06.10.2022, 14:43
Liebes Forum,
ich fange bald als Proberichter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Hammer OLG-Bezirk an. Dabei soll ich entgegen des üblichen Verlaufs mein erstes Jahr am Amtsgericht absolvieren (im Rahmen eines Pilotprojekts). Hat einer diesbezüglich Erfahrungen sammeln können? Weil man ja von Anfang an die volle Verantwortung hat und die Einarbeitung daher noch anspruchsvoller sein dürfte. Hat man dann zunächst einen "Mentor", der einen in den ersten Wochen einarbeitet?
VG
ich fange bald als Proberichter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Hammer OLG-Bezirk an. Dabei soll ich entgegen des üblichen Verlaufs mein erstes Jahr am Amtsgericht absolvieren (im Rahmen eines Pilotprojekts). Hat einer diesbezüglich Erfahrungen sammeln können? Weil man ja von Anfang an die volle Verantwortung hat und die Einarbeitung daher noch anspruchsvoller sein dürfte. Hat man dann zunächst einen "Mentor", der einen in den ersten Wochen einarbeitet?
VG
06.10.2022, 15:04
(06.10.2022, 14:43)Gast schrieb: Liebes Forum,
ich fange bald als Proberichter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Hammer OLG-Bezirk an. Dabei soll ich entgegen des üblichen Verlaufs mein erstes Jahr am Amtsgericht absolvieren (im Rahmen eines Pilotprojekts). Hat einer diesbezüglich Erfahrungen sammeln können? Weil man ja von Anfang an die volle Verantwortung hat und die Einarbeitung daher noch anspruchsvoller sein dürfte. Hat man dann zunächst einen "Mentor", der einen in den ersten Wochen einarbeitet?
VG
Ist in anderen Bundesländern nichts außergewöhnliches. Ich wurde nach dem Ref auch direkt bei einem AG eingesetzt. Hatte zunächst Zivil, dann nach 3 Monaten zusätzlich OWi und nach 3 weiteren Monaten noch die Bewährugsüberwachung.
Eine Einarbeitungsphase oder gewisse Einführungslehrgänge (Wie und was verfüge ich? Wie genau leitet man eine Verhandlung?) wären zwar absolut sinnvoll und angebracht, aber wurden bei mir leider nicht angeboten. Wahrscheinlich hat man dafür wieder mal kein Geld....
Man trägt also von Tag 1 an die volle Verantwortung und hat dieselbe Arbeitslast, die auch ein Richter mit 30 Jahren Berufserfahrung hat. Aber keine Sorge, das klingt an sich deutlich schlimmer als es tatsächlich ist. Am Anfang ist alles neu und erschlägt einen, aber spätestens nach 2 Monaten ist man gut drin. Und in der Regel hat man sowohl erfahrene Kollegen, die gerne helfen, als auch junge Kollegen, die wissen wie du dich fühlst . Und im besten Fall hast du noch eine aufmerksame Geschäftsstelle, die dich netterweise auf deine zahlreichen Fehler aufmerksam macht
06.10.2022, 15:10
Wie ist denn so die tatsächliche Arbeitsbelastung als Proberichter? Kommt irgendwann Routine rein und man kann tatsächlich seine 40h einhalten oder kloppt man durch die Bank weg seine 50h Aufwärts? Bei dem Gehalt ja eher abschreckend
06.10.2022, 15:32
(06.10.2022, 15:10)gast828 schrieb: Wie ist denn so die tatsächliche Arbeitsbelastung als Proberichter? Kommt irgendwann Routine rein und man kann tatsächlich seine 40h einhalten oder kloppt man durch die Bank weg seine 50h Aufwärts? Bei dem Gehalt ja eher abschreckend
Hatte als Proberichter rund 50h pro Woche (was wohl so der Schnitt sein dürfte, wenn man das mit Kollegen vergleicht, zumal es hier im Forum ähnlich geäußert wird).
Jetzt (bin seit 2 Jahren „fertig“) sind es zwischen 40-45 pro Woche, bei aufwändigen Verfahren mal etwas mehr. Das ist für mich okay. Dass du jedenfalls nicht reich wirst mit dem Job, sollte vorher klar sein. Dafür ist er sicher.
06.10.2022, 17:03
In bin selbst Proberichter und in meiner ersten Station beim Amtsgericht, wenn auch in einem anderen Bundesland.
Wie schon geschrieben wurde, hat man an Tag 1 die volle Verantwortung und ist die ersten Wochen zunächst mal damit beschäftigt, einen Überblick zu bekommen. Insoweit ist man ein Stück weit auch darauf angewiesen, dass die erfahreneren Kollegen und - vielleicht noch wichtiger - die Geschäftsstellen bereit sind, einem weiterzuhelfen. Ich persönlich habe in der Hinsicht wirklich ausschließlich gute Erfahrungen gemacht, alle waren angesichts der ersten Anlaufschwierigkeiten verständnisvoll. Es gilt hier allerdings: Geholfen wird nur dem, der auch nachfragt. Es wird dir vermutlich niemand einen abstrakten Einführungskurs oder ähnliche Hilfestellung proaktiv antragen.
Zur Arbeitsbelastung: Ich kann natürlich nur meine persönliche Erfahrungen mitteilen. Ich habe ein meines Erachtens eher unschönes Dezernat mit Zivilrecht, Ermittlungsrichter (in einem Bezirk mit Grenzübergang) und Nachlassgericht erwischt. Insbesondere wegen des Ermittlungsrichters ist meine Auslastung ziemlich volatil. In den ersten Wochen waren es eigentlich jede Woche 60+ Stunden, danach ist es dann graduell weniger geworden. Mittlerweile (seit ca 6 Monaten dort) hat es sich Mittel bei 35-40 Stunden eingependelt. Ich würde mich selbst allerdings auch als sehr effizienten Bearbeiter einschätzen. Ich bringe zudem auch ein paar Jahre Erfahrung bei einer größeren GK mit, was mir zwar nicht fachlich, aber dafür in Fragen Effizienz / Zeitmanagement sehr geholfen hat.
Einige Tipps zum "Schneller werden" für Zivilrichter wurden in einem anderen aktuellen Thread diskutiert, aus eigener (wenn auch kurzer) Erfahrung kann ich mich den meisten Vorschlägen nur anschließen. Insbesondere die vielbeschworene "Entscheidungsfreude" ist wirklich wichtig, wenn man der Masse an Verfahren Herr werden will. Speziell für das Zivilrecht kann ich nur empfehlen, möglichst zügig zu terminieren. Die bequeme Verfügung "Doppel an Gegner zur Stellungnahme binnen x Wochen" rächt sich später, wenn die Akten irgendwann aufgebläht zurückkommen ;)
Abschließend kann ich noch sagen: Man muss vor der ersten Station am Amtsgericht keine Angst haben. Mit persönlich gefällt es viel besser als ursprünglich angenommen und früher oder später muss (und will) man ja ohnehin eigenverantwortlich als Richter arbeiten.
Wie schon geschrieben wurde, hat man an Tag 1 die volle Verantwortung und ist die ersten Wochen zunächst mal damit beschäftigt, einen Überblick zu bekommen. Insoweit ist man ein Stück weit auch darauf angewiesen, dass die erfahreneren Kollegen und - vielleicht noch wichtiger - die Geschäftsstellen bereit sind, einem weiterzuhelfen. Ich persönlich habe in der Hinsicht wirklich ausschließlich gute Erfahrungen gemacht, alle waren angesichts der ersten Anlaufschwierigkeiten verständnisvoll. Es gilt hier allerdings: Geholfen wird nur dem, der auch nachfragt. Es wird dir vermutlich niemand einen abstrakten Einführungskurs oder ähnliche Hilfestellung proaktiv antragen.
Zur Arbeitsbelastung: Ich kann natürlich nur meine persönliche Erfahrungen mitteilen. Ich habe ein meines Erachtens eher unschönes Dezernat mit Zivilrecht, Ermittlungsrichter (in einem Bezirk mit Grenzübergang) und Nachlassgericht erwischt. Insbesondere wegen des Ermittlungsrichters ist meine Auslastung ziemlich volatil. In den ersten Wochen waren es eigentlich jede Woche 60+ Stunden, danach ist es dann graduell weniger geworden. Mittlerweile (seit ca 6 Monaten dort) hat es sich Mittel bei 35-40 Stunden eingependelt. Ich würde mich selbst allerdings auch als sehr effizienten Bearbeiter einschätzen. Ich bringe zudem auch ein paar Jahre Erfahrung bei einer größeren GK mit, was mir zwar nicht fachlich, aber dafür in Fragen Effizienz / Zeitmanagement sehr geholfen hat.
Einige Tipps zum "Schneller werden" für Zivilrichter wurden in einem anderen aktuellen Thread diskutiert, aus eigener (wenn auch kurzer) Erfahrung kann ich mich den meisten Vorschlägen nur anschließen. Insbesondere die vielbeschworene "Entscheidungsfreude" ist wirklich wichtig, wenn man der Masse an Verfahren Herr werden will. Speziell für das Zivilrecht kann ich nur empfehlen, möglichst zügig zu terminieren. Die bequeme Verfügung "Doppel an Gegner zur Stellungnahme binnen x Wochen" rächt sich später, wenn die Akten irgendwann aufgebläht zurückkommen ;)
Abschließend kann ich noch sagen: Man muss vor der ersten Station am Amtsgericht keine Angst haben. Mit persönlich gefällt es viel besser als ursprünglich angenommen und früher oder später muss (und will) man ja ohnehin eigenverantwortlich als Richter arbeiten.
09.10.2022, 00:12
Ich hab zwar am LG angefangen, einige Kollegen aber am AG Essen und AG Dortmund. Das sind auch die einzigen beiden AGs im Hammer Bezirk, bei denen das gemacht wird.
Das Feedback war ausnahmslos positiv. Das Mentoring soll nicht nur einige Wochen sondern das ganze Jahr gehen. Dafür sind die Mentoren teilweise freigestellt, du hast also ggf sogar bessere Ansprechpartner, als du sie am LG hättest. Am Anfang machen die Mentoren den gesamten Zutrag mit dir zusammen durch, wenn du das möchtest.
Klar, du sitzt am Anfang nicht daneben, aber du kannst dich ja trotzdem mal in eine Sitzung der Kollege setzen und dir was abschauen.
Du wirst da schnell reinkommen.
tl;dr du schaffst das schon, mach dir keinen Kopf :) und willkommen im Team
Das Feedback war ausnahmslos positiv. Das Mentoring soll nicht nur einige Wochen sondern das ganze Jahr gehen. Dafür sind die Mentoren teilweise freigestellt, du hast also ggf sogar bessere Ansprechpartner, als du sie am LG hättest. Am Anfang machen die Mentoren den gesamten Zutrag mit dir zusammen durch, wenn du das möchtest.
Klar, du sitzt am Anfang nicht daneben, aber du kannst dich ja trotzdem mal in eine Sitzung der Kollege setzen und dir was abschauen.
Du wirst da schnell reinkommen.
tl;dr du schaffst das schon, mach dir keinen Kopf :) und willkommen im Team