12.09.2024, 18:06
(12.09.2024, 16:04)PeterP schrieb: Auf Strafrecht spezialisierte Kanzleien gibt es in der Art gar nicht so wirklich. Es gibt einige auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Kanzleien, wo ich mir die Tätigkeit aber auch eher wenig kommunikativ vorstelle, zumal ich mit meinen Noten und Lebenslauf dort eh nicht in Betracht komme. Im Normalfall sind es Bürogemeinschaften, in denen jeder selbständig für sein eigenes Glück verantwortlich ist. Ich bin tatsächlich in mehreren derartigen Kanzleien vorstellig geworden, allerdings haben mir alle davon abgeraten, mich als Strafverteidiger selbständig zu machen. Es gibt wohl einige äußerst erfolgreiche Strafverteidiger, die beeindruckende Stundensätze erzielen können, die meisten hangeln sich jedoch anscheinend von RVG-Mandat zu RVG-Mandat zu einem mickrigen Lohn. Einer erzählte mir, dass er 5 Jahre gebraucht hat, um die Kanzlei einigermaßen zum Laufen zu bringen. Bis dahin hat er Mandate aus allen Rechtsgebieten angenommen, um sich damit mit Ach und Krach über Wasser zu halten.
Und da liegt ein wenig der Hund begraben. Mir wird niemand diese Entscheidung abnehmen können, ich möchte aber trotzdem meine Gedanken tagebuchartig teilen: Momentan verdiene ich 6X.XXX Euro, was einem auch in einer größeren Stadt ein komfortables Leben ermöglicht. Die Büroräume sind großzügig und gut gelegen. Zudem sind die Arbeitszeiten vergleichsweise gut und ich arbeite idR nicht mehr als 39-44 Std. pro Woche. Dafür ist die Tätigkeit langweilig, einsam und nur mäßig sinnstiftend. Dass mir die Tätigkeit schaden würde und dass ich nur ein Unterschriftenclown sei, kann ich nicht bestätigen, da es immer wieder Fälle gibt, die rechtlich nicht eindeutig sind und bei denen durchaus etwas juristisches Können gefragt ist.
Dem steht die Vorstellung einer aufregenderen Tätigkeit gegenüber. Einer Tätigkeit, in der ich meine Fähigkeiten möglicherweise besser verwirklichen kann und die sinnstiftender ist. Hier im Forum gibt es jedoch Erfahrungsberichte von Menschen, die wohl eine derartige Tätigkeit ausüben und trotzdem extrem unzufrieden aufgrund des geringen Gehalts und der enormen Arbeitszeiten sind. Und dieses Risiko erscheint mir durchaus real zu sein.
Leider kann ich noch kein befriedigendes oder interessantes Fazit ziehen, da der Findungsprozess noch anhält. Aber insbesondere das Arbeitsrecht könnte neben dem Strafrecht noch eine spannende Alternative sein, bei der man nicht am Hungertuch nagen muss. Daher danke ich euch schon mal für die Anregungen!
in der tat gibt es abgesehen von den boutiquen für wirtschaftsstrafrecht im grunde keine strafverteidigerkanzlei in deutschland, die rechtsanwälte einstellt. es kursieren seit jahren einige ausgeschriebene stellen auf websiten zumindest regional bekannter strafverteidigerkanzleien in nrw - und seit jahren wird da niemand eingestellt. seltsames marketing. andere kanzleien fabulieren von strafrecht und meinen eigentlich verkehrsrecht. dieses elend erstreckt sich von nord- bis süddeutschland. für den einstieg als angestellter ins wirtschaftsstrafrecht bedarf es sehr guter noten. dafür darf man dann einer praktisch sehr langweiligen arbeit nachgehen. auch bei den bekannten kanzleien sitzt nicht immer hanno berger im besprechungsraum sondern meistens irgendwelche pappnasen, die ihren sklaven den mindestlohn nicht zahlen wollten. vor gericht machen die verteidiger oft gar nichts, weil man redliche belastungszeugen eben nichts fragt.
wenn man so ein strafverteidiger sein oder werden möchte, wie sich jedermann ihn vorstellt, bleibt nur die selbstständigkeit. eine nur auf das strafrecht ausgerichtete kanzlei aus dem nichts aufzubauen, ist aber fast unmöglich. das liegt maßgeblich daran, dass der finanzielle erfolg eines strafverteidigers ganz überwiegend von seiner bekanntheit und nicht von seiner kunst abhängt. ich kenne strafverteidiger mit ganz tiefen taschen, die regelmäßig akten nicht lesen, kein eigenes büro betreiben und mit dem mandanten nur minimal kommunizieren, also die mindeststandards der strafverteidigung unterschreiten. irgendwer kann jetzt einwenden, dass der erfolg eines jeden anwalts von seiner bekanntheit abhängt - stimmt, aber nur im strafrecht merkt es der mandant nicht, wenn der anwalt wirklich schlecht ist. andererseits kenne ich strafverteidiger, die wirklich gut sind, aber auch mit langjähriger erfahrung nur vier bis fünf brutto erwirtschaften.
der eleganteste weg zur eigenen strafrechtsbude dürfte über eine anstellung - und im folgenden teilzeitanstellung - bei einem arbeitgeber sein, der einem viel bis ausschließlich homeoffice und die eigene ra zulassung gönnt.
nachtrag: übrigens machen auch die bekannten und / oder guten anwälte die "rvg-mandate", die würde ich auch gar nicht unterschätzen. den phantasie-stundensatz bezahlt ein richtig stabiler mandant ohnehin nicht gänzlich, sondern nur die erste abrechnung oder anzahlung.
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"Kommunikative" Rechtsgebiete - von PeterP - 10.09.2024, 17:30
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