02.11.2014, 05:06
So, mit etwas Abstand zum Examen berichte ich gerne auch noch über die V2 Klausur vom Oktober. Es war Baurecht aus Behördensicht (=Erstbescheid).
Die Baubehörde möchte gegen eine Jagdhütte des Bürgers (K) vorgehen, die in einem Wald auf dem Gemeindegebiet steht. Diese Hütte hat der Vater des K mit Baugenehmigung im Jahr 1966 gebaut. Das Grundstck gehörte ebenfalls dem Vater. Der Vater war begeisterter Jäger und auch der Jagdausübungsberechtigte für den Jagdbezirk, in dem die Hütte liegt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1994 nutzte er die Hütte auch als Jagdhütte. Die abgedruckte Baugenehmigung war sehr kurz. Dort stand nur, dass der Bau einer Jagdhütte genehmigt werde, wobei das Wort "Jagdhütte" unterstrichen war.
Der K war Alleinerbe seines Vaters, jedoch ein ausgewiesener Gegner der Jagd. Folglich nutzte er die Hütte fortan auch nicht mehr als Jagdhütte, sondern zur Lagerung von Vogelfutter und Gerätschaften zur Waldpflege, derer er sich verschrieben hat. Dies teilte er auch dem damaligen Leiter der Baubehörde so mit. Danach passierte erstmal nichts. Der K nutzt die Hütte regelmäßig am Wochenende und auch unter der Woche nach Feierabend.
Anfang September 2014 teilt ein für die Jagdrechte zuständiger Mitarbeiter des Kreises der Baubehörde mit, dass bei einer routinemäßigen Überprüfung der Jagdbezirke aufgefallen sei, dass der K kein Jagdausübungsberechtigter ist und die Hütte auch sonst an keinen Jagdausübungsberechtigten vermietet. Daraufhin wurde K zuz beabsichtigten Abrissverfügung schriftlich angehört. Geantwortet hat ein Anwalt unter Beifügung einer Originalvollmacht.
Die Positionen stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Die Behörde meint, dass der Bestandsschutz der 1966 erteilten Genehmigung entfallen sei, weil K die Hütte seit 20 Jahren nicht mehr als Jagdhütte nutzt. Jedenfalls dürften von der Baugenehmigung analog § 77 I BauO NRW keine Wirkungen mehr ausgehen. Weiter ist sie der Auffassung, dass man auch den vollständigen Abriss verfügen könne und nicht nur die aktuelle Nutzung verbieten. Es wäre absurd, wenn die Hütte nicht abgerissen werden könnte, obwohl K sie unstreitig nicht mehr zu Jagdzwecken nutzen will und wird. Außerdem müsste man die Abrissverfügung auf eine Rückbauverpflichtung gem. § 35 V 2 BauGB stützen können. Eine solche Verpflichtung des Vaters des K finde sich zwar unstreitig nicht in den Akten, er muss sie aber abgegeben haben, weil er sonst die Genehmigung nicht bekommen hätte. Die aktuelle Nutzung sei schließlich auch wegen § 35 III Nr. 5 BauGB nicht genehmigungsfähig.
K meint, dass die Hütte, so wie sie da ist, genehmigt sei. Die Bezeichnung als Jagdhütte in der Baugenehmigung bedeute nicht, dass die Hütte nur zu diesem Zweck genutzt werden dürfe. Genehmigt worden sei der Gebäudetyp "Jagdhütte". Selbst wenn es bei der aktuellen Nutzung um eine Nutzungsänderung handeln sollte, sei der Bestand als solcher genehmigt und die Behörde könne nur die Nutzung untersagen, nicht jedoch den Abriss verfügen.
Die aktuelle Nutzung sei jedoch ohnehin rechtmäßig, weil sie über 20 Jahre geduldet wurde. Hierzu behauptet der K, dass der Bauamtsleiter in dem Telefonat 1994 gesagt habe, dass er es begrüße, dass K kein Jäger ist und sich der Waldpflege widmen will. Er könne auch die Hütte weiternutzen, man werde dagegen nicht vorgehen. In dem abgedruckten Vermerk des Bauamtsleiters zum Telefonat stand nur, dass K angekündigt habe, die Jagdhütte zur Lagerung von Vogelfutter und Geräten für die Waldpflege nutzen zu wollen, und sonst nichts. Die Akte wurde dann zur weiteren Veranlassung an die zuständige Mitarbeiterin verfügt. Warum dann nichts mehr passiert ist, ließ sich nicht aufklären. Der Bauamtsleiter war schon tot und die damals zuständige Sachbearbeiterin konnte sich nur daran erinnern, dass der Bauamtsleiter illegale Bebauung/Nutzung generell nicht toleriert habe.
K meinte schließlich, dass er jedenfalls einen Anspruch auf Genehmigung der Nutzungsänderung gem. § 35 I Nr. 4 BauGB habe. Die aktuelle Nutzung sei privilegiert, weil er selbst in einer 30 km entfernten Stadt wohne und im Gemeindegebiet kein anderes Grundstück habe. Im sei nicht zumutbar, das Futter und die Geräte jedes Mal im Auto hinzubringen. Die Landschaft werde durch die aktuelle Nutzung der Hütte nicht beeinträchtigt, weil die Landschaft ohnehin durch die Hütte vorgeprägt sei.
In dem Auftragsvermerk wurde man gebeten, zu prüfen, ob gegen die Hütte vorgegangen werden kann. Primär sollte geprüft werden, ob eine vollständige Beseitigung verfügt und für deren schnelle Durchsetzung gesorgt werden kann. Es sollten alle Möglichkeiten geprüft werden. Sollte eine Beseitigung nicht verfügt oder schnell durchsetzbar gemacht werden können, sollte jedenfalls die Möglichkeit einer Nutzungsuntersagung geprüft werden. Im praktischen Teil sollte man einen Bescheidentwurf machen, wenn man irgendein Vorgehen gegen K für erfolgsversprechend hält. Nur wenn gar nichts gehen sollte, sollte man ein Schreiben an K entwerfen, in dem er darüber informiert wird, dass und warum gegen ihn nicht vorgegangen wird. Verweise auf konkreten Passagen des Gutachtens waren erlaubt.
Ich fand die Klausur inhaltlich ganz OK, man musste nur ein bisschen Zeit darauf verwenden, einen sinnvollen Aufbau für das Gutachten zu finden, um die jeweilige Argumentation einbauen zu können. Man musste jedenfalls den Standardaufbau für die Überprüfung einer bauordnungsrechtlichen Verfügung etwas abwandeln/anpassen. Von Zeitproblemen habe ich auch von anderen nicht gehört. Die Klausur zeigt aber, dass man für die V2-Klausur jedenfalls die Basics eines Erstbescheides beherrschen sollte (Form, Adressat, Aufbau).
Die Baubehörde möchte gegen eine Jagdhütte des Bürgers (K) vorgehen, die in einem Wald auf dem Gemeindegebiet steht. Diese Hütte hat der Vater des K mit Baugenehmigung im Jahr 1966 gebaut. Das Grundstck gehörte ebenfalls dem Vater. Der Vater war begeisterter Jäger und auch der Jagdausübungsberechtigte für den Jagdbezirk, in dem die Hütte liegt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1994 nutzte er die Hütte auch als Jagdhütte. Die abgedruckte Baugenehmigung war sehr kurz. Dort stand nur, dass der Bau einer Jagdhütte genehmigt werde, wobei das Wort "Jagdhütte" unterstrichen war.
Der K war Alleinerbe seines Vaters, jedoch ein ausgewiesener Gegner der Jagd. Folglich nutzte er die Hütte fortan auch nicht mehr als Jagdhütte, sondern zur Lagerung von Vogelfutter und Gerätschaften zur Waldpflege, derer er sich verschrieben hat. Dies teilte er auch dem damaligen Leiter der Baubehörde so mit. Danach passierte erstmal nichts. Der K nutzt die Hütte regelmäßig am Wochenende und auch unter der Woche nach Feierabend.
Anfang September 2014 teilt ein für die Jagdrechte zuständiger Mitarbeiter des Kreises der Baubehörde mit, dass bei einer routinemäßigen Überprüfung der Jagdbezirke aufgefallen sei, dass der K kein Jagdausübungsberechtigter ist und die Hütte auch sonst an keinen Jagdausübungsberechtigten vermietet. Daraufhin wurde K zuz beabsichtigten Abrissverfügung schriftlich angehört. Geantwortet hat ein Anwalt unter Beifügung einer Originalvollmacht.
Die Positionen stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Die Behörde meint, dass der Bestandsschutz der 1966 erteilten Genehmigung entfallen sei, weil K die Hütte seit 20 Jahren nicht mehr als Jagdhütte nutzt. Jedenfalls dürften von der Baugenehmigung analog § 77 I BauO NRW keine Wirkungen mehr ausgehen. Weiter ist sie der Auffassung, dass man auch den vollständigen Abriss verfügen könne und nicht nur die aktuelle Nutzung verbieten. Es wäre absurd, wenn die Hütte nicht abgerissen werden könnte, obwohl K sie unstreitig nicht mehr zu Jagdzwecken nutzen will und wird. Außerdem müsste man die Abrissverfügung auf eine Rückbauverpflichtung gem. § 35 V 2 BauGB stützen können. Eine solche Verpflichtung des Vaters des K finde sich zwar unstreitig nicht in den Akten, er muss sie aber abgegeben haben, weil er sonst die Genehmigung nicht bekommen hätte. Die aktuelle Nutzung sei schließlich auch wegen § 35 III Nr. 5 BauGB nicht genehmigungsfähig.
K meint, dass die Hütte, so wie sie da ist, genehmigt sei. Die Bezeichnung als Jagdhütte in der Baugenehmigung bedeute nicht, dass die Hütte nur zu diesem Zweck genutzt werden dürfe. Genehmigt worden sei der Gebäudetyp "Jagdhütte". Selbst wenn es bei der aktuellen Nutzung um eine Nutzungsänderung handeln sollte, sei der Bestand als solcher genehmigt und die Behörde könne nur die Nutzung untersagen, nicht jedoch den Abriss verfügen.
Die aktuelle Nutzung sei jedoch ohnehin rechtmäßig, weil sie über 20 Jahre geduldet wurde. Hierzu behauptet der K, dass der Bauamtsleiter in dem Telefonat 1994 gesagt habe, dass er es begrüße, dass K kein Jäger ist und sich der Waldpflege widmen will. Er könne auch die Hütte weiternutzen, man werde dagegen nicht vorgehen. In dem abgedruckten Vermerk des Bauamtsleiters zum Telefonat stand nur, dass K angekündigt habe, die Jagdhütte zur Lagerung von Vogelfutter und Geräten für die Waldpflege nutzen zu wollen, und sonst nichts. Die Akte wurde dann zur weiteren Veranlassung an die zuständige Mitarbeiterin verfügt. Warum dann nichts mehr passiert ist, ließ sich nicht aufklären. Der Bauamtsleiter war schon tot und die damals zuständige Sachbearbeiterin konnte sich nur daran erinnern, dass der Bauamtsleiter illegale Bebauung/Nutzung generell nicht toleriert habe.
K meinte schließlich, dass er jedenfalls einen Anspruch auf Genehmigung der Nutzungsänderung gem. § 35 I Nr. 4 BauGB habe. Die aktuelle Nutzung sei privilegiert, weil er selbst in einer 30 km entfernten Stadt wohne und im Gemeindegebiet kein anderes Grundstück habe. Im sei nicht zumutbar, das Futter und die Geräte jedes Mal im Auto hinzubringen. Die Landschaft werde durch die aktuelle Nutzung der Hütte nicht beeinträchtigt, weil die Landschaft ohnehin durch die Hütte vorgeprägt sei.
In dem Auftragsvermerk wurde man gebeten, zu prüfen, ob gegen die Hütte vorgegangen werden kann. Primär sollte geprüft werden, ob eine vollständige Beseitigung verfügt und für deren schnelle Durchsetzung gesorgt werden kann. Es sollten alle Möglichkeiten geprüft werden. Sollte eine Beseitigung nicht verfügt oder schnell durchsetzbar gemacht werden können, sollte jedenfalls die Möglichkeit einer Nutzungsuntersagung geprüft werden. Im praktischen Teil sollte man einen Bescheidentwurf machen, wenn man irgendein Vorgehen gegen K für erfolgsversprechend hält. Nur wenn gar nichts gehen sollte, sollte man ein Schreiben an K entwerfen, in dem er darüber informiert wird, dass und warum gegen ihn nicht vorgegangen wird. Verweise auf konkreten Passagen des Gutachtens waren erlaubt.
Ich fand die Klausur inhaltlich ganz OK, man musste nur ein bisschen Zeit darauf verwenden, einen sinnvollen Aufbau für das Gutachten zu finden, um die jeweilige Argumentation einbauen zu können. Man musste jedenfalls den Standardaufbau für die Überprüfung einer bauordnungsrechtlichen Verfügung etwas abwandeln/anpassen. Von Zeitproblemen habe ich auch von anderen nicht gehört. Die Klausur zeigt aber, dass man für die V2-Klausur jedenfalls die Basics eines Erstbescheides beherrschen sollte (Form, Adressat, Aufbau).
Nachrichten in diesem Thema
Klausuren Oktober 2014 - von Michael - 27.04.2014, 13:08
Z1 - NRW - von San - 06.10.2014, 16:12
Z2 - NRW - von San - 07.10.2014, 17:03
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Z4 - NRW - von San - 11.10.2014, 12:14
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RE: Klausuren Oktober 2014 - von NoV2014 - 11.10.2014, 15:31
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RE: Klausuren Oktober 2014 - von San - 12.10.2014, 14:56
RE: Klausuren Oktober 2014 - von luna - 12.10.2014, 08:58
RE: Klausuren Oktober 2014 - von anon - 12.10.2014, 12:07
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S1 - NRW - von San - 13.10.2014, 16:38
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S2 - NRW - von San - 14.10.2014, 16:29
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V2 - NRW - von San - 02.11.2014, 05:06
RE: Klausuren Oktober 2014 - von Büffel - 18.01.2015, 22:00
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RE: Klausuren Oktober 2014 - von SA-Ref - 19.01.2015, 20:28
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