18.03.2023, 12:25
Aus gegebenem Anlass ( ) etwas verspätet, aber für die nachfolgenden Generationen:
NRW V2 (Anwaltsklausur):
Mandant (M) ist PHK bei der Polizei Bielefeld. Es ist seit mittlerweile über einem Jahr krankgeschrieben. Er hat stetig neue, teils monatelang geltende Krankschreibungen eingereicht. Diese weisen zwar keine Diagnosen aus, aber stammen ersichtlich von verschiedensten medizinischen Disziplinen (u.a. drei Monate krank geschrieben aus der Neurologie/Psychiatrie). Eine zeitliche Genesungsprognose ist nicht möglich. Das PP Bielefeld fordert den M zunächst auf, seine Diagnosen mitzuteilen. Hintergrund ist eine geplante amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienst(un-)fähigkeit des M. Durch die Kenntnis der Diagnosen sollen die Untersuchungen besser eingegrenzt werden. M weigert sich, die Diagnosen zu nennen. In der Folge fordert ihn das PP Bielefeld schriftlich zur Untersuchung auf. Gestützt wird das Ganze auf § 26 I 1 BeamtStG und § 33 LBG. Insbesondere soll eine tiefgreifende psychiatrische Untersuchung stattfinden. Konkrete Gründe (Krankheitsbilder etc.) für die Untersuchungen werden nicht genannt. Das Schreiben hat darüber hinaus zwei Auffälligkeiten:
Zum einen ist bei der Angabe der Bereiche, in denen Untersuchungen stattfinden mittels Check-Boxen gestaltet. Bei der Psychiatrie ist die Box mit einem "X" markiert. Für drei andere Fachbereiche sind die Kästchen grau gefärbt ohne "X" und ein weiteres Kästchen mit ausfüllbarer Freizeile ist weiß gefärbt ohne "X".
Bei der Angabe der möglichen Nachuntersuchungen (auch Boxen) ist "körperliche Untersuchung" mit einem "X" auf weißer Färbung markiert. Blut-/Urinuntersuchung sind nur weiß ohne "X". Im Text danach steht, dass Blut-/Urinuntersuchung möglicherweise stattfinden können, eine körperliche Untersuchung ist nicht genannt.
M fragt nach der Möglichkeit und den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Er möchte zwar am liebsten eine Untersuchung vermeiden, insbesondere die psychiatrische, fragt aber auch, ob es (rechtlich) sinnvoll ist, die Untersuchung hinzunehmen. Er fragt, was in diesem Fall mit dem Gerichtsverfahren passiere. Da die Untersuchung in wenigen Tagen ist, bittet er um schnelle Lösung.
Als Vermerk abgedruckt waren Auszüge von drei Gerichtsentscheidungen:
1.: Eine Untersuchungsanordnung erfordert die Nennung der Gründe (insb. Diagnosen).
2.: Wenn die Untersuchungsanordnung auf Krankschreibungen beruht und eine Genesung in 6 Monaten nicht absehbar ist, gelten die entwickelten Grundsätze zu 26 I 1 BeamtStG nicht, da ohne Diagnosenkenntnis keine Gründe genannt werden können.
3.: Eine Weigerung des Beamten zur Untersuchung erlaubt negative Schlüsse über die Dienstfähigkeit. Dies gilt auch, wenn der Beamte seine Weigerung auf eine vermutete Rechtswidrigkeit der Anordnung stützt. Auch bei nachträglich festgestellter Rechtswidrigkeit sind die Untersuchungsergebnisse verwertbar.
Meine Lösung (dieses Mal wirklich ein einziges Rumgebastel):
A. Zul.:
I. RW über 54 I BeamtStG
II. Klageart: Problem, ob Aufforderung ein VA ist (Schwerpunkt). Ich habe die Außenwirkung umfassend diskutiert. Im Kommentar zu 35 VwVfG stand, dass Außenwirkung vorliegt, wenn eine Weigerung Sanktionierungen zur Folge haben kann. Im Ergebnis habe ich den VA darum bejaht und eine Anfechtungsklage zugrunde gelegt.
II. 42 II: Adressatentheorie
IV. Vorverfahren entbehrlich (in NRW gem 103 LBG)
V. Frist möglich, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung gegeben wurde und Frist so auf ein Jahr verlängert
Rest der Zul. war problemlos
B. Begr.:
I. EGL wie im Schreiben angegeben
II. Formell:
1. Zuständigkeit (+) laut Vermerk
2. Anhörung durch erstes Schreiben (+)
3. Begründung (Schwerpunkt):
- grds. nötig, konkretisiert durch Rspr. Nr. 1 (also Angabe konkreter Diagnosen etc.), hier aber Fall der Rspr. Nr. 2, darum konkrete Diagnosen nicht zu nennen. Im Ergebnis darum Begründung (+)
III. Materiell:
1. Bestimmtheit (Schwerpunkt)
- müssen angesichts der Rspr. Nr. 1/2 Art und Umfang der Untersuchungen bestimmt werden? Ja, weil andere Entscheidungsgrundlage (Diagnosen nicht zwingend nötig, weil Fachrichtungen der Krankschreibungen erkennbar sind, was für grobe Einschätzung genügt).
- erste Check-Boxen unklar, weil durch weiße/graue Färbungen und "X" drei Markierungsarten bei zwei Aussagen (ja oder nein) vorliegen.
- zweite Check-Boxen und Text widersprüchlich
- iE Bestimmtheit (-), Folge: materiell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Heilung nachnachträglich möglich (Kommentar)
2. Tatbestand (Beamter, Zweifel an Dienstfähigkeit) unproblematisch
3. Ermessen (Vhmk.) iE (+), weil Länge, Vielfalt usw. der Krankschreibungen eine Untersuchung sehr nahe legen. Dazu Anforderungen an Polizei, öffentliches Interesse an Einsatzfähigkeit
Ergebnis: Klage begründet, gestützt auf Bestimmtheit.
Zweckmäßigkeit:
- Eilrechtschutz (80 V) nicht nötig, weil Klage aufschiebende Wirkung hat (80 I, kein Fall des 54 IV BeamtStG)
- Klageentwurf fertigen, M vorlegen und bei Absegnung sofort einreichen
- Hinweis, dass Heilung relativ leicht möglich ist und Klage unbegründet werden kann (Kostenrisiko)
- Untersuchung sollte er machen lassen, weil Weigerung negativ ausgelegt wird, und Erscheinen jedenfalls Möglichkeit eines positiven Ergebnisses bietet (etwas Argumentation, fand aber dass der SV angesichts der Krankengeschichte eine Untersuchung sinnvoll erscheinen ließ)
- Bei Untersuchung tritt Erledigung ein, Klage kann aber zu FFK umgestellt werden (gestützt auf Wiederholungsgefahr und Grundrechtseingriff)
Praktischer Teil war dann, auch wenn eine Klage bei meiner Lösung im echten Leben wahrscheinlich unklug wäre, der Bearbeitervermerk es aber so wollte, eine Klageschrift zum VG Minden.
Einschätzung: Wie ich der bisherigen Diskussion hier entnehme, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Eigentlich mag ich ÖR in Klausuren ganz gerne, weil man sich an einer bekannten Struktur orientieren und diese dann mit Argumenten auffüllen kann. Diese beiden Klausuren aber waren gefühlt nur ein Haufen an Informationen, die man irgendwie in eine Form pressen musste. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, zu keinem Zeitpunkt zu wissen, ob das, was ich gerade mache, überhaupt im Ansatz sinnvoll ist. Vielleicht bleiben die nächsten Durchgänge ja von den Resten des Beamtenrechts verschont.
Jetzt haben wir es jedenfalls hinter uns. Glückwunsch an alle, die es überstanden haben. Wünsche erholsame nächste Wochen!
NRW V2 (Anwaltsklausur):
Mandant (M) ist PHK bei der Polizei Bielefeld. Es ist seit mittlerweile über einem Jahr krankgeschrieben. Er hat stetig neue, teils monatelang geltende Krankschreibungen eingereicht. Diese weisen zwar keine Diagnosen aus, aber stammen ersichtlich von verschiedensten medizinischen Disziplinen (u.a. drei Monate krank geschrieben aus der Neurologie/Psychiatrie). Eine zeitliche Genesungsprognose ist nicht möglich. Das PP Bielefeld fordert den M zunächst auf, seine Diagnosen mitzuteilen. Hintergrund ist eine geplante amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienst(un-)fähigkeit des M. Durch die Kenntnis der Diagnosen sollen die Untersuchungen besser eingegrenzt werden. M weigert sich, die Diagnosen zu nennen. In der Folge fordert ihn das PP Bielefeld schriftlich zur Untersuchung auf. Gestützt wird das Ganze auf § 26 I 1 BeamtStG und § 33 LBG. Insbesondere soll eine tiefgreifende psychiatrische Untersuchung stattfinden. Konkrete Gründe (Krankheitsbilder etc.) für die Untersuchungen werden nicht genannt. Das Schreiben hat darüber hinaus zwei Auffälligkeiten:
Zum einen ist bei der Angabe der Bereiche, in denen Untersuchungen stattfinden mittels Check-Boxen gestaltet. Bei der Psychiatrie ist die Box mit einem "X" markiert. Für drei andere Fachbereiche sind die Kästchen grau gefärbt ohne "X" und ein weiteres Kästchen mit ausfüllbarer Freizeile ist weiß gefärbt ohne "X".
Bei der Angabe der möglichen Nachuntersuchungen (auch Boxen) ist "körperliche Untersuchung" mit einem "X" auf weißer Färbung markiert. Blut-/Urinuntersuchung sind nur weiß ohne "X". Im Text danach steht, dass Blut-/Urinuntersuchung möglicherweise stattfinden können, eine körperliche Untersuchung ist nicht genannt.
M fragt nach der Möglichkeit und den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Er möchte zwar am liebsten eine Untersuchung vermeiden, insbesondere die psychiatrische, fragt aber auch, ob es (rechtlich) sinnvoll ist, die Untersuchung hinzunehmen. Er fragt, was in diesem Fall mit dem Gerichtsverfahren passiere. Da die Untersuchung in wenigen Tagen ist, bittet er um schnelle Lösung.
Als Vermerk abgedruckt waren Auszüge von drei Gerichtsentscheidungen:
1.: Eine Untersuchungsanordnung erfordert die Nennung der Gründe (insb. Diagnosen).
2.: Wenn die Untersuchungsanordnung auf Krankschreibungen beruht und eine Genesung in 6 Monaten nicht absehbar ist, gelten die entwickelten Grundsätze zu 26 I 1 BeamtStG nicht, da ohne Diagnosenkenntnis keine Gründe genannt werden können.
3.: Eine Weigerung des Beamten zur Untersuchung erlaubt negative Schlüsse über die Dienstfähigkeit. Dies gilt auch, wenn der Beamte seine Weigerung auf eine vermutete Rechtswidrigkeit der Anordnung stützt. Auch bei nachträglich festgestellter Rechtswidrigkeit sind die Untersuchungsergebnisse verwertbar.
Meine Lösung (dieses Mal wirklich ein einziges Rumgebastel):
A. Zul.:
I. RW über 54 I BeamtStG
II. Klageart: Problem, ob Aufforderung ein VA ist (Schwerpunkt). Ich habe die Außenwirkung umfassend diskutiert. Im Kommentar zu 35 VwVfG stand, dass Außenwirkung vorliegt, wenn eine Weigerung Sanktionierungen zur Folge haben kann. Im Ergebnis habe ich den VA darum bejaht und eine Anfechtungsklage zugrunde gelegt.
II. 42 II: Adressatentheorie
IV. Vorverfahren entbehrlich (in NRW gem 103 LBG)
V. Frist möglich, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung gegeben wurde und Frist so auf ein Jahr verlängert
Rest der Zul. war problemlos
B. Begr.:
I. EGL wie im Schreiben angegeben
II. Formell:
1. Zuständigkeit (+) laut Vermerk
2. Anhörung durch erstes Schreiben (+)
3. Begründung (Schwerpunkt):
- grds. nötig, konkretisiert durch Rspr. Nr. 1 (also Angabe konkreter Diagnosen etc.), hier aber Fall der Rspr. Nr. 2, darum konkrete Diagnosen nicht zu nennen. Im Ergebnis darum Begründung (+)
III. Materiell:
1. Bestimmtheit (Schwerpunkt)
- müssen angesichts der Rspr. Nr. 1/2 Art und Umfang der Untersuchungen bestimmt werden? Ja, weil andere Entscheidungsgrundlage (Diagnosen nicht zwingend nötig, weil Fachrichtungen der Krankschreibungen erkennbar sind, was für grobe Einschätzung genügt).
- erste Check-Boxen unklar, weil durch weiße/graue Färbungen und "X" drei Markierungsarten bei zwei Aussagen (ja oder nein) vorliegen.
- zweite Check-Boxen und Text widersprüchlich
- iE Bestimmtheit (-), Folge: materiell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Heilung nachnachträglich möglich (Kommentar)
2. Tatbestand (Beamter, Zweifel an Dienstfähigkeit) unproblematisch
3. Ermessen (Vhmk.) iE (+), weil Länge, Vielfalt usw. der Krankschreibungen eine Untersuchung sehr nahe legen. Dazu Anforderungen an Polizei, öffentliches Interesse an Einsatzfähigkeit
Ergebnis: Klage begründet, gestützt auf Bestimmtheit.
Zweckmäßigkeit:
- Eilrechtschutz (80 V) nicht nötig, weil Klage aufschiebende Wirkung hat (80 I, kein Fall des 54 IV BeamtStG)
- Klageentwurf fertigen, M vorlegen und bei Absegnung sofort einreichen
- Hinweis, dass Heilung relativ leicht möglich ist und Klage unbegründet werden kann (Kostenrisiko)
- Untersuchung sollte er machen lassen, weil Weigerung negativ ausgelegt wird, und Erscheinen jedenfalls Möglichkeit eines positiven Ergebnisses bietet (etwas Argumentation, fand aber dass der SV angesichts der Krankengeschichte eine Untersuchung sinnvoll erscheinen ließ)
- Bei Untersuchung tritt Erledigung ein, Klage kann aber zu FFK umgestellt werden (gestützt auf Wiederholungsgefahr und Grundrechtseingriff)
Praktischer Teil war dann, auch wenn eine Klage bei meiner Lösung im echten Leben wahrscheinlich unklug wäre, der Bearbeitervermerk es aber so wollte, eine Klageschrift zum VG Minden.
Einschätzung: Wie ich der bisherigen Diskussion hier entnehme, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Eigentlich mag ich ÖR in Klausuren ganz gerne, weil man sich an einer bekannten Struktur orientieren und diese dann mit Argumenten auffüllen kann. Diese beiden Klausuren aber waren gefühlt nur ein Haufen an Informationen, die man irgendwie in eine Form pressen musste. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, zu keinem Zeitpunkt zu wissen, ob das, was ich gerade mache, überhaupt im Ansatz sinnvoll ist. Vielleicht bleiben die nächsten Durchgänge ja von den Resten des Beamtenrechts verschont.
Jetzt haben wir es jedenfalls hinter uns. Glückwunsch an alle, die es überstanden haben. Wünsche erholsame nächste Wochen!
18.03.2023, 13:02
(18.03.2023, 12:09)johnny-i30 schrieb:(18.03.2023, 11:59)Gast123321 schrieb: Hessen-Bundesbeamter:aber es fehlte doch die rechtsbehelfsbelehrung, zumindest in berlin.
Habe § 126 I BBG für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs für das Eilverfahren nach § 123 genommen.
Habe dann im Anschluss an die Prüfung des Eilverfahrens gesagt, dass wegen § 126 II BBG ein Widerspruch zu erheben sei, bevor in der Hauptsache Klage erhoben werden kann (wovon ich einfach ausgegangen bin, dass das später zu tun ist) und habe natürlich nicht bemerkt, dass der Widerspruch eigentlich schon verfristet wäre (wie hier jemand, wie ich denke richtigerweise, angemerkt hat).
Würde der antrag nach 123 dann nicht unzulässig sein, weil Klage unzulässig ist (wenn man widerspruch als verfristet ansieht)?
Hatte auch keinen VA angenommen, weil im Kopp/ Schenke an einigen Stellen genau dieser Fall beschrieben war und dass die Rechtsprechung hier keinen VA annimmt - daher hatte ich auch kein Problem mit der Rechtsbehelfsbelehrung. Den K/R haben wir in Hessen ja gar nicht, finde ich ziemlich fies, wenn die Aufforderung dort als VA eingeordnet wird ohne Hinweis auf die Rspr.?!
Wie gesagt, hab ich nicht bemerkt, dass ein WS verfristet wäre.
Aber ich habe die nicht-evidente Verfristung eines WS bislang auch nur als zwingende VSS für Anträge nach 80 V, 80 a kennengelernt.
Hab in der Zulässigkeit vom 123 nach der Diskussion um 44a im RSB dazu aber noch gesagt, dass das RSB hier jedenfalls nicht daran scheitert, dass die Behörde noch nicht kontaktiert wurde (WS eingelegt wurde), weil die in ihrer Meinung ohnehin festgefahren seien und daher keine Erfolgsaussichten bestünden oder so ähnlich, hab dazu auch eine Passage aus dem K/S abgeschrieben, die aber natürlich auf einen „vorherigen Antrag an die Behörde“ gemünzt war. Ich hab auch nur versucht mich irgendwie durchzuwurschteln um zur Begründetheit des Antrags zu kommen. Zumindest würde ja auch noch die Chance bestehen, dass die Behörde als „Herrin des Vorverfahrens“ trotz der Verfristung in der Sache über den WS entscheidet, und man so darüber hinwegkommen könnte, oder
18.03.2023, 14:08
(18.03.2023, 12:25)ref12345 schrieb: Aus gegebenem Anlass ( ) etwas verspätet, aber für die nachfolgenden Generationen:
NRW V2 (Anwaltsklausur):
Mandant (M) ist PHK bei der Polizei Bielefeld. Es ist seit mittlerweile über einem Jahr krankgeschrieben. Er hat stetig neue, teils monatelang geltende Krankschreibungen eingereicht. Diese weisen zwar keine Diagnosen aus, aber stammen ersichtlich von verschiedensten medizinischen Disziplinen (u.a. drei Monate krank geschrieben aus der Neurologie/Psychiatrie). Eine zeitliche Genesungsprognose ist nicht möglich. Das PP Bielefeld fordert den M zunächst auf, seine Diagnosen mitzuteilen. Hintergrund ist eine geplante amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienst(un-)fähigkeit des M. Durch die Kenntnis der Diagnosen sollen die Untersuchungen besser eingegrenzt werden. M weigert sich, die Diagnosen zu nennen. In der Folge fordert ihn das PP Bielefeld schriftlich zur Untersuchung auf. Gestützt wird das Ganze auf § 26 I 1 BeamtStG und § 33 LBG. Insbesondere soll eine tiefgreifende psychiatrische Untersuchung stattfinden. Konkrete Gründe (Krankheitsbilder etc.) für die Untersuchungen werden nicht genannt. Das Schreiben hat darüber hinaus zwei Auffälligkeiten:
Zum einen ist bei der Angabe der Bereiche, in denen Untersuchungen stattfinden mittels Check-Boxen gestaltet. Bei der Psychiatrie ist die Box mit einem "X" markiert. Für drei andere Fachbereiche sind die Kästchen grau gefärbt ohne "X" und ein weiteres Kästchen mit ausfüllbarer Freizeile ist weiß gefärbt ohne "X".
Bei der Angabe der möglichen Nachuntersuchungen (auch Boxen) ist "körperliche Untersuchung" mit einem "X" auf weißer Färbung markiert. Blut-/Urinuntersuchung sind nur weiß ohne "X". Im Text danach steht, dass Blut-/Urinuntersuchung möglicherweise stattfinden können, eine körperliche Untersuchung ist nicht genannt.
M fragt nach der Möglichkeit und den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Er möchte zwar am liebsten eine Untersuchung vermeiden, insbesondere die psychiatrische, fragt aber auch, ob es (rechtlich) sinnvoll ist, die Untersuchung hinzunehmen. Er fragt, was in diesem Fall mit dem Gerichtsverfahren passiere. Da die Untersuchung in wenigen Tagen ist, bittet er um schnelle Lösung.
Als Vermerk abgedruckt waren Auszüge von drei Gerichtsentscheidungen:
1.: Eine Untersuchungsanordnung erfordert die Nennung der Gründe (insb. Diagnosen).
2.: Wenn die Untersuchungsanordnung auf Krankschreibungen beruht und eine Genesung in 6 Monaten nicht absehbar ist, gelten die entwickelten Grundsätze zu 26 I 1 BeamtStG nicht, da ohne Diagnosenkenntnis keine Gründe genannt werden können.
3.: Eine Weigerung des Beamten zur Untersuchung erlaubt negative Schlüsse über die Dienstfähigkeit. Dies gilt auch, wenn der Beamte seine Weigerung auf eine vermutete Rechtswidrigkeit der Anordnung stützt. Auch bei nachträglich festgestellter Rechtswidrigkeit sind die Untersuchungsergebnisse verwertbar.
Meine Lösung (dieses Mal wirklich ein einziges Rumgebastel):
A. Zul.:
I. RW über 54 I BeamtStG
II. Klageart: Problem, ob Aufforderung ein VA ist (Schwerpunkt). Ich habe die Außenwirkung umfassend diskutiert. Im Kommentar zu 35 VwVfG stand, dass Außenwirkung vorliegt, wenn eine Weigerung Sanktionierungen zur Folge haben kann. Im Ergebnis habe ich den VA darum bejaht und eine Anfechtungsklage zugrunde gelegt.
II. 42 II: Adressatentheorie
IV. Vorverfahren entbehrlich (in NRW gem 103 LBG)
V. Frist möglich, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung gegeben wurde und Frist so auf ein Jahr verlängert
Rest der Zul. war problemlos
B. Begr.:
I. EGL wie im Schreiben angegeben
II. Formell:
1. Zuständigkeit (+) laut Vermerk
2. Anhörung durch erstes Schreiben (+)
3. Begründung (Schwerpunkt):
- grds. nötig, konkretisiert durch Rspr. Nr. 1 (also Angabe konkreter Diagnosen etc.), hier aber Fall der Rspr. Nr. 2, darum konkrete Diagnosen nicht zu nennen. Im Ergebnis darum Begründung (+)
III. Materiell:
1. Bestimmtheit (Schwerpunkt)
- müssen angesichts der Rspr. Nr. 1/2 Art und Umfang der Untersuchungen bestimmt werden? Ja, weil andere Entscheidungsgrundlage (Diagnosen nicht zwingend nötig, weil Fachrichtungen der Krankschreibungen erkennbar sind, was für grobe Einschätzung genügt).
- erste Check-Boxen unklar, weil durch weiße/graue Färbungen und "X" drei Markierungsarten bei zwei Aussagen (ja oder nein) vorliegen.
- zweite Check-Boxen und Text widersprüchlich
- iE Bestimmtheit (-), Folge: materiell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Heilung nachnachträglich möglich (Kommentar)
2. Tatbestand (Beamter, Zweifel an Dienstfähigkeit) unproblematisch
3. Ermessen (Vhmk.) iE (+), weil Länge, Vielfalt usw. der Krankschreibungen eine Untersuchung sehr nahe legen. Dazu Anforderungen an Polizei, öffentliches Interesse an Einsatzfähigkeit
Ergebnis: Klage begründet, gestützt auf Bestimmtheit.
Zweckmäßigkeit:
- Eilrechtschutz (80 V) nicht nötig, weil Klage aufschiebende Wirkung hat (80 I, kein Fall des 54 IV BeamtStG)
- Klageentwurf fertigen, M vorlegen und bei Absegnung sofort einreichen
- Hinweis, dass Heilung relativ leicht möglich ist und Klage unbegründet werden kann (Kostenrisiko)
- Untersuchung sollte er machen lassen, weil Weigerung negativ ausgelegt wird, und Erscheinen jedenfalls Möglichkeit eines positiven Ergebnisses bietet (etwas Argumentation, fand aber dass der SV angesichts der Krankengeschichte eine Untersuchung sinnvoll erscheinen ließ)
- Bei Untersuchung tritt Erledigung ein, Klage kann aber zu FFK umgestellt werden (gestützt auf Wiederholungsgefahr und Grundrechtseingriff)
Praktischer Teil war dann, auch wenn eine Klage bei meiner Lösung im echten Leben wahrscheinlich unklug wäre, der Bearbeitervermerk es aber so wollte, eine Klageschrift zum VG Minden.
Einschätzung: Wie ich der bisherigen Diskussion hier entnehme, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Eigentlich mag ich ÖR in Klausuren ganz gerne, weil man sich an einer bekannten Struktur orientieren und diese dann mit Argumenten auffüllen kann. Diese beiden Klausuren aber waren gefühlt nur ein Haufen an Informationen, die man irgendwie in eine Form pressen musste. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, zu keinem Zeitpunkt zu wissen, ob das, was ich gerade mache, überhaupt im Ansatz sinnvoll ist. Vielleicht bleiben die nächsten Durchgänge ja von den Resten des Beamtenrechts verschont.
Jetzt haben wir es jedenfalls hinter uns. Glückwunsch an alle, die es überstanden haben. Wünsche erholsame nächste Wochen!
Hattet ihr in NRW keinen zweiten Teil (Mandantin Ina Müller)
18.03.2023, 14:14
(18.03.2023, 12:25)ref12345 schrieb: Aus gegebenem Anlass ( ) etwas verspätet, aber für die nachfolgenden Generationen:
NRW V2 (Anwaltsklausur):
Mandant (M) ist PHK bei der Polizei Bielefeld. Es ist seit mittlerweile über einem Jahr krankgeschrieben. Er hat stetig neue, teils monatelang geltende Krankschreibungen eingereicht. Diese weisen zwar keine Diagnosen aus, aber stammen ersichtlich von verschiedensten medizinischen Disziplinen (u.a. drei Monate krank geschrieben aus der Neurologie/Psychiatrie). Eine zeitliche Genesungsprognose ist nicht möglich. Das PP Bielefeld fordert den M zunächst auf, seine Diagnosen mitzuteilen. Hintergrund ist eine geplante amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienst(un-)fähigkeit des M. Durch die Kenntnis der Diagnosen sollen die Untersuchungen besser eingegrenzt werden. M weigert sich, die Diagnosen zu nennen. In der Folge fordert ihn das PP Bielefeld schriftlich zur Untersuchung auf. Gestützt wird das Ganze auf § 26 I 1 BeamtStG und § 33 LBG. Insbesondere soll eine tiefgreifende psychiatrische Untersuchung stattfinden. Konkrete Gründe (Krankheitsbilder etc.) für die Untersuchungen werden nicht genannt. Das Schreiben hat darüber hinaus zwei Auffälligkeiten:
Zum einen ist bei der Angabe der Bereiche, in denen Untersuchungen stattfinden mittels Check-Boxen gestaltet. Bei der Psychiatrie ist die Box mit einem "X" markiert. Für drei andere Fachbereiche sind die Kästchen grau gefärbt ohne "X" und ein weiteres Kästchen mit ausfüllbarer Freizeile ist weiß gefärbt ohne "X".
Bei der Angabe der möglichen Nachuntersuchungen (auch Boxen) ist "körperliche Untersuchung" mit einem "X" auf weißer Färbung markiert. Blut-/Urinuntersuchung sind nur weiß ohne "X". Im Text danach steht, dass Blut-/Urinuntersuchung möglicherweise stattfinden können, eine körperliche Untersuchung ist nicht genannt.
M fragt nach der Möglichkeit und den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Er möchte zwar am liebsten eine Untersuchung vermeiden, insbesondere die psychiatrische, fragt aber auch, ob es (rechtlich) sinnvoll ist, die Untersuchung hinzunehmen. Er fragt, was in diesem Fall mit dem Gerichtsverfahren passiere. Da die Untersuchung in wenigen Tagen ist, bittet er um schnelle Lösung.
Als Vermerk abgedruckt waren Auszüge von drei Gerichtsentscheidungen:
1.: Eine Untersuchungsanordnung erfordert die Nennung der Gründe (insb. Diagnosen).
2.: Wenn die Untersuchungsanordnung auf Krankschreibungen beruht und eine Genesung in 6 Monaten nicht absehbar ist, gelten die entwickelten Grundsätze zu 26 I 1 BeamtStG nicht, da ohne Diagnosenkenntnis keine Gründe genannt werden können.
3.: Eine Weigerung des Beamten zur Untersuchung erlaubt negative Schlüsse über die Dienstfähigkeit. Dies gilt auch, wenn der Beamte seine Weigerung auf eine vermutete Rechtswidrigkeit der Anordnung stützt. Auch bei nachträglich festgestellter Rechtswidrigkeit sind die Untersuchungsergebnisse verwertbar.
Meine Lösung (dieses Mal wirklich ein einziges Rumgebastel):
A. Zul.:
I. RW über 54 I BeamtStG
II. Klageart: Problem, ob Aufforderung ein VA ist (Schwerpunkt). Ich habe die Außenwirkung umfassend diskutiert. Im Kommentar zu 35 VwVfG stand, dass Außenwirkung vorliegt, wenn eine Weigerung Sanktionierungen zur Folge haben kann. Im Ergebnis habe ich den VA darum bejaht und eine Anfechtungsklage zugrunde gelegt.
II. 42 II: Adressatentheorie
IV. Vorverfahren entbehrlich (in NRW gem 103 LBG)
V. Frist möglich, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung gegeben wurde und Frist so auf ein Jahr verlängert
Rest der Zul. war problemlos
B. Begr.:
I. EGL wie im Schreiben angegeben
II. Formell:
1. Zuständigkeit (+) laut Vermerk
2. Anhörung durch erstes Schreiben (+)
3. Begründung (Schwerpunkt):
- grds. nötig, konkretisiert durch Rspr. Nr. 1 (also Angabe konkreter Diagnosen etc.), hier aber Fall der Rspr. Nr. 2, darum konkrete Diagnosen nicht zu nennen. Im Ergebnis darum Begründung (+)
III. Materiell:
1. Bestimmtheit (Schwerpunkt)
- müssen angesichts der Rspr. Nr. 1/2 Art und Umfang der Untersuchungen bestimmt werden? Ja, weil andere Entscheidungsgrundlage (Diagnosen nicht zwingend nötig, weil Fachrichtungen der Krankschreibungen erkennbar sind, was für grobe Einschätzung genügt).
- erste Check-Boxen unklar, weil durch weiße/graue Färbungen und "X" drei Markierungsarten bei zwei Aussagen (ja oder nein) vorliegen.
- zweite Check-Boxen und Text widersprüchlich
- iE Bestimmtheit (-), Folge: materiell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Heilung nachnachträglich möglich (Kommentar)
2. Tatbestand (Beamter, Zweifel an Dienstfähigkeit) unproblematisch
3. Ermessen (Vhmk.) iE (+), weil Länge, Vielfalt usw. der Krankschreibungen eine Untersuchung sehr nahe legen. Dazu Anforderungen an Polizei, öffentliches Interesse an Einsatzfähigkeit
Ergebnis: Klage begründet, gestützt auf Bestimmtheit.
Zweckmäßigkeit:
- Eilrechtschutz (80 V) nicht nötig, weil Klage aufschiebende Wirkung hat (80 I, kein Fall des 54 IV BeamtStG)
- Klageentwurf fertigen, M vorlegen und bei Absegnung sofort einreichen
- Hinweis, dass Heilung relativ leicht möglich ist und Klage unbegründet werden kann (Kostenrisiko)
- Untersuchung sollte er machen lassen, weil Weigerung negativ ausgelegt wird, und Erscheinen jedenfalls Möglichkeit eines positiven Ergebnisses bietet (etwas Argumentation, fand aber dass der SV angesichts der Krankengeschichte eine Untersuchung sinnvoll erscheinen ließ)
- Bei Untersuchung tritt Erledigung ein, Klage kann aber zu FFK umgestellt werden (gestützt auf Wiederholungsgefahr und Grundrechtseingriff)
Praktischer Teil war dann, auch wenn eine Klage bei meiner Lösung im echten Leben wahrscheinlich unklug wäre, der Bearbeitervermerk es aber so wollte, eine Klageschrift zum VG Minden.
Einschätzung: Wie ich der bisherigen Diskussion hier entnehme, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Eigentlich mag ich ÖR in Klausuren ganz gerne, weil man sich an einer bekannten Struktur orientieren und diese dann mit Argumenten auffüllen kann. Diese beiden Klausuren aber waren gefühlt nur ein Haufen an Informationen, die man irgendwie in eine Form pressen musste. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, zu keinem Zeitpunkt zu wissen, ob das, was ich gerade mache, überhaupt im Ansatz sinnvoll ist. Vielleicht bleiben die nächsten Durchgänge ja von den Resten des Beamtenrechts verschont.
Jetzt haben wir es jedenfalls hinter uns. Glückwunsch an alle, die es überstanden haben. Wünsche erholsame nächste Wochen!
An die Berliner.
Hatten wir auch diese Rspr. Nr. 2 im Sachverhalt?
18.03.2023, 14:21
(18.03.2023, 14:08)MrKutty schrieb:(18.03.2023, 12:25)ref12345 schrieb: Aus gegebenem Anlass ( ) etwas verspätet, aber für die nachfolgenden Generationen:
NRW V2 (Anwaltsklausur):
Mandant (M) ist PHK bei der Polizei Bielefeld. Es ist seit mittlerweile über einem Jahr krankgeschrieben. Er hat stetig neue, teils monatelang geltende Krankschreibungen eingereicht. Diese weisen zwar keine Diagnosen aus, aber stammen ersichtlich von verschiedensten medizinischen Disziplinen (u.a. drei Monate krank geschrieben aus der Neurologie/Psychiatrie). Eine zeitliche Genesungsprognose ist nicht möglich. Das PP Bielefeld fordert den M zunächst auf, seine Diagnosen mitzuteilen. Hintergrund ist eine geplante amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienst(un-)fähigkeit des M. Durch die Kenntnis der Diagnosen sollen die Untersuchungen besser eingegrenzt werden. M weigert sich, die Diagnosen zu nennen. In der Folge fordert ihn das PP Bielefeld schriftlich zur Untersuchung auf. Gestützt wird das Ganze auf § 26 I 1 BeamtStG und § 33 LBG. Insbesondere soll eine tiefgreifende psychiatrische Untersuchung stattfinden. Konkrete Gründe (Krankheitsbilder etc.) für die Untersuchungen werden nicht genannt. Das Schreiben hat darüber hinaus zwei Auffälligkeiten:
Zum einen ist bei der Angabe der Bereiche, in denen Untersuchungen stattfinden mittels Check-Boxen gestaltet. Bei der Psychiatrie ist die Box mit einem "X" markiert. Für drei andere Fachbereiche sind die Kästchen grau gefärbt ohne "X" und ein weiteres Kästchen mit ausfüllbarer Freizeile ist weiß gefärbt ohne "X".
Bei der Angabe der möglichen Nachuntersuchungen (auch Boxen) ist "körperliche Untersuchung" mit einem "X" auf weißer Färbung markiert. Blut-/Urinuntersuchung sind nur weiß ohne "X". Im Text danach steht, dass Blut-/Urinuntersuchung möglicherweise stattfinden können, eine körperliche Untersuchung ist nicht genannt.
M fragt nach der Möglichkeit und den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Er möchte zwar am liebsten eine Untersuchung vermeiden, insbesondere die psychiatrische, fragt aber auch, ob es (rechtlich) sinnvoll ist, die Untersuchung hinzunehmen. Er fragt, was in diesem Fall mit dem Gerichtsverfahren passiere. Da die Untersuchung in wenigen Tagen ist, bittet er um schnelle Lösung.
Als Vermerk abgedruckt waren Auszüge von drei Gerichtsentscheidungen:
1.: Eine Untersuchungsanordnung erfordert die Nennung der Gründe (insb. Diagnosen).
2.: Wenn die Untersuchungsanordnung auf Krankschreibungen beruht und eine Genesung in 6 Monaten nicht absehbar ist, gelten die entwickelten Grundsätze zu 26 I 1 BeamtStG nicht, da ohne Diagnosenkenntnis keine Gründe genannt werden können.
3.: Eine Weigerung des Beamten zur Untersuchung erlaubt negative Schlüsse über die Dienstfähigkeit. Dies gilt auch, wenn der Beamte seine Weigerung auf eine vermutete Rechtswidrigkeit der Anordnung stützt. Auch bei nachträglich festgestellter Rechtswidrigkeit sind die Untersuchungsergebnisse verwertbar.
Meine Lösung (dieses Mal wirklich ein einziges Rumgebastel):
A. Zul.:
I. RW über 54 I BeamtStG
II. Klageart: Problem, ob Aufforderung ein VA ist (Schwerpunkt). Ich habe die Außenwirkung umfassend diskutiert. Im Kommentar zu 35 VwVfG stand, dass Außenwirkung vorliegt, wenn eine Weigerung Sanktionierungen zur Folge haben kann. Im Ergebnis habe ich den VA darum bejaht und eine Anfechtungsklage zugrunde gelegt.
II. 42 II: Adressatentheorie
IV. Vorverfahren entbehrlich (in NRW gem 103 LBG)
V. Frist möglich, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung gegeben wurde und Frist so auf ein Jahr verlängert
Rest der Zul. war problemlos
B. Begr.:
I. EGL wie im Schreiben angegeben
II. Formell:
1. Zuständigkeit (+) laut Vermerk
2. Anhörung durch erstes Schreiben (+)
3. Begründung (Schwerpunkt):
- grds. nötig, konkretisiert durch Rspr. Nr. 1 (also Angabe konkreter Diagnosen etc.), hier aber Fall der Rspr. Nr. 2, darum konkrete Diagnosen nicht zu nennen. Im Ergebnis darum Begründung (+)
III. Materiell:
1. Bestimmtheit (Schwerpunkt)
- müssen angesichts der Rspr. Nr. 1/2 Art und Umfang der Untersuchungen bestimmt werden? Ja, weil andere Entscheidungsgrundlage (Diagnosen nicht zwingend nötig, weil Fachrichtungen der Krankschreibungen erkennbar sind, was für grobe Einschätzung genügt).
- erste Check-Boxen unklar, weil durch weiße/graue Färbungen und "X" drei Markierungsarten bei zwei Aussagen (ja oder nein) vorliegen.
- zweite Check-Boxen und Text widersprüchlich
- iE Bestimmtheit (-), Folge: materiell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Heilung nachnachträglich möglich (Kommentar)
2. Tatbestand (Beamter, Zweifel an Dienstfähigkeit) unproblematisch
3. Ermessen (Vhmk.) iE (+), weil Länge, Vielfalt usw. der Krankschreibungen eine Untersuchung sehr nahe legen. Dazu Anforderungen an Polizei, öffentliches Interesse an Einsatzfähigkeit
Ergebnis: Klage begründet, gestützt auf Bestimmtheit.
Zweckmäßigkeit:
- Eilrechtschutz (80 V) nicht nötig, weil Klage aufschiebende Wirkung hat (80 I, kein Fall des 54 IV BeamtStG)
- Klageentwurf fertigen, M vorlegen und bei Absegnung sofort einreichen
- Hinweis, dass Heilung relativ leicht möglich ist und Klage unbegründet werden kann (Kostenrisiko)
- Untersuchung sollte er machen lassen, weil Weigerung negativ ausgelegt wird, und Erscheinen jedenfalls Möglichkeit eines positiven Ergebnisses bietet (etwas Argumentation, fand aber dass der SV angesichts der Krankengeschichte eine Untersuchung sinnvoll erscheinen ließ)
- Bei Untersuchung tritt Erledigung ein, Klage kann aber zu FFK umgestellt werden (gestützt auf Wiederholungsgefahr und Grundrechtseingriff)
Praktischer Teil war dann, auch wenn eine Klage bei meiner Lösung im echten Leben wahrscheinlich unklug wäre, der Bearbeitervermerk es aber so wollte, eine Klageschrift zum VG Minden.
Einschätzung: Wie ich der bisherigen Diskussion hier entnehme, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Eigentlich mag ich ÖR in Klausuren ganz gerne, weil man sich an einer bekannten Struktur orientieren und diese dann mit Argumenten auffüllen kann. Diese beiden Klausuren aber waren gefühlt nur ein Haufen an Informationen, die man irgendwie in eine Form pressen musste. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, zu keinem Zeitpunkt zu wissen, ob das, was ich gerade mache, überhaupt im Ansatz sinnvoll ist. Vielleicht bleiben die nächsten Durchgänge ja von den Resten des Beamtenrechts verschont.
Jetzt haben wir es jedenfalls hinter uns. Glückwunsch an alle, die es überstanden haben. Wünsche erholsame nächste Wochen!
Hattet ihr in NRW keinen zweiten Teil (Mandantin Ina Müller)
Ne, wir hatten ausschließlich das Geschriebene
19.03.2023, 18:23
(18.03.2023, 14:14)johnny-i30 schrieb:(18.03.2023, 12:25)ref12345 schrieb: Aus gegebenem Anlass ( ) etwas verspätet, aber für die nachfolgenden Generationen:
NRW V2 (Anwaltsklausur):
Mandant (M) ist PHK bei der Polizei Bielefeld. Es ist seit mittlerweile über einem Jahr krankgeschrieben. Er hat stetig neue, teils monatelang geltende Krankschreibungen eingereicht. Diese weisen zwar keine Diagnosen aus, aber stammen ersichtlich von verschiedensten medizinischen Disziplinen (u.a. drei Monate krank geschrieben aus der Neurologie/Psychiatrie). Eine zeitliche Genesungsprognose ist nicht möglich. Das PP Bielefeld fordert den M zunächst auf, seine Diagnosen mitzuteilen. Hintergrund ist eine geplante amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienst(un-)fähigkeit des M. Durch die Kenntnis der Diagnosen sollen die Untersuchungen besser eingegrenzt werden. M weigert sich, die Diagnosen zu nennen. In der Folge fordert ihn das PP Bielefeld schriftlich zur Untersuchung auf. Gestützt wird das Ganze auf § 26 I 1 BeamtStG und § 33 LBG. Insbesondere soll eine tiefgreifende psychiatrische Untersuchung stattfinden. Konkrete Gründe (Krankheitsbilder etc.) für die Untersuchungen werden nicht genannt. Das Schreiben hat darüber hinaus zwei Auffälligkeiten:
Zum einen ist bei der Angabe der Bereiche, in denen Untersuchungen stattfinden mittels Check-Boxen gestaltet. Bei der Psychiatrie ist die Box mit einem "X" markiert. Für drei andere Fachbereiche sind die Kästchen grau gefärbt ohne "X" und ein weiteres Kästchen mit ausfüllbarer Freizeile ist weiß gefärbt ohne "X".
Bei der Angabe der möglichen Nachuntersuchungen (auch Boxen) ist "körperliche Untersuchung" mit einem "X" auf weißer Färbung markiert. Blut-/Urinuntersuchung sind nur weiß ohne "X". Im Text danach steht, dass Blut-/Urinuntersuchung möglicherweise stattfinden können, eine körperliche Untersuchung ist nicht genannt.
M fragt nach der Möglichkeit und den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs. Er möchte zwar am liebsten eine Untersuchung vermeiden, insbesondere die psychiatrische, fragt aber auch, ob es (rechtlich) sinnvoll ist, die Untersuchung hinzunehmen. Er fragt, was in diesem Fall mit dem Gerichtsverfahren passiere. Da die Untersuchung in wenigen Tagen ist, bittet er um schnelle Lösung.
Als Vermerk abgedruckt waren Auszüge von drei Gerichtsentscheidungen:
1.: Eine Untersuchungsanordnung erfordert die Nennung der Gründe (insb. Diagnosen).
2.: Wenn die Untersuchungsanordnung auf Krankschreibungen beruht und eine Genesung in 6 Monaten nicht absehbar ist, gelten die entwickelten Grundsätze zu 26 I 1 BeamtStG nicht, da ohne Diagnosenkenntnis keine Gründe genannt werden können.
3.: Eine Weigerung des Beamten zur Untersuchung erlaubt negative Schlüsse über die Dienstfähigkeit. Dies gilt auch, wenn der Beamte seine Weigerung auf eine vermutete Rechtswidrigkeit der Anordnung stützt. Auch bei nachträglich festgestellter Rechtswidrigkeit sind die Untersuchungsergebnisse verwertbar.
Meine Lösung (dieses Mal wirklich ein einziges Rumgebastel):
A. Zul.:
I. RW über 54 I BeamtStG
II. Klageart: Problem, ob Aufforderung ein VA ist (Schwerpunkt). Ich habe die Außenwirkung umfassend diskutiert. Im Kommentar zu 35 VwVfG stand, dass Außenwirkung vorliegt, wenn eine Weigerung Sanktionierungen zur Folge haben kann. Im Ergebnis habe ich den VA darum bejaht und eine Anfechtungsklage zugrunde gelegt.
II. 42 II: Adressatentheorie
IV. Vorverfahren entbehrlich (in NRW gem 103 LBG)
V. Frist möglich, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung gegeben wurde und Frist so auf ein Jahr verlängert
Rest der Zul. war problemlos
B. Begr.:
I. EGL wie im Schreiben angegeben
II. Formell:
1. Zuständigkeit (+) laut Vermerk
2. Anhörung durch erstes Schreiben (+)
3. Begründung (Schwerpunkt):
- grds. nötig, konkretisiert durch Rspr. Nr. 1 (also Angabe konkreter Diagnosen etc.), hier aber Fall der Rspr. Nr. 2, darum konkrete Diagnosen nicht zu nennen. Im Ergebnis darum Begründung (+)
III. Materiell:
1. Bestimmtheit (Schwerpunkt)
- müssen angesichts der Rspr. Nr. 1/2 Art und Umfang der Untersuchungen bestimmt werden? Ja, weil andere Entscheidungsgrundlage (Diagnosen nicht zwingend nötig, weil Fachrichtungen der Krankschreibungen erkennbar sind, was für grobe Einschätzung genügt).
- erste Check-Boxen unklar, weil durch weiße/graue Färbungen und "X" drei Markierungsarten bei zwei Aussagen (ja oder nein) vorliegen.
- zweite Check-Boxen und Text widersprüchlich
- iE Bestimmtheit (-), Folge: materiell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Heilung nachnachträglich möglich (Kommentar)
2. Tatbestand (Beamter, Zweifel an Dienstfähigkeit) unproblematisch
3. Ermessen (Vhmk.) iE (+), weil Länge, Vielfalt usw. der Krankschreibungen eine Untersuchung sehr nahe legen. Dazu Anforderungen an Polizei, öffentliches Interesse an Einsatzfähigkeit
Ergebnis: Klage begründet, gestützt auf Bestimmtheit.
Zweckmäßigkeit:
- Eilrechtschutz (80 V) nicht nötig, weil Klage aufschiebende Wirkung hat (80 I, kein Fall des 54 IV BeamtStG)
- Klageentwurf fertigen, M vorlegen und bei Absegnung sofort einreichen
- Hinweis, dass Heilung relativ leicht möglich ist und Klage unbegründet werden kann (Kostenrisiko)
- Untersuchung sollte er machen lassen, weil Weigerung negativ ausgelegt wird, und Erscheinen jedenfalls Möglichkeit eines positiven Ergebnisses bietet (etwas Argumentation, fand aber dass der SV angesichts der Krankengeschichte eine Untersuchung sinnvoll erscheinen ließ)
- Bei Untersuchung tritt Erledigung ein, Klage kann aber zu FFK umgestellt werden (gestützt auf Wiederholungsgefahr und Grundrechtseingriff)
Praktischer Teil war dann, auch wenn eine Klage bei meiner Lösung im echten Leben wahrscheinlich unklug wäre, der Bearbeitervermerk es aber so wollte, eine Klageschrift zum VG Minden.
Einschätzung: Wie ich der bisherigen Diskussion hier entnehme, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Eigentlich mag ich ÖR in Klausuren ganz gerne, weil man sich an einer bekannten Struktur orientieren und diese dann mit Argumenten auffüllen kann. Diese beiden Klausuren aber waren gefühlt nur ein Haufen an Informationen, die man irgendwie in eine Form pressen musste. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, zu keinem Zeitpunkt zu wissen, ob das, was ich gerade mache, überhaupt im Ansatz sinnvoll ist. Vielleicht bleiben die nächsten Durchgänge ja von den Resten des Beamtenrechts verschont.
Jetzt haben wir es jedenfalls hinter uns. Glückwunsch an alle, die es überstanden haben. Wünsche erholsame nächste Wochen!
An die Berliner.
Hatten wir auch diese Rspr. Nr. 2 im Sachverhalt?
Ich meine, wir hätten nur 1 & 3 gehabt und keine Ausführungen zu 2
19.03.2023, 18:32
(18.03.2023, 11:04)gast2012 schrieb:(18.03.2023, 10:46)Aktenzeichen_BerlMärz23 schrieb:(17.03.2023, 23:45)Gast123321 schrieb: Im Kopp stand an 4 Stellen etwas zu diesem Fall. Unter anderem in Anhang zu § 42 bei den Ausführungen zum VA beim Stichwort unmittelbare Aussenwirkung.
Und im § 44a war es glaube ich tatsächlich RN 8 und Fußnote 42.
in den Passagen stand dann, dass die Aufforderung kein VA ist und dass sie isoliert angreifbar ist über 44 S. 2.
Im weiteren hat glaube ich nicht 54 BeamtStG gegriffen, weil das BeamtStG nur für Landesbeamte gilt und der Mandant Bundesbeamter war (jedenfalls in Hessen)
Bei den Kosten habe ich die jeweiligen GKG KV für s Gericht bzw. RVG VV Nummern für die Rechtsanwaltsgebühren und die Gebührenhöhe anhand der Gebührentabelle angegeben.
Bei Bundesbeamten gilt ja dann § 126 II BBG, sodass eure Lösungen bis auf die Paragraphen eigentlich ähnlich sein sollten.
Bzgl der Kosten habe ich die auch so aufgezählt in der Zweckmäßigkeit.
Habe §126 II BBG selber nicht gesehen, aber würde der auch für den - hier maßgeblichen und vom MAndanten gewünchten - vorläufigen Rechtsschutz (über §123 I VwGO mangels VA-Qualität) auch gelten?
§126 II BBG spricht ja nur von "Klagen" und nicht von Anträgen auf vorläufigen Rechtsschutz. Zudem ist ja bei §123 I - im Gegensatz zu §§80, 80a VwGO - grundsätzlich keine Einlegung eines Rechtsbehelfs in der HS in Form einer Klage oder eines Widerspruchs nötig, um ein RSB zu begründen.
Daher hätte mabn mE hier ohnehin kein Vorverfahren durchführen müssen, außer man hat dem Mandanten zusätzlich noch zur Einlegung einer vorbeugenden FK in der Hauptsache geraten. Von diesem Vorgehen habe ich dem Mandanten jedoch (trotz vorsichtshalber Einlegung des Antrags nach §123 I VwGO aufgrund möglicher drohender Nachteile trotz geringer Erfolgsaussichten) abgeraten. Deshalb bin ich letztlich zur Frage der Einelgung eines Widerspruchs gar nicht gekommen.
Sieht das jemand ähnlich?
Naja, beim allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis würde man auch beim Antrag nach § 123 VwGO prüfen, ob die Hauptsache nicht offensichtlich unzulässig ist und die Hauptsache ist ohne Widerspruch ja offentsichtlich unzulässig. Ist irgendwie auch logisch, weil der Eilrechtsschutz gar keinen Sinn macht sonst. Habe ich aber auch nicht korrekt aufgeschlüsselt. Im Nachhinein ist man immer schlauer
20.03.2023, 09:40
Andererseits: wenn es -mangels VA - auch keine Rechtsbehelfsbelehrung bedurfte, dann „weiß“ der Mandant ja auch nichts von einer 1-Monats-Frist iSd 68ff. Vwgo.
Gilt die überhaupt, wenn man nur über den Verweis des 126 II BBG zu den 68 ff vwgo gelangt? Und selbst wenn sie gilt, Käme dann nicht vllt eine Wiedereinsetzung in Betracht, weil der Mandant das nicht wissen konnte? Fragen über Fragen …
Gilt die überhaupt, wenn man nur über den Verweis des 126 II BBG zu den 68 ff vwgo gelangt? Und selbst wenn sie gilt, Käme dann nicht vllt eine Wiedereinsetzung in Betracht, weil der Mandant das nicht wissen konnte? Fragen über Fragen …
26.03.2023, 08:39
Was meint ihr, wie schwer es wiegt nicht den 123 geprüft zu haben sondern eine einfache Feststellungsklage mit widerspruch?
27.03.2023, 19:48
(26.03.2023, 08:39)Bln2022 schrieb: Was meint ihr, wie schwer es wiegt nicht den 123 geprüft zu haben sondern eine einfache Feststellungsklage mit widerspruch?
Das unterschlägt natürlich den gesamten Aspekt der Eilbedürftigkeit, was gerade angesichts der gewünschten Praxistauglichkeit relevant sein dürfte. Inhaltlich wirst du das Wesentliche genauso angesprochen haben, kann mir aber vorstellen, dass das schon ein paar Minuspunkte geben könnte...