26.11.2020, 17:46
(26.11.2020, 15:16)Gast schrieb: Eine gute Klausur zeichnet sich durch eine Vielzahl an Eigenschaften aus. Sie ist angesichts der Unwägbarkeiten der Prüfung auch nicht wirklich planbar.
Dennoch glaube ich, dass ein Faktor eine gute Klausur häufig von einer ordentlichen oder mittelmäßigen unterscheidet: Souveränität.
Damit meine ich: die Klausur muss überzeugend klingen und einen selbstbewussten Eindruck erwecken. Sprachlich und inhaltlich setzt dies eine starke, nachvollziehbare Begründung voraus, welche geradezu unangreifbar erscheint. Entscheidend ist auch eine klare Schwerpunktsetzung, der Mut, auch mal etwas wegzulassen oder nur kurz anzudeuten. Gleichzeitig bei den Schwerpunkten aber auch mal seitenlange Definitionen und Subsumtionen anzubringen.
Schwache oder mittelmäßige Klausuren scheitern oft nicht an einem Mangel an Wissen oder Problembewusstsein, sondern nicht selten an Zaghaftigkeit und falscher Scheu. Stößt ein solcher Bearbeiter auf ein unbekanntes Problem, verzweifelt er: dazu haben Kaisers aber nichts gesagt, im Skript steht nichts! Dann wird das Problem entweder ignoriert, aus Furcht etwas Falsches zu schreiben. Oder es wird floskelhaft, kurz, oberflächlich angegangen, anstatt mit dem juristischen Handwerkszeug zu arbeiten.
Dafür werden dann bei Standardproblemen sätzelang Kaiserformulierungen heruntergebetet. Das langweilt und verärgert den Korrektor. Der souveräne Bearbeiter lädt nicht im unproblematischen Bereich seitenweise fremde Versatzstücke ab, sondern deutet kurz und knapp die eigene Kenntnis der Materie unter Nennung der Schlagworte an: der unbezifferte Schnerzensgeldantrag ist trotz § 253 II nr. 2 ZPO angesichts der erstrebten gerichtlichen Ermessensentscheidung gem §§ 253 II BGB, 287 I 1 ZPO zulässig. Denn der Kläger hat die tatsächlichen Bemessungsgrundlagen und eine ungefähre Größenordnung angegeben. Das reicht. Kein halbseitiger Textblock nötig.
Kurzum: der souveräne Bearbeiter deutet Grundwissen und Offensichtliches knapp an, konzentriert sich dann aber jenseits von Textbausteinen auf die echten, meist unbekannten Schwerpunkte und geht diese fufchtlos an. Der mittelmäßige Kandidat scheut diese Herausforderung, hat Angst vor dem Neuen und versteckt sich hinter Kaiserformulierungen. Dann wundert er sich, warum er fast alle Probleme gesehen und weit überwiegend richtig gelöst, aber trotzdem nur 6 Punkte erzielt hat.
Ok? Hattest du einfach mal Lust, zu erzählen? :D
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Souveränität als entscheidender Faktor für eine gute Klausur - von Gast - 26.11.2020, 15:16
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