16.08.2021, 23:10
Das Thema Arbeitszeit in Großkanzleien ist ja ein vieldiskutiertes Thema hier. Zurecht: Die physische Leistungsfähigkeit ist nunmal begrenzt. Dem Mandanten zu versprechen, sowohl exzellente Beratung zu bieten als auch immer verfügbar zu sein, ist unseriös. Anders formuliert: Qualität und Quantität stehen in einem Spannungsverhältnis. Auch die knappe Begründung, "der Mandant will es eben so", kann mich nur begrenzt überzeugen. Ich würde jedenfalls im eigenen Interesse nicht wollen, dass mein Anwalt nach durchgearbeiteter Nacht für mich tätig wird. Hinzu kommt, dass mit dem Modell "halbes Gehalt für halbe Stundenzahl" die Kanzleien auch wieder diejenigen Leute bekämen, die sie haben wollen (im Moment orientieren sie sich notenmäßig offenbar weit nach unten).
Es wird sogar öffentlich in grauenhaftem Denglisch mit so genannten "all-nightern" angegeben!!!! So eine --arks
Was soll also das Ganze?
Ich möchte die Diskussion an dieser Stelle mit einer zugegebenermaßen etwas steilen These bereichern:
Es geht um Macht und Männlichkeit. Es ist bekannt, dass der Frauenanteil, vor allem auf Partnerebene, nicht der Normalverteilung unter Juristen entspricht. Männer fühlen sich offenbar eher von den Großkanzleien angesprochen. Das, was in der Unterschicht die hervorquellenden Muckies sind, könnten in diesen Kreisen zumindest bei manchen Großkanzleianwälten die durchgearbeiteten Nächte sein. Die Frage, "Wer arbeitet am Längsten?" entspräche dem "Wer kann am Längsten?" bzw. "Wer hat den Längsten?"
Ist diese These totaler Quatsch oder steckt ein Fünkchen Wahrheit drin? Was meint ihr?
Es wird sogar öffentlich in grauenhaftem Denglisch mit so genannten "all-nightern" angegeben!!!! So eine --arks
Was soll also das Ganze?
Ich möchte die Diskussion an dieser Stelle mit einer zugegebenermaßen etwas steilen These bereichern:
Es geht um Macht und Männlichkeit. Es ist bekannt, dass der Frauenanteil, vor allem auf Partnerebene, nicht der Normalverteilung unter Juristen entspricht. Männer fühlen sich offenbar eher von den Großkanzleien angesprochen. Das, was in der Unterschicht die hervorquellenden Muckies sind, könnten in diesen Kreisen zumindest bei manchen Großkanzleianwälten die durchgearbeiteten Nächte sein. Die Frage, "Wer arbeitet am Längsten?" entspräche dem "Wer kann am Längsten?" bzw. "Wer hat den Längsten?"
Ist diese These totaler Quatsch oder steckt ein Fünkchen Wahrheit drin? Was meint ihr?
16.08.2021, 23:18
Klassische Anwaltstätigkeit ist halt nicht skalierbar, sondern Zeit gegen Geld.
Wer viele Stunden arbeitet, billt i.d.R. auch viel und macht so viel Umsatz -> führt zu höheren Gehältern die die Kanzlei zahlen kann und ist für die Karriere förderlich.
Karriere machen dürfte tendenziell schon eher einem Männlichkeitsbild entsprechen als der Typ mit klassicher 40h-Dienst-nach-Vorschrift-und-nicht-mehr-Beamte.
Wer viele Stunden arbeitet, billt i.d.R. auch viel und macht so viel Umsatz -> führt zu höheren Gehältern die die Kanzlei zahlen kann und ist für die Karriere förderlich.
Karriere machen dürfte tendenziell schon eher einem Männlichkeitsbild entsprechen als der Typ mit klassicher 40h-Dienst-nach-Vorschrift-und-nicht-mehr-Beamte.
16.08.2021, 23:21
Du kannst viele Projekte aber nicht einfach aufteilen; Aufgaben lassen sich oft nicht halbieren. Du hast es bearbeitet und dann kommt um 22 Uhr die eilige Rückfrage. Da braucht man dann dich.
17.08.2021, 00:08
(16.08.2021, 23:21)Gasto schrieb: Du kannst viele Projekte aber nicht einfach aufteilen; Aufgaben lassen sich oft nicht halbieren. Du hast es bearbeitet und dann kommt um 22 Uhr die eilige Rückfrage. Da braucht man dann dich.Das ist unzweifelhaft richtig. Ich halte die Ausgangsthese dennoch für eine interessante Theorie, die ein gewichtiges Fünkchen Wahrheit in sich trägt.
17.08.2021, 07:04
(16.08.2021, 23:21)Gasto schrieb: Du kannst viele Projekte aber nicht einfach aufteilen; Aufgaben lassen sich oft nicht halbieren. Du hast es bearbeitet und dann kommt um 22 Uhr die eilige Rückfrage. Da braucht man dann dich.
Das ist vollkommen korrekt. Allerdings ist das ja kein Zustand, der auf Biegen und Brechen beibehalten werden muss. Änderte sich die Anspruchshaltung des Mandanten (um 22 Uhr können dann eben keine eiligen Rückfragen mehr gestellt werden, sondern es wird bitteschön bis zum nächsten Tag gewartet), änderte sich auch der Arbeitsalltag. Das setzte im GK-Bereich allerdings voraus, dass die Mandantschaft weltweit ihre Ansprüche nach unten setzt. Und weniger Anwälte mit einer „Ich arbeite am längsten weil ich der geilste Hengst im Jura-Stall bin“-Einstellung in den einschlägigen Jobmarkt drängen. Beides ist zwar schon heute zu beobachten…nur eben noch nicht in einem Maße, dass die GK-Arbeitswelt damit komplett umgekrempelt werden könnte.
Über kurz oder lang wird diese absurd lange Arbeitszeit ohnehin ausgedient haben, so z.B. aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung. Ich fürchte nur, dass von unserer Generation davon noch niemand so recht profitieren wird.
17.08.2021, 08:38
Dann sucht sich der Mandant eben den Masochisten, der auch um 23 Uhr noch brav antwortet. Im Zweifel eben mit "vorläufige Einschätzung so, verbindliche Antwort morgen bis 10", was ja viele schon fröhlich machen dürfte.
17.08.2021, 09:15
(17.08.2021, 07:04)Gast schrieb:(16.08.2021, 23:21)Gasto schrieb: Du kannst viele Projekte aber nicht einfach aufteilen; Aufgaben lassen sich oft nicht halbieren. Du hast es bearbeitet und dann kommt um 22 Uhr die eilige Rückfrage. Da braucht man dann dich.
Das ist vollkommen korrekt. Allerdings ist das ja kein Zustand, der auf Biegen und Brechen beibehalten werden muss. Änderte sich die Anspruchshaltung des Mandanten (um 22 Uhr können dann eben keine eiligen Rückfragen mehr gestellt werden, sondern es wird bitteschön bis zum nächsten Tag gewartet), änderte sich auch der Arbeitsalltag. Das setzte im GK-Bereich allerdings voraus, dass die Mandantschaft weltweit ihre Ansprüche nach unten setzt.
Und das wird nicht passieren. Es gibt ja auch genug Kanzleien, die nicht rund um die Uhr arbeiten. Nur wenn ein Deal eben in X Tagen abgeschlossen sein soll oder es irgendwelche großen internationalen Verfahren sind, dann hat man eben nicht die Zeit zu sagen "warten wir halt bis morgen".
Es stimmt aber, dass es Kollegen gibt, die es besonders geil finden, wenn sie lang arbeiten müssen bzw. sie dann darüber reden können, wie viel sie gearbeitet haben. Ob das zwingend mit Männlichkeit zu tun hat? Es ist natürlich schon so, dass diese geilster-Hecht-Einstellung im Job eher von Männern als von Frauen gefahren wird. Dazu gibt's aber auch Studien, dass sich Männer öfter über ihren Job identifizieren als Frauen.
17.08.2021, 09:30
Mit Männlichkeit dürfte das nur indirekt zu tun haben. M.E. geht es um pure Gier und den Hals nicht voll kriegen können. Ich habe viele Jahre in der GK gearbeitet und das System auch gerne hinterfragt. Meine Frage, warum es jedes Jahr x Prozent mehr sein müssen und man (als Partner dort) mit 500k aufwärts im Jahr nicht einfach zufrieden sein kann, wurde stets mit Unverständnis beantwortet