08.10.2024, 18:40
(08.10.2024, 13:53)Ex-GK schrieb: Patenter Gast
(08.10.2024, 12:14)Freidenkender schrieb:(08.10.2024, 11:46)Ex-GK schrieb:(08.10.2024, 11:00)PeterP schrieb: Meiner Meinung nach kann man das auf jeden Job beziehen, da das eine "Ist das Glas halb leer oder halb voll"-Diskussion ist. In meinem aktuellen Job könnte man sagen, dass ich ständig Mahnverfahren gegen völlig verschuldete Menschen durchführe. Diese Leute sind eh schon (auch durch eigene Fehlentscheidungen) gebeutelt, denn wer fühlt sich mit einem Haufen Schulden schon wohl. Und Geld ist dort zumeist eh nicht zu holen. Da werden die Briefe schon nicht mehr geöffnet und nur wenn man Glück hat, tauchen die Schuldner überhaupt mal in der mündlichen Verhandlung auf.
Oder aber man sieht es so, dass man die Liquidität der Unternehmen sicherstellt, denn ohne Geld können die auch nichts produzieren und es fallen Arbeitsplätze weg. Irgendjemand muss halt das Geld reinholen.
Mit dem Strafrecht ist es genauso. Ich persönlich würde mich eher als Wächter über ein faires Strafverfahren im Einsatz für Menschenrechte sehen, und weniger als einen kumpelhaften "Rausboxer", der ausschließlich nach der Pfeife des Mandanten tanzt, um ihn vor dem Knast zu bewahren. Ich würde die Tätigkeit als Strafverteider im Mandantenkontakt eher als unterstütztend-vermittelnd beschreiben. Aber was weiß ich schon, ich habe ja noch nicht mal angefangen
Der Blick auf die Tätigkeit selbst ändert aber nichts daran, mit wem Du es machst. Ich verstehe Patenter Gast eher so, dass es ihm um den Mandantenstamm geht. Die allermeisten Juristen und vor allem Jurastudierenden haben wenig bis nichts mit straffällig gewordenen Menschen zu tun und haben null Bezug dazu, wer die sind, wie sie leben und aufgewachsen sind. Da prallen nicht selten zwei Welten aufeinander. Aber auch, wenn der Mandantenstamm nicht so weit von einem selbst ist, kann die Art der Straftat durchaus persönlich belastend sein (zB wenn man sich mal anschaut, wer häufig Täter von Sexualdelikten - nicht nur an Kindern - sind, stellt man fest, dass es nicht selten nach außen hin "normale" Menschen mit geregeltem Leben sind). Im Ref geht man doch idR auch mal in eine JVA - da merken viele auch, dass alleine die Umgebung belastend sein kann, selbst wenn man "nur" seine Mandanten besucht und jederzeit gehen kann ist das einfach eine andere Welt, mit der man klar kommen muss.
ich teile diese Sicht. ich habe mich auch sehr für Strafrecht interessiert. Fand das im Studium recht spannend, da du eigentlich ab der ersten Vorlesung schon lebensnahe Beispiele hattest. True Crime vom Feinsten. Abgeschreckt hat mich dann aber die Station bei der StA im Ref. Ich habe mir immer vorgestellt, dass diese Menschen, die vor mir stehen als Klienten hätte. Erst mal um die Vorkasse feilschen etc. Das hat mich abgeschreckt
Aber das ist Typfrage! Strafverteidigung ist eine enorm wichtige Aufgabe für die Angeklagten aber auch den Rechtsstaat und ziehe da vor jedem Kollegen den Hut, der das macht. Wenn du es mit dir ausmachen kannst, dann go for it
Wenn du nicht ständig Probezeitkündigungen am Stück hast, dann ist das auch kein Problem
Ex-GK hat mich verstanden es geht nicht um die Aufgabe an sich oder ein gut oder böse, sondern die rein praktische Arbeit mit den Mandanten, bei denen es sich eben überwiegend um Straftäter handelt, die oftmals nicht so sind wie du und ich. Manche kommen damit sehr gut zurecht aber für mich wäre es nichts.
In meinem Bekanntenkreis habe ich es auch so mitbekommen, wenn es um die Gewinnung neuer Mandanten ging. Empfehlungen kommen oft über die eigenen Mandanten, die andere Leute in der JVA treffen und dort wird dann über die jeweiligen Verteidiger geredet. Beliebt ist oft der harte Hund, der laut im Gericht wird und "sich so richtig für dich einsetzt" - auch wenn das gerne mal kontraproduktiv in der Verteidigung an sich ist. Aber viele Straftäter wollen eben einen Anwalt, der sie sehr sichtbar verteidigt... was eben wieder dem häufigen Klientel entspricht, die auch eher offensiv-aggressiv sind.*
*Oder man versteht sich eher als Sozialarbeiter und macht die ganzen Pflichtverteidigungen bei Beschaffungskriminalität... aber sowas habe ich der Station erlebt; da muss man mindestens zur Hälfte Sozialarbeiter sein, um das vernünftig zu schaffen.
Puh, richtig interpretiert ;) ich habe mir aber auch genau diese Gedanken gemacht bzw. machen müssen. Ich wollte immer was mit Strafrecht machen, habe aber dann anhand der praktischen Arbeit und mit zunehmendem Kontakt und (glücklicherweise) ehrlichen Gesprächen mit Menschen, die in dem Bereich arbeiten, entschieden, beruflich einen anderen Weg zu verfolgen. Strafrecht interessiert mich persönlich immer noch am Meisten und das ist einer der wenigen "Jurathemen", mit denen ich mich auch privat aus Interesse beschäftige. Ich möchte das nur einfach aus verschiedenen Gründen nicht beruflich machen.
magst du dazu ausführen? Das würde mich sehr interessieren. Ich kenne keine Strafrechtler näher.
09.10.2024, 10:38
Vorweg: diese Gespräche haben sich ergeben, weil ich bei der Aktenbearbeitung und Begleitung der für mich zuständigen Anwälte zu Verhandlungen, Mandantengespräche, JVA, whatever gemerkt habe, dass das alles etwas mit mir macht. Ich beziehe mich auch ausschließlich auf das klassische Strafrecht (Wirtschaftsstrafrecht schließe ich immer noch nicht ganz aus). Ich kann gerne auch mehr über meine persönlichen Erfahrungen berichten, wenn gewollt. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich immer mehr von meinem Wunsch Strafverteidiger (STA/Richter kam für mich nicht in Frage) abgerückt. Dann habe ich aber meine Ausbilder und im privaten Umfeld gefragt, wie man bitte mit diesen Themen, die ich persönlich als belastend empfand, umgehen soll, weil es ja offensichtlich möglich ist, ohne in Dauertherapie zu müssen. Zwei Antworten kamen immer, die mE auch richtig sind: man ist der Typ dafür und stumpft auch mit der Zeit ab. Aber auch trotz des Abstumpfens haben so gut wie alle, die ich kenne, in regelmäßigen Abständen "Episoden", in denen sie auch mental ziemlich im Keller sind - liegt dann oft an einem speziellen Fall.
Ich bin nun mal nicht der Typ dafür (da ich gemerkt habe, dass ich die Tätigkeiten insgesamt aus verschiedenen Gründen als psychisch belastend empfand) und ich habe entschieden, dass ich gar nicht abstumpfen will. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem es „normal“ für mich ist, gewisse Bilder zu sehen oder irgendwann festzustellen, dass ich doch nicht abgestumpft bin, dafür aber selbst nicht mehr klarkomme. Das ist mir, bei aller Liebe zu Jura, die Arbeit nicht wert und ich verzichte gerne darauf, etwas inhaltliches interessantes zu machen, um mich selbst zu schützen. Wie schon gesagt, einige Mandanten kommen aus einer Welt, mit der weder ich noch meine Ausbilder täglich zu tun habe; ich bin aber durchaus auch mit Menschen aus eher nicht so guten Umgebungen aufgewachsen und habe daher einen einigermaßen oberflächlichen Einblick dahin, wie ein Aufwachsen abseits der „Mittel- und Oberschicht“ aussehen kann und was für Konsequenzen das für Menschen haben kann. Es ist verständlich, dass man in gewissen Umgebungen etwas „härter“ sein „muss“ als bspw. wenn man in Kronberg aufwächst – damit muss man eben umgehen können. Anfangs macht man auch viele Pflichtmandate, um Übung zu bekommen und sich einen Ruf aufzubauen – klar, man kann auch ein Mandat, dass einem moralisch nicht passt, ablehnen, aber dann fragt das Gericht auch ziemlich bald nie wieder und man schneidet sich sozusagen selbst den Weg, Erfahrung zu sammeln, ab. Zu Beginn wird man auch einiges an Pflichtmandaten mit PKH machen müssen – finanziell ist das nun mal nicht super lukrativ, wäre für mich aber nicht unbedingt ein Faktor gewesen. Sprich: gerade in den ersten Jahren wird man sich idR nicht aussuchen können, was man macht und sollte darauf vorbereitet sein, sämtliche Facetten des Strafrechts kennenzulernen – von betrunkenen Autofahrern bis zum Kindesmissbrauch. Dazu kommt als individueller Faktor, dass ich eine Frau mit kleiner Statur bin (was bei Besuchen in Männer-JVAen immer ein besonderes Erlebnis war) und einen sichtbaren Migrationshintergrund habe – mir wurde mehrfach sehr offen gesagt, dass ich aufgrund dessen durchaus einige Widrigkeiten seitens der Kollegen erleben werde (und auch teilweise schon erleben „durfte“, insbesondere von den männlichen Strafverteidigern, die nicht selten relativ große Egos haben). Ich habe auch keine Lust, nicht nur für meine Mandanten, sondern auch gleichzeitig für mich selbst im Gericht kämpfen zu müssen.
Ich bin nun mal nicht der Typ dafür (da ich gemerkt habe, dass ich die Tätigkeiten insgesamt aus verschiedenen Gründen als psychisch belastend empfand) und ich habe entschieden, dass ich gar nicht abstumpfen will. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem es „normal“ für mich ist, gewisse Bilder zu sehen oder irgendwann festzustellen, dass ich doch nicht abgestumpft bin, dafür aber selbst nicht mehr klarkomme. Das ist mir, bei aller Liebe zu Jura, die Arbeit nicht wert und ich verzichte gerne darauf, etwas inhaltliches interessantes zu machen, um mich selbst zu schützen. Wie schon gesagt, einige Mandanten kommen aus einer Welt, mit der weder ich noch meine Ausbilder täglich zu tun habe; ich bin aber durchaus auch mit Menschen aus eher nicht so guten Umgebungen aufgewachsen und habe daher einen einigermaßen oberflächlichen Einblick dahin, wie ein Aufwachsen abseits der „Mittel- und Oberschicht“ aussehen kann und was für Konsequenzen das für Menschen haben kann. Es ist verständlich, dass man in gewissen Umgebungen etwas „härter“ sein „muss“ als bspw. wenn man in Kronberg aufwächst – damit muss man eben umgehen können. Anfangs macht man auch viele Pflichtmandate, um Übung zu bekommen und sich einen Ruf aufzubauen – klar, man kann auch ein Mandat, dass einem moralisch nicht passt, ablehnen, aber dann fragt das Gericht auch ziemlich bald nie wieder und man schneidet sich sozusagen selbst den Weg, Erfahrung zu sammeln, ab. Zu Beginn wird man auch einiges an Pflichtmandaten mit PKH machen müssen – finanziell ist das nun mal nicht super lukrativ, wäre für mich aber nicht unbedingt ein Faktor gewesen. Sprich: gerade in den ersten Jahren wird man sich idR nicht aussuchen können, was man macht und sollte darauf vorbereitet sein, sämtliche Facetten des Strafrechts kennenzulernen – von betrunkenen Autofahrern bis zum Kindesmissbrauch. Dazu kommt als individueller Faktor, dass ich eine Frau mit kleiner Statur bin (was bei Besuchen in Männer-JVAen immer ein besonderes Erlebnis war) und einen sichtbaren Migrationshintergrund habe – mir wurde mehrfach sehr offen gesagt, dass ich aufgrund dessen durchaus einige Widrigkeiten seitens der Kollegen erleben werde (und auch teilweise schon erleben „durfte“, insbesondere von den männlichen Strafverteidigern, die nicht selten relativ große Egos haben). Ich habe auch keine Lust, nicht nur für meine Mandanten, sondern auch gleichzeitig für mich selbst im Gericht kämpfen zu müssen.
09.10.2024, 12:12
(09.10.2024, 10:38)Ex-GK schrieb: Vorweg: diese Gespräche haben sich ergeben, weil ich bei der Aktenbearbeitung und Begleitung der für mich zuständigen Anwälte zu Verhandlungen, Mandantengespräche, JVA, whatever gemerkt habe, dass das alles etwas mit mir macht. Ich beziehe mich auch ausschließlich auf das klassische Strafrecht (Wirtschaftsstrafrecht schließe ich immer noch nicht ganz aus). Ich kann gerne auch mehr über meine persönlichen Erfahrungen berichten, wenn gewollt. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich immer mehr von meinem Wunsch Strafverteidiger (STA/Richter kam für mich nicht in Frage) abgerückt. Dann habe ich aber meine Ausbilder und im privaten Umfeld gefragt, wie man bitte mit diesen Themen, die ich persönlich als belastend empfand, umgehen soll, weil es ja offensichtlich möglich ist, ohne in Dauertherapie zu müssen. Zwei Antworten kamen immer, die mE auch richtig sind: man ist der Typ dafür und stumpft auch mit der Zeit ab. Aber auch trotz des Abstumpfens haben so gut wie alle, die ich kenne, in regelmäßigen Abständen "Episoden", in denen sie auch mental ziemlich im Keller sind - liegt dann oft an einem speziellen Fall.
Ich bin nun mal nicht der Typ dafür (da ich gemerkt habe, dass ich die Tätigkeiten insgesamt aus verschiedenen Gründen als psychisch belastend empfand) und ich habe entschieden, dass ich gar nicht abstumpfen will. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem es „normal“ für mich ist, gewisse Bilder zu sehen oder irgendwann festzustellen, dass ich doch nicht abgestumpft bin, dafür aber selbst nicht mehr klarkomme. Das ist mir, bei aller Liebe zu Jura, die Arbeit nicht wert und ich verzichte gerne darauf, etwas inhaltliches interessantes zu machen, um mich selbst zu schützen. Wie schon gesagt, einige Mandanten kommen aus einer Welt, mit der weder ich noch meine Ausbilder täglich zu tun habe; ich bin aber durchaus auch mit Menschen aus eher nicht so guten Umgebungen aufgewachsen und habe daher einen einigermaßen oberflächlichen Einblick dahin, wie ein Aufwachsen abseits der „Mittel- und Oberschicht“ aussehen kann und was für Konsequenzen das für Menschen haben kann. Es ist verständlich, dass man in gewissen Umgebungen etwas „härter“ sein „muss“ als bspw. wenn man in Kronberg aufwächst – damit muss man eben umgehen können. Anfangs macht man auch viele Pflichtmandate, um Übung zu bekommen und sich einen Ruf aufzubauen – klar, man kann auch ein Mandat, dass einem moralisch nicht passt, ablehnen, aber dann fragt das Gericht auch ziemlich bald nie wieder und man schneidet sich sozusagen selbst den Weg, Erfahrung zu sammeln, ab. Zu Beginn wird man auch einiges an Pflichtmandaten mit PKH machen müssen – finanziell ist das nun mal nicht super lukrativ, wäre für mich aber nicht unbedingt ein Faktor gewesen. Sprich: gerade in den ersten Jahren wird man sich idR nicht aussuchen können, was man macht und sollte darauf vorbereitet sein, sämtliche Facetten des Strafrechts kennenzulernen – von betrunkenen Autofahrern bis zum Kindesmissbrauch. Dazu kommt als individueller Faktor, dass ich eine Frau mit kleiner Statur bin (was bei Besuchen in Männer-JVAen immer ein besonderes Erlebnis war) und einen sichtbaren Migrationshintergrund habe – mir wurde mehrfach sehr offen gesagt, dass ich aufgrund dessen durchaus einige Widrigkeiten seitens der Kollegen erleben werde (und auch teilweise schon erleben „durfte“, insbesondere von den männlichen Strafverteidigern, die nicht selten relativ große Egos haben). Ich habe auch keine Lust, nicht nur für meine Mandanten, sondern auch gleichzeitig für mich selbst im Gericht kämpfen zu müssen.
vielen Dank für diesen sehr offenen Einblick!
Vieles was du da schreibst kann ich voll nachvollziehen. Das ging mir auch damals im Kopf rum.
Wir hatten im Rahmen des Refs damals eine sog. Anwaltswoche. Verschiedenste RA aus verschiedenen Rechtsgebieten gaben uns fachlichen Input aus der Praxis, aber es war auch ein großer Block "Berufsberatung" dabei. Ein sehr renommierter Strafrechtler aus München gab uns Einblicke in seinen Alltag. Was der über seinen Berufsstart als Strafverteidiger erzählt hat, wie die Mandantschaft versucht ggf sogar die Lage eines jungen RAs der auf Geschäft angewiesen ist, versucht auszunutzen, das war schon krass. Und bei aller Unschuldsvermutung, die Mehrheit der Mandantschaft hat eine Straftat begangen. Sehr häufig mehrfach und auch keine Kavaliersdelikte. Klare Aussage damals von ihm, war auch, dass er keine Sexualdelikte verteidigt, außer die Mandantschaft ist geständig. Er meinte. "ich kann mir das inzwischen leisten. Ich kann mir diese Akten nicht mehr ansehen und lesen..."
Es hat mich damals sehr bewegt. Es deckt sich auch mit den Erzählungen von Kollegen, die dann in diese Richtung gegangen sind. Man braucht schon ein dickes Fell
Aber trotzdem mein Respekt an alle Kollegen, die es machen
09.10.2024, 14:25
(09.10.2024, 12:12)Freidenkender schrieb:(09.10.2024, 10:38)Ex-GK schrieb: Vorweg: diese Gespräche haben sich ergeben, weil ich bei der Aktenbearbeitung und Begleitung der für mich zuständigen Anwälte zu Verhandlungen, Mandantengespräche, JVA, whatever gemerkt habe, dass das alles etwas mit mir macht. Ich beziehe mich auch ausschließlich auf das klassische Strafrecht (Wirtschaftsstrafrecht schließe ich immer noch nicht ganz aus). Ich kann gerne auch mehr über meine persönlichen Erfahrungen berichten, wenn gewollt. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich immer mehr von meinem Wunsch Strafverteidiger (STA/Richter kam für mich nicht in Frage) abgerückt. Dann habe ich aber meine Ausbilder und im privaten Umfeld gefragt, wie man bitte mit diesen Themen, die ich persönlich als belastend empfand, umgehen soll, weil es ja offensichtlich möglich ist, ohne in Dauertherapie zu müssen. Zwei Antworten kamen immer, die mE auch richtig sind: man ist der Typ dafür und stumpft auch mit der Zeit ab. Aber auch trotz des Abstumpfens haben so gut wie alle, die ich kenne, in regelmäßigen Abständen "Episoden", in denen sie auch mental ziemlich im Keller sind - liegt dann oft an einem speziellen Fall.
Ich bin nun mal nicht der Typ dafür (da ich gemerkt habe, dass ich die Tätigkeiten insgesamt aus verschiedenen Gründen als psychisch belastend empfand) und ich habe entschieden, dass ich gar nicht abstumpfen will. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem es „normal“ für mich ist, gewisse Bilder zu sehen oder irgendwann festzustellen, dass ich doch nicht abgestumpft bin, dafür aber selbst nicht mehr klarkomme. Das ist mir, bei aller Liebe zu Jura, die Arbeit nicht wert und ich verzichte gerne darauf, etwas inhaltliches interessantes zu machen, um mich selbst zu schützen. Wie schon gesagt, einige Mandanten kommen aus einer Welt, mit der weder ich noch meine Ausbilder täglich zu tun habe; ich bin aber durchaus auch mit Menschen aus eher nicht so guten Umgebungen aufgewachsen und habe daher einen einigermaßen oberflächlichen Einblick dahin, wie ein Aufwachsen abseits der „Mittel- und Oberschicht“ aussehen kann und was für Konsequenzen das für Menschen haben kann. Es ist verständlich, dass man in gewissen Umgebungen etwas „härter“ sein „muss“ als bspw. wenn man in Kronberg aufwächst – damit muss man eben umgehen können. Anfangs macht man auch viele Pflichtmandate, um Übung zu bekommen und sich einen Ruf aufzubauen – klar, man kann auch ein Mandat, dass einem moralisch nicht passt, ablehnen, aber dann fragt das Gericht auch ziemlich bald nie wieder und man schneidet sich sozusagen selbst den Weg, Erfahrung zu sammeln, ab. Zu Beginn wird man auch einiges an Pflichtmandaten mit PKH machen müssen – finanziell ist das nun mal nicht super lukrativ, wäre für mich aber nicht unbedingt ein Faktor gewesen. Sprich: gerade in den ersten Jahren wird man sich idR nicht aussuchen können, was man macht und sollte darauf vorbereitet sein, sämtliche Facetten des Strafrechts kennenzulernen – von betrunkenen Autofahrern bis zum Kindesmissbrauch. Dazu kommt als individueller Faktor, dass ich eine Frau mit kleiner Statur bin (was bei Besuchen in Männer-JVAen immer ein besonderes Erlebnis war) und einen sichtbaren Migrationshintergrund habe – mir wurde mehrfach sehr offen gesagt, dass ich aufgrund dessen durchaus einige Widrigkeiten seitens der Kollegen erleben werde (und auch teilweise schon erleben „durfte“, insbesondere von den männlichen Strafverteidigern, die nicht selten relativ große Egos haben). Ich habe auch keine Lust, nicht nur für meine Mandanten, sondern auch gleichzeitig für mich selbst im Gericht kämpfen zu müssen.
vielen Dank für diesen sehr offenen Einblick!
Vieles was du da schreibst kann ich voll nachvollziehen. Das ging mir auch damals im Kopf rum.
Wir hatten im Rahmen des Refs damals eine sog. Anwaltswoche. Verschiedenste RA aus verschiedenen Rechtsgebieten gaben uns fachlichen Input aus der Praxis, aber es war auch ein großer Block "Berufsberatung" dabei. Ein sehr renommierter Strafrechtler aus München gab uns Einblicke in seinen Alltag. Was der über seinen Berufsstart als Strafverteidiger erzählt hat, wie die Mandantschaft versucht ggf sogar die Lage eines jungen RAs der auf Geschäft angewiesen ist, versucht auszunutzen, das war schon krass. Und bei aller Unschuldsvermutung, die Mehrheit der Mandantschaft hat eine Straftat begangen. Sehr häufig mehrfach und auch keine Kavaliersdelikte. Klare Aussage damals von ihm, war auch, dass er keine Sexualdelikte verteidigt, außer die Mandantschaft ist geständig. Er meinte. "ich kann mir das inzwischen leisten. Ich kann mir diese Akten nicht mehr ansehen und lesen..."
Es hat mich damals sehr bewegt. Es deckt sich auch mit den Erzählungen von Kollegen, die dann in diese Richtung gegangen sind. Man braucht schon ein dickes Fell
Aber trotzdem mein Respekt an alle Kollegen, die es machen
Danke Dir für das Feedback. Ich habe mir diese Art von Offenheit oft selbst von älteren KollegInnen gewünscht und versuche das an die jüngeren KollegInnen weiterzugeben. Das Problem ist mE oft, dass wir alle, besonders aber die Leute in Einzelkämpfer-Jobs, sehr auf die Außendarstellung schauen und damit auch unter KollegInnen diese Offenheit entsprechend nicht entstehen kann. Das führt aber dazu, dass Dinge immer besser dargestellt werden als sie sind und Leute in Jobs wollen, die für sie nichts sind. Dass man mit einer Sache nicht gut zurechtkommt, ist ja keine Schwäche, sondern eine Frage der Persönlichkeit – wir sind halt individuell. Leider impliziert aber immer noch „etwas nicht zu können/wollen“ Schwäche und so redet niemand über die beschissenen Seiten und Belastungen. Insbesondere was Strafrecht betrifft, habe ich oft den Eindruck, dass sehr viele weder wissen, was da auf sie wartet, noch dass sie überhaupt wüssten, wie man sich einen Eindruck verschaffen kann (etwas durch Köln Chorweiler zu laufen reicht ja nicht) – ist man erstmal im Beruf, wird man dann halt nicht selten überrascht.
Deinen Eindruck aus der Anwaltswoche kann ich absolut nachvollziehen, finde es aber auch gut, dass die RAs auch über die Mandanten und nicht nur den Job an sich gesprochen haben. Ich werde nie vergessen, wie meine Gruppe im Gerichtspraktikum bei einer Verhandlung über Vergewaltigung zugeschaut haben und danach mit dem Richter sprechen konnten. Frage war, warum XY Strafmaß getroffen wurde, subjektiv empfunden wäre da „mehr“ drin gewesen. Der Richter hat uns dann ziemlich ungeschönt klar gemacht, dass es natürlich ein Spektrum einer Straftat gibt, was die „Qualität/Intensität“ betrifft und dann Beispiele genannt, bei denen er auch mal die maximal mögliche Strafe verhängt hat. Den meisten von uns wurde ziemlich übel beim Zuhören. Vielleicht etwas geschmacklos, aber nicht ganz sinnfrei: wer das Urteil zum JVA-Mord in Siegburg lesen mag, kann ja mal schauen, wie man sich beim Lesen des Urteils/Sachverhalts fühlt. Dann stelle man sich vor, was alles in der Akte gewesen sein muss und versetzt sich mal kurz in die Lage der STA/Richter/Verteidiger und was diese alles gesehen/gehört/getan haben, bis es zu diesem Urteil kam.
09.10.2024, 17:32
(09.10.2024, 14:25)Ex-GK schrieb:(09.10.2024, 12:12)Freidenkender schrieb:(09.10.2024, 10:38)Ex-GK schrieb: Vorweg: diese Gespräche haben sich ergeben, weil ich bei der Aktenbearbeitung und Begleitung der für mich zuständigen Anwälte zu Verhandlungen, Mandantengespräche, JVA, whatever gemerkt habe, dass das alles etwas mit mir macht. Ich beziehe mich auch ausschließlich auf das klassische Strafrecht (Wirtschaftsstrafrecht schließe ich immer noch nicht ganz aus). Ich kann gerne auch mehr über meine persönlichen Erfahrungen berichten, wenn gewollt. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich immer mehr von meinem Wunsch Strafverteidiger (STA/Richter kam für mich nicht in Frage) abgerückt. Dann habe ich aber meine Ausbilder und im privaten Umfeld gefragt, wie man bitte mit diesen Themen, die ich persönlich als belastend empfand, umgehen soll, weil es ja offensichtlich möglich ist, ohne in Dauertherapie zu müssen. Zwei Antworten kamen immer, die mE auch richtig sind: man ist der Typ dafür und stumpft auch mit der Zeit ab. Aber auch trotz des Abstumpfens haben so gut wie alle, die ich kenne, in regelmäßigen Abständen "Episoden", in denen sie auch mental ziemlich im Keller sind - liegt dann oft an einem speziellen Fall.
Ich bin nun mal nicht der Typ dafür (da ich gemerkt habe, dass ich die Tätigkeiten insgesamt aus verschiedenen Gründen als psychisch belastend empfand) und ich habe entschieden, dass ich gar nicht abstumpfen will. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem es „normal“ für mich ist, gewisse Bilder zu sehen oder irgendwann festzustellen, dass ich doch nicht abgestumpft bin, dafür aber selbst nicht mehr klarkomme. Das ist mir, bei aller Liebe zu Jura, die Arbeit nicht wert und ich verzichte gerne darauf, etwas inhaltliches interessantes zu machen, um mich selbst zu schützen. Wie schon gesagt, einige Mandanten kommen aus einer Welt, mit der weder ich noch meine Ausbilder täglich zu tun habe; ich bin aber durchaus auch mit Menschen aus eher nicht so guten Umgebungen aufgewachsen und habe daher einen einigermaßen oberflächlichen Einblick dahin, wie ein Aufwachsen abseits der „Mittel- und Oberschicht“ aussehen kann und was für Konsequenzen das für Menschen haben kann. Es ist verständlich, dass man in gewissen Umgebungen etwas „härter“ sein „muss“ als bspw. wenn man in Kronberg aufwächst – damit muss man eben umgehen können. Anfangs macht man auch viele Pflichtmandate, um Übung zu bekommen und sich einen Ruf aufzubauen – klar, man kann auch ein Mandat, dass einem moralisch nicht passt, ablehnen, aber dann fragt das Gericht auch ziemlich bald nie wieder und man schneidet sich sozusagen selbst den Weg, Erfahrung zu sammeln, ab. Zu Beginn wird man auch einiges an Pflichtmandaten mit PKH machen müssen – finanziell ist das nun mal nicht super lukrativ, wäre für mich aber nicht unbedingt ein Faktor gewesen. Sprich: gerade in den ersten Jahren wird man sich idR nicht aussuchen können, was man macht und sollte darauf vorbereitet sein, sämtliche Facetten des Strafrechts kennenzulernen – von betrunkenen Autofahrern bis zum Kindesmissbrauch. Dazu kommt als individueller Faktor, dass ich eine Frau mit kleiner Statur bin (was bei Besuchen in Männer-JVAen immer ein besonderes Erlebnis war) und einen sichtbaren Migrationshintergrund habe – mir wurde mehrfach sehr offen gesagt, dass ich aufgrund dessen durchaus einige Widrigkeiten seitens der Kollegen erleben werde (und auch teilweise schon erleben „durfte“, insbesondere von den männlichen Strafverteidigern, die nicht selten relativ große Egos haben). Ich habe auch keine Lust, nicht nur für meine Mandanten, sondern auch gleichzeitig für mich selbst im Gericht kämpfen zu müssen.
vielen Dank für diesen sehr offenen Einblick!
Vieles was du da schreibst kann ich voll nachvollziehen. Das ging mir auch damals im Kopf rum.
Wir hatten im Rahmen des Refs damals eine sog. Anwaltswoche. Verschiedenste RA aus verschiedenen Rechtsgebieten gaben uns fachlichen Input aus der Praxis, aber es war auch ein großer Block "Berufsberatung" dabei. Ein sehr renommierter Strafrechtler aus München gab uns Einblicke in seinen Alltag. Was der über seinen Berufsstart als Strafverteidiger erzählt hat, wie die Mandantschaft versucht ggf sogar die Lage eines jungen RAs der auf Geschäft angewiesen ist, versucht auszunutzen, das war schon krass. Und bei aller Unschuldsvermutung, die Mehrheit der Mandantschaft hat eine Straftat begangen. Sehr häufig mehrfach und auch keine Kavaliersdelikte. Klare Aussage damals von ihm, war auch, dass er keine Sexualdelikte verteidigt, außer die Mandantschaft ist geständig. Er meinte. "ich kann mir das inzwischen leisten. Ich kann mir diese Akten nicht mehr ansehen und lesen..."
Es hat mich damals sehr bewegt. Es deckt sich auch mit den Erzählungen von Kollegen, die dann in diese Richtung gegangen sind. Man braucht schon ein dickes Fell
Aber trotzdem mein Respekt an alle Kollegen, die es machen
Danke Dir für das Feedback. Ich habe mir diese Art von Offenheit oft selbst von älteren KollegInnen gewünscht und versuche das an die jüngeren KollegInnen weiterzugeben. Das Problem ist mE oft, dass wir alle, besonders aber die Leute in Einzelkämpfer-Jobs, sehr auf die Außendarstellung schauen und damit auch unter KollegInnen diese Offenheit entsprechend nicht entstehen kann. Das führt aber dazu, dass Dinge immer besser dargestellt werden als sie sind und Leute in Jobs wollen, die für sie nichts sind. Dass man mit einer Sache nicht gut zurechtkommt, ist ja keine Schwäche, sondern eine Frage der Persönlichkeit – wir sind halt individuell. Leider impliziert aber immer noch „etwas nicht zu können/wollen“ Schwäche und so redet niemand über die beschissenen Seiten und Belastungen. Insbesondere was Strafrecht betrifft, habe ich oft den Eindruck, dass sehr viele weder wissen, was da auf sie wartet, noch dass sie überhaupt wüssten, wie man sich einen Eindruck verschaffen kann (etwas durch Köln Chorweiler zu laufen reicht ja nicht) – ist man erstmal im Beruf, wird man dann halt nicht selten überrascht.
Deinen Eindruck aus der Anwaltswoche kann ich absolut nachvollziehen, finde es aber auch gut, dass die RAs auch über die Mandanten und nicht nur den Job an sich gesprochen haben. Ich werde nie vergessen, wie meine Gruppe im Gerichtspraktikum bei einer Verhandlung über Vergewaltigung zugeschaut haben und danach mit dem Richter sprechen konnten. Frage war, warum XY Strafmaß getroffen wurde, subjektiv empfunden wäre da „mehr“ drin gewesen. Der Richter hat uns dann ziemlich ungeschönt klar gemacht, dass es natürlich ein Spektrum einer Straftat gibt, was die „Qualität/Intensität“ betrifft und dann Beispiele genannt, bei denen er auch mal die maximal mögliche Strafe verhängt hat. Den meisten von uns wurde ziemlich übel beim Zuhören. Vielleicht etwas geschmacklos, aber nicht ganz sinnfrei: wer das Urteil zum JVA-Mord in Siegburg lesen mag, kann ja mal schauen, wie man sich beim Lesen des Urteils/Sachverhalts fühlt. Dann stelle man sich vor, was alles in der Akte gewesen sein muss und versetzt sich mal kurz in die Lage der STA/Richter/Verteidiger und was diese alles gesehen/gehört/getan haben, bis es zu diesem Urteil kam.
unser Berufsstand neigt dazu sich nach außen stark und unverletzlich zu verkaufen. Aber nur wenige Menschen sind das tatsächlich. Ich arbeite nur schon sehr lange im Arbeitsrecht, inzwischen im Unternehmen und auch da lässt mich nicht jeder Sachverhalt so einfach los. Ich persönlich fände es komisch, wenn es anders wäre, aber das mögen Kolleg:innen auch anders sehen.
Eine Aussage ist mir von dem Strafverteidiger noch im Ohr: "Wenn sie neu als Strafverteidiger anfangen, dann geht ihre Visitenkarte in der JVA um. Darauf können Sie sich verlassen. Es wird auch viele Insassen geben, die sie anrufen. Das sind aber nicht die, die mit der Verteidigung nicht zufrieden waren. Nein, es sind die Insassen, die testen wollen, ob sie ein Verteidiger sind, den sie z.B. zum Schmuggel von Drogen, Handys oder Nachrichten oder anderer krimineller Aktivitäten nutzen können. Es sitzen wenige unschuldige Menschen dort ein, aber viele mit krimineller Energie und mehr davon, als Sie sich vorstellen können. Wenn sie kein gefestigter Charakter sind, dann lassen sie es bitte"
Ich hatte mir im Vorfeld über so was keine Gedanken gemacht, aber es war schlüssig.
09.10.2024, 18:13
(09.10.2024, 17:32)Freidenkender schrieb:(09.10.2024, 14:25)Ex-GK schrieb:(09.10.2024, 12:12)Freidenkender schrieb:(09.10.2024, 10:38)Ex-GK schrieb: Vorweg: diese Gespräche haben sich ergeben, weil ich bei der Aktenbearbeitung und Begleitung der für mich zuständigen Anwälte zu Verhandlungen, Mandantengespräche, JVA, whatever gemerkt habe, dass das alles etwas mit mir macht. Ich beziehe mich auch ausschließlich auf das klassische Strafrecht (Wirtschaftsstrafrecht schließe ich immer noch nicht ganz aus). Ich kann gerne auch mehr über meine persönlichen Erfahrungen berichten, wenn gewollt. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich immer mehr von meinem Wunsch Strafverteidiger (STA/Richter kam für mich nicht in Frage) abgerückt. Dann habe ich aber meine Ausbilder und im privaten Umfeld gefragt, wie man bitte mit diesen Themen, die ich persönlich als belastend empfand, umgehen soll, weil es ja offensichtlich möglich ist, ohne in Dauertherapie zu müssen. Zwei Antworten kamen immer, die mE auch richtig sind: man ist der Typ dafür und stumpft auch mit der Zeit ab. Aber auch trotz des Abstumpfens haben so gut wie alle, die ich kenne, in regelmäßigen Abständen "Episoden", in denen sie auch mental ziemlich im Keller sind - liegt dann oft an einem speziellen Fall.
Ich bin nun mal nicht der Typ dafür (da ich gemerkt habe, dass ich die Tätigkeiten insgesamt aus verschiedenen Gründen als psychisch belastend empfand) und ich habe entschieden, dass ich gar nicht abstumpfen will. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem es „normal“ für mich ist, gewisse Bilder zu sehen oder irgendwann festzustellen, dass ich doch nicht abgestumpft bin, dafür aber selbst nicht mehr klarkomme. Das ist mir, bei aller Liebe zu Jura, die Arbeit nicht wert und ich verzichte gerne darauf, etwas inhaltliches interessantes zu machen, um mich selbst zu schützen. Wie schon gesagt, einige Mandanten kommen aus einer Welt, mit der weder ich noch meine Ausbilder täglich zu tun habe; ich bin aber durchaus auch mit Menschen aus eher nicht so guten Umgebungen aufgewachsen und habe daher einen einigermaßen oberflächlichen Einblick dahin, wie ein Aufwachsen abseits der „Mittel- und Oberschicht“ aussehen kann und was für Konsequenzen das für Menschen haben kann. Es ist verständlich, dass man in gewissen Umgebungen etwas „härter“ sein „muss“ als bspw. wenn man in Kronberg aufwächst – damit muss man eben umgehen können. Anfangs macht man auch viele Pflichtmandate, um Übung zu bekommen und sich einen Ruf aufzubauen – klar, man kann auch ein Mandat, dass einem moralisch nicht passt, ablehnen, aber dann fragt das Gericht auch ziemlich bald nie wieder und man schneidet sich sozusagen selbst den Weg, Erfahrung zu sammeln, ab. Zu Beginn wird man auch einiges an Pflichtmandaten mit PKH machen müssen – finanziell ist das nun mal nicht super lukrativ, wäre für mich aber nicht unbedingt ein Faktor gewesen. Sprich: gerade in den ersten Jahren wird man sich idR nicht aussuchen können, was man macht und sollte darauf vorbereitet sein, sämtliche Facetten des Strafrechts kennenzulernen – von betrunkenen Autofahrern bis zum Kindesmissbrauch. Dazu kommt als individueller Faktor, dass ich eine Frau mit kleiner Statur bin (was bei Besuchen in Männer-JVAen immer ein besonderes Erlebnis war) und einen sichtbaren Migrationshintergrund habe – mir wurde mehrfach sehr offen gesagt, dass ich aufgrund dessen durchaus einige Widrigkeiten seitens der Kollegen erleben werde (und auch teilweise schon erleben „durfte“, insbesondere von den männlichen Strafverteidigern, die nicht selten relativ große Egos haben). Ich habe auch keine Lust, nicht nur für meine Mandanten, sondern auch gleichzeitig für mich selbst im Gericht kämpfen zu müssen.
vielen Dank für diesen sehr offenen Einblick!
Vieles was du da schreibst kann ich voll nachvollziehen. Das ging mir auch damals im Kopf rum.
Wir hatten im Rahmen des Refs damals eine sog. Anwaltswoche. Verschiedenste RA aus verschiedenen Rechtsgebieten gaben uns fachlichen Input aus der Praxis, aber es war auch ein großer Block "Berufsberatung" dabei. Ein sehr renommierter Strafrechtler aus München gab uns Einblicke in seinen Alltag. Was der über seinen Berufsstart als Strafverteidiger erzählt hat, wie die Mandantschaft versucht ggf sogar die Lage eines jungen RAs der auf Geschäft angewiesen ist, versucht auszunutzen, das war schon krass. Und bei aller Unschuldsvermutung, die Mehrheit der Mandantschaft hat eine Straftat begangen. Sehr häufig mehrfach und auch keine Kavaliersdelikte. Klare Aussage damals von ihm, war auch, dass er keine Sexualdelikte verteidigt, außer die Mandantschaft ist geständig. Er meinte. "ich kann mir das inzwischen leisten. Ich kann mir diese Akten nicht mehr ansehen und lesen..."
Es hat mich damals sehr bewegt. Es deckt sich auch mit den Erzählungen von Kollegen, die dann in diese Richtung gegangen sind. Man braucht schon ein dickes Fell
Aber trotzdem mein Respekt an alle Kollegen, die es machen
Danke Dir für das Feedback. Ich habe mir diese Art von Offenheit oft selbst von älteren KollegInnen gewünscht und versuche das an die jüngeren KollegInnen weiterzugeben. Das Problem ist mE oft, dass wir alle, besonders aber die Leute in Einzelkämpfer-Jobs, sehr auf die Außendarstellung schauen und damit auch unter KollegInnen diese Offenheit entsprechend nicht entstehen kann. Das führt aber dazu, dass Dinge immer besser dargestellt werden als sie sind und Leute in Jobs wollen, die für sie nichts sind. Dass man mit einer Sache nicht gut zurechtkommt, ist ja keine Schwäche, sondern eine Frage der Persönlichkeit – wir sind halt individuell. Leider impliziert aber immer noch „etwas nicht zu können/wollen“ Schwäche und so redet niemand über die beschissenen Seiten und Belastungen. Insbesondere was Strafrecht betrifft, habe ich oft den Eindruck, dass sehr viele weder wissen, was da auf sie wartet, noch dass sie überhaupt wüssten, wie man sich einen Eindruck verschaffen kann (etwas durch Köln Chorweiler zu laufen reicht ja nicht) – ist man erstmal im Beruf, wird man dann halt nicht selten überrascht.
Deinen Eindruck aus der Anwaltswoche kann ich absolut nachvollziehen, finde es aber auch gut, dass die RAs auch über die Mandanten und nicht nur den Job an sich gesprochen haben. Ich werde nie vergessen, wie meine Gruppe im Gerichtspraktikum bei einer Verhandlung über Vergewaltigung zugeschaut haben und danach mit dem Richter sprechen konnten. Frage war, warum XY Strafmaß getroffen wurde, subjektiv empfunden wäre da „mehr“ drin gewesen. Der Richter hat uns dann ziemlich ungeschönt klar gemacht, dass es natürlich ein Spektrum einer Straftat gibt, was die „Qualität/Intensität“ betrifft und dann Beispiele genannt, bei denen er auch mal die maximal mögliche Strafe verhängt hat. Den meisten von uns wurde ziemlich übel beim Zuhören. Vielleicht etwas geschmacklos, aber nicht ganz sinnfrei: wer das Urteil zum JVA-Mord in Siegburg lesen mag, kann ja mal schauen, wie man sich beim Lesen des Urteils/Sachverhalts fühlt. Dann stelle man sich vor, was alles in der Akte gewesen sein muss und versetzt sich mal kurz in die Lage der STA/Richter/Verteidiger und was diese alles gesehen/gehört/getan haben, bis es zu diesem Urteil kam.
unser Berufsstand neigt dazu sich nach außen stark und unverletzlich zu verkaufen. Aber nur wenige Menschen sind das tatsächlich. Ich arbeite nur schon sehr lange im Arbeitsrecht, inzwischen im Unternehmen und auch da lässt mich nicht jeder Sachverhalt so einfach los. Ich persönlich fände es komisch, wenn es anders wäre, aber das mögen Kolleg:innen auch anders sehen.
Eine Aussage ist mir von dem Strafverteidiger noch im Ohr: "Wenn sie neu als Strafverteidiger anfangen, dann geht ihre Visitenkarte in der JVA um. Darauf können Sie sich verlassen. Es wird auch viele Insassen geben, die sie anrufen. Das sind aber nicht die, die mit der Verteidigung nicht zufrieden waren. Nein, es sind die Insassen, die testen wollen, ob sie ein Verteidiger sind, den sie z.B. zum Schmuggel von Drogen, Handys oder Nachrichten oder anderer krimineller Aktivitäten nutzen können. Es sitzen wenige unschuldige Menschen dort ein, aber viele mit krimineller Energie und mehr davon, als Sie sich vorstellen können. Wenn sie kein gefestigter Charakter sind, dann lassen sie es bitte"
Ich hatte mir im Vorfeld über so was keine Gedanken gemacht, aber es war schlüssig.
Ich teile deine Ansicht absolut. Als Ergänzung: Danke auch für deine Offenheit. Es ist wichtig auch zu sagen, dass solche Dinge jeden treffen können. Selbst im M&A passiert sowas; manche Mandate führen dazu, dass Menschen ihren Job verlieren - als bei so einem Projekt mal in einer TelKo deutlich ausgesprochen wurde wie viele Mitarbeiter von den geplanten Maßnahmen betroffen sind und arbeitslos werden, hat echt niemand mehr was sagen können. Das war das einzige Mal, dass ich erlebt habe, dass 15 Anwälte in einem Raum sitzen und keiner das Bedürfnis hat, etwas zu sagen.
So eine ähnliche Aussage habe ich "witzigerweise" auch schon von einem ehemaligen Insassen gehört (da habe ich mich mal gefragt, ob ich nicht einfach Obstkörbe in die JVA schicken kann für Akquise - ja, naive und nicht ganz ernst gemeinte Frage, aber ich wusste damals wenig über die Realität des Strafrechts) - sozusagen also eine Bestätigung dessen, was der Strafverteidiger Dir gesagt hat von der anderen Seite ;). Dass es Anwälte gibt, die sowas mitmachen, wundert mich nicht. Strafverteidiger sind auch einfach Menschen und sind beeinflussbar - und eins habe ich sehr regelmäßig in psychologischen Gutachten gelesen und auch im Gericht mehrfach live erlebt: manipulative Persönlichkeit und auch Intelligenz des jeweiligen Straftäters. Viele Straftäter kommen nicht immer aus besten Verhältnissen und wenn sie dann auch noch keine besondere formale Schulbildung haben, steckt man sie gerne schnell in die "Dumm"-Schublade. In solchen Umgebungen will man aber eigentlich nur überleben und lernt schnell Mittel und Wege, zu bekommen, was man will und opportunistisch/manipulativ zu sein und die klassische Schulbildung/Ausbildung etc ist für einige Menschen einfach keine Option oder kein realistischer Weg zum "Erfolg" - wie gesagt, andere Welt, die nicht jeder kennt. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, wie viele Straftäter jahrelang unbemerkt operieren - das liegt sicherlich nicht daran, dass keiner was mitbekommt. Kriminelle darf man nicht unterschätzen.
10.10.2024, 10:14
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Ich teile deine Ansicht absolut. Als Ergänzung: Danke auch für deine Offenheit. Es ist wichtig auch zu sagen, dass solche Dinge jeden treffen können. Selbst im M&A passiert sowas; manche Mandate führen dazu, dass Menschen ihren Job verlieren - als bei so einem Projekt mal in einer TelKo deutlich ausgesprochen wurde wie viele Mitarbeiter von den geplanten Maßnahmen betroffen sind und arbeitslos werden, hat echt niemand mehr was sagen können. Das war das einzige Mal, dass ich erlebt habe, dass 15 Anwälte in einem Raum sitzen und keiner das Bedürfnis hat, etwas zu sagen.
So eine ähnliche Aussage habe ich "witzigerweise" auch schon von einem ehemaligen Insassen gehört (da habe ich mich mal gefragt, ob ich nicht einfach Obstkörbe in die JVA schicken kann für Akquise - ja, naive und nicht ganz ernst gemeinte Frage, aber ich wusste damals wenig über die Realität des Strafrechts) - sozusagen also eine Bestätigung dessen, was der Strafverteidiger Dir gesagt hat von der anderen Seite ;). Dass es Anwälte gibt, die sowas mitmachen, wundert mich nicht. Strafverteidiger sind auch einfach Menschen und sind beeinflussbar - und eins habe ich sehr regelmäßig in psychologischen Gutachten gelesen und auch im Gericht mehrfach live erlebt: manipulative Persönlichkeit und auch Intelligenz des jeweiligen Straftäters. Viele Straftäter kommen nicht immer aus besten Verhältnissen und wenn sie dann auch noch keine besondere formale Schulbildung haben, steckt man sie gerne schnell in die "Dumm"-Schublade. In solchen Umgebungen will man aber eigentlich nur überleben und lernt schnell Mittel und Wege, zu bekommen, was man will und opportunistisch/manipulativ zu sein und die klassische Schulbildung/Ausbildung etc ist für einige Menschen einfach keine Option oder kein realistischer Weg zum "Erfolg" - wie gesagt, andere Welt, die nicht jeder kennt. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, wie viele Straftäter jahrelang unbemerkt operieren - das liegt sicherlich nicht daran, dass keiner was mitbekommt. Kriminelle darf man nicht unterschätzen.
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Selten so offene Einblicke hier bekommen! Merci! Wäre sicher spannend sich dazu mal näher austauschen und die Erfahrungen zu teilen. geht hier ja leider nicht (mehr). Viele Kolleg:innen sind leider sehr auf ihre Außendarstellung bedacht. Das ging bei einigen schon im Studium los, was dann bei denen zu einem völlig unnötigen Konkurrenzverhalten geführt hat. Daher ist mein Freundes- und Bekanntenkreis eher außerhalb der "Juristenszene". Aber immer wieder spannend zu sehen, dass nicht alle Juristen faktenbasiert ihre Fälle abarbeiten und nichts an sich ran lassen. Als RA ist das natürlich nicht einfach, da man nicht alle Fälle mit nach Hause nehmen sollte. Das wird einen kaputt machen. Trotzdem darf die Empathie nicht verloren gehen
Wäre sicher spannend. Leider gibt es hier keine Chatfunktion für
Ich teile deine Ansicht absolut. Als Ergänzung: Danke auch für deine Offenheit. Es ist wichtig auch zu sagen, dass solche Dinge jeden treffen können. Selbst im M&A passiert sowas; manche Mandate führen dazu, dass Menschen ihren Job verlieren - als bei so einem Projekt mal in einer TelKo deutlich ausgesprochen wurde wie viele Mitarbeiter von den geplanten Maßnahmen betroffen sind und arbeitslos werden, hat echt niemand mehr was sagen können. Das war das einzige Mal, dass ich erlebt habe, dass 15 Anwälte in einem Raum sitzen und keiner das Bedürfnis hat, etwas zu sagen.
So eine ähnliche Aussage habe ich "witzigerweise" auch schon von einem ehemaligen Insassen gehört (da habe ich mich mal gefragt, ob ich nicht einfach Obstkörbe in die JVA schicken kann für Akquise - ja, naive und nicht ganz ernst gemeinte Frage, aber ich wusste damals wenig über die Realität des Strafrechts) - sozusagen also eine Bestätigung dessen, was der Strafverteidiger Dir gesagt hat von der anderen Seite ;). Dass es Anwälte gibt, die sowas mitmachen, wundert mich nicht. Strafverteidiger sind auch einfach Menschen und sind beeinflussbar - und eins habe ich sehr regelmäßig in psychologischen Gutachten gelesen und auch im Gericht mehrfach live erlebt: manipulative Persönlichkeit und auch Intelligenz des jeweiligen Straftäters. Viele Straftäter kommen nicht immer aus besten Verhältnissen und wenn sie dann auch noch keine besondere formale Schulbildung haben, steckt man sie gerne schnell in die "Dumm"-Schublade. In solchen Umgebungen will man aber eigentlich nur überleben und lernt schnell Mittel und Wege, zu bekommen, was man will und opportunistisch/manipulativ zu sein und die klassische Schulbildung/Ausbildung etc ist für einige Menschen einfach keine Option oder kein realistischer Weg zum "Erfolg" - wie gesagt, andere Welt, die nicht jeder kennt. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, wie viele Straftäter jahrelang unbemerkt operieren - das liegt sicherlich nicht daran, dass keiner was mitbekommt. Kriminelle darf man nicht unterschätzen.
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Selten so offene Einblicke hier bekommen! Merci! Wäre sicher spannend sich dazu mal näher austauschen und die Erfahrungen zu teilen. geht hier ja leider nicht (mehr). Viele Kolleg:innen sind leider sehr auf ihre Außendarstellung bedacht. Das ging bei einigen schon im Studium los, was dann bei denen zu einem völlig unnötigen Konkurrenzverhalten geführt hat. Daher ist mein Freundes- und Bekanntenkreis eher außerhalb der "Juristenszene". Aber immer wieder spannend zu sehen, dass nicht alle Juristen faktenbasiert ihre Fälle abarbeiten und nichts an sich ran lassen. Als RA ist das natürlich nicht einfach, da man nicht alle Fälle mit nach Hause nehmen sollte. Das wird einen kaputt machen. Trotzdem darf die Empathie nicht verloren gehen
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11.10.2024, 07:41
Vielen Dank für eure Offenheit. Das ist sehr aufschlussreich.
Mir ist noch immer nicht vollständig klar, warum manche dennoch Strafverteidiger werden (also: Unkenntnis der Umstände, hohe Ideale von wegen Unschuldige retten, hohe Freiheit und Unabhängigkeit, vermeintliches Renommee).
Denn letztlich lässt sich die Tätigkeit im Wesentlichen darauf zusammendampfen, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächliche Täter verteidigt und diese anhand prozessualer Spitzfindigkeiten vor ihrer Bestrafung bewahrt. Darauf läuft es ja hinaus, wenn man sich BGH Rechtsprechung ansieht.
Also, das Gerede von wegen faires Verfahren usw. kaufe ich keinem ab. Was ist die Motivation dahinter, sich tagtäglich mit solchen Menschen sowie deren zum Teil abscheulichen Taten zu umgeben? Mollath-Fälle kommen auch vor, sind aber sicherlich die absolute Ausnahme.
Mir ist noch immer nicht vollständig klar, warum manche dennoch Strafverteidiger werden (also: Unkenntnis der Umstände, hohe Ideale von wegen Unschuldige retten, hohe Freiheit und Unabhängigkeit, vermeintliches Renommee).
Denn letztlich lässt sich die Tätigkeit im Wesentlichen darauf zusammendampfen, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächliche Täter verteidigt und diese anhand prozessualer Spitzfindigkeiten vor ihrer Bestrafung bewahrt. Darauf läuft es ja hinaus, wenn man sich BGH Rechtsprechung ansieht.
Also, das Gerede von wegen faires Verfahren usw. kaufe ich keinem ab. Was ist die Motivation dahinter, sich tagtäglich mit solchen Menschen sowie deren zum Teil abscheulichen Taten zu umgeben? Mollath-Fälle kommen auch vor, sind aber sicherlich die absolute Ausnahme.
11.10.2024, 09:27
Eventuell könntest du diesen Thread als Anlass nehmen, dein Verständnis vom Rechtsstaat zu hinterfragen. Wenn Verteidiger überflüssig seien und es ausreichen würde, dass sich Richter und Staatsanwalt einig sind, dann könnte man 90 Prozent der StPO kürzen. Man bräuchte auch keine Hauptverhandlung mehr. Stattdessen könnte man sämtliche Verfahren, also auch solche, denen ein Verbrechen zugrundeliegt, mit einem Strafbefehl beenden. Die Polizei ermittelt, der Staatsanwalt schaut drüber, der Richter setzt seine Unterschrift drunter, fertig. Ich denke nicht, dass man per Post mitgeteilt bekommen möchte, dass man zu 7 Jahren Haft verurteilt wurde.
Ebenso mit "prozessualen Spitzfindigkeiten": Es steht dem Gesetzgeber ja frei, dem Verteidiger die prozessualen Möglichkeiten zu nehmen. Die meisten "prozessualen Spitzfindigkeiten" haben jedoch nicht den Zweck, den Richter zu nerven, sondern dienen einem rechtsstaatlichen Verfahren, mithin dem Schutz des Einzelnen vor einem allzu übergriffigen Staat. Da ist es richtig und wichtig, dass es Menschen gibt, die sich für die Einhaltung der Spielregeln einsetzen.
Ob ich es nun tun werde, überlege ich mir noch sehr gut. Insbesondere das oben genannte Urteil des JVA-Foltermords ist schon ziemlich harte Kost. Aber auch hier ist die Frage, ob man als Verteidiger
a) ständig solche extremen Fälle zu bearbeiten hat,
und
b) in einem solchen Prozess wirklich dauerhaft das Geschehen bis zum Erbrechen wiederkäut oder ob es hier nicht eher auf die Würdigung von Gutachten und "prozessuale Spitzfindigkeiten" ankommt.
Beides entzieht sich meiner Kenntnis.
Ebenso mit "prozessualen Spitzfindigkeiten": Es steht dem Gesetzgeber ja frei, dem Verteidiger die prozessualen Möglichkeiten zu nehmen. Die meisten "prozessualen Spitzfindigkeiten" haben jedoch nicht den Zweck, den Richter zu nerven, sondern dienen einem rechtsstaatlichen Verfahren, mithin dem Schutz des Einzelnen vor einem allzu übergriffigen Staat. Da ist es richtig und wichtig, dass es Menschen gibt, die sich für die Einhaltung der Spielregeln einsetzen.
Ob ich es nun tun werde, überlege ich mir noch sehr gut. Insbesondere das oben genannte Urteil des JVA-Foltermords ist schon ziemlich harte Kost. Aber auch hier ist die Frage, ob man als Verteidiger
a) ständig solche extremen Fälle zu bearbeiten hat,
und
b) in einem solchen Prozess wirklich dauerhaft das Geschehen bis zum Erbrechen wiederkäut oder ob es hier nicht eher auf die Würdigung von Gutachten und "prozessuale Spitzfindigkeiten" ankommt.
Beides entzieht sich meiner Kenntnis.
11.10.2024, 16:41
Thema verfehlt.