17.01.2021, 17:54
(17.01.2021, 17:20)Gast schrieb:(17.01.2021, 16:51)Gast222 schrieb:(16.01.2021, 00:01)Gast schrieb: Ich vermisse die Bib. Ich habe da mehr Zeit verbracht als in meiner WG und jetzt bin ich bei der StA und man darf nicht mal Homeoffice machen (trotz Corona). Ich finde das alles nicht mehr schön
Ganz ehrlich, bin auch bei der StA und es ist schon mega scheise.
? Dank für diese erfrischend ehrliche Bewerbung der Sachlage.
Ich bin in einer GK und liebe die Arbeit. Habe allerdings auch eine Tochter, die ich nur am Wochenende zu Gesicht bekomme. Überlege deshalb seit einem halben Jahr zur StA zu wechseln. Habe aber Sorge, dass ich in dieser Behörden-Hierarchie sofort anecke und die Karriere zu Ende ist bevor sie begann. Erzähl mir. Ist es so? Gibt es weitere Comtras?
Ich kann ja mal ein bisschen ausholen.
Ich bin jetzt einem Jahr bei einer großen Staatsanwaltschaft in NRW, habe also doch einen einigermaßen guten Einblick.
1. Anfangszeit:
Man fängt als Dez. In einer allgemeinen Abteilung an. Sprich man kümmert sich um alles, was nicht wichtig genug für eine Spezialabteilung ist. In der Realität heißt das, 50% Ebaybetrug und ähnliches, 40 % Milieukriminaöität und 10 % Rest. Mit Glück mal was interessantes wie ein schwerer Raub, eher aber Geldwäsche oder son Kram.
Die ersten 3 Monate steht man unter Gegenzeichnung, dh. alles was man macht, wird von jmd anders in der Behörde gegengelesen und geprüft.
Hier kommt das erste mal Glück ins Spiel. Bekommt man jmd der erklärt und helfen will (und kann) oder jemand dem man eh auf den Nerv geht. Oder im schlimmsten Fall jemand der meint, alles müsste nach seinem Geschmack formuliert sein etc, dann werden es lange Tage.
Nach 3 Monaten wird man davon beschränkt befreit und muss (grob) nur Sachen vorlegen, die die Behörde verlassen. Auch hier kommt wieder Glück ins Spiel, da der Gegenzeichner wechselt.
Urlaub wird in dieser Zeit nicht gewährt.
2. "Selbstständigkeit"
Danach ist man StA. Bekommt Vertretung dazu und kann machen was man will.
Hat man Anspruch an sich selbst und an den Job, muss man mehr als 10h am Tag arbeiten. Man kann aber auch scheise arbeiten Und nach 6-8 gehen (wird oft gemacht).
Nach dieser Zeit ist die Arbeit bereits Alltag. Es kommen jeden Tag viele Akten und die müssen nach Schema F bearbeitet werden. Soziale Kontakte gibt es nicht. Ab und zu ruft mal n Polizist an, der sagt, dass er auch kein Bock hat und die Akte nicht in der verfügten Frist bearbeiten kann.
Man kann das aber natürlich auch als Vorteil sehen, man ist schon sehr selbstständig.
Allerdings: nicht so selbstständig, dass man Homeoffice machen dürfte oder wirklich freie Arbeitszeiten hat. Letztere werden gerne mal durch Besuche oder Anrufe kontrolliert. Nach Lebenszeiternennung kann aber freilich nicht viel schlimmes passieren.
3. Qualität
Sehr mies, auch wenn man sich viel Mühe gibt und lange bleibt, muss man Prioritäten setzten, was im Klartext heißt, viele Verfahren müssen einfach mit irgendeiner halbwegs tragfähigen Begründung beerdigt werden.
Zudem: die Polizei arbeitet oft schlecht zu und ist selbst überlastet. Auswertung von sichergestellten Datenträgern dauert circa >1Jahr (sofern es etwas mehr Arbeit ist als einen USB Stick in einen pc zu stecken).
Gutachten des LKA dauern noch länger. Zb zu Gesichtserkennung oder sowas.
DNA so >6 Monate (in Kapitalsachen alles etwas schneller).
Im Ergebnis: Arbeitsqualität gibt es nur auf Kosten der persönlichen Freizeit. Bezahlung gibt es aber nur für 41 Stunden.
4. Ausstattung
Gebäude ist mittelalt. Heizung funktioniert. Im Sommer sind es aber, sofern die Sonne auf mein Büro scheint gerne 30 Grad + Klimaanlage Fehlanzeige.
Ansonsten funktional, Büro mit so 12-16qm PVC Boden, holzmöbel aus der örtlichen JVA.
Pc funktioniert. Ist aber oft langsamer als ich.
Zweiten Bildschirm gibt's erstmal nicht (darfst auch nicht einfach einen eigenen mitbringen).
Ansonsten gibt es Teeküchen mit Spüle Kühlschrank und Mikro. Ende. Muss alles selbst gepflegt werden.
Kaffeemaschine kann man sich auf Antrag in die Küche oder das Büro stellen.
5. Leute
Die Arbeitskollegen sind großteils sehr nett. Diese sind aber fast alle aufgrund der Work Life Balance da. Wirst also eher nicht zur Arbeit motiviert.
Man arbeitet aber für sich allein. Man kann sich also aussuchen, ob und wie viel Kontakt man haben will. Es gibt viele Kollegen, die habe ich noch nie gesehen, weil die ihr Büro und selten verlassen und wenn halt nur zum Feierabend.
6. Aufstieg
Nach Dienstalter. Ende der Durchsage.
Spezialabteilung, nach Dienstalter und aktuellem Bedarf in der Behörde (und danach ob man vorher bei dem jeweiligen AL ein bisschen "networkt".
7. Sorry für die Typos, schreibe auf nem Handy während ich im Zug sitze.
Achso und Corona gibt es bei uns so gut wie nicht.
Viele Grüße
Nachrichten in diesem Thema
Alte Zeiten - von Gast - 15.01.2021, 16:51
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