08.02.2023, 16:32
Hey in die Runde,
mit dem nahenden Ende des Refs spiele ich mit dem Gedanken, mich auf das Richteramt zu bewerben (konkret in SH, wobei meine Fragen vermutlich für alle Bundesländer gelten dürften). Aktuell halten mich noch ein paar Dinge davon ab oder stehen der endgültigen Entscheidung entgegen, sodass ich hier mal nach Erfahrungen fragen wollte:
- Grundsätzlich ist man als Richter auf Probe innerhalb des einem zugewiesenen LG-Bezirks frei einsetzbar und muss ggf. alle paar Monate "sein" Gericht wechseln. Wird hier in der Praxis auf Wünsche und/oder private Belange (Familie, Wohnort etc) Rücksicht genommen oder muss man es nehmen, wie es kommt?
- Sofern man sich für die ordentliche Gerichtsbarkeit bewirbt, sind Zuteilungen in Dezernate im Zivil- und Strafrecht (vermutlich sogar Familienrecht, § 23b GVG?) möglich. Kann man hier Einfluss auf die Zuteilung nehmen, etwa weil man in manchen Rechtsgebieten fachlich besser ist?
- Anknüpfend an die Vorfrage: wie seid ihr etwa im Strafrecht mit Verhandlungen in den Bereichen §§ 211 ff. StGB, Sexualdelikte etc. umgegangen? Da das nicht vollends auszuschließen ist und man auch die Beweismittel (Bilder, Zeugen etc.) erfährt/erlebt, habe ich Sorgen davor, etwa im Bereich der Gewalt gegen Kinder, hiervon zu stark belastet zu werden.
Danke!
mit dem nahenden Ende des Refs spiele ich mit dem Gedanken, mich auf das Richteramt zu bewerben (konkret in SH, wobei meine Fragen vermutlich für alle Bundesländer gelten dürften). Aktuell halten mich noch ein paar Dinge davon ab oder stehen der endgültigen Entscheidung entgegen, sodass ich hier mal nach Erfahrungen fragen wollte:
- Grundsätzlich ist man als Richter auf Probe innerhalb des einem zugewiesenen LG-Bezirks frei einsetzbar und muss ggf. alle paar Monate "sein" Gericht wechseln. Wird hier in der Praxis auf Wünsche und/oder private Belange (Familie, Wohnort etc) Rücksicht genommen oder muss man es nehmen, wie es kommt?
- Sofern man sich für die ordentliche Gerichtsbarkeit bewirbt, sind Zuteilungen in Dezernate im Zivil- und Strafrecht (vermutlich sogar Familienrecht, § 23b GVG?) möglich. Kann man hier Einfluss auf die Zuteilung nehmen, etwa weil man in manchen Rechtsgebieten fachlich besser ist?
- Anknüpfend an die Vorfrage: wie seid ihr etwa im Strafrecht mit Verhandlungen in den Bereichen §§ 211 ff. StGB, Sexualdelikte etc. umgegangen? Da das nicht vollends auszuschließen ist und man auch die Beweismittel (Bilder, Zeugen etc.) erfährt/erlebt, habe ich Sorgen davor, etwa im Bereich der Gewalt gegen Kinder, hiervon zu stark belastet zu werden.
Danke!
Erste Infos zum Bewerbungsverfahren für den Justizdienst findest Du auf den Richter-Infoseiten von Juristenkoffer.de:
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
08.02.2023, 16:50
Ich kann nur für BW sprechen: Dort wechselt man innerhalb der Probezeit, die dort regelmäßig 4 Jahre beträgt, 1-2 mal das Gericht bzw. die Behörde. Typischerweise beginnt man bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht und wechselt dann innerhalb der Probezeit, also zu Gericht oder zur Staatsanwaltschaft. Inwieweit dort auf Wünsche eingegangen werden kann, hängt von den konkreten Bedarfen bzw. der Stellensituation ab, wobei meiner Erfahrung nach die Personaler einem nicht immer (sofort) geben, was man will, auch um einen "beweglich" zu halten. Das klärt man am besten im Vollstellungsgespräch bzw. nach erfolgreichem AC.
Grundsätzlich hat man in der Probezeit erfahrungsgemäß wenig Einfluss, ob man auf Zivil oder Straf eingesetzt wird. Meist wird man bei der Einstellung nach Vorlieben gefragt, aber auch da sind "Überraschungen" durchaus möglich. Erwartet wird generell, dass man hinsichtlich der Materie flexibel einsetzbar ist, also auch Fam oder Inso macht. Auch da hängt es an den Bedarfen und als Proberichter hat man da wenig Chancen, das "Angebot" auszuschlagen.
Tja der Umgang mit sensiblen Delikten ist immer eine Frage der eigenen Haltung. Für mich war das weniger ein Problem, da ich mich als Richter gesehen habe, der über den konkreten Fall entscheiden muss. Ich kann die Tat nicht mehr verhindern, denn sie ist passiert. Mir ging es da eher um das "danach", also was aus Opfern aber auch Angeklagtem wird und wie die jeweilen Perspektiven sind. Ob einem das sehr nah geht oder nicht, hängt ein wenig vom eigenen Charakter ab. Ich habe selten Fälle "mit nach Hause" genommen und kann für mich eigentlich sehr gut damit umgehen. Ich habe weder die Tat zu verantworten noch spüre ich einen besonderen "Verurteilungsdruck". Aber klar, ganz kalt lässt einen eine schlimme Tat auch nicht. M.E. erlernt man auch damit einen professionellen Umgang, zumal die richtig krassen Straftaten ohnehin vor dem LG landen und Du Dich dort gut mit deinen Kollegen beraten kannst. Viele stehen einem auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn man Probleme hat oder ein offenes Ohr braucht. Das gleiche gilt natürlich auch für das AG.
Sollten Dir die Rahmenbedingungen nach dem Vorstellungsgespräch nicht passen, kannst Du ja immer noch abwinken oder dich in einem anderen Bundesland bewerben. Momentan dürfte die Stellenlage (noch) ganz gut sein. Viel Erfolg :)
Grundsätzlich hat man in der Probezeit erfahrungsgemäß wenig Einfluss, ob man auf Zivil oder Straf eingesetzt wird. Meist wird man bei der Einstellung nach Vorlieben gefragt, aber auch da sind "Überraschungen" durchaus möglich. Erwartet wird generell, dass man hinsichtlich der Materie flexibel einsetzbar ist, also auch Fam oder Inso macht. Auch da hängt es an den Bedarfen und als Proberichter hat man da wenig Chancen, das "Angebot" auszuschlagen.
Tja der Umgang mit sensiblen Delikten ist immer eine Frage der eigenen Haltung. Für mich war das weniger ein Problem, da ich mich als Richter gesehen habe, der über den konkreten Fall entscheiden muss. Ich kann die Tat nicht mehr verhindern, denn sie ist passiert. Mir ging es da eher um das "danach", also was aus Opfern aber auch Angeklagtem wird und wie die jeweilen Perspektiven sind. Ob einem das sehr nah geht oder nicht, hängt ein wenig vom eigenen Charakter ab. Ich habe selten Fälle "mit nach Hause" genommen und kann für mich eigentlich sehr gut damit umgehen. Ich habe weder die Tat zu verantworten noch spüre ich einen besonderen "Verurteilungsdruck". Aber klar, ganz kalt lässt einen eine schlimme Tat auch nicht. M.E. erlernt man auch damit einen professionellen Umgang, zumal die richtig krassen Straftaten ohnehin vor dem LG landen und Du Dich dort gut mit deinen Kollegen beraten kannst. Viele stehen einem auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn man Probleme hat oder ein offenes Ohr braucht. Das gleiche gilt natürlich auch für das AG.
Sollten Dir die Rahmenbedingungen nach dem Vorstellungsgespräch nicht passen, kannst Du ja immer noch abwinken oder dich in einem anderen Bundesland bewerben. Momentan dürfte die Stellenlage (noch) ganz gut sein. Viel Erfolg :)
09.02.2023, 09:52
(08.02.2023, 16:50)MrJudgeBW schrieb: Ich kann nur für BW sprechen: Dort wechselt man innerhalb der Probezeit, die dort regelmäßig 4 Jahre beträgt, 1-2 mal das Gericht bzw. die Behörde. Typischerweise beginnt man bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht und wechselt dann innerhalb der Probezeit, also zu Gericht oder zur Staatsanwaltschaft. Inwieweit dort auf Wünsche eingegangen werden kann, hängt von den konkreten Bedarfen bzw. der Stellensituation ab, wobei meiner Erfahrung nach die Personaler einem nicht immer (sofort) geben, was man will, auch um einen "beweglich" zu halten. Das klärt man am besten im Vollstellungsgespräch bzw. nach erfolgreichem AC.
Grundsätzlich hat man in der Probezeit erfahrungsgemäß wenig Einfluss, ob man auf Zivil oder Straf eingesetzt wird. Meist wird man bei der Einstellung nach Vorlieben gefragt, aber auch da sind "Überraschungen" durchaus möglich. Erwartet wird generell, dass man hinsichtlich der Materie flexibel einsetzbar ist, also auch Fam oder Inso macht. Auch da hängt es an den Bedarfen und als Proberichter hat man da wenig Chancen, das "Angebot" auszuschlagen.
Tja der Umgang mit sensiblen Delikten ist immer eine Frage der eigenen Haltung. Für mich war das weniger ein Problem, da ich mich als Richter gesehen habe, der über den konkreten Fall entscheiden muss. Ich kann die Tat nicht mehr verhindern, denn sie ist passiert. Mir ging es da eher um das "danach", also was aus Opfern aber auch Angeklagtem wird und wie die jeweilen Perspektiven sind. Ob einem das sehr nah geht oder nicht, hängt ein wenig vom eigenen Charakter ab. Ich habe selten Fälle "mit nach Hause" genommen und kann für mich eigentlich sehr gut damit umgehen. Ich habe weder die Tat zu verantworten noch spüre ich einen besonderen "Verurteilungsdruck". Aber klar, ganz kalt lässt einen eine schlimme Tat auch nicht. M.E. erlernt man auch damit einen professionellen Umgang, zumal die richtig krassen Straftaten ohnehin vor dem LG landen und Du Dich dort gut mit deinen Kollegen beraten kannst. Viele stehen einem auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn man Probleme hat oder ein offenes Ohr braucht. Das gleiche gilt natürlich auch für das AG.
Sollten Dir die Rahmenbedingungen nach dem Vorstellungsgespräch nicht passen, kannst Du ja immer noch abwinken oder dich in einem anderen Bundesland bewerben. Momentan dürfte die Stellenlage (noch) ganz gut sein. Viel Erfolg :)
Danke für die Infos!
Einen Wechsel zwischen StA und Gericht gibts in SH (zum Glück) nicht verpflichtend, sondern nur auf ausdrücklichen Wunsch.
Was den Umgang mit sensiblen Fällen anbelangt habe ich kein Problem mit der neutralen Würdigung des Sachverhalts und habe auch - sei die Tat auch noch so tragisch - zum Fall bzw. den Personen die notwendige Distanz, sodass persönliche Befindlichkeiten bei der Strafzumessung etc. nicht einfließen würden. Mich beschäftigt tatsächlich eher die Frage, was derartige Fälle inkl. der wahrgenommenen Beweise etc. mit mir persönlich machen und wie sich das z. B. auch auf das Privatleben und private Umfeld auswirkt. Letztlich würde sich das erste in der Praxis zeigen, wenn man es tatsächlich erlebt, mir ging es hierbei um einen Erfahrungsaustausch mit anderen RichterInnen, die dieselben Erfahrungen gemacht haben.
09.02.2023, 15:13
Hallo,
in SH wird weder bei der Zuweisung des LG Bezirks noch innerhalb der verschiedenen Verwendungen dort nennenswert Rücksicht auf die Interessen der Ri auf Probe genommen.
Üblicherweise wird vor der Zuweisung des Bezirks eine Auswahl von zwei Bezirken genannt und der Bewerber nennt eine Präferenz, "welche nach Möglichkeit berücksichtigt wird". Die Berücksichtigung der Präferenz klappt in einigen Fällen, in anderen aber nicht. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine sichere Bank, wenn der eigenen Favorit in der Auswahl genannt wird.
Innerhalb des Bezirks wird der Ri auf Probe örtlich und fachlich dort eingesetzt, wo die Not am Größten ist. Er ist Spielball im System. Zahlreiche Richter auf Probe pendeln über eine Stunde einfach mit dem Auto zum Gericht und/oder haben eine Zuständigkeit, die ihnen nicht zusagt.
Personen mit zivilrechtlicher Diss, WiMi Tätigkeit im ZivilR, Wahlfach Zivilrecht und ggf. auch einer Vortätigkeit als Rechtsanwalt in einer zivilrechtlichen (idR wirtschaftsrechtlichen) Kanzlei, werden zufällig (wie jeder andere auch), erstmal ein Jahr in die Große Strafkammer oder direkt ans AG mit Owi und Strafrichter geschickt.
Der Bezirk kann idR erst nach ca. 1,5 - 2 Jahren gewechselt werden. Anders soll es in örtlicher Hinsicht (auch schon bei der Erstzuweisung) sein, wenn Kinder oder pflegebedürftige Angehörige vorhanden sind.
Die Zufriedenheit ist nach meinem Eindruck überwiegend dennoch vorhanden. Es ist ein Job wie jeder andere auch, heißt mit Licht und Schatten. Was nicht stimmt ist, dass nur ganz vereinzelt Berufseinsteiger die Justiz verlassen. Es hat einen Seltenheitswert, das stimmt. Es ist aber nicht so, dass es nur im Schaltjahr passiert oder es nur Juristen betrifft, die dem fachlich nicht gewachsen sind. Manche Leute wollen keine Fotos von gesplatterten Gehirnen in ihrer Akte oder den Rest des Erwerbslebens damit verbringen, den sich ständig füllenden Aktenbock abzutragen.
Hoffe das hilft. Lass dich nicht abschrecken - über die Pechvögel, die pendeln und abgesoffene Dezernate in ihnen nicht gefallenden Gebieten bekommen redet man einfach mehr als über diejenigen, die Glück hatten und bei denen alles passt. Diese Personen gibt es auch. Zugegebenermaßen kenne ich davon nur wenige. Wie es bei dir laufen wird, kann dir keiner sagen, wenn Du es nicht probierst.
in SH wird weder bei der Zuweisung des LG Bezirks noch innerhalb der verschiedenen Verwendungen dort nennenswert Rücksicht auf die Interessen der Ri auf Probe genommen.
Üblicherweise wird vor der Zuweisung des Bezirks eine Auswahl von zwei Bezirken genannt und der Bewerber nennt eine Präferenz, "welche nach Möglichkeit berücksichtigt wird". Die Berücksichtigung der Präferenz klappt in einigen Fällen, in anderen aber nicht. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine sichere Bank, wenn der eigenen Favorit in der Auswahl genannt wird.
Innerhalb des Bezirks wird der Ri auf Probe örtlich und fachlich dort eingesetzt, wo die Not am Größten ist. Er ist Spielball im System. Zahlreiche Richter auf Probe pendeln über eine Stunde einfach mit dem Auto zum Gericht und/oder haben eine Zuständigkeit, die ihnen nicht zusagt.
Personen mit zivilrechtlicher Diss, WiMi Tätigkeit im ZivilR, Wahlfach Zivilrecht und ggf. auch einer Vortätigkeit als Rechtsanwalt in einer zivilrechtlichen (idR wirtschaftsrechtlichen) Kanzlei, werden zufällig (wie jeder andere auch), erstmal ein Jahr in die Große Strafkammer oder direkt ans AG mit Owi und Strafrichter geschickt.
Der Bezirk kann idR erst nach ca. 1,5 - 2 Jahren gewechselt werden. Anders soll es in örtlicher Hinsicht (auch schon bei der Erstzuweisung) sein, wenn Kinder oder pflegebedürftige Angehörige vorhanden sind.
Die Zufriedenheit ist nach meinem Eindruck überwiegend dennoch vorhanden. Es ist ein Job wie jeder andere auch, heißt mit Licht und Schatten. Was nicht stimmt ist, dass nur ganz vereinzelt Berufseinsteiger die Justiz verlassen. Es hat einen Seltenheitswert, das stimmt. Es ist aber nicht so, dass es nur im Schaltjahr passiert oder es nur Juristen betrifft, die dem fachlich nicht gewachsen sind. Manche Leute wollen keine Fotos von gesplatterten Gehirnen in ihrer Akte oder den Rest des Erwerbslebens damit verbringen, den sich ständig füllenden Aktenbock abzutragen.
Hoffe das hilft. Lass dich nicht abschrecken - über die Pechvögel, die pendeln und abgesoffene Dezernate in ihnen nicht gefallenden Gebieten bekommen redet man einfach mehr als über diejenigen, die Glück hatten und bei denen alles passt. Diese Personen gibt es auch. Zugegebenermaßen kenne ich davon nur wenige. Wie es bei dir laufen wird, kann dir keiner sagen, wenn Du es nicht probierst.
09.02.2023, 20:37
(09.02.2023, 15:13)Corvus schrieb: Innerhalb des Bezirks wird der Ri auf Probe örtlich und fachlich dort eingesetzt, wo die Not am Größten ist. Er ist Spielball im System. Zahlreiche Richter auf Probe pendeln über eine Stunde einfach mit dem Auto zum Gericht und/oder haben eine Zuständigkeit, die ihnen nicht zusagt.
Und genau das ist eine Unverschämtheit, welche in anderen Staaten kaum vorstellbar wäre und den richterlichen Berufsstand herabwürdigt. Betroffene versuchen sich es schön zu reden, aber es gibt dafür keine Rechtfertigung und gehört reformiert. Richter sind keine Beamten, die mal eben auf Befehl des Dienstherrn zu springen haben.
Die ganze Existenz eines Richters auf Probe, der zwar unabhängig Recht sprechen soll, dessen berufliche Zukunft aber von der Ernennung auf Lebenszeit durch das Justizministerium und damit der Exekutive abhängt, ist fragwürdig.
10.02.2023, 10:01
(09.02.2023, 15:13)Corvus schrieb: Hallo,
in SH wird weder bei der Zuweisung des LG Bezirks noch innerhalb der verschiedenen Verwendungen dort nennenswert Rücksicht auf die Interessen der Ri auf Probe genommen.
Üblicherweise wird vor der Zuweisung des Bezirks eine Auswahl von zwei Bezirken genannt und der Bewerber nennt eine Präferenz, "welche nach Möglichkeit berücksichtigt wird". Die Berücksichtigung der Präferenz klappt in einigen Fällen, in anderen aber nicht. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine sichere Bank, wenn der eigenen Favorit in der Auswahl genannt wird.
Innerhalb des Bezirks wird der Ri auf Probe örtlich und fachlich dort eingesetzt, wo die Not am Größten ist. Er ist Spielball im System. Zahlreiche Richter auf Probe pendeln über eine Stunde einfach mit dem Auto zum Gericht und/oder haben eine Zuständigkeit, die ihnen nicht zusagt.
Personen mit zivilrechtlicher Diss, WiMi Tätigkeit im ZivilR, Wahlfach Zivilrecht und ggf. auch einer Vortätigkeit als Rechtsanwalt in einer zivilrechtlichen (idR wirtschaftsrechtlichen) Kanzlei, werden zufällig (wie jeder andere auch), erstmal ein Jahr in die Große Strafkammer oder direkt ans AG mit Owi und Strafrichter geschickt.
Der Bezirk kann idR erst nach ca. 1,5 - 2 Jahren gewechselt werden. Anders soll es in örtlicher Hinsicht (auch schon bei der Erstzuweisung) sein, wenn Kinder oder pflegebedürftige Angehörige vorhanden sind.
Die Zufriedenheit ist nach meinem Eindruck überwiegend dennoch vorhanden. Es ist ein Job wie jeder andere auch, heißt mit Licht und Schatten. Was nicht stimmt ist, dass nur ganz vereinzelt Berufseinsteiger die Justiz verlassen. Es hat einen Seltenheitswert, das stimmt. Es ist aber nicht so, dass es nur im Schaltjahr passiert oder es nur Juristen betrifft, die dem fachlich nicht gewachsen sind. Manche Leute wollen keine Fotos von gesplatterten Gehirnen in ihrer Akte oder den Rest des Erwerbslebens damit verbringen, den sich ständig füllenden Aktenbock abzutragen.
Hoffe das hilft. Lass dich nicht abschrecken - über die Pechvögel, die pendeln und abgesoffene Dezernate in ihnen nicht gefallenden Gebieten bekommen redet man einfach mehr als über diejenigen, die Glück hatten und bei denen alles passt. Diese Personen gibt es auch. Zugegebenermaßen kenne ich davon nur wenige. Wie es bei dir laufen wird, kann dir keiner sagen, wenn Du es nicht probierst.
Danke für die Info! Erfährt man vor der endgültigen Zusage bereits, welchem LG-Bezirk man zugeordnet wird oder ist das mehr oder weniger "die Katze im Sack kaufen", sodass man erst nach Kündigung des bisherigen AG und Zusage beim Land die Mitteilung erhält?
10.02.2023, 17:27
Die Zusage von Seiten des Ministeriums (in Absprache mit dem OLG) ist vor Mitteilung des Bezirks abschließend. Der Bezirk wird dem Bewerber idR binnen weniger Tage oder maximal zwei Wochen nach dem Gespräch beim OLG mitgeteilt.
Der Klarstellung halber: Ist die Zuweisung erstmal erfolgt, wird von den Personalverantwortlichen angestrebt, dass der Ri auf Probe an dem Gericht ein (bis anderthalb) Jahr verbringt, bevor es an ein anderes Gericht geht. Das scheint mir auch der Regelfall zu sein.
Der Klarstellung halber: Ist die Zuweisung erstmal erfolgt, wird von den Personalverantwortlichen angestrebt, dass der Ri auf Probe an dem Gericht ein (bis anderthalb) Jahr verbringt, bevor es an ein anderes Gericht geht. Das scheint mir auch der Regelfall zu sein.
10.02.2023, 23:54
(10.02.2023, 10:01)DerEchteNorden schrieb:(09.02.2023, 15:13)Corvus schrieb: Hallo,
in SH wird weder bei der Zuweisung des LG Bezirks noch innerhalb der verschiedenen Verwendungen dort nennenswert Rücksicht auf die Interessen der Ri auf Probe genommen.
Üblicherweise wird vor der Zuweisung des Bezirks eine Auswahl von zwei Bezirken genannt und der Bewerber nennt eine Präferenz, "welche nach Möglichkeit berücksichtigt wird". Die Berücksichtigung der Präferenz klappt in einigen Fällen, in anderen aber nicht. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine sichere Bank, wenn der eigenen Favorit in der Auswahl genannt wird.
Innerhalb des Bezirks wird der Ri auf Probe örtlich und fachlich dort eingesetzt, wo die Not am Größten ist. Er ist Spielball im System. Zahlreiche Richter auf Probe pendeln über eine Stunde einfach mit dem Auto zum Gericht und/oder haben eine Zuständigkeit, die ihnen nicht zusagt.
Personen mit zivilrechtlicher Diss, WiMi Tätigkeit im ZivilR, Wahlfach Zivilrecht und ggf. auch einer Vortätigkeit als Rechtsanwalt in einer zivilrechtlichen (idR wirtschaftsrechtlichen) Kanzlei, werden zufällig (wie jeder andere auch), erstmal ein Jahr in die Große Strafkammer oder direkt ans AG mit Owi und Strafrichter geschickt.
Der Bezirk kann idR erst nach ca. 1,5 - 2 Jahren gewechselt werden. Anders soll es in örtlicher Hinsicht (auch schon bei der Erstzuweisung) sein, wenn Kinder oder pflegebedürftige Angehörige vorhanden sind.
Die Zufriedenheit ist nach meinem Eindruck überwiegend dennoch vorhanden. Es ist ein Job wie jeder andere auch, heißt mit Licht und Schatten. Was nicht stimmt ist, dass nur ganz vereinzelt Berufseinsteiger die Justiz verlassen. Es hat einen Seltenheitswert, das stimmt. Es ist aber nicht so, dass es nur im Schaltjahr passiert oder es nur Juristen betrifft, die dem fachlich nicht gewachsen sind. Manche Leute wollen keine Fotos von gesplatterten Gehirnen in ihrer Akte oder den Rest des Erwerbslebens damit verbringen, den sich ständig füllenden Aktenbock abzutragen.
Hoffe das hilft. Lass dich nicht abschrecken - über die Pechvögel, die pendeln und abgesoffene Dezernate in ihnen nicht gefallenden Gebieten bekommen redet man einfach mehr als über diejenigen, die Glück hatten und bei denen alles passt. Diese Personen gibt es auch. Zugegebenermaßen kenne ich davon nur wenige. Wie es bei dir laufen wird, kann dir keiner sagen, wenn Du es nicht probierst.
Danke für die Info! Erfährt man vor der endgültigen Zusage bereits, welchem LG-Bezirk man zugeordnet wird oder ist das mehr oder weniger "die Katze im Sack kaufen", sodass man erst nach Kündigung des bisherigen AG und Zusage beim Land die Mitteilung erhält?
Ich habe damals meine ich ca 2 Wochen vor Beginn den Bezirk mitgeteilt bekommen.
11.02.2023, 00:21
(09.02.2023, 20:37)Charles schrieb:(09.02.2023, 15:13)Corvus schrieb: Innerhalb des Bezirks wird der Ri auf Probe örtlich und fachlich dort eingesetzt, wo die Not am Größten ist. Er ist Spielball im System. Zahlreiche Richter auf Probe pendeln über eine Stunde einfach mit dem Auto zum Gericht und/oder haben eine Zuständigkeit, die ihnen nicht zusagt.
Und genau das ist eine Unverschämtheit, welche in anderen Staaten kaum vorstellbar wäre und den richterlichen Berufsstand herabwürdigt. Betroffene versuchen sich es schön zu reden, aber es gibt dafür keine Rechtfertigung und gehört reformiert. Richter sind keine Beamten, die mal eben auf Befehl des Dienstherrn zu springen haben.
Die ganze Existenz eines Richters auf Probe, der zwar unabhängig Recht sprechen soll, dessen berufliche Zukunft aber von der Ernennung auf Lebenszeit durch das Justizministerium und damit der Exekutive abhängt, ist fragwürdig.
Mein Eindruck ist anders. Ich denke, man gibt sich tatsächlich große Mühe, Interessen zu berücksichtigen. Sowohl bei der Zuweisung zum Bezirk als auch später beim Einsatz im jeweiligen Bezirk. Gerade auch im Vergleich zu anderen Bundesländern. Hinzu kommt eine in meinen Augen wirklich faire Behandlung, u.a. mit einer echten Entlastung in der Einführungsphase.
Klar ist aber, dass der Justizgewährleistungsanspruch auch in der Fläche gilt und daher auch an vermeintlich weniger attraktiven Standorten sichergestellt werden muss. Deswegen kann nicht immer jeder Wunsch erfüllt werden und geht es auch nicht ohne Wechsel der Standorte. Es ist aber m.E. auch ungeachtet davon sinnvoll, sich einmal verschiedene Gerichte anzuschauen, bevor man sich entscheidet, wo die Reise hingehen soll. Kleines oder großes AG, LG, ländlich oder stadtnah, macht schon einen Unterschied. Und da es keine "Zwangsverplanungen" gibt, landet jede/r schlussendlich mit der Planstelle an dem Gericht, wo sie/er hin möchte. Das ist in anderen Bundesländern glaube ich auch anders.
Über den konkreten Einsatz am Gericht entscheidet das jeweilige Präsidium. Da haben Land und Verwaltung nichts zu krähen.
Die Fundamentalkritik am Proberichterstatus ist gut gebrüllt und verstehe ich grundsätzlich betrachtet auch. Sie geht aber an der Realität vorbei, in der die sachliche Unabhängigkeit gegeben ist und sich im Gegenteil regelmäßig niemand von den Beurteilern traut, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, wenn es jemand doch einmal absehbar ausnahmsweise einfach dauerhaft nicht packen sollte.