24.06.2021, 11:08
Der Gesetzesverstoß ist offensichtlich. Das Defizit beim Gesetzesvollzug ist krass. Dieser Verstoß und das Gesetzesvollzugsdefizit bedeuten eigentlich auch eine krasse Verzerrung des Wettbewerbs. Es könnte sich eher keine GK am Markt etablieren, die (als vermutlich einzige Kanzlei) die gesetzlichen Vorgaben einhält. Denn die Mandaten gehen natürlich zu der GK, die auch nach 17 Uhr noch erreichbar ist und das Mandat schneller erledigt bekommt. Und die guten Bewerber gehen auch nicht zu der GK, die dann zwangsläufig weniger Gehalt pro Monat zahlen kann.
Die Nichtgeltung für Associates irgendwie begründen zu wollen, bringt von vornherein gar nicht so weit: In den entsprechenden Kanzleien haben auch die nicht-anwaltlichen Angestellten regelmäßige Arbeitszeiten, die bereits einen Gesetzesverstoß darstellen. Bei uns sind schon die vorgegebenen Arbeitszeiten für die wissenschaftlichen Mitarbeiter nur dann gesetzeskonform, wenn diese durch eine ungewöhnliche lange Pauser unterbrochen werden. Das ist aber natürlich nicht der Fall.
Am Ende kann man das wohl vor allem mit der starken Lobby der GKs erklären. Sobald das bestehende gesetz eerstmals ernsthaft vollzogen werden sollte, würde es nicht lange dauern, bis die Anwaltschaft tatsächlich eine entsprechende Ausnahme durchgesetzt hat.
Die Nichtgeltung für Associates irgendwie begründen zu wollen, bringt von vornherein gar nicht so weit: In den entsprechenden Kanzleien haben auch die nicht-anwaltlichen Angestellten regelmäßige Arbeitszeiten, die bereits einen Gesetzesverstoß darstellen. Bei uns sind schon die vorgegebenen Arbeitszeiten für die wissenschaftlichen Mitarbeiter nur dann gesetzeskonform, wenn diese durch eine ungewöhnliche lange Pauser unterbrochen werden. Das ist aber natürlich nicht der Fall.
Am Ende kann man das wohl vor allem mit der starken Lobby der GKs erklären. Sobald das bestehende gesetz eerstmals ernsthaft vollzogen werden sollte, würde es nicht lange dauern, bis die Anwaltschaft tatsächlich eine entsprechende Ausnahme durchgesetzt hat.
24.06.2021, 11:26
(24.06.2021, 11:08)Gast schrieb: Der Gesetzesverstoß ist offensichtlich. Das Defizit beim Gesetzesvollzug ist krass. Dieser Verstoß und das Gesetzesvollzugsdefizit bedeuten eigentlich auch eine krasse Verzerrung des Wettbewerbs. Es könnte sich eher keine GK am Markt etablieren, die (als vermutlich einzige Kanzlei) die gesetzlichen Vorgaben einhält. Denn die Mandaten gehen natürlich zu der GK, die auch nach 17 Uhr noch erreichbar ist und das Mandat schneller erledigt bekommt. Und die guten Bewerber gehen auch nicht zu der GK, die dann zwangsläufig weniger Gehalt pro Monat zahlen kann.Man könnte als GK ein Schichtmodell einführen (Früh- und Spätschicht), Krankenhäuser werden z.B. ja auch erfolgreich rund um die Uhr betrieben, ohne dass die Schwestern dort 24/7 arbeiten. Nur würde das eben auch bedeuten, dass die Bezahlung deutlich runter gehen würde.
Man sieht ja, wie erfolgreich die 40 Stunden Modelle bei Linklaters, Baker und Co sind... darauf bewirbt sich kaum jemand.
24.06.2021, 11:38
(24.06.2021, 09:52)HerrKules schrieb: Das juristische Niveau in diesem Thread ist wirklich erschreckend. Seid Ihr Referendare? Oder ernsthaft GK-Anwälte? Zulässige Höchstarbeitszeit und die Frage von Überstundenvergütung/-abbau werden munter durcheinander geworfen, Begriffe wie "leitender Angestellter" einfach irgendeinem boomer-GK-Partner nachgeplappert, der selber vermutlich ganz gut weiß, dass einfache Associates sicher keine leitenden Angestellten sind. Das BAG wird kaum der Ansicht sein, dass die Hälfte eines Unternehmens aus leitenden Angestellten besteht.
Was das Gehalt da für eine Rolle spielen soll, ist mir auch völlig schleierhaft. Die Pausen- und Arbeitszeitregelungen dienen der Gesundheit der Betroffenen, die wird nicht besser davon, dass die besonders viel verdienen. Rechtsprechung des BAG zu Überstundenregelungen hat damit so ziemlich gar nichts zu tun. Allgemeinplätze wie "Fristen müssen eingehalten werden" und "Anwälte sind Dienstleister" sind so üble Argumente, dass man sich als Jurist schämen sollte, die zu bringen. Erstmal sind Anwälte m.E. viel unwichtiger als viele "einfache" Angestellte, z.B. im Supermarkt, bei der Müllabfuhr oder im Klärwerk. Gilt dann da das Gesetz auch nicht? Generell scheint mir hier die Ansicht verbreitet, dass der tatsächliche status quo, der dem Gesetz nicht entspricht, zur Folge hat, dass das Gesetz nicht gilt. Seht ihr das allgemein so? Ist ein Tatbestand (nicht) erfüllt, gilt das Gesetz nicht? Kann ein Betroffener beschließen, dass ein zwingendes Schutzgesetz für ihn nicht gilt?
Telelogische Reduktion kennst du?
Selbstverständlich ist der Argumentationsstrang des BAG hinter der Überstundenregelung und dem Problem des Arbeitszeitgesetzes vergleichbar und übertragbar.
Es wird nur keine Entscheidung des BAG geben, weil niemand klagen wird
24.06.2021, 11:38
(24.06.2021, 10:19)NRWrio schrieb:(24.06.2021, 09:58)Gast Gast schrieb:(24.06.2021, 09:52)HerrKules schrieb: Kann ein Betroffener beschließen, dass ein zwingendes Schutzgesetz für ihn nicht gilt?
Ja, das würde ich super finden. Denn dieses Gesetz geht komplett an meiner Lebenswirklichkeit vorbei und an dem, was für mich sinnvoll und gut ist.
11 Stunden zwingende Ruhezeit zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn? Ich habe kein Problem damit, abends um 23 Uhr noch eine kurze E-Mail zu schreiben und am nächsten Morgen um 9 Uhr wieder am Rechner zu sein oder um 8 Uhr schon einmal kurz die E-Mails auf meinem Handy zu checken. Dafür kann ich mich auch Mittags für zwei Stunden zum Sport verabschieden und eben meine Anfangs- und Endzeiten sowie Pausen halt so legen, wie es bei mir passt.
Dafür bekomme ich mit Anfang 30 ein Gehalt, was im Bereich der obersten 10% aller Gehälter liegt. Und wenn ich morgen den Job wechseln wollen würde, könnte ich das auch machen. Mich braucht da niemand zu beschützen und ich finde es sehr gut, dass ich hier auch in Ruhe gelassen werden.
Das sind in meinen Augen nachvollziehbare Punkte. Da will ich gar nicht widersprechen.
Aber der gute Herr Kules weist mMn zurecht darauf hin, dass sich die Gesetzeslage nicht deshalb ändert, weil ein Gesetz (teilweise aus für Viele nachvollziehbaren Gründen) nicht befolgt wird. Ein Gesetzesverstoß führt nicht zur Ungültigkeit eines Gesetzes, sondern ist nichts anderes als ein Gesetzesverstoß.
Das ist das Entscheidende und der Rest ist letztlich obsolet. Jeder angestellte Anwalt kann sich auf das Gesetz berufen, auch wenn mit Gegenwind zu rechnen ist. In der Probezeit würde ich das nicht tun;). Aber danach kann man gutes Geld verdienen und Überstunden im vertretbaren Rahmen machen. Ansonsten ruhig die entsprechende Behörde kontaktieren. Es ist ja nicht so, dass die untätig bleiben dürfen.
Es gibt durchaus gelegentlich die Aufsätze von Anwälten (natürlich überwiegend Partner), warum angestellte Anwälte von dem Gesetz nicht erfasst werden sollen. Aber die dringen nun mal - schon seit langem erfolglos - auf eine entsprechende Änderung des Gesetzes, denn danach gilt es eben auch für die Anwälte. Ob das der Kanzleiwirklichkeit widerspricht ist absolut irrelevant. Insoweit kann ich auch nur jeden ermutigen, sich entsprechende gesetzeskonform zu verhalten.
24.06.2021, 11:46
Zitat:Man könnte als GK ein Schichtmodell einführen (Früh- und Spätschicht), Krankenhäuser werden z.B. ja auch erfolgreich rund um die Uhr betrieben, ohne dass die Schwestern dort 24/7 arbeiten. Nur würde das eben auch bedeuten, dass die Bezahlung deutlich runter gehen würde.Dann brauchst du aber auch entsprechend mehr (gute) Bewerber. Und die werden auch jetzt schon dringend gesucht, zumindest je nach Stadt und Rechtsgebiet. Außerdem steigt dann natürlich der Organisationsaufwand, wenn jetzt plötzlich doppelt so viel Leute auf einem Mandat sitzen.
Aber: Eigentlich ist das das Problem der Kanzleien.
24.06.2021, 11:54
(24.06.2021, 11:38)BavarianLawyer schrieb:(24.06.2021, 09:52)HerrKules schrieb: Das juristische Niveau in diesem Thread ist wirklich erschreckend. Seid Ihr Referendare? Oder ernsthaft GK-Anwälte? Zulässige Höchstarbeitszeit und die Frage von Überstundenvergütung/-abbau werden munter durcheinander geworfen, Begriffe wie "leitender Angestellter" einfach irgendeinem boomer-GK-Partner nachgeplappert, der selber vermutlich ganz gut weiß, dass einfache Associates sicher keine leitenden Angestellten sind. Das BAG wird kaum der Ansicht sein, dass die Hälfte eines Unternehmens aus leitenden Angestellten besteht.
Was das Gehalt da für eine Rolle spielen soll, ist mir auch völlig schleierhaft. Die Pausen- und Arbeitszeitregelungen dienen der Gesundheit der Betroffenen, die wird nicht besser davon, dass die besonders viel verdienen. Rechtsprechung des BAG zu Überstundenregelungen hat damit so ziemlich gar nichts zu tun. Allgemeinplätze wie "Fristen müssen eingehalten werden" und "Anwälte sind Dienstleister" sind so üble Argumente, dass man sich als Jurist schämen sollte, die zu bringen. Erstmal sind Anwälte m.E. viel unwichtiger als viele "einfache" Angestellte, z.B. im Supermarkt, bei der Müllabfuhr oder im Klärwerk. Gilt dann da das Gesetz auch nicht? Generell scheint mir hier die Ansicht verbreitet, dass der tatsächliche status quo, der dem Gesetz nicht entspricht, zur Folge hat, dass das Gesetz nicht gilt. Seht ihr das allgemein so? Ist ein Tatbestand (nicht) erfüllt, gilt das Gesetz nicht? Kann ein Betroffener beschließen, dass ein zwingendes Schutzgesetz für ihn nicht gilt?
Telelogische Reduktion kennst du?
Selbstverständlich ist der Argumentationsstrang des BAG hinter der Überstundenregelung und dem Problem des Arbeitszeitgesetzes vergleichbar und übertragbar.
Es wird nur keine Entscheidung des BAG geben, weil niemand klagen wird
Die teleologische Reduktion würde zugunsten der Arbeitgeber aber doch nur funktionieren, wenn der Telos des ArbZG darin bestünde, für ein angemessenes Verhältnis von Arbeitszeit und Entlohnung zu sorgen. Dann wären Associates in GKs in den allermeisten Fällen wohl wirklich nicht schutzwürdig und man könnte von einer Anwendung des ArbZG absehen.
Der Zweck des Gesetzes ist aber der Gesundheitsschutz. Und die Gesundheit von ArbeitnehmerInnen bestimmt sich unabhängig davon, ob es für eine 60h Woche 50k oder 120k gibt.
Ich kann die meisten Argumente schon nachvollziehen. Aber bisher bin ich noch nicht überzeugt, dass es mit dem geltenden Recht übereinstimmt.
Disclaimer: Ich bin überhaupt kein ArbRechtler und lasse mich gerne belehren.
24.06.2021, 12:03
Ab 55 h/Woche steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall enorm an. Kann man da wirklich sagen, dass man eigenverantwortlich entscheiden kann, dass man so viel arbeiten kann und ggf. durch seinen Job behindert gemacht wird oder frühzeitig stirbt?
Oft gibt es ja Druck aus der Chefetage so viel zu arbeiten.
Außerdem sind das Kosten für das Gesundheitssystem.
Indem man jemanden 60 h/Woche arbeiten lässt verhindert man auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die mit den guten Noten, die nicht mehr in eine GK kommen deswegen bewerben sich dann im ÖD und bei Unternehmen und tragen somit zur Arbeitslosigkeit von noch schlechter benoteten bei.
Somit schaden die hohen Überstunden auch der Allgemeinheit durch hohe Gesundheitskosten und mehr Arbeitslosigkeit.
Oft gibt es ja Druck aus der Chefetage so viel zu arbeiten.
Außerdem sind das Kosten für das Gesundheitssystem.
Indem man jemanden 60 h/Woche arbeiten lässt verhindert man auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die mit den guten Noten, die nicht mehr in eine GK kommen deswegen bewerben sich dann im ÖD und bei Unternehmen und tragen somit zur Arbeitslosigkeit von noch schlechter benoteten bei.
Somit schaden die hohen Überstunden auch der Allgemeinheit durch hohe Gesundheitskosten und mehr Arbeitslosigkeit.
24.06.2021, 12:13
Wenn Ihr High-Level-Trolling betreiben wollt: Stellt einfach mal Strafantrag bei einer zuständigen StA wegen strafbaren Verstoßes gegen das ArbZG gemäß §§ 23 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Nr. 1 und 5 ArbZG.
Anfangsverdacht ergibt sich aus der Azur: Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Kanzlei X liegt nach Auskunft von dort angestellten Anwälten bei >50 Stunden. Das geht selbst bei einer gesetzlich zulässigen 6-Tage-Woche nicht mit den zulässigen 8 Stunden pro Tag aus.
Anfangsverdacht ergibt sich aus der Azur: Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Kanzlei X liegt nach Auskunft von dort angestellten Anwälten bei >50 Stunden. Das geht selbst bei einer gesetzlich zulässigen 6-Tage-Woche nicht mit den zulässigen 8 Stunden pro Tag aus.

24.06.2021, 12:16
(24.06.2021, 12:13)Gast schrieb: Wenn Ihr High-Level-Trolling betreiben wollt: Stellt einfach mal Strafantrag bei einer zuständigen StA wegen strafbaren Verstoßes gegen das ArbZG gemäß §§ 23 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Nr. 1 und 5 ArbZG.
Anfangsverdacht ergibt sich aus der Azur: Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Kanzlei X liegt nach Auskunft von dort angestellten Anwälten bei >50 Stunden. Das geht selbst bei einer gesetzlich zulässigen 6-Tage-Woche nicht mit den zulässigen 8 Stunden pro Tag aus.
Ergänzung: Zur Konkretisierung des Anfangsverdachts: Nehmt eine Bude, die nur einen Standort in Deutschland hat.

24.06.2021, 12:25
(24.06.2021, 12:13)Gast schrieb: Wenn Ihr High-Level-Trolling betreiben wollt: Stellt einfach mal Strafantrag bei einer zuständigen StA wegen strafbaren Verstoßes gegen das ArbZG gemäß §§ 23 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Nr. 1 und 5 ArbZG.
Anfangsverdacht ergibt sich aus der Azur: Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Kanzlei X liegt nach Auskunft von dort angestellten Anwälten bei >50 Stunden. Das geht selbst bei einer gesetzlich zulässigen 6-Tage-Woche nicht mit den zulässigen 8 Stunden pro Tag aus.
Gerade weil es sich ja nun wirklich nicht um ein Geheimnis handelt, ist besonders bemerkenswert, wie billigend hier die Gesetzesverstoße hingenommen werden. Das ist so als würden Amazon und Hermess Tabellen darüber veröffentlichen, wie weit sie jeweils den Mindestlohn unterschreiten.