13.09.2021, 17:09
(13.09.2021, 16:55)Gast schrieb: Hi,
ich bin ebenfalls Richterin auf Probe, wechsel aber bald in die Bundesverwaltung (Bundesministerium). Zusammenfassung meiner Tätigkeit als Proberichterin:
+ Arbeitsbelastung noch in Ordnung, was sicher an der Fachgerichtsbarkeit liegt und daran, dass ich ein aufgeräumtes Dezernat bekommen habe; andere haben da VIEL mehr Pech
+ Verhandlungen machen mir durchaus Spaß
+ Richterliche Freizeit ist nett; ich habe mich schon nach kurzer Zeit an die fachliche und zeitliche Freiheit gewöhnt
- sehr einsam; liegt sicher auch an meinem Gericht aber hier gibt es quasi keine gemeinsamen Veranstaltungen. Ab und an organisiert mal jemand ein gemeinsames Essen, wo eine Handvoll Richter teilnehmen. Bin jetzt 6 Monate hier und kenne vielleicht die Hälfte aller Richter. Viele sieht man nie, weil sie von zuhause arbeiten oder nur vormittags mal da sind. Kollegen sind wirklich alle nett und hilfsbereit, aber dieses ständige alleine im Büro sitzen ist doch etwas einsam. Man muss schon sehr proaktiv auf alle zugehen
- fühle mich als Richterin einfach nicht berufen. Job macht Spaß, aber anders als Kollegen denke ich nicht „wow, ich bin ein Teil des Rechtsstaates und nehme wichtige Aufgaben wahr“. Ich habe mich in Robe oder wenn man jemand als Richterin anspricht nie besonders gefühlt. Für mich ist es ein Job zum Geldverdienen, aber keine Berufung
- Erledigungszahlen und die Beurteilungen nerven
- Urlaub ist nicht Urlaub. Bei uns ist üblich, dass die Vertretung einfach nur weiterverfügt. Man kommt also aus dem Urlaub und hat nicht weniger Arbeit als vorher.
- Karriereaussichten schwierig bis nicht vorhanden
In der Verwaltung finde ich es gut, dass man eine feste Stundenzahl arbeitet und alles darüber hinaus abfeiern kann. Dazu ist Urlaub eben Urlaub und wenn man krank ist, ist man krank.
Die richterliche Unabhängigkeit wird mir fehlen, ansonsten glaube ich, dass ich mich in der Verwaltung deutlich wohler fühlen werde.
Das spricht mir, Threadersteller, aus der Seele. Exakt so sieht meine Pro/Con. Liste auch aus.
Aber ich weiß einfach nicht, ob Verwaltung mir von der Mentalität her passen würde.. Oder eben zurück in die Anwaltschaft, aber sicher bin ich mir da auch nicht.
Aber klares Pro für die Verwaltung ist natürlich, dass man (nahezu) so viel wie ein Richter verdient, was die Arbeitszeiten angeht aber sicher besser da steht.
13.09.2021, 17:59
Die Sorge wg der Mentalität ist im Ansatz nachvollziehbar, nicht selten indes wohl auf Vorurteilen begründet: natürlich kann man beim konkreten Dienstposten „ins Klo greifen“ und sich in einer Klischee-Amtsstube wiederfinden (dann wird man dankbar für die vergleichsweise einfachen Wechselmöglichkeiten in der Verwaltung sein). Viel wahrscheinlicher dürfte in einer modernen Großstadtverwaltung wie auch einem Bundesministerium freilich ein junges, dynamisches, hochmotiviertes und fachlich excellentes Team sein, dass nach dem Einzelkämpferdasein in der Justiz geradehin revitalisierend wirken dürfte.
Die vielgepriesene „richterliche Unabhängigkeit“ - ist sie vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Erledigungsdrucks nicht oft genug de facto eine Chimäre?
Es kann ja kaum verborgen bleiben, wie auffällig viele Justiz-Exit-Threads hier zuletzt wieder aufscheinen…
Die vielgepriesene „richterliche Unabhängigkeit“ - ist sie vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Erledigungsdrucks nicht oft genug de facto eine Chimäre?
Es kann ja kaum verborgen bleiben, wie auffällig viele Justiz-Exit-Threads hier zuletzt wieder aufscheinen…
13.09.2021, 18:02
Zumindest hier, NRW, verdient man bei vielen Stellen in der Verwaltung sogar besser als mit R1. Zulagen sei Dank.
Was ich für den Anwaltsjob mal zu bedenken gebe ist, dass man Dienstleister ist. Sprich ich richte mich nach den Terminen des Mandanten, des Gerichts, der Verwaltung etc. Trotz höherem Gehalt fühlt man sich schon untergeordnet. Das war das Richter schöner und ist bestimmt auch in der Verwaltung besser. Aber gerade aus der Justiz ist es schon ein spürbarer Unterschied.
Was ich für den Anwaltsjob mal zu bedenken gebe ist, dass man Dienstleister ist. Sprich ich richte mich nach den Terminen des Mandanten, des Gerichts, der Verwaltung etc. Trotz höherem Gehalt fühlt man sich schon untergeordnet. Das war das Richter schöner und ist bestimmt auch in der Verwaltung besser. Aber gerade aus der Justiz ist es schon ein spürbarer Unterschied.
13.09.2021, 18:17
Mir (3 Monate Proberichter) gehts auch so. Hatte die Hoffnung, dass es aber besser wird. Die Threads hier machen einem ja keinen Mut dbzgl. :/
13.09.2021, 18:19
(13.09.2021, 15:37)Gast schrieb: Mir ging es ähnlich und ich bin nach gut einem Jahr in die (kommunale) Verwaltung gewechselt. Beste Entscheidung meines Lebens: entspannte Arbeitszeiten/Work-Life-Balance, dabei juristisch höchst abwechslungsreich und immer "am Puls des Lebens", dennoch gemütliche Atmosphäre in der Behörde, demnächst A14 (hier üblicherweise zeitgleich mit der Lebenszeitverbeamtung) und reale Aufstiegsmöglichkeiten, wenn man das denn möchte und bereit ist, sich entsprechend einzubringen.
Bist du versetzt worden oder wie hat das bei dir funktioniert? Bist du die ganze Zeit verbeamtet geblieben?
13.09.2021, 18:20
(13.09.2021, 17:09)Gast schrieb:(13.09.2021, 16:55)Gast schrieb: Hi,
ich bin ebenfalls Richterin auf Probe, wechsel aber bald in die Bundesverwaltung (Bundesministerium). Zusammenfassung meiner Tätigkeit als Proberichterin:
+ Arbeitsbelastung noch in Ordnung, was sicher an der Fachgerichtsbarkeit liegt und daran, dass ich ein aufgeräumtes Dezernat bekommen habe; andere haben da VIEL mehr Pech
+ Verhandlungen machen mir durchaus Spaß
+ Richterliche Freizeit ist nett; ich habe mich schon nach kurzer Zeit an die fachliche und zeitliche Freiheit gewöhnt
- sehr einsam; liegt sicher auch an meinem Gericht aber hier gibt es quasi keine gemeinsamen Veranstaltungen. Ab und an organisiert mal jemand ein gemeinsames Essen, wo eine Handvoll Richter teilnehmen. Bin jetzt 6 Monate hier und kenne vielleicht die Hälfte aller Richter. Viele sieht man nie, weil sie von zuhause arbeiten oder nur vormittags mal da sind. Kollegen sind wirklich alle nett und hilfsbereit, aber dieses ständige alleine im Büro sitzen ist doch etwas einsam. Man muss schon sehr proaktiv auf alle zugehen
- fühle mich als Richterin einfach nicht berufen. Job macht Spaß, aber anders als Kollegen denke ich nicht „wow, ich bin ein Teil des Rechtsstaates und nehme wichtige Aufgaben wahr“. Ich habe mich in Robe oder wenn man jemand als Richterin anspricht nie besonders gefühlt. Für mich ist es ein Job zum Geldverdienen, aber keine Berufung
- Erledigungszahlen und die Beurteilungen nerven
- Urlaub ist nicht Urlaub. Bei uns ist üblich, dass die Vertretung einfach nur weiterverfügt. Man kommt also aus dem Urlaub und hat nicht weniger Arbeit als vorher.
- Karriereaussichten schwierig bis nicht vorhanden
In der Verwaltung finde ich es gut, dass man eine feste Stundenzahl arbeitet und alles darüber hinaus abfeiern kann. Dazu ist Urlaub eben Urlaub und wenn man krank ist, ist man krank.
Die richterliche Unabhängigkeit wird mir fehlen, ansonsten glaube ich, dass ich mich in der Verwaltung deutlich wohler fühlen werde.
Das spricht mir, Threadersteller, aus der Seele. Exakt so sieht meine Pro/Con. Liste auch aus.
Aber ich weiß einfach nicht, ob Verwaltung mir von der Mentalität her passen würde.. Oder eben zurück in die Anwaltschaft, aber sicher bin ich mir da auch nicht.
Aber klares Pro für die Verwaltung ist natürlich, dass man (nahezu) so viel wie ein Richter verdient, was die Arbeitszeiten angeht aber sicher besser da steht.
Ich bin die zitierte Richterin.
Ich kann nur sagen: ich war für die Wahlstation in einem Bundesministerium und da habe ich 0,0 Beamtenmentalität bemerkt. Vielmehr waren alle engagiert und man hatte immer was zu tun. Sicher hängt das nochmal von der Behörde und da vom Team ab. Aber es gibt so viele Behörden und so viele Möglichkeiten in der Verwaltung - DIE Verwaltung, bei der alles langweilig und langsam ist, gibt es einfach nicht. Und man kann sich ja vorher informieren, wie es in der Behörde, wo man sich bewerben will, so ist.
13.09.2021, 19:18
Kann jemand was zur Frage der Pensionsansprüche beim Wechsel Justiz -> Verwaltung sagen sowie zur amtsärztlichen Untersuchung?
Werden die Jahre als Richter für erstere voll angerechnet? Muss man sich, sofern bereits auf Lebenszeit ernannt, beim Wechsel erneut amtsärztlich begutachten lassen? Gibt es nochmal sowas wie eine Probezeit?
Vielen Dank im Voraus!
Werden die Jahre als Richter für erstere voll angerechnet? Muss man sich, sofern bereits auf Lebenszeit ernannt, beim Wechsel erneut amtsärztlich begutachten lassen? Gibt es nochmal sowas wie eine Probezeit?
Vielen Dank im Voraus!
13.09.2021, 19:21
(13.09.2021, 18:19)Gast schrieb: Bist du versetzt worden oder wie hat das bei dir funktioniert? Bist du die ganze Zeit verbeamtet geblieben?
Ja. Nach der Bewerbung und Einstellungszusage des neuen Dienstherrn informiert man den bisherigen Dienstherrn, die nehmen dann Kontakt miteinander auf und regeln die Details (zB Versorgungslastenteilung, musst Du Dich nicht drum kümmern). Wenn der Dienstantritt beim neuen DH feststeht, gibts eine Versetzungsverfügung und fertig. Du bleibst die ganze Zeit verbeamtet.
Es kann nur sein, dass Deine Einstufung neu berechnet wird, wenn Du in ein anderes BL oder zum Bund wechselst wg. unterschiedlicher Anrechnungsregeln von vorheriger Berufserfahrung. Außerdem muss ggf die Krankenversicherung über den Wechsel der Beihilfevorschrift informiert werden, was leichte Veränderungen der Prämie auslösen kann.
13.09.2021, 19:35
(13.09.2021, 19:21)Gast schrieb:(13.09.2021, 18:19)Gast schrieb: Bist du versetzt worden oder wie hat das bei dir funktioniert? Bist du die ganze Zeit verbeamtet geblieben?
Ja. Nach der Bewerbung und Einstellungszusage des neuen Dienstherrn informiert man den bisherigen Dienstherrn, die nehmen dann Kontakt miteinander auf und regeln die Details (zB Versorgungslastenteilung, musst Du Dich nicht drum kümmern). Wenn der Dienstantritt beim neuen DH feststeht, gibts eine Versetzungsverfügung und fertig. Du bleibst die ganze Zeit verbeamtet.
Es kann nur sein, dass Deine Einstufung neu berechnet wird, wenn Du in ein anderes BL oder zum Bund wechselst wg. unterschiedlicher Anrechnungsregeln von vorheriger Berufserfahrung. Außerdem muss ggf die Krankenversicherung über den Wechsel der Beihilfevorschrift informiert werden, was leichte Veränderungen der Prämie auslösen kann.
Danke.
Das heißt, dein alter DH wusste nichts davon, dass du gehen wolltest, bis es offiziell war?
13.09.2021, 19:52
Genau, er wusste nichts bis zur Zusage des neuen DH.
Zu den anderen Fragen:
Ruhegehaltsfähige Dienstzeit läuft normal nahtlos, deshalb ja die Versorgungslastenteilung. Zum Amtsarzt musste ich auch nicht nochmal, dessen Gutachten befindet sich ja sowieso im Personalakt, den der neue DH anfordert. Würde ihn insofern nur sinnlos Geld kosten.
Wobei ich sagen muss, dass ich im selben BL vom Staat zu einer Kommune gewechselt bin.
Zu den anderen Fragen:
Ruhegehaltsfähige Dienstzeit läuft normal nahtlos, deshalb ja die Versorgungslastenteilung. Zum Amtsarzt musste ich auch nicht nochmal, dessen Gutachten befindet sich ja sowieso im Personalakt, den der neue DH anfordert. Würde ihn insofern nur sinnlos Geld kosten.
Wobei ich sagen muss, dass ich im selben BL vom Staat zu einer Kommune gewechselt bin.