12.11.2022, 13:42
Also an die Freunde, die hier anfangen die Beweiswürdigung bzgl des Tötungsvorsatzes anzuzweifeln und in Richtung 227 argumentieren (die Beweiswürdigung verstieß mE nicht gegen Denkgesetze etc und war daher nicht anzutasten - please remember: Dickster Fehler ist die eigens vorgenommene Beweiswürdigung in der Revisionsklausur...):
Bitte erinnert Euch nochmal daran, wie man als Gericht grs. die innere Tatseite des Täters feststellt (Vorsatz). Weil wir idR keine Angaben des Täters haben tut man das über die Gefährlichkeit des Handelns. Und einen Messerstich in die Brust kann man ohne bedingten Tötungsvorsatz vornehmen? Ich bitte Euch. Selbst wenn der Täter Euch glaubhaft erzählt er habe darauf vertraut, dass jemand bei so einem Stich nicht verreckt ist das völlig lebensfern und wird in aller Regel nicht zur Annahme bewusster Fahrlässigkeit führen (= Täter hat darauf vertraut alles ginge gut).
Bitte erinnert Euch nochmal daran, wie man als Gericht grs. die innere Tatseite des Täters feststellt (Vorsatz). Weil wir idR keine Angaben des Täters haben tut man das über die Gefährlichkeit des Handelns. Und einen Messerstich in die Brust kann man ohne bedingten Tötungsvorsatz vornehmen? Ich bitte Euch. Selbst wenn der Täter Euch glaubhaft erzählt er habe darauf vertraut, dass jemand bei so einem Stich nicht verreckt ist das völlig lebensfern und wird in aller Regel nicht zur Annahme bewusster Fahrlässigkeit führen (= Täter hat darauf vertraut alles ginge gut).
12.11.2022, 14:23
(12.11.2022, 13:42)NRWp schrieb: Also an die Freunde, die hier anfangen die Beweiswürdigung bzgl des Tötungsvorsatzes anzuzweifeln und in Richtung 227 argumentieren (die Beweiswürdigung verstieß mE nicht gegen Denkgesetze etc und war daher nicht anzutasten - please remember: Dickster Fehler ist die eigens vorgenommene Beweiswürdigung in der Revisionsklausur...):
Bitte erinnert Euch nochmal daran, wie man als Gericht grs. die innere Tatseite des Täters feststellt (Vorsatz). Weil wir idR keine Angaben des Täters haben tut man das über die Gefährlichkeit des Handelns. Und einen Messerstich in die Brust kann man ohne bedingten Tötungsvorsatz vornehmen? Ich bitte Euch. Selbst wenn der Täter Euch glaubhaft erzählt er habe darauf vertraut, dass jemand bei so einem Stich nicht verreckt ist das völlig lebensfern und wird in aller Regel nicht zur Annahme bewusster Fahrlässigkeit führen (= Täter hat darauf vertraut alles ginge gut).
Ohne Anspruch auf Richtigkeit: genau das hat das Tatgericht im Klausurfall aber nicht getan. Es hat sich nach den eigenen Worten auf die Aussage des POK Ulrich gestützt, der allein bekundet hat, der Maier habe gesagt "Ich habe zugestochen, zweimal". Allein aus dieser Aussage auf die innere Tatseite zu schließen verstößt aber gegen Denkgesetze, so jedenfalls meine Lösung. Hätte das Gericht von der Gefährlichkeit der Handlung auf den Eventualvorsatz schließen wollen -was jederzeit möglich gewesen wäre- hätte es das in den Gründen zu III. darlegen müssen. Dazu fand sich dort aber kein einziges Wort. Daher Darstellungsrüge (+). Wobei da im Ergebnis sicherlich alles vertretbar gewesen sein dürfte und man bereits gewonnen hatte, wenn man den Prüfungsmaßstab aus § 337 im M/G abgepinselt und da irgendwie drunter subsumiert hat.
12.11.2022, 14:45
(Vorab by the way: Bei uns hieß der Zeuge anders und ich weiß nicht, ob es nicht erhebliche Abweichungen im SV gab, daher kann ich nur für NRW sprechen)
Und dann hast Du damit die ganze Rücktrittsthematik, die ja ersichtlich angelegt war, einfach abgewürgt? Nur mal an diejenigen zur Beruhigung die hier auch Tötungsvorsatz angenommen haben und dann zum Rücktritt gekommen sind:
Schaut mal hier: Eschelbach, BeckOK 212 Rn. 24.1. bzw. BGH NStZ 2007, 331. Ich meine sogar das Wort "wuchtig" fand sich im Klausurtext...
Ich gebe dir Recht, dass die Beweiswürdigung dünn war. Aber das ganze Geschehen der Tat dort wurde im Urteil erläutert. Das kann das Gericht ersichtlich nicht nur auf die Zeugenaussage des Polizisten zurückgeführt haben und ich meine da stand auch nur "insbesondere" bzgl. Täterschaft des Mandanten.
Und dann hast Du damit die ganze Rücktrittsthematik, die ja ersichtlich angelegt war, einfach abgewürgt? Nur mal an diejenigen zur Beruhigung die hier auch Tötungsvorsatz angenommen haben und dann zum Rücktritt gekommen sind:
Schaut mal hier: Eschelbach, BeckOK 212 Rn. 24.1. bzw. BGH NStZ 2007, 331. Ich meine sogar das Wort "wuchtig" fand sich im Klausurtext...
Ich gebe dir Recht, dass die Beweiswürdigung dünn war. Aber das ganze Geschehen der Tat dort wurde im Urteil erläutert. Das kann das Gericht ersichtlich nicht nur auf die Zeugenaussage des Polizisten zurückgeführt haben und ich meine da stand auch nur "insbesondere" bzgl. Täterschaft des Mandanten.
12.11.2022, 15:03
Nee, das bin ich natürlich nicht übergangen. Das hat ja mit der Beweiswürdigung erstmal nichts zu tun. Die Sachrüge ist ja nur auf Basis der Feststellungen zu prüfen und da stand drin "wobei er den Tod des B billigend in Kauf nahm". Das reicht ja dicke für Vorsatz und das war dann auch der Maßstab der Prüfung. Rücktritt war, wie du gesagt hast, offensichtlich angelegt, namentlich korrigierter Rücktrittshorizont und außertatbestandliche Zielerreichung.
Die Frage ob dann die Beweiswürdigung wiederum die Feststellungen tragen ist ja eine davon völlig unabhängige Frage. Wobei da wie gesagt wohl alles vertretbar gewesen sein dürfte.
Im Übrigen, da hier gefragt wurde:
Zulässigkeit:
(P): Revision zu Protokoll des Gerichts (geht)
(P): Begründungsfrist, hier kams auf §345 Abs. 1 S.3 StP0 an.
Begründetheit:
Eröffnungsbeschluss wurde wirksam nachgeholt, 76 Abs. 1 S.2 GVG.
Kein Verstoß gegen § 261, weil Vernehmung des POK weder gegen § 136 noch gegen § 250 StP0 verstieß.
Verteidiger im Rubrum nicht angegeben, unerheblich weil er im allein maßgeblichen Protokoll stand.
Wegen Beschlussnacholung war Ladungsfrist gem § 117 StP0 nicht eingehalten, das kann nicht mit der Revision gerügt werden.
Fehlen des letzten Wortes ging durch, § 258 StP0.
Im der Zweckmäßigkeit konnte man noch auf die Bestellung als PV für die Revisionsinstanz hinweisen, § 143a Abs. 3 StPO und eine Haftbeschwerde anregen, weil die rechtliche Bewertung fehlerhaft war und der Mandant im Knast saß.
Das wäre so mein grober Lösungsvorschlag gewesen.
Die Frage ob dann die Beweiswürdigung wiederum die Feststellungen tragen ist ja eine davon völlig unabhängige Frage. Wobei da wie gesagt wohl alles vertretbar gewesen sein dürfte.
Im Übrigen, da hier gefragt wurde:
Zulässigkeit:
(P): Revision zu Protokoll des Gerichts (geht)
(P): Begründungsfrist, hier kams auf §345 Abs. 1 S.3 StP0 an.
Begründetheit:
Eröffnungsbeschluss wurde wirksam nachgeholt, 76 Abs. 1 S.2 GVG.
Kein Verstoß gegen § 261, weil Vernehmung des POK weder gegen § 136 noch gegen § 250 StP0 verstieß.
Verteidiger im Rubrum nicht angegeben, unerheblich weil er im allein maßgeblichen Protokoll stand.
Wegen Beschlussnacholung war Ladungsfrist gem § 117 StP0 nicht eingehalten, das kann nicht mit der Revision gerügt werden.
Fehlen des letzten Wortes ging durch, § 258 StP0.
Im der Zweckmäßigkeit konnte man noch auf die Bestellung als PV für die Revisionsinstanz hinweisen, § 143a Abs. 3 StPO und eine Haftbeschwerde anregen, weil die rechtliche Bewertung fehlerhaft war und der Mandant im Knast saß.
Das wäre so mein grober Lösungsvorschlag gewesen.
12.11.2022, 15:13
Stimme dir im Wesentlichen bzgl. Lösung zu - ich hab natürlich mal wieder das letzte Wort verpennt. Nun gut. Passiert.
Aber wegen der Darstellungsrüge. Das erschließt sich mir jetzt nicht, wie du dann noch mit Tötungsvorsatz überprüfen kannst, dass die Feststellungen des Gerichts die Strafbarkeit aus 212, 22, 23 tragen. Denn wenn du doch in der Darstellungsrüge sagst, die Beweiswürdigung hinsichtlich des Tötungsvorsatzes verstößt gegen Denkgesetze etc. dann bist Du doch da raus. Dann tragen die Feststellungen des Urteils die Annahme des Vorsatzes eben nicht. Dann musst Du aber auch sagen: Tatentschluss bezüglich Tötung kann aufgrund der vom Gericht dargelegten Feststellungen nicht angenommen werden = 212, 22, 23 (-). Dann kommst Du nicht mehr zum Rücktritt. Alles andere ist doch widersprüchlich.
Aber wegen der Darstellungsrüge. Das erschließt sich mir jetzt nicht, wie du dann noch mit Tötungsvorsatz überprüfen kannst, dass die Feststellungen des Gerichts die Strafbarkeit aus 212, 22, 23 tragen. Denn wenn du doch in der Darstellungsrüge sagst, die Beweiswürdigung hinsichtlich des Tötungsvorsatzes verstößt gegen Denkgesetze etc. dann bist Du doch da raus. Dann tragen die Feststellungen des Urteils die Annahme des Vorsatzes eben nicht. Dann musst Du aber auch sagen: Tatentschluss bezüglich Tötung kann aufgrund der vom Gericht dargelegten Feststellungen nicht angenommen werden = 212, 22, 23 (-). Dann kommst Du nicht mehr zum Rücktritt. Alles andere ist doch widersprüchlich.
12.11.2022, 15:19
(12.11.2022, 14:45)lolNRW schrieb: (Vorab by the way: Bei uns hieß der Zeuge anders und ich weiß nicht, ob es nicht erhebliche Abweichungen im SV gab, daher kann ich nur für NRW sprechen)
Und dann hast Du damit die ganze Rücktrittsthematik, die ja ersichtlich angelegt war, einfach abgewürgt? Nur mal an diejenigen zur Beruhigung die hier auch Tötungsvorsatz angenommen haben und dann zum Rücktritt gekommen sind:
Schaut mal hier: Eschelbach, BeckOK 212 Rn. 24.1. bzw. BGH NStZ 2007, 331. Ich meine sogar das Wort "wuchtig" fand sich im Klausurtext...
Ich gebe dir Recht, dass die Beweiswürdigung dünn war. Aber das ganze Geschehen der Tat dort wurde im Urteil erläutert. Das kann das Gericht ersichtlich nicht nur auf die Zeugenaussage des Polizisten zurückgeführt haben und ich meine da stand auch nur "insbesondere" bzgl. Täterschaft des Mandanten.
Ich meine auch, dass die ganze beweiswürdigung auch net abgedruckt war, sondern nur das mit dem Polizeibeamten, desertieren gab es ja noch mehrere zeugen, die ausgesagt haben und auch der Mandant hatte das Wort in der Verhandlung, man weiß aber nicht, was er genau gesagt hat
12.11.2022, 15:22
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12.11.2022, 15:25
Du musst da wirklich streng zwiwchen Sachrüge einerseits und Darstellungsrüge andererseits trennen. Frage der Sachrüge ist ja allein "tragen die Feststellungen, also die Gründe zu II. (Und nur die) die rechtliche Wertung", also insb. den Schuldspruch. Betreffend den Vorsatz muss man da feststellen dass die Gründe zu II. diesen trugen (Rücktritt mal außen vor), denn da stand schlicht drin "wobei er den Tod billigend in Kauf nahm".
Bei der hiervon zu unterscheidenden Sachrüge bettreffend die Beweiswürdigung ist ja die Frage "verstoßen die unter den Gründen zu III. (Und nur dort) dargelegten Schlüsse auf die Feststellungen (also die Gründe zu II.) Gegen Dankgesetze". Fehler hier sind dann zwar Darstellungsmängel aber schlagen nicht auf die Prüfung der Anwendung sachlichen Rechts durch. Bei dieser Prüfung hat man die Gründe zu II. so zu nehmen wie sie im Urteil stehen und da stand "billigendes Inkaufnehmen" drin. Durch diese strikte und mMn notwendige Trennung dieser beiden Aspekte ist die Prüfung dann im Ergebnis auch nicht widersprüchlich.
Bei der hiervon zu unterscheidenden Sachrüge bettreffend die Beweiswürdigung ist ja die Frage "verstoßen die unter den Gründen zu III. (Und nur dort) dargelegten Schlüsse auf die Feststellungen (also die Gründe zu II.) Gegen Dankgesetze". Fehler hier sind dann zwar Darstellungsmängel aber schlagen nicht auf die Prüfung der Anwendung sachlichen Rechts durch. Bei dieser Prüfung hat man die Gründe zu II. so zu nehmen wie sie im Urteil stehen und da stand "billigendes Inkaufnehmen" drin. Durch diese strikte und mMn notwendige Trennung dieser beiden Aspekte ist die Prüfung dann im Ergebnis auch nicht widersprüchlich.
12.11.2022, 15:26
(12.11.2022, 15:03)Frankfurter schrieb: Nee, das bin ich natürlich nicht übergangen. Das hat ja mit der Beweiswürdigung erstmal nichts zu tun. Die Sachrüge ist ja nur auf Basis der Feststellungen zu prüfen und da stand drin "wobei er den Tod des B billigend in Kauf nahm". Das reicht ja dicke für Vorsatz und das war dann auch der Maßstab der Prüfung. Rücktritt war, wie du gesagt hast, offensichtlich angelegt, namentlich korrigierter Rücktrittshorizont und außertatbestandliche Zielerreichung.
Die Frage ob dann die Beweiswürdigung wiederum die Feststellungen tragen ist ja eine davon völlig unabhängige Frage. Wobei da wie gesagt wohl alles vertretbar gewesen sein dürfte.
Im Übrigen, da hier gefragt wurde:
Zulässigkeit:
(P): Revision zu Protokoll des Gerichts (geht)
(P): Begründungsfrist, hier kams auf §345 Abs. 1 S.3 StP0 an.
Begründetheit:
Eröffnungsbeschluss wurde wirksam nachgeholt, 76 Abs. 1 S.2 GVG.
Kein Verstoß gegen § 261, weil Vernehmung des POK weder gegen § 136 noch gegen § 250 StP0 verstieß.
Verteidiger im Rubrum nicht angegeben, unerheblich weil er im allein maßgeblichen Protokoll stand.
Wegen Beschlussnacholung war Ladungsfrist gem § 117 StP0 nicht eingehalten, das kann nicht mit der Revision gerügt werden.
Fehlen des letzten Wortes ging durch, § 258 StP0.
Im der Zweckmäßigkeit konnte man noch auf die Bestellung als PV für die Revisionsinstanz hinweisen, § 143a Abs. 3 StPO und eine Haftbeschwerde anregen, weil die rechtliche Bewertung fehlerhaft war und der Mandant im Knast saß.
Das wäre so mein grober Lösungsvorschlag gewesen.
Macht schon Sinn ja, darstellungsrüge ist komplett unabhängig von sachrüge, deswegen schneidet man sich auch nix ab
12.11.2022, 16:13
was lief denn in NRW in der Z4 grob?