08.10.2024, 12:48
(08.10.2024, 12:14)Freidenkender schrieb:(08.10.2024, 11:46)Ex-GK schrieb:(08.10.2024, 11:00)PeterP schrieb:(07.10.2024, 14:08)Patenter Gast schrieb: Beim Strafrecht musst du eben überlegen, ob du die ganze Zeit mit Straftätern zu tun haben willst. Natürlich gibt es auch hin und wieder Unschuldige und ein paar arme Gestalten aber mir wäre es auf Dauer zu viel menschliches Elend bzw. da fehlt mir dann der persönliche Ehrgeiz, (Berufs-)Kriminelle vor dem Knast zu bewahren.
Meiner Meinung nach kann man das auf jeden Job beziehen, da das eine "Ist das Glas halb leer oder halb voll"-Diskussion ist. In meinem aktuellen Job könnte man sagen, dass ich ständig Mahnverfahren gegen völlig verschuldete Menschen durchführe. Diese Leute sind eh schon (auch durch eigene Fehlentscheidungen) gebeutelt, denn wer fühlt sich mit einem Haufen Schulden schon wohl. Und Geld ist dort zumeist eh nicht zu holen. Da werden die Briefe schon nicht mehr geöffnet und nur wenn man Glück hat, tauchen die Schuldner überhaupt mal in der mündlichen Verhandlung auf.
Oder aber man sieht es so, dass man die Liquidität der Unternehmen sicherstellt, denn ohne Geld können die auch nichts produzieren und es fallen Arbeitsplätze weg. Irgendjemand muss halt das Geld reinholen.
Mit dem Strafrecht ist es genauso. Ich persönlich würde mich eher als Wächter über ein faires Strafverfahren im Einsatz für Menschenrechte sehen, und weniger als einen kumpelhaften "Rausboxer", der ausschließlich nach der Pfeife des Mandanten tanzt, um ihn vor dem Knast zu bewahren. Ich würde die Tätigkeit als Strafverteider im Mandantenkontakt eher als unterstütztend-vermittelnd beschreiben. Aber was weiß ich schon, ich habe ja noch nicht mal angefangen
Der Blick auf die Tätigkeit selbst ändert aber nichts daran, mit wem Du es machst. Ich verstehe Patenter Gast eher so, dass es ihm um den Mandantenstamm geht. Die allermeisten Juristen und vor allem Jurastudierenden haben wenig bis nichts mit straffällig gewordenen Menschen zu tun und haben null Bezug dazu, wer die sind, wie sie leben und aufgewachsen sind. Da prallen nicht selten zwei Welten aufeinander. Aber auch, wenn der Mandantenstamm nicht so weit von einem selbst ist, kann die Art der Straftat durchaus persönlich belastend sein (zB wenn man sich mal anschaut, wer häufig Täter von Sexualdelikten - nicht nur an Kindern - sind, stellt man fest, dass es nicht selten nach außen hin "normale" Menschen mit geregeltem Leben sind). Im Ref geht man doch idR auch mal in eine JVA - da merken viele auch, dass alleine die Umgebung belastend sein kann, selbst wenn man "nur" seine Mandanten besucht und jederzeit gehen kann ist das einfach eine andere Welt, mit der man klar kommen muss.
ich teile diese Sicht. ich habe mich auch sehr für Strafrecht interessiert. Fand das im Studium recht spannend, da du eigentlich ab der ersten Vorlesung schon lebensnahe Beispiele hattest. True Crime vom Feinsten. Abgeschreckt hat mich dann aber die Station bei der StA im Ref. Ich habe mir immer vorgestellt, dass diese Menschen, die vor mir stehen als Klienten hätte. Erst mal um die Vorkasse feilschen etc. Das hat mich abgeschreckt
Aber das ist Typfrage! Strafverteidigung ist eine enorm wichtige Aufgabe für die Angeklagten aber auch den Rechtsstaat und ziehe da vor jedem Kollegen den Hut, der das macht. Wenn du es mit dir ausmachen kannst, dann go for it
Wenn du nicht ständig Probezeitkündigungen am Stück hast, dann ist das auch kein Problem
Ex-GK hat mich verstanden es geht nicht um die Aufgabe an sich oder ein gut oder böse, sondern die rein praktische Arbeit mit den Mandanten, bei denen es sich eben überwiegend um Straftäter handelt, die oftmals nicht so sind wie du und ich. Manche kommen damit sehr gut zurecht aber für mich wäre es nichts.
In meinem Bekanntenkreis habe ich es auch so mitbekommen, wenn es um die Gewinnung neuer Mandanten ging. Empfehlungen kommen oft über die eigenen Mandanten, die andere Leute in der JVA treffen und dort wird dann über die jeweiligen Verteidiger geredet. Beliebt ist oft der harte Hund, der laut im Gericht wird und "sich so richtig für dich einsetzt" - auch wenn das gerne mal kontraproduktiv in der Verteidigung an sich ist. Aber viele Straftäter wollen eben einen Anwalt, der sie sehr sichtbar verteidigt... was eben wieder dem häufigen Klientel entspricht, die auch eher offensiv-aggressiv sind.*
*Oder man versteht sich eher als Sozialarbeiter und macht die ganzen Pflichtverteidigungen bei Beschaffungskriminalität... aber sowas habe ich der Station erlebt; da muss man mindestens zur Hälfte Sozialarbeiter sein, um das vernünftig zu schaffen.
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"Kommunikative" Rechtsgebiete - von PeterP - 10.09.2024, 17:30
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