07.06.2022, 17:25
Bin frische Ass. iur. und stelle fest, dass ich irgendwie kaum eine Ahnung von einigen sehr häufigen jur. Berufen habe.
Es geht mir nicht um - offensichtlich - mangelnde Berufserfahrung, sondern darum, dass ich kaum eine Ahnung von der alltäglichen Praxis und Arbeitsweise einiger der gängisten jur. Berufe habe.
Habe zB noch nie eine Klage aus Anwaltssicht gesehen, noch nie ein VG von innen, noch nie einen Fuß in die Rechtsabteilung eines Unternehmens gesetzt,...
Ich würde mich nicht als Bibliotheksjuristin bezeichnen, die es völlig verschlafen hat, während der Ausbildung Einblicke in die Praxis zu bekommen:
Praktika waren bei der ordentl. Gerichtsbarkeit (Gründe: Interesse und, ja, auch in bisschen Faulheit in den Sommersemesterferien) und bei GK (Gründe: guter Bezahlung und Interesse).
Die Stationen im Ref. waren bei der Justiz, der Verwaltung und in zwei GK (Gründe für letzteres: gute Bezahlung zusätzl. zum niedrigen Ref.gehalt, Interesse, Wahlstation im Ausland); zusätzlich Nebentätigkeit als WisMit in der GK im Studium.
Im Nachhinein frage ich mich aber, ob ich vielleicht zB auch mal bei einer kleinen Kanzlei ein Praktikum/eine Station hätte machen sollen. Die allermeisten Jurist*innen sind nunmal Anwält*innen in kleinen/mittleren Kanzleien.
Als Ass. iur. überlege ich, was ich jetzt beruflich machen will. Wegen der Arbeitszeiten und der fehlenden langfristigen Perspektive zweifle ich ein bisschen an der GK. Jetzt ist es natürlich zu spät für ein Praktikum, um andere Bereiche unkompliziert kennenzulernen.
Geht es euch ähnlich? Wie geht ihr damit im Rahmen der Berufswahl um? Lösungsideen?
Ansonsten vielleicht auch einfach als Denkanstoß für jüngere Semester... (Die GK sind gerade im Studium und Ref. sehr attraktiv - trotzdem auch bei guten Noten vielleicht bewusst mal was anderes anschauen!)
PS: Da es in keinem Post fehlen darf: EJS war gut, ZJS (leider "nur") befr. (Für den Staatsdienst natürlich eine extrem bittere Kombination
)
Es geht mir nicht um - offensichtlich - mangelnde Berufserfahrung, sondern darum, dass ich kaum eine Ahnung von der alltäglichen Praxis und Arbeitsweise einiger der gängisten jur. Berufe habe.
Habe zB noch nie eine Klage aus Anwaltssicht gesehen, noch nie ein VG von innen, noch nie einen Fuß in die Rechtsabteilung eines Unternehmens gesetzt,...
Ich würde mich nicht als Bibliotheksjuristin bezeichnen, die es völlig verschlafen hat, während der Ausbildung Einblicke in die Praxis zu bekommen:
Praktika waren bei der ordentl. Gerichtsbarkeit (Gründe: Interesse und, ja, auch in bisschen Faulheit in den Sommersemesterferien) und bei GK (Gründe: guter Bezahlung und Interesse).
Die Stationen im Ref. waren bei der Justiz, der Verwaltung und in zwei GK (Gründe für letzteres: gute Bezahlung zusätzl. zum niedrigen Ref.gehalt, Interesse, Wahlstation im Ausland); zusätzlich Nebentätigkeit als WisMit in der GK im Studium.
Im Nachhinein frage ich mich aber, ob ich vielleicht zB auch mal bei einer kleinen Kanzlei ein Praktikum/eine Station hätte machen sollen. Die allermeisten Jurist*innen sind nunmal Anwält*innen in kleinen/mittleren Kanzleien.
Als Ass. iur. überlege ich, was ich jetzt beruflich machen will. Wegen der Arbeitszeiten und der fehlenden langfristigen Perspektive zweifle ich ein bisschen an der GK. Jetzt ist es natürlich zu spät für ein Praktikum, um andere Bereiche unkompliziert kennenzulernen.
Geht es euch ähnlich? Wie geht ihr damit im Rahmen der Berufswahl um? Lösungsideen?
Ansonsten vielleicht auch einfach als Denkanstoß für jüngere Semester... (Die GK sind gerade im Studium und Ref. sehr attraktiv - trotzdem auch bei guten Noten vielleicht bewusst mal was anderes anschauen!)
PS: Da es in keinem Post fehlen darf: EJS war gut, ZJS (leider "nur") befr. (Für den Staatsdienst natürlich eine extrem bittere Kombination

08.06.2022, 09:49
Das VG nicht von innen gesehen zu haben, halte ich in deinem Fall für nicht so wichtig, aber die fehlende Berufspraxis als Anwältin jenseits der GK schon wenn du nicht weißt, was dich interessiert.
Wenn du in eine kleinere oder mittlere Kanzlei willst, bleibt dir letztlich nichts anderes übrig, als es auszuprobieren. Die Arbeitsweise ist etwas anders. Du hast von Beginn an Mandantenkontakt und wirst nicht nur zuarbeiten, sondern bist für deine Akten von Beginn bis Ende alleine verantwortlich. Wenn die Kanzlei nach RVG abrechnet, solltest du in der Lage sein, die Rechnung grob auf Plausiblität überprüfen zu können. Du solltest dir anlesen, wie man ein Urteil zustellt und im Notfall vollstreckt, sollte der Gegner nicht freiwillig zahlen. Je nach Rechtsgebiet und Mandantenstruktur wirst du häufiger vor Gericht auftreten, Klagen oder Klageerwiderungen schreiben. Das alles kann man jedoch lernen und so schwer ist es nicht. Die Frage ist eher, welche Arbeitsweise du bevorzugst.
Weißt du zumindest, welche Richtung es fachlich werden soll? Mir als Anwältin ist es egal, vor welchem Gericht ich auftrete. Man sollte sich nur grob mit den Besonderheiten auskennen. Ich bin Arbeitsrechtlerin mit einem Zivilrechtsanteil und natürlich die Randgebiete zum ArbR wie Sozialrecht und Lohnsteuer. Vor dem SG war ich noch nie, obwohl ich schon einige Fälle im Sozialrecht bearbeitet habe. Die spielten sich im Widerspruchsverfahren oder schriftlichen Verfahren vor dem SG ab.
Vor dem Familiengericht war ich zu Beginn meines Berufslebens ein paar Mal und habe mich auch gleich unfreiwillig als fachfremd geoutet, weil ich die Besonderheiten in Kindschaftssachen nicht kannte. Naja, dumm gelaufen, aber da reißt dir auch keiner den Kopf ab. Prozessual läuft es vor den Gerichten ähnlich ab, aber wie gesagt, mit ein paar Besonderheiten, die man sich anlesen sollte, wenn man ein Verfahren vor diesem Gericht betreuen will. Ich persönlich bevorzuge es daher, nicht zwischen den Rechtsgebieten hin und her zuwechseln, wie es in einer FWW-Kanzlei notwendig ist.
Ich habe in einer kleinen Kanzlei angefangen und arbeite seit einigen Jahren in einer WP-Gesellschaft. In einr kleine Kanzlei würde ich nicht mehr wechseln wollen. Ich habe mich letztens mit jemandem aus einer unterhalten: alleine schon die Papierakten und das weder weder Juris noch Beck-Online vorhanden ist, finde ich abschreckend.
Wenn du in eine kleinere oder mittlere Kanzlei willst, bleibt dir letztlich nichts anderes übrig, als es auszuprobieren. Die Arbeitsweise ist etwas anders. Du hast von Beginn an Mandantenkontakt und wirst nicht nur zuarbeiten, sondern bist für deine Akten von Beginn bis Ende alleine verantwortlich. Wenn die Kanzlei nach RVG abrechnet, solltest du in der Lage sein, die Rechnung grob auf Plausiblität überprüfen zu können. Du solltest dir anlesen, wie man ein Urteil zustellt und im Notfall vollstreckt, sollte der Gegner nicht freiwillig zahlen. Je nach Rechtsgebiet und Mandantenstruktur wirst du häufiger vor Gericht auftreten, Klagen oder Klageerwiderungen schreiben. Das alles kann man jedoch lernen und so schwer ist es nicht. Die Frage ist eher, welche Arbeitsweise du bevorzugst.
Weißt du zumindest, welche Richtung es fachlich werden soll? Mir als Anwältin ist es egal, vor welchem Gericht ich auftrete. Man sollte sich nur grob mit den Besonderheiten auskennen. Ich bin Arbeitsrechtlerin mit einem Zivilrechtsanteil und natürlich die Randgebiete zum ArbR wie Sozialrecht und Lohnsteuer. Vor dem SG war ich noch nie, obwohl ich schon einige Fälle im Sozialrecht bearbeitet habe. Die spielten sich im Widerspruchsverfahren oder schriftlichen Verfahren vor dem SG ab.
Vor dem Familiengericht war ich zu Beginn meines Berufslebens ein paar Mal und habe mich auch gleich unfreiwillig als fachfremd geoutet, weil ich die Besonderheiten in Kindschaftssachen nicht kannte. Naja, dumm gelaufen, aber da reißt dir auch keiner den Kopf ab. Prozessual läuft es vor den Gerichten ähnlich ab, aber wie gesagt, mit ein paar Besonderheiten, die man sich anlesen sollte, wenn man ein Verfahren vor diesem Gericht betreuen will. Ich persönlich bevorzuge es daher, nicht zwischen den Rechtsgebieten hin und her zuwechseln, wie es in einer FWW-Kanzlei notwendig ist.
Ich habe in einer kleinen Kanzlei angefangen und arbeite seit einigen Jahren in einer WP-Gesellschaft. In einr kleine Kanzlei würde ich nicht mehr wechseln wollen. Ich habe mich letztens mit jemandem aus einer unterhalten: alleine schon die Papierakten und das weder weder Juris noch Beck-Online vorhanden ist, finde ich abschreckend.
08.06.2022, 12:15
(08.06.2022, 09:49)Egal schrieb: Das VG nicht von innen gesehen zu haben, halte ich in deinem Fall für nicht so wichtig, aber die fehlende Berufspraxis als Anwältin jenseits der GK schon wenn du nicht weißt, was dich interessiert.
Wenn du in eine kleinere oder mittlere Kanzlei willst, bleibt dir letztlich nichts anderes übrig, als es auszuprobieren. Die Arbeitsweise ist etwas anders. Du hast von Beginn an Mandantenkontakt und wirst nicht nur zuarbeiten, sondern bist für deine Akten von Beginn bis Ende alleine verantwortlich. Wenn die Kanzlei nach RVG abrechnet, solltest du in der Lage sein, die Rechnung grob auf Plausiblität überprüfen zu können. Du solltest dir anlesen, wie man ein Urteil zustellt und im Notfall vollstreckt, sollte der Gegner nicht freiwillig zahlen. Je nach Rechtsgebiet und Mandantenstruktur wirst du häufiger vor Gericht auftreten, Klagen oder Klageerwiderungen schreiben. Das alles kann man jedoch lernen und so schwer ist es nicht. Die Frage ist eher, welche Arbeitsweise du bevorzugst.
Weißt du zumindest, welche Richtung es fachlich werden soll? Mir als Anwältin ist es egal, vor welchem Gericht ich auftrete. Man sollte sich nur grob mit den Besonderheiten auskennen. Ich bin Arbeitsrechtlerin mit einem Zivilrechtsanteil und natürlich die Randgebiete zum ArbR wie Sozialrecht und Lohnsteuer. Vor dem SG war ich noch nie, obwohl ich schon einige Fälle im Sozialrecht bearbeitet habe. Die spielten sich im Widerspruchsverfahren oder schriftlichen Verfahren vor dem SG ab.
Vor dem Familiengericht war ich zu Beginn meines Berufslebens ein paar Mal und habe mich auch gleich unfreiwillig als fachfremd geoutet, weil ich die Besonderheiten in Kindschaftssachen nicht kannte. Naja, dumm gelaufen, aber da reißt dir auch keiner den Kopf ab. Prozessual läuft es vor den Gerichten ähnlich ab, aber wie gesagt, mit ein paar Besonderheiten, die man sich anlesen sollte, wenn man ein Verfahren vor diesem Gericht betreuen will. Ich persönlich bevorzuge es daher, nicht zwischen den Rechtsgebieten hin und her zuwechseln, wie es in einer FWW-Kanzlei notwendig ist.
Ich habe in einer kleinen Kanzlei angefangen und arbeite seit einigen Jahren in einer WP-Gesellschaft. In einr kleine Kanzlei würde ich nicht mehr wechseln wollen. Ich habe mich letztens mit jemandem aus einer unterhalten: alleine schon die Papierakten und das weder weder Juris noch Beck-Online vorhanden ist, finde ich abschreckend.
Kleine Kanzlei heißt nicht automatisch FWW + Papierakte ohne Datenbank.
ich arbeite in einer kleinen Kanzlei, wir machen alles digital, haben Beckonline + Juris und jeder hat seine Spezialisierung, obwohl man frei in der Mandatsannahme ist. Es sind aber halt nicht nur Krachermandate am Start, dessen sollte man sich bewusst sein.
In einer kleinen Kanzlei sehe ich die Vorteile, dass man relativ schnell eigenständig arbeiten darf und muss. Wie das bei Gericht abgeht und die Besonderheiten der Gerichtsbarkeiten sind m.E. ohnehin learning by doing, obwohl man die Grundzüge schon kennen sollte. Klagen schreiben ist auch Übungssache.
08.06.2022, 12:57
(08.06.2022, 12:15)Gast schrieb:(08.06.2022, 09:49)Egal schrieb: Das VG nicht von innen gesehen zu haben, halte ich in deinem Fall für nicht so wichtig, aber die fehlende Berufspraxis als Anwältin jenseits der GK schon wenn du nicht weißt, was dich interessiert.
Wenn du in eine kleinere oder mittlere Kanzlei willst, bleibt dir letztlich nichts anderes übrig, als es auszuprobieren. Die Arbeitsweise ist etwas anders. Du hast von Beginn an Mandantenkontakt und wirst nicht nur zuarbeiten, sondern bist für deine Akten von Beginn bis Ende alleine verantwortlich. Wenn die Kanzlei nach RVG abrechnet, solltest du in der Lage sein, die Rechnung grob auf Plausiblität überprüfen zu können. Du solltest dir anlesen, wie man ein Urteil zustellt und im Notfall vollstreckt, sollte der Gegner nicht freiwillig zahlen. Je nach Rechtsgebiet und Mandantenstruktur wirst du häufiger vor Gericht auftreten, Klagen oder Klageerwiderungen schreiben. Das alles kann man jedoch lernen und so schwer ist es nicht. Die Frage ist eher, welche Arbeitsweise du bevorzugst.
Weißt du zumindest, welche Richtung es fachlich werden soll? Mir als Anwältin ist es egal, vor welchem Gericht ich auftrete. Man sollte sich nur grob mit den Besonderheiten auskennen. Ich bin Arbeitsrechtlerin mit einem Zivilrechtsanteil und natürlich die Randgebiete zum ArbR wie Sozialrecht und Lohnsteuer. Vor dem SG war ich noch nie, obwohl ich schon einige Fälle im Sozialrecht bearbeitet habe. Die spielten sich im Widerspruchsverfahren oder schriftlichen Verfahren vor dem SG ab.
Vor dem Familiengericht war ich zu Beginn meines Berufslebens ein paar Mal und habe mich auch gleich unfreiwillig als fachfremd geoutet, weil ich die Besonderheiten in Kindschaftssachen nicht kannte. Naja, dumm gelaufen, aber da reißt dir auch keiner den Kopf ab. Prozessual läuft es vor den Gerichten ähnlich ab, aber wie gesagt, mit ein paar Besonderheiten, die man sich anlesen sollte, wenn man ein Verfahren vor diesem Gericht betreuen will. Ich persönlich bevorzuge es daher, nicht zwischen den Rechtsgebieten hin und her zuwechseln, wie es in einer FWW-Kanzlei notwendig ist.
Ich habe in einer kleinen Kanzlei angefangen und arbeite seit einigen Jahren in einer WP-Gesellschaft. In einr kleine Kanzlei würde ich nicht mehr wechseln wollen. Ich habe mich letztens mit jemandem aus einer unterhalten: alleine schon die Papierakten und das weder weder Juris noch Beck-Online vorhanden ist, finde ich abschreckend.
Kleine Kanzlei heißt nicht automatisch FWW + Papierakte ohne Datenbank.
ich arbeite in einer kleinen Kanzlei, wir machen alles digital, haben Beckonline + Juris und jeder hat seine Spezialisierung, obwohl man frei in der Mandatsannahme ist. Es sind aber halt nicht nur Krachermandate am Start, dessen sollte man sich bewusst sein.
In einer kleinen Kanzlei sehe ich die Vorteile, dass man relativ schnell eigenständig arbeiten darf und muss. Wie das bei Gericht abgeht und die Besonderheiten der Gerichtsbarkeiten sind m.E. ohnehin learning by doing, obwohl man die Grundzüge schon kennen sollte. Klagen schreiben ist auch Übungssache.
Das ist schön zu hören. Ich war ein bisschen entsetzt, als mir das erzählt wurde.