die durch den Kläger in der Hauptsache erlangte Verurteilung des Beklagten übersteigt mit 10.000,00 EUR die Schwelle 1.250,00 EUR. Der Beklagte kann wegen seiner Kosten 2.510,16 EUR (Dreiviertel seiner Anwaltskosten bei einem Gegenstandswert von 40.000,00 EUR, bestehend aus einer 1,3 Verfahrensgebühr, einer 1,2 Termisngebühr, 20,00 EUR Auslagenpauschale zzgl. 19 % Umsatzsteuer) vollstrecken, was die Schwelle von 1.500,00 EUR übersteigt.
Tolle Erklärung, das verstehe ich jetzt! Ich danke dir vielmals!
16.08.2023, 21:03
(16.08.2023, 06:39)FragenüberFragen schrieb:(15.08.2023, 21:12)Adlatus schrieb:(11.08.2023, 15:33)FragenüberFragen schrieb: Wie würdet ihr tenorieren, wenn der Kläger seine Klage, die ursprünglich 40.000 EUR betragen hat, nach richterlichem Hinweis um 5000 EUR reduziert und er mit den verbleibenden 35.000 EUR mit 10.000 EUR gewinnt? Ich hab hier vor allem Probleme mit dem Einbau der Kostentragung nach § 269 III 2 ZPO. Wisst ihr, wie man das am besten macht?
Um bei diesem Eingangsbeispiel zu bleiben:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 75 % und der Beklagte 25 %.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Erläuterung:
zu 1:
Mit 10.000,00 EUR hat der Kläger ja obsiegt. Die Klageabweisung im Übrigen darfst du nicht vergessen. Sie bezieht sich aber nur auf die noch rechtshängigen 25.000,00 EUR. Über die zurückgenommenen 5.000,00 EUR ergeht in der Hauptsache keine Entscheidung mehr.
zu 2:
Hier musst du berücksichtigen, dass es sich um eine Kostenmischentscheidung handelt. Der Kläger hat mit 10.000,00 EUR (= 25 % vom Gebührenstreitwert von 40.000,00 EUR) obsiegt; der Beklagte mit 30.000,00 EUR (25.000,00 EUR streitig zu seinen Gunsten abgewiesen und 5.000,00 EUR zuvor zurückgenommen).
zu 3:
Du brauchst eine Sicherheitsleistung, weil § 708 Nr. 11 ZPO nicht erfüllt ist. Die durch den Kläger in der Hauptsache erlangte Verurteilung des Beklagten übersteigt mit 10.000,00 EUR die Schwelle 1.250,00 EUR. Der Beklagte kann wegen seiner Kosten 2.510,16 EUR (Dreiviertel seiner Anwaltskosten bei einem Gegenstandswert von 40.000,00 EUR, bestehend aus einer 1,3 Verfahrensgebühr, einer 1,2 Termisngebühr, 20,00 EUR Auslagenpauschale zzgl. 19 % Umsatzsteuer) vollstrecken, was die Schwelle von 1.500,00 EUR übersteigt.
Tolle Erklärung, das verstehe ich jetzt! Ich danke dir vielmals!
Aber stimmt das denn jetzt? Der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten beruht doch teils auf der Klagerücknahme, also ohne Sicherheit. Ich bin schon eine Weile aus der ZPO-Praxis draußen, bin aber sicher, dass ich hier immer formuliert habe:
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten über einen Betrag von X EUR hinaus und für den Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Und am Ende der Gründe hatte ich ein Zöller-Zitat, wonach keine Sicherheitsleistung oder Anwendungsbefugnis zu tenorieren ist, soweit die Kostenentscheidung der Sache nach ein Beschluss ist.
16.08.2023, 21:37
Das Thema haben wir ja oben bereits angeschnitten. Mein Vorschlag entspricht dem, was ich in mehreren Bundesländern als Praxis gesehen habe. Er folgt einer konsequenten Anwendung des Gesetzeswortlauts: Auch wenn der Kostenentscheidung zum Teil eine Klagerücknahme zugrunde liegt, entscheiden wir nur durch ein Endurteil. Ausnahmen von dem Erfordernis einer Sicherheitsleistung bzw. Abwendungsbefugnis gibt es da nur unter den Voraussetzungen der §§ 708 ff. ZPO – und die sind nicht erfüllt. Der Hinweis auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hilft hier nicht weiter, weil gegen das Urteil nicht das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet. Dies gilt auch hinsichtlich der Kostenentscheidung zur teilweisen Klagerücknahme, weil diese nach § 99 Abs. 1 ZPO nicht isoliert angefochten werden kann.
Mit viel Argumentationsaufwand ließe sich vielleicht begründen, dass die Wertung von § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hier eine vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis geböte. Methodisch wäre das wohl eine Analogie. Das ist aber nicht h.M.
Mit viel Argumentationsaufwand ließe sich vielleicht begründen, dass die Wertung von § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hier eine vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis geböte. Methodisch wäre das wohl eine Analogie. Das ist aber nicht h.M.
17.08.2023, 17:22
(16.08.2023, 21:37)Adlatus schrieb: Das Thema haben wir ja oben bereits angeschnitten. Mein Vorschlag entspricht dem, was ich in mehreren Bundesländern als Praxis gesehen habe. Er folgt einer konsequenten Anwendung des Gesetzeswortlauts: Auch wenn der Kostenentscheidung zum Teil eine Klagerücknahme zugrunde liegt, entscheiden wir nur durch ein Endurteil. Ausnahmen von dem Erfordernis einer Sicherheitsleistung bzw. Abwendungsbefugnis gibt es da nur unter den Voraussetzungen der §§ 708 ff. ZPO – und die sind nicht erfüllt. Der Hinweis auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hilft hier nicht weiter, weil gegen das Urteil nicht das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet. Dies gilt auch hinsichtlich der Kostenentscheidung zur teilweisen Klagerücknahme, weil diese nach § 99 Abs. 1 ZPO nicht isoliert angefochten werden kann.
Mit viel Argumentationsaufwand ließe sich vielleicht begründen, dass die Wertung von § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hier eine vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis geböte. Methodisch wäre das wohl eine Analogie. Das ist aber nicht h.M.
Die Diskussion oben ging ja vorrangig um die Formulierung und fehlende Bestimmtheit, dem hatte ich mich angeschlossen. Hier geht es um die Entscheidung selbst. Wie gesagt, Zöller hat es, meine ich, so vertreten, daher habe ich das immer so gemacht. OLG und BGH haben es nie beanstandet ;)