06.07.2021, 14:57
A1-Klausur in Niedersachsen: wieder viel zu schreiben…
In der Klägerstation ausführlich geprüfter Anspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 VVG mE wegen weit überwiegenden Verursachungsbeitrags der Versicherungsnehmerin der beklagten Mandantin und damit wegen des Zurücktretens der Betriebsgefahr des Kläger-Kfz vollständig schlüssig vorgetragen, mit Ausnahme der um 15 € überhöhten Pauschale.
In der Beklagtenstation erhebliche Einwendung, da Einwilligung wegen manipulierten Unfalls Schadensersatzanspruch ausschließen würde.
Etwas schwergetan habe ich mich in der Beweisprognosestation. Die Mandantin hatte aus meiner Sicht lediglich nicht vollends belastbare Indizien beziehungsweise Vermutungen vorgetragen und der klägerische Anwalt bereits zahlreiche Indizien in der Klageschrift entkräftet. Das Privatgutachten fand ich recht substanzlos, da es nur eine zweite Berührung feststellte. Diese konnte sich auch bei dem eigentlichen Unfall ereignet haben. Der äußere Geschehensablauf war meines Erachtens weitgehend unstreitig, die Polizei wurde hinzugezogen, der Unfall fand in der Innenstadt statt, die Beteiligten kannten sich nicht persönlich etc.
Daher vertreten, dass das strenge Beweismaß des § 286 ZPO voraussichtlich nicht erreicht werden wird, und zur Klaglosstellung geraten. Ganz überzeugt hat mich das Ergebnis am Ende selbst nicht…
Angelehnt war das ganze wohl an
BGH, Urteil vom 01.10.2019 - VI ZR 164/18 (Vorinstanz: OLG Celle), BeckRS 2019, 29147
In der Klägerstation ausführlich geprüfter Anspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 VVG mE wegen weit überwiegenden Verursachungsbeitrags der Versicherungsnehmerin der beklagten Mandantin und damit wegen des Zurücktretens der Betriebsgefahr des Kläger-Kfz vollständig schlüssig vorgetragen, mit Ausnahme der um 15 € überhöhten Pauschale.
In der Beklagtenstation erhebliche Einwendung, da Einwilligung wegen manipulierten Unfalls Schadensersatzanspruch ausschließen würde.
Etwas schwergetan habe ich mich in der Beweisprognosestation. Die Mandantin hatte aus meiner Sicht lediglich nicht vollends belastbare Indizien beziehungsweise Vermutungen vorgetragen und der klägerische Anwalt bereits zahlreiche Indizien in der Klageschrift entkräftet. Das Privatgutachten fand ich recht substanzlos, da es nur eine zweite Berührung feststellte. Diese konnte sich auch bei dem eigentlichen Unfall ereignet haben. Der äußere Geschehensablauf war meines Erachtens weitgehend unstreitig, die Polizei wurde hinzugezogen, der Unfall fand in der Innenstadt statt, die Beteiligten kannten sich nicht persönlich etc.
Daher vertreten, dass das strenge Beweismaß des § 286 ZPO voraussichtlich nicht erreicht werden wird, und zur Klaglosstellung geraten. Ganz überzeugt hat mich das Ergebnis am Ende selbst nicht…
Angelehnt war das ganze wohl an
BGH, Urteil vom 01.10.2019 - VI ZR 164/18 (Vorinstanz: OLG Celle), BeckRS 2019, 29147
06.07.2021, 16:20
So meine Lösung zur Z1 Klausur in NRW:
1. AGL: §§ 823 I, 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG
- Eigentümerstellung des unfallgegenständlichen PKW des Klägers problematisch, aber nur mit dieser kann es eine Rechtsverletzung des Eigentums geben für § 823 I BGB. Aus dem Kaufvertrag selbst konnte ich keine eindeutige Zuordnung feststellen, weil der Kaufvertrag keine Fahrzeugidentifikationsnummer aufweist; der dort wohl mit vereinbarte Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB - ergab sich erst durch Auslegung, weil die Parteien nur von "Besitz" gesprochen haben) hätte jedenfalls die Eigentümerstellung nicht verhindert, weil ja jedenfalls die aufschiebende Bedingung (Kaufpreiszahlung) offensichtlich erfüllt wurde.
Habe dann aber Eigentümerstellung angenommen, weil K im Besitz der auf ihn (schon vor dem Unfall) umgeschriebenen Zulassungsbescheinigung Teil II war (§ 952 BGB analog). Im Übrigen hätte man das auch auf § 1006 I 1 BGB stützen können, doch der ist ziemlich umstritten bei der Anwendung auf PKWs/Verkehrsunfälle.
- Kausale Rechtsgutverletzung war unproblematisch
- Rechtswidrigkeit war indiziert, aber problematisch im Hinblick auf eine Absprache zwischen K und der Versicherungsnehmerin (rechtfertigende Einwilligung). Der Großteil des Falles Bestand dann darin für mich, alle Argumente / Indizien abzuwägen, ob diese Vermutung der RW widerlegt werden bzw. das Gegenteil sogar bewiesen werden kann. Habe mich für Widerlegung entschieden, weil das Gesamtbild aller Indizien auf eine Absprache hindeutete. Das wichtigste Argument war dabei für mich das Sachverständigengutachten, dass einen völligen anderen Unfallhergang schilderte, als K und VN. Laut K und VN soll aus dem fließenden Verkehr die VN den K beim Ausparken erwischt haben. Der Gutachter hat jedoch überzeugend dargelegt, dass es a) zwei Zusammenstöße gab und b) beim ersten Zusammenstoß das Fahrzeug des K sogar stillstand und der K - obwohl er es hätte tun können - keine Abbremsung oder Ausweichlenkung vorgenommen hat.
Dies im Zusammenhang mit den zahlreichen weiteren Indizien, z. B. warum fährt K laut Gutachter nur 10 km/H in einer 30er Zone?, warum verklagt K lediglich die B und nicht auch gesamtschuldnerisch die VN (§ 115 I 4 VVG) usw. waren dann für mich i. E. genug, um eine Absprache, also eine rechtfertigende Einwilligung in die Eigentumsverletzung anzunehmen.
2. AGL aus dem StVG (§§ 7 I, 18 StVG, 115 VVG, 1 PflVG) gingen dann natürlich ebenfalls bei mir nicht durch.
3. Zweckmäßigkeit: Hier natürlich dass noch schnell die Verteidigungsanzeige erbracht werden kann, da noch kein richterlich unterschriebenes Urteil bei der Geschäftsstelle vorliegt und dementsprechend der Erlass des VU noch abgewendet werden kann.
Außerdem hilfsweise Wiedereinsetzung beantragen und das Fristversäumnis mit Corona bedingter Umorganisation begründen. Später wird ein Wiedereinsetzungsantrag, weil die Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) abläuft, nicht mehr möglich sein.
4. Schreiben an Gericht entsprechend dem obigen Ergebnis mit dem üblichen Bestreiten und Beweisangeboten usw...
1. AGL: §§ 823 I, 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG
- Eigentümerstellung des unfallgegenständlichen PKW des Klägers problematisch, aber nur mit dieser kann es eine Rechtsverletzung des Eigentums geben für § 823 I BGB. Aus dem Kaufvertrag selbst konnte ich keine eindeutige Zuordnung feststellen, weil der Kaufvertrag keine Fahrzeugidentifikationsnummer aufweist; der dort wohl mit vereinbarte Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB - ergab sich erst durch Auslegung, weil die Parteien nur von "Besitz" gesprochen haben) hätte jedenfalls die Eigentümerstellung nicht verhindert, weil ja jedenfalls die aufschiebende Bedingung (Kaufpreiszahlung) offensichtlich erfüllt wurde.
Habe dann aber Eigentümerstellung angenommen, weil K im Besitz der auf ihn (schon vor dem Unfall) umgeschriebenen Zulassungsbescheinigung Teil II war (§ 952 BGB analog). Im Übrigen hätte man das auch auf § 1006 I 1 BGB stützen können, doch der ist ziemlich umstritten bei der Anwendung auf PKWs/Verkehrsunfälle.
- Kausale Rechtsgutverletzung war unproblematisch
- Rechtswidrigkeit war indiziert, aber problematisch im Hinblick auf eine Absprache zwischen K und der Versicherungsnehmerin (rechtfertigende Einwilligung). Der Großteil des Falles Bestand dann darin für mich, alle Argumente / Indizien abzuwägen, ob diese Vermutung der RW widerlegt werden bzw. das Gegenteil sogar bewiesen werden kann. Habe mich für Widerlegung entschieden, weil das Gesamtbild aller Indizien auf eine Absprache hindeutete. Das wichtigste Argument war dabei für mich das Sachverständigengutachten, dass einen völligen anderen Unfallhergang schilderte, als K und VN. Laut K und VN soll aus dem fließenden Verkehr die VN den K beim Ausparken erwischt haben. Der Gutachter hat jedoch überzeugend dargelegt, dass es a) zwei Zusammenstöße gab und b) beim ersten Zusammenstoß das Fahrzeug des K sogar stillstand und der K - obwohl er es hätte tun können - keine Abbremsung oder Ausweichlenkung vorgenommen hat.
Dies im Zusammenhang mit den zahlreichen weiteren Indizien, z. B. warum fährt K laut Gutachter nur 10 km/H in einer 30er Zone?, warum verklagt K lediglich die B und nicht auch gesamtschuldnerisch die VN (§ 115 I 4 VVG) usw. waren dann für mich i. E. genug, um eine Absprache, also eine rechtfertigende Einwilligung in die Eigentumsverletzung anzunehmen.
2. AGL aus dem StVG (§§ 7 I, 18 StVG, 115 VVG, 1 PflVG) gingen dann natürlich ebenfalls bei mir nicht durch.
3. Zweckmäßigkeit: Hier natürlich dass noch schnell die Verteidigungsanzeige erbracht werden kann, da noch kein richterlich unterschriebenes Urteil bei der Geschäftsstelle vorliegt und dementsprechend der Erlass des VU noch abgewendet werden kann.
Außerdem hilfsweise Wiedereinsetzung beantragen und das Fristversäumnis mit Corona bedingter Umorganisation begründen. Später wird ein Wiedereinsetzungsantrag, weil die Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) abläuft, nicht mehr möglich sein.
4. Schreiben an Gericht entsprechend dem obigen Ergebnis mit dem üblichen Bestreiten und Beweisangeboten usw...
06.07.2021, 16:55
Hätte da nicht vorrangig StVG geprüft werden müssen und 823 nachrangig?
06.07.2021, 17:02
(06.07.2021, 16:55)Gast N R W schrieb: Hätte da nicht vorrangig StVG geprüft werden müssen und 823 nachrangig?
Also 7 Abs 1 + da verschuldensunabhängig mit Abwägung und Quote bzgl Kläger, dann aber Ausschluss nach 103 VVG ggü Versicherung da Vorsatz und dann 117 VVG nur innerparteilich aber 242-Einrede deshalb kein Anspruch
Ansonsten schneidet man sich m E zu viel von der StVG-Prüfung ab
06.07.2021, 17:07
(05.07.2021, 16:39)Gast1990 schrieb: Eine Bürgschaft eines Kreditinstitut ist ales SiL ja in 108 ZPO anerkannt und der 751 II verlangt zwar eine öffentliche Urkunde, jedoch meine ich akzeptiert man aus praxisgründen eine Bürgschaft, welche den Anforderungen eines öffentlichen Urkunde entspricht. Ich hätte gerne auch mehr geschrieben, was mir aus Zeitgründen nicht möglich war ...Richtigerweise wäre do eher auf 775 Nr. 3 abzustellen, da dies ja die umgekehrte Situation der Sicherheitsleistung durch den Schuldner ist. Mit der öffentlichen Beglaubigung der Bürgschaft ist meine ich im ThP § 751 Rn. 6 oder so kommentiert. Die Kommentierung in 775 verweist dorthin. Und nach hM ist es so, dass man für die Bürgschaft einfache Schriftform genügen lässt. Lediglich muss diese im Original oder in beglaubiger Abschrift an den Gläubiger überreicht werden bzw. die Übergabe muss öffentlich beglaubigt werden (meist durch Vermerk im Pfändungsprotokoll).generell habe ich über vieles schnell hinweggesprochen. Es war inhaltlich okay aber einfach viel und v.a. viele Kleinigkeiten an die zu denken waren...
06.07.2021, 19:25
(06.07.2021, 17:02)Gast schrieb:(06.07.2021, 16:55)Gast N R W schrieb: Hätte da nicht vorrangig StVG geprüft werden müssen und 823 nachrangig?
Also 7 Abs 1 + da verschuldensunabhängig mit Abwägung und Quote bzgl Kläger, dann aber Ausschluss nach 103 VVG ggü Versicherung da Vorsatz und dann 117 VVG nur innerparteilich aber 242-Einrede deshalb kein Anspruch
Ansonsten schneidet man sich m E zu viel von der StVG-Prüfung ab
So ein Mist, hab nur auf § 81 VVG abgestellt, da ich 103 nicht kannte und nicht gesehen habe. Na toll. Habt ihr sowas gelernt?
06.07.2021, 19:29
(06.07.2021, 19:25)Gast schrieb:(06.07.2021, 17:02)Gast schrieb:(06.07.2021, 16:55)Gast N R W schrieb: Hätte da nicht vorrangig StVG geprüft werden müssen und 823 nachrangig?
Also 7 Abs 1 + da verschuldensunabhängig mit Abwägung und Quote bzgl Kläger, dann aber Ausschluss nach 103 VVG ggü Versicherung da Vorsatz und dann 117 VVG nur innerparteilich aber 242-Einrede deshalb kein Anspruch
Ansonsten schneidet man sich m E zu viel von der StVG-Prüfung ab
So ein Mist, hab nur auf § 81 VVG abgestellt, da ich 103 nicht kannte und nicht gesehen habe. Na toll. Habt ihr sowas gelernt?
Durch Zufall gefunden beim Blättern, sonst auch noch nie gesehen

06.07.2021, 19:29
Ich wundere mich auch, woher man solche Normen aus dem VVG kennen soll

06.07.2021, 20:23
(06.07.2021, 19:29)Gast schrieb: Ich wundere mich auch, woher man solche Normen aus dem VVG kennen soll
Brauchst Du letztlich nicht für eine zielführende Falllösung in casu. Wenn du auf den Schutzzweck von 7 StVG und die Daseinsberechtigung von Gefährdungshaftung an sich abstellst, liegt auf der Hand, dass ein fingierter Unfall eine Gefährdungshaftung nicht rechtfertigen kann. Dann sind die VVG Normen eine Selbstverständlichkeit nach allgemeinem Zivilrecht und damit lediglich klarstellendes aber im Rahmen von 7 StVG dogmatisch totes Recht. Wenn man sie klarstellend anführt ist das sicherlich gut für die 18 Punkte Lösung aber mitnichten zwingend erforderlich.
Zudem würde ich die Frage des Versicherungsfalles und die Anwendbarkeit der darauf zielenden Normen eher im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherungsgeber sehen. Dh unsere Mandantin verkündet im Idealfall bei Klage gegen sie und Versicherungsnehmer dem Versicherungsnehmer gegenüber den Streit, um sich dann im Innenverhältnis auf das VVG Geschwafel berufen zu können. Also dont panic. ?
06.07.2021, 21:14
In Hessen lief heute Arbeitsrecht (Urteil): (Entscheidung über Kosten, Streitwert, Berufung war erlassen)
Antrag 1: §17 TzBfG; keine sachgrundlose Befristung möglich (Berücksichtigung einer Vorbeschäftigung auch wenn diese länger als drei Jahre zurückliegt); § 14 I 2 Nr. 8 und Nr. 4 TzBfG (Vergleich als Befristungsgrund und Befristung aufgrund Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Schauspieler))
Antrag 2: § 3 EntgeltfortzG; kein Ausschluss nach § 3 I 2 ; Ausschlussklausel in Vertrag aufgrund Verstoß gegen MiLoG unwirksam
Antrag 3: Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 IV BUrlG dabei Berücksichtigung der richtlinienkonformen Auslegung von § 7 III BUrlG (Mitwirkungsobliegenheit AG)
Die Klausur lief anscheinend so ähnlich auch im Juni 2020 im bayrischen Examen.
Antrag 1: §17 TzBfG; keine sachgrundlose Befristung möglich (Berücksichtigung einer Vorbeschäftigung auch wenn diese länger als drei Jahre zurückliegt); § 14 I 2 Nr. 8 und Nr. 4 TzBfG (Vergleich als Befristungsgrund und Befristung aufgrund Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Schauspieler))
Antrag 2: § 3 EntgeltfortzG; kein Ausschluss nach § 3 I 2 ; Ausschlussklausel in Vertrag aufgrund Verstoß gegen MiLoG unwirksam
Antrag 3: Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 IV BUrlG dabei Berücksichtigung der richtlinienkonformen Auslegung von § 7 III BUrlG (Mitwirkungsobliegenheit AG)
Die Klausur lief anscheinend so ähnlich auch im Juni 2020 im bayrischen Examen.