03.12.2024, 11:30
(02.12.2024, 17:52)Substitut schrieb: In Jura zählen in erster Linie die Noten im ersten Examen. Ab einem "Vollbefriedigend" stehen einem die Türen offen – so wird es häufig erzählt. Nun, das mag auch stimmen, denn gute Examina sind eine hinreichende Bedingung für viele Tätigkeiten. Allerdings stellt sich doch die Frage, wie innerhalb derjenigen mit Prädikatsexamen differenziert werden kann.
Zunächst vorweg: Ich habe mein Studium an der Bucerius aufgenommen und – wie fast 85 % in meinem Jahrgang – mit einem Prädikatsexamen abgeschlossen. Nach meinem Studium bin ich für die Promotion an eine staatliche Universität gewechselt und befinde mich zurzeit im Referendariat.
Was mir aufgefallen ist: Im Gegensatz zu staatlichen Universitäten haben Studierende an der Buce deutlich mehr vorzuweisen. Das beginnt bei Praktika und gilt ebenso für ehrenamtliches oder hochschulisches Engagement, Auslandsaufenthalte, juristische Nebentätigkeiten wie Hilfskraftjobs in Kanzleien oder Notariaten, Stipendien oder Fremdsprachenkenntnisse. An staatlichen Universitäten sind viele einfach weniger ambitioniert (gar nicht wertend gemeint).
Das führt jedoch zu einem fatalen Problem: Studierende, die nach viel Fleißarbeit zwar ein Prädikatsexamen vorweisen können, haben ansonsten nichts Außergewöhnliches vorzuweisen. Die offene Tür zu vielen Möglichkeiten, die einem Juristen mit einem guten Examen gewährt wird, ist am Ende doch nicht mehr ganz so offen. Extracurriculare Aktivitäten lassen sich nicht einmal kurzfristig nachholen.
Das bringt mich zu dem Punkt, den ich machen möchte: Nutze die Zeit im Studium, besonders wenn du nicht abgeneigt bist, nach deinem Examen einen renommierten LL.M. zu machen, zu promovieren oder hart umkämpfte Referendariatsstellen im Auswärtigen Amt, Bundeskanzleramt oder an den höchsten Gerichten anzustreben. Solche Stellen bekommt man regelmäßig nur, wenn man neben den Examina auch etwas Herausragendes vorzuweisen hat.
Selbst beim Einstieg als Associate bei Kanzleien wie Hengeler, Gleiss und Co. kann dies den ausschlaggebenden Punkt ausmachen. Von Anwälten wird erwartet, dass sie soziale und interkulturelle Kompetenzen aufweisen sowie sich innerhalb der Kanzlei engagieren – selbst wenn es nur darum geht, einen Vortrag zu halten. Für Recruiter wie auch Partner liegt es nahe anzunehmen, dass jemand, der bisher nichts in diesem Bereich vorzuweisen hat, sich künftig ebenfalls nur auf das Nötigste beschränken wird.
Wenn du bereits die Zusage von zwei Kanzleien hast und es zeitlich hinbekommst – mach einfach beide Praktika. Du kannst nicht zu viele Praktika machen – und selbst wenn du so viele hast, dass du sie nicht alle auf deinem Lebenslauf ausweisen kannst, hast du immerhin die Möglichkeit, zu entscheiden, welche du erwähnen willst. Natürlich hält sich der Nutzen nach einer gewissen Anzahl von Praktika in Grenzen. Das vierte Praktikum in einer Großkanzlei bringt dich nicht unbedingt weiter. Da wäre es klüger, in ein Unternehmen oder eine Boutique-Kanzlei zu gehen.
Mein Rat an dich – und das gilt nicht nur für Praktika: Lass dir nicht einreden, dass etwas „nicht viel bringt“, und versuche, so viel wie möglich aus deiner Zeit als Student herauszuholen. Nur so gewährleistest du, dass die Tür nach dem Studium so weit wie möglich offensteht. Viele meiner ehemaligen Kommilitonen von der Buce haben oder sind dabei, ihren LL.M. zu machen – die meisten davon an Ivy-League-Universitäten, Oxbridge oder der LSE, oft mit erlassenen Studiengebühren und Stipendien. Übrigens deutlich mehr, als von der Universität Hamburg. Das ist der Lohn für die jahrelange Arbeit – und auch du kannst diesen Weg einschlagen, wenn du schon jetzt die richtigen Weichen dafür legst.
An Deinem Post stört mich insbesondere das: " An staatlichen Universitäten sind viele einfach weniger ambitioniert (gar nicht wertend gemeint)." Auch, wenn Du ergänzt hast, dass es nicht wertend gemeint sei, ist "weniger ambitioniert" durchaus eine Wertung. Sehr viele können aus rein finanziellen Gründen weder an der Bucerius studieren noch diese ganzen zusätzlichen Dinge machen. In meinem Jahrgang hat der weit überwiegende Großteil BaFög bezogen und nebenbei gearbeitet (einen Nebenjob hatte so gut wie jeder) - das im Nebenjob verdiente Geld wurde in aller Regel zum Überleben benötigt; da war nichts übrig, was man für Auslandsaufenthalte oder Finanzierung während unbezahlter Praktika (vor allem, wenn man kurzzeitig woanders wohnen muss - das muss alles bezahlt werden) zur Seite legen konnte. Die Noten leiden auch nicht selten etwas unter den Nebenjobs - da sind dann Stipendien etc auch nicht für jeden eine Option.
Ansonsten: Praktika sind wichtig, da stimme ich zu. Ebenso wie Zusatzleistungen sehr hilfreich sein können und durchaus einen Unterschied bei mehreren Bewerbern machen. Die Refstationen sind da allerdings schon etwas wichtiger. Das gilt jedenfalls beim Berufseinstieg - später zählt entsprechend die Berufserfahrung sehr viel mehr.
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Wie wichtig sind Praktika? - von Chromwurst - 25.11.2024, 13:29
RE: Wie wichtig sind Praktika? - von Konova - 02.12.2024, 12:43
RE: Wie wichtig sind Praktika? - von Substitut - 02.12.2024, 17:52
RE: Wie wichtig sind Praktika? - von Greif - 03.12.2024, 09:13
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RE: Wie wichtig sind Praktika? - von Forum2021 - 20.12.2024, 19:34
RE: Wie wichtig sind Praktika? - von Patenter Gast - 03.12.2024, 12:35
RE: Wie wichtig sind Praktika? - von Substitut - 03.12.2024, 18:08