15.01.2021, 22:57
(15.01.2021, 20:04)Gast schrieb: Die Qualität des Anwalt macht schon dort einen Unterschied, wo ein Richter noch lange nicht beteiligt ist. Insbesondere bei der Frage, ob man es sich leisten kann, eine bestimmte Sache vor Gericht zu bringen.
Der schlechte Anwalt rät dem Mandanten auch bei aussichtlosen Angelegenheiten zur Klage oder rät von der Anerkennung ab. Bei eigentlich berechtigten Positionen des Mandanten spricht er dann von Aussichtslosigkeit oder reagiert auf gegnerische Schriftsätze dann noch panischer, als man es von Laien erwartet hätte. Für jede dieser vier Konstellationen kenne ich konkrete Beispiele.
Liegt die Sache dann bei Gericht, hat der Richter sich darüber noch lange keine Gedanken gemacht. Den ersten Eindruck verschaffen ihm die wechselseitigen Schriftsätze, das gilt sowohl für Tatsachen als auch Rechtsfragen. Von daher gibt es zunächst gar keine Meinung des Richters, von der ihn der Anwalt abbringen müsste. Und selbst wenn der Richter so eine Meinung hat, dann würde ich nicht vermuten (das ist aber eher eine psychologische Frage, dass der Richter stets stur auf dieser verharren würde. Unstreitige oder eindeutige Tatsachen kann der Richte nicht ausblenden. Von der ggf. einhelligen Rechtsprechung anderer Gerichte dürfte er auch nicht ganz unbeeindruckt bleiben.
Der schlechte Anwalt hat vor Gericht dann zwei Probleme: Er verkennt die für seinen Mandanten positiven Bedeutungen verschiedener Tatsachen, trägt diese Tatsachen also nicht vor; ähnlich diesem Problem klärt er den Sachverhalt gar nicht weiter auf. Der Richter wird den Sachverhalt aber auch nicht weiter aufklären (Zivilrecht) und hat dafür anders als der Anwalt vielleicht auch gar nicht die notwendigen Anhaltspunkte oder (Strafrecht) scheitert an einem Angeklagten, der anders als seinem Anwalt gegenüber schweigsam bleibt.
Zudem übersieht der schlechte Anwalt bei seiner schlampigen Recherche relevante Rechtsprechung oder Literatur. Ist diese schädlich für den Mandanten, kann dem Mandanten das spätestens jetzt das Genick brechen. Ist diese hilfreich für den Mandaten, kann der schlecht vertretene Mandant nur noch darauf hoffen, dass der Richter von sich aus auf diese kommt und ohne weiteres von ihr überzeugt ist. Erst recht gilt das für ganze Lösungswege oder Argumentationsmuster, auf die der schlechte Anwalt einfach nicht kommt.
Einen aufgeweckten Anwalt braucht man etwa auch bei einer Zeugenvernehmung im Strafrecht. Hier müssen Lücken oder Widersprüche in den Darstellungen erkannt werden, die der schechte Anwalt aber ggf. genau wie der Richter übersieht. Weist der gute Anwalt darauf hin, wird auch der Richter aufmerksam.
Das Beispiel aus der strafrechtlichen Hauptverhandlung ist noch aus anderem Grunde gut. Hier gehen die Revisionsgerichte davon aus, dass der verteidigte Angeklagte bzw. dessen Verteidiger bei Bedarf noch während der Verhandlung Widerspruch erheben muss. Zu diesem Widerspruch (zB gegen die Verwertung einzelner Beweise) soll dann auch eine zumindest grobe rechtliche Begründung gehören. Bekommt der Verteidiger diese alleine nicht hin (das Gericht will ja offenbar den Beweis verwerten), dann sieht es shclecht aus fü den Angeklagten. Dieses Beispiel zeigt, dass es auf die juristische Leistung des Anwalts auch dann ankommen kann, wenn sich das Gericht davon nicht überzeugen lässt. Und es zeigt, dass offenbar auch Gesetzgeber und Gerichte davon ausgehen, dass der Anwalt manchmal schlauer sein muss als der Richter. Doof nur, wenn der Anwalt das nicht ist.
Ähnliche Konstellationen begegnen einem bei unrichtigen Rechtsmittelbelehrungen (Rechtsprechung meint auch hier, dass der Anwalt es besser hätte wissen müssen) oder in all den Fällen, in denen im Rechtsmittelverfahren die Präklusion greifen kann. Allgemein widerlegt die Möglichkeit eines Rechtsmittelverfahrens doch sowieso schon den Mythos von der fehlenden Bedeutung der anwaltlichen Qualität. Denn ein Richter hat hier doch schon entschieden. Man geht nur gerade davon aus, dass der Richter das eben nicht richtig gemacht hat und der Anwalt es besser wusste. Da in der Beschwerde/Berufung/Revision jetzt andere Richter entscheiden, greift auch noch weniger die Idee, dass der Richter sich seine Meinung doch schon gebildet hätte.
Ganz prominent geht das BVerfG davon aus, dass der Verfassungsbeschwerde schon unzulässig ist, wenn sie sich nicht erschöpfend mit sämtlichen irgendwie relevanten Rechtsfragen befasst. Das BVerfG sieht es garde nicht als seine Aufgabe, hier selber nachdenken zu müssen.
Noch krasser wird es natürlich, wenn der schlechte Anwalt die Verfahrenssituation überhaupt nicht überblickt und gebotene Anträge gar nicht stellt. Vor einiger Zeit gab es einen bekannten Fall vor dem VG Gelsenkirchen, bei dem es um die Abschiebung von Sami A(doubi) ging. Die offensichtlich nicht ganz so begabte Anwältin hat einen entscheidenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erst gar nicht gestellt gehabt,, womit das ganze Schlamassel dann begann.
Am krassesten wirkt die Qualität der Anwälte sich wohl dann aus, wenn man eine rein außergerichtliche Angelegenheit hat. Alles, was mit dem Entwurf von Vertägen zu tun hat, mit Unternehmenskäufen, mit steuerrechtlicher Beratung, mit Patenten...
Sehr überzeugende Ausführungen.
Dich würde ich mandatieren!
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