23.06.2021, 16:15
(23.06.2021, 14:33)Gast456 schrieb: Jeder der sich etwas länger mit dem Berufseinstieg als Jurist auseinandergesetzt hat, stolpert ziemlich schnell über die Tatsache, dass es offensichtlich eine ziemlich arbeitsgeile Branche ist.
Und hierbei frage ich mich: weswegen wird die hohe Arbeitszeit von jedermann schlicht so hingenommen? Das Arbeitszeitgesetz regelt eigentlich sehr klar, was so erlaubt ist, welche Ausnahmen es gibt usw. Gerade erst hat die Wirtschaftswoche über Milbank und das neue Einstiegsgehalt von 160K berichtet, mit dem Hinweis es werden bis zu 70h die Woche verlangt. Im gleichen Artikel wird dann geschrieben, dass diese Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz von den Behörden weitestgehend ignoriert werden und wenn doch mal ein Bußgeld kommt, wird es gezahlt, geschwiegen und schlicht weiter so praktiziert.
Warum? Weswegen wird gegen diese bekannte Ausbeutung (junger) Anwälte nicht vorgegangen, ist es doch offensichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt? Ja weswegen schröpft der Staat selbst seine (Jung) Richter, die mit der bezahlten Arbeitszeit null hinkommen und Überstunden schieben müssen, um die jämmerliche Sparpolitik der letzten Jahrzehnte mit eigener Lebenszeit bezahlen zu müssen?
Und weswegen kommen mittelständische Kanzleien damit durch, nur marginal geringere Arbeitszeiten als GKs bei grotesk geringerer Entlohnung zu haben? Wer schreit denn bei 50K Bruttojahresgehalt „juhu“, wenn er nach jahrelanger Ausbildung mit 2 Staatsexamen 50+ Wochenarbeitsstunden leisten soll und mit einem „Ja Anwalt ist halt kein 9-5 Job“ abgespeist wird? Mit dem Wissen, dass man mehr als das doppelte bekommen könnte, wenn man einfach noch ein paar Stunden mehr macht?
Woher kommt es, dass man sich bei 60h die Woche noch stolz auf die Schulter klopft, denkt man habe ja was geleistet, ja förmlich mit dieser eher nicht erstrebenswerten „Leistung“ meint angeben zu müssen. Während die Familie einen nie zu Gesicht bekommt, man für Hobbies zu ausgelaugt ist und im Bürostuhl verfettet?
Wenn ich mir Familie, Freunde und Bekannte in anderen Branchen ansehe und wie die Bedingungen dort sind, dann muss ich sagen: ganz schön blöd, dass ich mir Jura ausgesucht habe.
Wenn ich meine Investmentbanker- und Unternehmensberater-Kollegen, die teilweise 80h/Wochen arbeiten, anschaue, fühl ich mich mit meinen 50h/Woche in der GK ganz wohl.

23.06.2021, 16:35
Man arbeitet auch nicht immer wirklich in der Zeit, sondern es ist eine Art Bereitschaftsdienst, weil man schräg angeschaut wird, wenn man früher geht, weil man mal ein paar Tage nichts zu tun hat. Dann tut man zwar geschäftig, scrollt aber stundenlang durch Nachrichtenportale, liest Emails und trinkt Kaffee, besonders im ÖD. Da kann man auch mehrere Kaffeepausen pro Tag machen ohne dass es auffällt.
Wie gesagt wer wenig arbeiten will: ÖD oder auch Unternehmen mit 37 Std./Woche.
Am besten AA, da kann man es gleich mit Urlaub verbinden.
Wie gesagt wer wenig arbeiten will: ÖD oder auch Unternehmen mit 37 Std./Woche.
Am besten AA, da kann man es gleich mit Urlaub verbinden.
23.06.2021, 17:52
Am geilsten ist in diesem Kontext immer die Floskel "wir sind aber ja Dienstleister...". Was für eine leere Phrase. Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft und trotzdem arbeiten die allermeisten Menschen nicht so absurd viel. :D
23.06.2021, 20:08
(23.06.2021, 15:45)Gast schrieb: Je nach Ausgestaltung kann man die meisten Anwälte als leitende Angestellte im Sinne von § 18 ArbZG qualifizieren. Häufig teilt man sich zusammen mit dem Partner eine Sekretärin, deren Einstellung man im Innenverhältnis alleine wahrnehmen darf, sowie ein Mitbestimmungsrecht bei den Neueinstellungen. Es gibt nicht umsonst die Gesprächsrunden mit den Bewerben. Darüberhinaus ist es durchaus denkbar, dass das BAG künftig Spitzenverdiener aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammern wird, wegen der mangelnden Schutzbedürfnisses und auch die zugrunde liegende Richtlinie lässt einen Spielraum zu.
Ich kann es ohnehin nicht nachvollziehen, warum man als Anwalt nicht 60h+ arbeiten dürfen sollte. Anders als bi schlecht qualifizierten AN besteht gerade keine vergleichbares Schutzbedürfnis, da man, wenn man kündigt, sofort wieder einen Job findet, anders als der 50 jährige ungelernte Lagermitarbeiter.
Nein, das kann man total vergessen... Selbst Leute mit echter Personalverantwortung sind nur selten leitende Angestellte. Der leitende Angestellte ist eine wirkliche Ausnahme und bei Großkanzlei Anwälten ist das eigentlich ausgeschlossen
23.06.2021, 20:10
(23.06.2021, 15:45)Gast schrieb: Je nach Ausgestaltung kann man die meisten Anwälte als leitende Angestellte im Sinne von § 18 ArbZG qualifizieren. Häufig teilt man sich zusammen mit dem Partner eine Sekretärin, deren Einstellung man im Innenverhältnis alleine wahrnehmen darf, sowie ein Mitbestimmungsrecht bei den Neueinstellungen. Es gibt nicht umsonst die Gesprächsrunden mit den Bewerben. Darüberhinaus ist es durchaus denkbar, dass das BAG künftig Spitzenverdiener aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammern wird, wegen der mangelnden Schutzbedürfnisses und auch die zugrunde liegende Richtlinie lässt einen Spielraum zu.
Ich kann es ohnehin nicht nachvollziehen, warum man als Anwalt nicht 60h+ arbeiten dürfen sollte. Anders als bi schlecht qualifizierten AN besteht gerade keine vergleichbares Schutzbedürfnis, da man, wenn man kündigt, sofort wieder einen Job findet, anders als der 50 jährige ungelernte Lagermitarbeiter.
Danke für die Erläuterung. Ist an den meisten hier wohl leider vorbeigegangen

Das Abreitszeitgesetz wird nicht eingehalten weil es für Associates schlicht nicht gilt.
In den kleinen FWW Kanzleien könnte man womöglich drüber streiten, da es dort oft 40 Stunden Verträge gibt
23.06.2021, 22:51
(23.06.2021, 20:10)BavarianLawyer schrieb:(23.06.2021, 15:45)Gast schrieb: Je nach Ausgestaltung kann man die meisten Anwälte als leitende Angestellte im Sinne von § 18 ArbZG qualifizieren. Häufig teilt man sich zusammen mit dem Partner eine Sekretärin, deren Einstellung man im Innenverhältnis alleine wahrnehmen darf, sowie ein Mitbestimmungsrecht bei den Neueinstellungen. Es gibt nicht umsonst die Gesprächsrunden mit den Bewerben. Darüberhinaus ist es durchaus denkbar, dass das BAG künftig Spitzenverdiener aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammern wird, wegen der mangelnden Schutzbedürfnisses und auch die zugrunde liegende Richtlinie lässt einen Spielraum zu.
Ich kann es ohnehin nicht nachvollziehen, warum man als Anwalt nicht 60h+ arbeiten dürfen sollte. Anders als bi schlecht qualifizierten AN besteht gerade keine vergleichbares Schutzbedürfnis, da man, wenn man kündigt, sofort wieder einen Job findet, anders als der 50 jährige ungelernte Lagermitarbeiter.
Danke für die Erläuterung. Ist an den meisten hier wohl leider vorbeigegangen![]()
Das Abreitszeitgesetz wird nicht eingehalten weil es für Associates schlicht nicht gilt.
In den kleinen FWW Kanzleien könnte man womöglich drüber streiten, da es dort oft 40 Stunden Verträge gibt
Warum die Gesundheit einer Person mit einem hohen Gehalt weniger schützenswert sein soll dürft ihr mir gerne noch mal erklären. Gerne mit Bezug zum Zweck der Arbeigszeitrichtlinie.

23.06.2021, 22:58
(23.06.2021, 22:51)Gast schrieb:(23.06.2021, 20:10)BavarianLawyer schrieb:(23.06.2021, 15:45)Gast schrieb: Je nach Ausgestaltung kann man die meisten Anwälte als leitende Angestellte im Sinne von § 18 ArbZG qualifizieren. Häufig teilt man sich zusammen mit dem Partner eine Sekretärin, deren Einstellung man im Innenverhältnis alleine wahrnehmen darf, sowie ein Mitbestimmungsrecht bei den Neueinstellungen. Es gibt nicht umsonst die Gesprächsrunden mit den Bewerben. Darüberhinaus ist es durchaus denkbar, dass das BAG künftig Spitzenverdiener aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammern wird, wegen der mangelnden Schutzbedürfnisses und auch die zugrunde liegende Richtlinie lässt einen Spielraum zu.
Ich kann es ohnehin nicht nachvollziehen, warum man als Anwalt nicht 60h+ arbeiten dürfen sollte. Anders als bi schlecht qualifizierten AN besteht gerade keine vergleichbares Schutzbedürfnis, da man, wenn man kündigt, sofort wieder einen Job findet, anders als der 50 jährige ungelernte Lagermitarbeiter.
Danke für die Erläuterung. Ist an den meisten hier wohl leider vorbeigegangen![]()
Das Abreitszeitgesetz wird nicht eingehalten weil es für Associates schlicht nicht gilt.
In den kleinen FWW Kanzleien könnte man womöglich drüber streiten, da es dort oft 40 Stunden Verträge gibt
Warum die Gesundheit einer Person mit einem hohen Gehalt weniger schützenswert sein soll dürft ihr mir gerne noch mal erklären. Gerne mit Bezug zum Zweck der Arbeigszeitrichtlinie.
Wie seriös der Beitrag und die Ansicht ist, siehst du daran, dass sie alle Associates für leitende Angestellte halten.
23.06.2021, 23:30
(23.06.2021, 22:58)HerrKules schrieb:(23.06.2021, 22:51)Gast schrieb:(23.06.2021, 20:10)BavarianLawyer schrieb:(23.06.2021, 15:45)Gast schrieb: Je nach Ausgestaltung kann man die meisten Anwälte als leitende Angestellte im Sinne von § 18 ArbZG qualifizieren. Häufig teilt man sich zusammen mit dem Partner eine Sekretärin, deren Einstellung man im Innenverhältnis alleine wahrnehmen darf, sowie ein Mitbestimmungsrecht bei den Neueinstellungen. Es gibt nicht umsonst die Gesprächsrunden mit den Bewerben. Darüberhinaus ist es durchaus denkbar, dass das BAG künftig Spitzenverdiener aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammern wird, wegen der mangelnden Schutzbedürfnisses und auch die zugrunde liegende Richtlinie lässt einen Spielraum zu.
Ich kann es ohnehin nicht nachvollziehen, warum man als Anwalt nicht 60h+ arbeiten dürfen sollte. Anders als bi schlecht qualifizierten AN besteht gerade keine vergleichbares Schutzbedürfnis, da man, wenn man kündigt, sofort wieder einen Job findet, anders als der 50 jährige ungelernte Lagermitarbeiter.
Danke für die Erläuterung. Ist an den meisten hier wohl leider vorbeigegangen![]()
Das Abreitszeitgesetz wird nicht eingehalten weil es für Associates schlicht nicht gilt.
In den kleinen FWW Kanzleien könnte man womöglich drüber streiten, da es dort oft 40 Stunden Verträge gibt
Warum die Gesundheit einer Person mit einem hohen Gehalt weniger schützenswert sein soll dürft ihr mir gerne noch mal erklären. Gerne mit Bezug zum Zweck der Arbeigszeitrichtlinie.
Wie seriös der Beitrag und die Ansicht ist, siehst du daran, dass sie alle Associates für leitende Angestellte halten.
Es geht nicht unbedingt um den Status als leitender Angestellter.
Es geht um die Herausgehobenheit der Tätigkeit, die sich u.a. auch auf das Gehalt stützt. Diese ist bei der Überstundenvergütung ein Argument dafür, dass Überstunden nicht gesondert bezahlt werden.
Spinnt man den Gedanken weiter, ist es nur folgerichtig, dass bei deutlich herausgehobenen Vergütungen ähnlich wie bei leitenden Angestellten auch das Abreitszeitgesetz nicht uneingeschränkt gelten kann.
Nach Einschätzung des BAG liegt eine solche „deutlich herausgehobene Vergütung“ immer dann vor, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers die Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung übersteigt.
Also quasi bei jedem Associate, aber eben nicht bei den FWW Anwälten. Die könnten ja auch ihre Überstunden Vergütung einklagen
23.06.2021, 23:33
(23.06.2021, 22:51)Gast schrieb:(23.06.2021, 20:10)BavarianLawyer schrieb:(23.06.2021, 15:45)Gast schrieb: Je nach Ausgestaltung kann man die meisten Anwälte als leitende Angestellte im Sinne von § 18 ArbZG qualifizieren. Häufig teilt man sich zusammen mit dem Partner eine Sekretärin, deren Einstellung man im Innenverhältnis alleine wahrnehmen darf, sowie ein Mitbestimmungsrecht bei den Neueinstellungen. Es gibt nicht umsonst die Gesprächsrunden mit den Bewerben. Darüberhinaus ist es durchaus denkbar, dass das BAG künftig Spitzenverdiener aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammern wird, wegen der mangelnden Schutzbedürfnisses und auch die zugrunde liegende Richtlinie lässt einen Spielraum zu.
Ich kann es ohnehin nicht nachvollziehen, warum man als Anwalt nicht 60h+ arbeiten dürfen sollte. Anders als bi schlecht qualifizierten AN besteht gerade keine vergleichbares Schutzbedürfnis, da man, wenn man kündigt, sofort wieder einen Job findet, anders als der 50 jährige ungelernte Lagermitarbeiter.
Danke für die Erläuterung. Ist an den meisten hier wohl leider vorbeigegangen![]()
Das Abreitszeitgesetz wird nicht eingehalten weil es für Associates schlicht nicht gilt.
In den kleinen FWW Kanzleien könnte man womöglich drüber streiten, da es dort oft 40 Stunden Verträge gibt
Warum die Gesundheit einer Person mit einem hohen Gehalt weniger schützenswert sein soll dürft ihr mir gerne noch mal erklären. Gerne mit Bezug zum Zweck der Arbeigszeitrichtlinie.
Wieso sollte die Gesundheit einer Person in einer Führungsposition weniger schützenswerte sein. Gerne auch mit dem btdrs argumentieren ?.
Spoiler: nennt sich gesetzgeberische Entscheidung, dass es Leistungsträger in der Gesellschaft geben muss, die eigenverantwortlich entscheiden, wie viel sie arbeiten wollen und auch können.
24.06.2021, 00:12
Überzeugt mich nicht. Selbst wenn man GK Associates ALLE als solche Leistungsträger sehen will, die mehr arbeiten sollen dürfen, so heißt das noch lange nicht, dass das alle wollen. „Dann geh halt nicht in eine GK“ ist da dann auch nur ein schwaches Argument. Gerade Leute, die große Unternehmen als Mandanten spannend finden oder Auslandsbezug wünschen, haben da nun mal die besten Karten. Die pauschal auszugrenzen, weil sie noch ein Privatleben haben, ist ein Armutszeugnis. Zudem brauchen diese Läden ja auch immer wieder genug Personal, attraktivere Bedingungen außerhalb vom Gehalt wären nicht verkehrt.
Und ganz besonders ist das bei MKs der Fall. Die zahlen bedeutend weniger als GKs, wollen aber trotzdem regelmäßig 50+ Stunden pro Woche sehen. Wie wird das gerechtfertigt? Das Argument „Ist halt Anwalt/ist halt Dienstleister“ ist wie ich finde ein Witz. Mehr kommt nicht und es allein mit Deadlines und Fristen zu begründen ist auch mager.
Mich überzeugt es auch überhaupt nicht dann auf Unternehmen oder gar Behörden zu verweisen. Die Tätigkeit als Legal Counsel ist schlicht keine wirkliche Anwaltstätigkeit. Und Behörden sind Staat, ergo nicht verhandelbares Fixgehalt, keine Boni, Behördensumpf usw.
Also unterm Strich soll es wohl ein Automatismus „Anwalt gleich viele Stunden“ sein. Unter diesem Stern hat die Anwaltschaft spätestens mit der Generation Z ein Problem.
Und ganz besonders ist das bei MKs der Fall. Die zahlen bedeutend weniger als GKs, wollen aber trotzdem regelmäßig 50+ Stunden pro Woche sehen. Wie wird das gerechtfertigt? Das Argument „Ist halt Anwalt/ist halt Dienstleister“ ist wie ich finde ein Witz. Mehr kommt nicht und es allein mit Deadlines und Fristen zu begründen ist auch mager.
Mich überzeugt es auch überhaupt nicht dann auf Unternehmen oder gar Behörden zu verweisen. Die Tätigkeit als Legal Counsel ist schlicht keine wirkliche Anwaltstätigkeit. Und Behörden sind Staat, ergo nicht verhandelbares Fixgehalt, keine Boni, Behördensumpf usw.
Also unterm Strich soll es wohl ein Automatismus „Anwalt gleich viele Stunden“ sein. Unter diesem Stern hat die Anwaltschaft spätestens mit der Generation Z ein Problem.