28.10.2020, 22:36
(28.10.2020, 20:30)Gast schrieb: Ist es gerecht, dass jemand mit 2 x a ein Gehalt von maximal 40 k bekommt während der Kollege mit der gleichen Ausbildung, aber besseren Noten 100 k in der GK verdient?
Ist es gerecht, dass jemand mit 2 x 4 trotz Richterbefähigung nie Richter werden kann, der Kollege mit 2 x 8 dagegen schon?
Bei einer Ausbildung, wo die Noten größtenteils Zufall sind...
Kurz: ja und ja.
28.10.2020, 22:41
Begründung fehlt...
29.10.2020, 00:33
(28.10.2020, 22:41)Gast schrieb: Begründung fehlt...
Man muss ja nicht für jeden Schwachsinn völlige offensichtliche Widerlegungen brinden. Da mir aber gerade langweilig ist, und manche Leute tatsächlich das Problem nichtmal erfassen können, mach ich es mal.
1. Es ist gerecht, wenn jemand etwas bekommt, das er verdient hat. Es ist a priori erstmal ungerecht, wenn jemand etwas bekommt, für das er nichts getan hat. Zumindest dürfte das dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen entsprechen und wir wissen auch aus der psychologischen Forschung, dass dieser Instinkt sogar bei kleinen Kindern bereits vorhanden ist - ist scheint also ein angeborenes Gerechtigkeitsempfinden zu geben, dass sich, ganz grob vereinfacht, so ausdrückt wie oben geschildert. Deswegen ist es natürlich gerecht, wenn derjenige mit den besseren Leistungen mehr Geld bekommen oder bessere Jobs haben kann und Erben ist völlig evident erstmal ungerecht.
2. Natürlich hört da die Abwägung noch nicht auf, denn etwas, das vererbt wird, wurde vorher von jemandem erarbeitet - mithin irgendwann durch Leistung erworben (Sonderfälle wie seit 500 Jahren ständig weitervererbtes Vermögen aus dem Mittelalter, das durch Raubrittertum erworben wurde, lassen wir mal außen vor). Insofern wäre es wohl auch nicht gerecht, wenn er oder sie mit dem Ergebnis des Lebenswerks gar nichts machen dürfte. Daher muss und findet jeder Staat einen Ausgleich zwischen diesen Widerstreitenden interessen.
3. Wie findet er ihn? Indem er von erwünschten Ziel ausgehend das korrekte Maß zu definieren versucht.
a) Wir wissen aus der ökonomischen Forschung (ok, wir ist hier übertrieben, Juristen stehen mit Ökonomie oder überhaupt jeder handfesten Wissenschaft erfahrungsgemäß eher auf Kriegsfuß und sind darauf auch noch stolz), dass Erben grundsätzlich zu einer Ungleichverteilung von Vermögen in der Gesellschaft führt, die immer weiter zunimmt. Das ist auch völlig logisch, weil Vermören, insbesondere in Kapitalanlagen, deutlich schneller wachsen als Einkommen und dazu weniger Inflationsgefährdet sind, weil sie nicht verkonsumiert werden und daher weniger von Kaufpreiseinschnitten betroffen.
b) Wir wissen weiter aus der sozioökonomischen Forschung, dass Gesellschaften tendenziell weniger friedlich und weniger solidarisch sind, je ungleicher sie sind. Das heißt, dass ein gewisses Maß an Gleichheit wünschenswert ist, wenn man nicht in Zuständen wie in Brasilien, Südafrika, den USA oder anderen failed states leben möchte, sondern in einem zivilisierten Staat nach europäischem Standard. Wir wollen aber auch keine absolute Gleichheit, weil wir widerum aus der wirtschaftshistorischen Forschung wissen, dass diese Zielsetzung in der Ausführung zu schlechteren Wirtschaftsleistungen führt und damit insgesamt eine Wohlfartsreduktion bewirkt.
3) Ergo: eine Gesellschaft in der Leistung sich kaum noch auszahlen kann, weil über Generationen vererbtes Vermögen die Kaufkraft so weit senkt, dass man trotz Spitzenbezahlung niemals auch nur einen gehobenen Mittelstand erreichen kann, ist schlecht. Auf diesem Weg befinden wir uns aber gerade, da wir nach dem Big Eraser des zweiten Weltkriegs jetzt mehrere Generationen von Erbfolgen hatten, die zu den oben skizzierten Problemen geführt haben, weil der Staat offensichtlich nicht genügend regulierend eingegriffen hat. Bedeutet: Anpassungen sind aus meiner Sicht nötig, aber wie genau die aussehen sollen, dafür gibt es kein Patentrezept.
Nachtrag:
Was aber sicherlich falsch und bisweilen schlicht strunzdumm ist, sind die hier vorgebrachten Einwände auf dem Niveau eines mittelbegabten Realschülers nach dem Motto "was regt ihr euch auf, Pech gehabt" - da hat jemand entweder einfach gar nicht nachgedacht, oder ist zu dumm das Problem zu erfassen. Von einigermaßen gleichen Gesellschaft profitieren nämlich auch die Wohlhabenden. Es sei denn man wünscht sich in Zukunft, wie eben in Südafrika oder Brasilien, in abschotteten Reichenghettos zu leben und im Zweifelsfall in 50% der Stadt in akuter Lebensgefahr zu schweben, sobald man sein kleines Reich verlässt.
Nachtrag 2: Bevor der lahme Einwand wieder kommt - ich werde vermutlich ein ganz nettes mittelständisches Vermögen erben. Die Meinung beruht natürlich nicht auf meiner persönlichen Lage. Das wäre aber auch ein extremes Armutszeugnis für den eigenen Geist, wenn die eigene Meinung von der subjektiven Position abhängen würde und nicht von einer Annährung an eine möglichst objektive Wertung.
29.10.2020, 00:53
Wer mit einem Spitzengehalt, also einer GK Bezahlung, nicht in der Lage ist, sich finanziell in der „gehobenen Mittelschicht“ zu etablieren, der ist es selbst schuld. Der würde wahrscheinlich auch ein Erbe innerhalb von zehn Jahren verkonsumieren.
Oder aber das Bild vom der „gehobenen Mittelschicht“ ist das des Einfamilienhauses in München mit Porsche davor.
Ich bin Anfang 30, verdiene 140-150, und fühle mich absolut zur gehobenen Mittelschicht zugehörig. Große Altbauwohnung (zur Miete, kaufen lohnt sich innerstädtisch hier nicht, zu teuer, vielleicht kaufen wir mal was im Grünen), Putzfrau, Urlaube im 5 Sterne Bunker, teure Anzüge, schöne Uhr, jedes Jahr bleiben noch 30+ zum Anlegen übrig.
Selbst wenn sich nichts mehr verbessert bei meinem Einkommen, wäre ich zur Rente Millionär. Und das bei einer guten VW-Rente und einem angenehmen Leben davor.
Oder aber das Bild vom der „gehobenen Mittelschicht“ ist das des Einfamilienhauses in München mit Porsche davor.
Ich bin Anfang 30, verdiene 140-150, und fühle mich absolut zur gehobenen Mittelschicht zugehörig. Große Altbauwohnung (zur Miete, kaufen lohnt sich innerstädtisch hier nicht, zu teuer, vielleicht kaufen wir mal was im Grünen), Putzfrau, Urlaube im 5 Sterne Bunker, teure Anzüge, schöne Uhr, jedes Jahr bleiben noch 30+ zum Anlegen übrig.
Selbst wenn sich nichts mehr verbessert bei meinem Einkommen, wäre ich zur Rente Millionär. Und das bei einer guten VW-Rente und einem angenehmen Leben davor.
29.10.2020, 02:04
Und wenn die Putzfrau nichts mitgehen lässt...
29.10.2020, 11:37
Er buckelt, buckelt, buckelt schwer
Hofft zur Rente ist er Millionär
Doch eins, das ich wohl nie versteh
Wozu das Geld, tut mir der Buckel weh
Hofft zur Rente ist er Millionär
Doch eins, das ich wohl nie versteh
Wozu das Geld, tut mir der Buckel weh
29.10.2020, 11:39
Jo der Post war halt n gutes Beispiel, warum man hier nicht zu viel Mühe in die Argumentation stecken braucht. Der Kollege der meint er wäre zur Rente Millionär und deswegen gäbs kein Problem, hat das Problem nicht mal im Ansatz verstanden. Aber gut, wie gesagt, Juristen und VWL, das geht leider in der Regel nicht gut zusammen.
29.10.2020, 11:57
(29.10.2020, 00:53)Gast Gast schrieb: Wer mit einem Spitzengehalt, also einer GK Bezahlung, nicht in der Lage ist, sich finanziell in der „gehobenen Mittelschicht“ zu etablieren, der ist es selbst schuld. Der würde wahrscheinlich auch ein Erbe innerhalb von zehn Jahren verkonsumieren.
Oder aber das Bild vom der „gehobenen Mittelschicht“ ist das des Einfamilienhauses in München mit Porsche davor.
Ich bin Anfang 30, verdiene 140-150, und fühle mich absolut zur gehobenen Mittelschicht zugehörig. Große Altbauwohnung (zur Miete, kaufen lohnt sich innerstädtisch hier nicht, zu teuer, vielleicht kaufen wir mal was im Grünen), Putzfrau, Urlaube im 5 Sterne Bunker, teure Anzüge, schöne Uhr, jedes Jahr bleiben noch 30+ zum Anlegen übrig.
Selbst wenn sich nichts mehr verbessert bei meinem Einkommen, wäre ich zur Rente Millionär. Und das bei einer guten VW-Rente und einem angenehmen Leben davor.
Mit 140-150 k gehörst du nicht zur "gehobenen Mittelschicht" sondern einkommenstechnisch zu den oberen 1%. Wenn du dann nach 35 Jahren buckeln in der GK die Million zusammenhast hast du den Betrag angespart, den ein Erbe von ein zwei Häusern qua Geburt in den Schoß gelegt bekommen hat und bist von den oberen 1% des Vermögens noch Lichtjahre entfernt. Gleichzeitig hast du ca. 1,5 Millionen an Steuern bezahlt, während der Erbe für die geerbte Million 15 % nach Freibetrag, also 90 000 € Steuern bezahlt hat. Wie man das als gerecht empfinden kann ist mir völlig schleierhaft. Zudem setzt sich diese Ungleichheit dann fort, wenn man mit dem ererbten Vermögen Kapitalerträge erzielt und diese wiederum nur mit 25% versteurt werden (wenn überhaupt). Das führt wie der Kollege oben schon völlig zurecht ausgeführt hat zu einer Spaltung der GEsellschaft und einem Vermögensgap, den man allein durch Arbeit niemals aufholen kann
29.10.2020, 12:37
(29.10.2020, 11:57)C8H10N4O2 schrieb:(29.10.2020, 00:53)Gast Gast schrieb: Wer mit einem Spitzengehalt, also einer GK Bezahlung, nicht in der Lage ist, sich finanziell in der „gehobenen Mittelschicht“ zu etablieren, der ist es selbst schuld. Der würde wahrscheinlich auch ein Erbe innerhalb von zehn Jahren verkonsumieren.
Oder aber das Bild vom der „gehobenen Mittelschicht“ ist das des Einfamilienhauses in München mit Porsche davor.
Ich bin Anfang 30, verdiene 140-150, und fühle mich absolut zur gehobenen Mittelschicht zugehörig. Große Altbauwohnung (zur Miete, kaufen lohnt sich innerstädtisch hier nicht, zu teuer, vielleicht kaufen wir mal was im Grünen), Putzfrau, Urlaube im 5 Sterne Bunker, teure Anzüge, schöne Uhr, jedes Jahr bleiben noch 30+ zum Anlegen übrig.
Selbst wenn sich nichts mehr verbessert bei meinem Einkommen, wäre ich zur Rente Millionär. Und das bei einer guten VW-Rente und einem angenehmen Leben davor.
Mit 140-150 k gehörst du nicht zur "gehobenen Mittelschicht" sondern einkommenstechnisch zu den oberen 1%. Wenn du dann nach 35 Jahren buckeln in der GK die Million zusammenhast hast du den Betrag angespart, den ein Erbe von ein zwei Häusern qua Geburt in den Schoß gelegt bekommen hat und bist von den oberen 1% des Vermögens noch Lichtjahre entfernt. Gleichzeitig hast du ca. 1,5 Millionen an Steuern bezahlt, während der Erbe für die geerbte Million 15 % nach Freibetrag, also 90 000 € Steuern bezahlt hat. Wie man das als gerecht empfinden kann ist mir völlig schleierhaft. Zudem setzt sich diese Ungleichheit dann fort, wenn man mit dem ererbten Vermögen Kapitalerträge erzielt und diese wiederum nur mit 25% versteurt werden (wenn überhaupt). Das führt wie der Kollege oben schon völlig zurecht ausgeführt hat zu einer Spaltung der GEsellschaft und einem Vermögensgap, den man allein durch Arbeit niemals aufholen kann
Leider rafft das in Deutschland (fast) keiner. Bin schon froh, dass es hier 1,2 Leute so sehen wie ich. Aber lasst uns politisch ruhig weiter um 1% mehr oder weniger Einkommenssteuer streiten, sehr sinnvoll -.-
29.10.2020, 12:52
Wie würde euer Leben denn durch eine höhere Erbschaftssteuer konkret besser? Glaubt auch nur einer hier wirklich, dass eine höhere Erbschaftssteuer eine Senkung der Abgabenlast in anderen Bereichen nach sich ziehen würde?
"Ungerecht" ist halt einfach ein schwaches Argument, eine funktionierende Gesellschaftsordnung ohne Ungerechtigkeit gibt es nicht. Ich würde mich über eine geringere Einkommenssteuer auch freuen. Eine höhere Steuer auf nicht leistungsbedingten Eigentums- und Vermögenszuwachs sehe ich dabei aber nicht als Lösung an. Wie gesagt, auch das Erbe wurde durch die Leistung der Erblassers erwirtschaftet oder über Generationen hinweg erhalten. Das ist i.d.R. nicht vom Himmel gefallen. Zudem dürften sowohl millionenerbende Jungspunde, als auch über Jahrhunderte vermehrte vererbte Vermögen nicht allzu häufig vorkommen, um hier ein Problem zu erkennen. Aber vermutlich spielt die Zeit für die Befürworter einer höheren Erbschaftssteuer. Die derzeitigen Spleens der Regierung erfordern ne Menge Geld.
Durch eigene Arbeit wird man im Übrigen sowieso nicht wirklich reich, auch nicht in der GK. Daran würde auch eine höhere Erbschaftssteuer nichts ändern.
"Ungerecht" ist halt einfach ein schwaches Argument, eine funktionierende Gesellschaftsordnung ohne Ungerechtigkeit gibt es nicht. Ich würde mich über eine geringere Einkommenssteuer auch freuen. Eine höhere Steuer auf nicht leistungsbedingten Eigentums- und Vermögenszuwachs sehe ich dabei aber nicht als Lösung an. Wie gesagt, auch das Erbe wurde durch die Leistung der Erblassers erwirtschaftet oder über Generationen hinweg erhalten. Das ist i.d.R. nicht vom Himmel gefallen. Zudem dürften sowohl millionenerbende Jungspunde, als auch über Jahrhunderte vermehrte vererbte Vermögen nicht allzu häufig vorkommen, um hier ein Problem zu erkennen. Aber vermutlich spielt die Zeit für die Befürworter einer höheren Erbschaftssteuer. Die derzeitigen Spleens der Regierung erfordern ne Menge Geld.
Durch eigene Arbeit wird man im Übrigen sowieso nicht wirklich reich, auch nicht in der GK. Daran würde auch eine höhere Erbschaftssteuer nichts ändern.