06.06.2022, 14:28
Ich empfehle allen, sich mal mit der Geschichte der Versorgungswerke zu befassen. Die sind nicht entstanden, weil die freien Berufe eine gute Lobby hatten, sondern weil die freien Berufe nicht in die Gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen wurden und 1923, als das erste berufsständische Versorgungswerk gegründet wurde, die Weltwirtschaftskrise, die Inflation und der erste Weltkrieg gerade die eigene Altersvorsorge der meisten vernichtet hat.
06.06.2022, 16:18
(06.06.2022, 14:28)Gast schrieb: Ich empfehle allen, sich mal mit der Geschichte der Versorgungswerke zu befassen. Die sind nicht entstanden, weil die freien Berufe eine gute Lobby hatten, sondern weil die freien Berufe nicht in die Gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen wurden und 1923, als das erste berufsständische Versorgungswerk gegründet wurde, die Weltwirtschaftskrise, die Inflation und der erste Weltkrieg gerade die eigene Altersvorsorge der meisten vernichtet hat.
Ich hatte nur irgendetwas mit Adenauer im Kopf, Zeiten, in denen die Bundesrepublik (Ostdeutschland lasse ich Mal draußen) noch nicht existierte, finde ich wenig aussagekräftig. Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
06.06.2022, 16:43
(06.06.2022, 16:18)Gast schrieb:(06.06.2022, 14:28)Gast schrieb: Ich empfehle allen, sich mal mit der Geschichte der Versorgungswerke zu befassen. Die sind nicht entstanden, weil die freien Berufe eine gute Lobby hatten, sondern weil die freien Berufe nicht in die Gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen wurden und 1923, als das erste berufsständische Versorgungswerk gegründet wurde, die Weltwirtschaftskrise, die Inflation und der erste Weltkrieg gerade die eigene Altersvorsorge der meisten vernichtet hat.
Ich hatte nur irgendetwas mit Adenauer im Kopf, Zeiten, in denen die Bundesrepublik (Ostdeutschland lasse ich Mal draußen) noch nicht existierte, finde ich wenig aussagekräftig. Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
Ich als Besserverdiener und Jurist fühle mich auch sehr lobbylos. Diese ganzen armen Menschen, Flüchtlinge, die haben eine Lobby, man oh man. Da kann ich nur neidisch drauf schauen, bei gerade mal 40% Juristen in der Regierung… generell ist ja bekannt, dass Reiche und Gutverdiener sehr wenig Lobby haben.
06.06.2022, 17:21
(06.06.2022, 16:18)Gast schrieb:(06.06.2022, 14:28)Gast schrieb: Ich empfehle allen, sich mal mit der Geschichte der Versorgungswerke zu befassen. Die sind nicht entstanden, weil die freien Berufe eine gute Lobby hatten, sondern weil die freien Berufe nicht in die Gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen wurden und 1923, als das erste berufsständische Versorgungswerk gegründet wurde, die Weltwirtschaftskrise, die Inflation und der erste Weltkrieg gerade die eigene Altersvorsorge der meisten vernichtet hat.
Ich hatte nur irgendetwas mit Adenauer im Kopf, Zeiten, in denen die Bundesrepublik (Ostdeutschland lasse ich Mal draußen) noch nicht existierte, finde ich wenig aussagekräftig. Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
Richtig. Damals wollte man nicht, dass Besserverdiener ungerechtfertigter Weise vom Umlageverfahren profitieren. Als Besserverdiener sei man ja in der Lage, sich selbst um seinen Lebensabend zu kümmern.
Jetzt wird rumgeheult, dass die Leute, die man damals nicht wollte, ihre eigene Rente haben (und der Spaß dann auch noch besser verdient).
06.06.2022, 19:53
Zitat:Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
Das ist doch eine mehr als naive Sichtweise am Rande des Selbstbetrugs. Es geht um die Frage, warum HEUTE die (angestellten) Rechtsanwälte von der Einzahlung in die gRV befreit sind. Für diese Rechtslage hat die Bundespolitik sich HEUTE entschieden. Zugehörige Regelungen waren mehrfach im Fokus der Gesetzgebung. Der Wille zur Privilegierung der Rechtsanwaltschaft wurde dabei mehrfach aktualisiert. Wenn der HEUTIGE Gesetzgeber sich also nicht für eine Änderung entscheidet, dann entscheidet er sich HEUTE für die Privilegierung.
Da hat das Wort "damals" von vornherein nichts zu suchen.
06.06.2022, 20:06
(06.06.2022, 19:53)Gast schrieb:Zitat:Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
Das ist doch eine mehr als naive Sichtweise am Rande des Selbstbetrugs. Es geht um die Frage, warum HEUTE die (angestellten) Rechtsanwälte von der Einzahlung in die gRV befreit sind. Für diese Rechtslage hat die Bundespolitik sich HEUTE entschieden. Zugehörige Regelungen waren mehrfach im Fokus der Gesetzgebung. Der Wille zur Privilegierung der Rechtsanwaltschaft wurde dabei mehrfach aktualisiert. Wenn der HEUTIGE Gesetzgeber sich also nicht für eine Änderung entscheidet, dann entscheidet er sich HEUTE für die Privilegierung.
Da hat das Wort "damals" von vornherein nichts zu suchen.
Ja aber vor 99 Jahren war das anders gemeint…

06.06.2022, 20:57
(06.06.2022, 19:53)Gast schrieb:Zitat:Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
Das ist doch eine mehr als naive Sichtweise am Rande des Selbstbetrugs. Es geht um die Frage, warum HEUTE die (angestellten) Rechtsanwälte von der Einzahlung in die gRV befreit sind. Für diese Rechtslage hat die Bundespolitik sich HEUTE entschieden. Zugehörige Regelungen waren mehrfach im Fokus der Gesetzgebung. Der Wille zur Privilegierung der Rechtsanwaltschaft wurde dabei mehrfach aktualisiert. Wenn der HEUTIGE Gesetzgeber sich also nicht für eine Änderung entscheidet, dann entscheidet er sich HEUTE für die Privilegierung.
Da hat das Wort "damals" von vornherein nichts zu suchen.
Keine Ahnung, aber davon eine ganze Menge. Es zeugt nämlich von absoluter Ahnungslosigkeit, wenn Du meinst, der Gesetzgeber könnte das so einfach abschaffen und die Tatsache, dass er das noch nicht getan hat, sei quasi ein Eingeständnis an die Lobby. Peinlich, wenn so was von einem Juristen kommt. Da sind nicht nur gravierende rechtliche Probleme, sondern finanziell quasi nicht machbar, zig unterschiedliche kapitalmarktbasierte VW und eine umlagefinanzierte gRV zu überführen. Da haben sich schon diverse Experten mit deutlich mehr Ahnung als Du mit befasst.
Deine Behauptung ist das Pöbel-Level, das auch meint, die Krise der gRV ließe sich dadurch beheben, dass man die Beamten und freien Berufe einfach dazuholt

06.06.2022, 22:11
(06.06.2022, 20:57)Gast schrieb:(06.06.2022, 19:53)Gast schrieb:Zitat:Aber Du hast Recht,dass zumindest Juristen wissen sollten,dass diese Lobby-Story Unsinn ist. Ich finde es schlimm genug, wie viele unkundige Leute in Diskussionen und online immer diesen Unsinn verbreiten,aber ein Jurist, selbst wenn er kein (betroffener) RA ist, sollte wissen, dass das damals eher zu Lasten der RAe ging und kein Vorteil war.
Das ist doch eine mehr als naive Sichtweise am Rande des Selbstbetrugs. Es geht um die Frage, warum HEUTE die (angestellten) Rechtsanwälte von der Einzahlung in die gRV befreit sind. Für diese Rechtslage hat die Bundespolitik sich HEUTE entschieden. Zugehörige Regelungen waren mehrfach im Fokus der Gesetzgebung. Der Wille zur Privilegierung der Rechtsanwaltschaft wurde dabei mehrfach aktualisiert. Wenn der HEUTIGE Gesetzgeber sich also nicht für eine Änderung entscheidet, dann entscheidet er sich HEUTE für die Privilegierung.
Da hat das Wort "damals" von vornherein nichts zu suchen.
Keine Ahnung, aber davon eine ganze Menge. Es zeugt nämlich von absoluter Ahnungslosigkeit, wenn Du meinst, der Gesetzgeber könnte das so einfach abschaffen und die Tatsache, dass er das noch nicht getan hat, sei quasi ein Eingeständnis an die Lobby. Peinlich, wenn so was von einem Juristen kommt. Da sind nicht nur gravierende rechtliche Probleme, sondern finanziell quasi nicht machbar, zig unterschiedliche kapitalmarktbasierte VW und eine umlagefinanzierte gRV zu überführen. Da haben sich schon diverse Experten mit deutlich mehr Ahnung als Du mit befasst.
Deine Behauptung ist das Pöbel-Level, das auch meint, die Krise der gRV ließe sich dadurch beheben, dass man die Beamten und freien Berufe einfach dazuholt. Dass die Leute auch entsprechend hohe Ansprüche haben, die dann aus dem Topf beglichen werden müssten, wird ignoriert bzw. der Pöbel ist da dann plötzlich sozialistisch und meint, dass diese Gruppen sich dann mit der Durchschnittsrente der gRV zufrieden geben müsste.
Es geht doch nicht darum, alle "einfach" in einen Topf zu werfen. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen.
Über die Geschichte der Versorgungswerke habe ich ebenfalls schon gelesen und muss in den Tenor einstimmen, dass das Geschichte ist.
Heute sieht man diejenigen, die nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen, als privilegiert an.
Vor ein paar Jahren gab es ein Urteil des BSG zu den Syndizies. Diese sollten auf Bestreben der Deutschen Rentenversicherung in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das BSG entschied im Sinne der DRV und es gab einen lauten Aufschrei unter den Juristen. Ca. ein halbes Jahr später trat ein Gesetz in Kraft, was die Rechtsprechung des BSG wieder außer Kraft setzte. Seitdem gibt es das Konstrukt des Syndikus-Rechtsanwalts.
Mit Sicherheit haben wir das den Juristen im Bundestag und ihren Freunden, Bekannten und anderen Netzwerkpartnern zu verdanken, dass dieses Gesetz so schnell in Kraft trat. Sonst dauert es von der Idee bis zum In-Kraft-Treten eines Gesetzes erheblich länger, wenn sich diese Ideen nicht sowieso im Winde zerschlagen.
07.06.2022, 10:10
Das Urteil des BSG betraf die Besonderheit, dass Unternehmensjuristen ist aus Sicht der Rechtsprechung nicht frei in der Berufsausübung waren. Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit war damit für die Mitgliedschaft im Versorgungswerk und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs.-1 S. 1 Nr. 1 SGB VI fehlte. Wer als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht, werde in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt ist der Syndikus demnach nur in seiner freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses (sogenannte Doppel- oder Zwei-Berufe-Theorie). Das war lange stand der Rechtsprechung und die gelebte Praxis der Verwaltung und wurde danach in die BRAO gegossen, da auch das BSG gesagt hat, dass es nur über ein Regelung des Gesetzgebers und nicht über die bloße Verwaltungspraxis geht.
Im übrigen betreffen Versorgungswerke und die Pflicht sich darin zu versichern nicht nur Rechtsanwälte, sondern grundsätzlich alle freien Berufe, welche über eine berufsständige Versorgung verfügen (Ärzte, Steuerberater, Architekten etc.).
Im übrigen betreffen Versorgungswerke und die Pflicht sich darin zu versichern nicht nur Rechtsanwälte, sondern grundsätzlich alle freien Berufe, welche über eine berufsständige Versorgung verfügen (Ärzte, Steuerberater, Architekten etc.).
07.06.2022, 11:20
(07.06.2022, 10:10)Gast schrieb: Das Urteil des BSG betraf die Besonderheit, dass Unternehmensjuristen ist aus Sicht der Rechtsprechung nicht frei in der Berufsausübung waren. Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit war damit für die Mitgliedschaft im Versorgungswerk und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs.-1 S. 1 Nr. 1 SGB VI fehlte. Wer als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht, werde in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt ist der Syndikus demnach nur in seiner freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses (sogenannte Doppel- oder Zwei-Berufe-Theorie). Das war lange stand der Rechtsprechung und die gelebte Praxis der Verwaltung und wurde danach in die BRAO gegossen, da auch das BSG gesagt hat, dass es nur über ein Regelung des Gesetzgebers und nicht über die bloße Verwaltungspraxis geht.
Im übrigen betreffen Versorgungswerke und die Pflicht sich darin zu versichern nicht nur Rechtsanwälte, sondern grundsätzlich alle freien Berufe, welche über eine berufsständige Versorgung verfügen (Ärzte, Steuerberater, Architekten etc.).
Hätte aber auch Anwälte, zumindest die typischen GK-M&A-Associates ebenfalls betroffen.