16.03.2024, 20:27
Hallo,
Ich habe in deinem anderen Thread schon eine längere Antwort gegeben und schreibe jetzt hier auch nochmal etwas:
Da Lernstrategien sehr individuell sind, drehen wir doch den Spieß um und schauen einfach mal, was das Ziel ist. Was muss man können/wissen, um im Examen zu bestehen oder sogar gute Noten zu erhalten.
Jeder Mensch ist unterschiedlich und lernt deshalb anders, aber das Ziel ist ja das selbe.
Mein erstes Examen liegt schon etwas zurück, deshalb lasse ich mich gerne von Kollegeninnen korrigieren, aber ich würde sagen, dass das Ziel einer Examensklausur-Lösung die folgenden Punkte sein sollten:
- Fertig werden
- Struktur einhalten
Gutachtenstil; Rechtsgrundlage, Tatbestand, Rechtsfolge; Definition, Subsumption; Anspruchsentstehung, Anspruchsuntergang; Objektiver Tatbestand, subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld; Formelle Rechtmäßigkeit, Materielle Rechtmäßigkeit
- Verständlichkeit/Nachvollziehbarkeit
Jedes juristische Dokument, egal ob Urteil, Klausur oder Klageschrift, ist dafür gemacht, von anderen Menschen gelesen und verstanden zu werden.
- Alle "Probleme" erkennen, an der richtigen Stelle in der Struktur verordnen (Tatbestand oder Rechtsfolge, Formell oder Matriell?) und zu einer vertretbaren Lösung kommen.
Insoweit unterscheidet sich die Klausur von der Praxis. Im ersten Examen ist fast jeder Satz des Sachverhalts an irgendeiner Stelle der Klausurlösung anzusprechen. Je nach Bundesland gibt es vielleicht auch mal Nebelkerzen, die in die Irre führen sollen, aber das ist die Ausnahme.
- Zu einer überzeugenden Lösung kommen
Jura ist keine Mathematik, deshalb heißt es "2 Juristen, 3 Meinungen". Für eine gute Note muss man nicht die BGH-Rechtsprechung treffen. Man muss die Gegenseite überzeugen, im Examen eben die Prüfer.
In der Klausur darf man sich nicht selbst widersprechen und an den 2-3 schwierigen/streitigen Schwerpunkten sollte man ein paar Argumente liefern. Ob man die Argumente auswendig gelernt hat oder ob sie einem spontan eingefallen sind, ist egal, solange sie gut sind.
- Schwerpunkte setzen
Manche Punkte dürfen auch im Ersten Examen im Urteilsstil abgehandelt werden, weil sie so offensichtlich sind. Andere Punkte müssen über 2 Seiten erläutert werden.
Man muss nicht 1zu1 die Musterlösung wiedergeben. Ich bin selbt in beiden Examen knapp ins VB gekommen, aber in meinen Klausuren war immernoch so viel falsch, das ich es selbst kaum fassen konnte.
Wie lernt man das? Ich habe selbst immer ein ganz gutes Rechtsverständnis gehalbt. Mein Problem war nur, dass ich zu faul war, auch nur irgendwas auswendig zu lernen. Ich habe mein ganzes Studium über in kein Lehrbuch geschaut (nur für Hausarbeiten), und in der Examensvorbereitung vor allem Prüfungsschemata und Definitionen auswendig gelernt.
Ich habe erst im 6.-7. Semester ernsthaft mit dem Studium angefangen und empfehle dringends, es anders zu machen. Mein Lernen, außerhalb des Repetitoriums ab dem 7. Semester sah so aus:
1. Erst Prüfungsschema anfertigen und lernen
Keine Defintionen usw.
Nur:
Anspruch aus §280 I BGB: Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Vertretenmüssen, Kausaler Schaden
Rechmäßgkeit eines VA: Rechtsgrundlage, Formelle Rechtmäßigkeit (Zuständigkeit, Verfahren, Form), Materielle Rechtmäßigkeit (Tatbestand, Rechtsfolge)
Ansprüche im Zivilrecht: Vertraglich, Quasi-Vertraglich, EBV (Sperrwirkung!), GoA, Delikt, Bereicherung
usw.
Wobei du es vertikal schreiben solltest. Dann prägt sich das besser ein. Das sind nämlich deine Zwischenüberschriften im Gutachten.
Diese Dinge müssen 100% sitzen, auch nachts um 3, auch bei 1,5 Promille.
2. Dann die wichtigsten Definitionen
Die wichtigsten Definitionen möglichst im Wortlaut, periphäre Definitionen dem Sinn gemäß. ggf. wird in der Definition ein Begriff verwendet, dessen Defintion man kennen sollte (Diebstahl, Wegnahme, Gewahrsamsbruch, Gewahrsam, Bruch, usw.)
3. Rechtstechnik
Gutachtenstil: Definition, Subsumption
Argumentationstechniken: Umkehrschluss, Erstrechtschluss, usw; Im Jura-Latein: argumentum e contrario, a maiore ad minus, ad absolutum/absurdum, usw., wobei man nicht das latainische Wort kennen muss, aber den jeweiligen Gedankengang, der dahinter steht.
Auslegungstechniken: Wortlaut, System, (Historisch), Sinn und Zweck(!!!)
Selbst wenn man die Klausur nicht kennt oder von dem Problem noch nicht gehört hat, kann man mit guter Technik und einem guten Argument einiges rausholen.
"Fraglich ob mit XY auch Z gemeint sein könnte. Der Wortlaut spricht dafür, weil [...]. Vom Sinn und Zweck her kann es aber nicht sein, dass [...], weil [...]. Im Ergebnis [...]."
5. Klausuren schreiben
Hab ich zu wenig gemacht. Kann ich nur empfehlen. Mir wurde es empfohlen, ich habe es nicht gemacht und dann bereut....
Wenigstens Lösungsskizzen anfertigen.
4. Meinungsstreitigkeiten
Im ersten Examen durchaus wichtig. Aber!! Meinungsstreite nicht im luftleeren Raum lernen, sondern im Hinterkopf haben, an welcher Stelle im der Struktur der Streit anzusprechen ist. Meistens geht es entweder um eine bestimmte Definition oder den Anwendungsbereich einer Norm.
Ich wünsche viel Erfolg!
Ich habe in deinem anderen Thread schon eine längere Antwort gegeben und schreibe jetzt hier auch nochmal etwas:
Da Lernstrategien sehr individuell sind, drehen wir doch den Spieß um und schauen einfach mal, was das Ziel ist. Was muss man können/wissen, um im Examen zu bestehen oder sogar gute Noten zu erhalten.
Jeder Mensch ist unterschiedlich und lernt deshalb anders, aber das Ziel ist ja das selbe.
Mein erstes Examen liegt schon etwas zurück, deshalb lasse ich mich gerne von Kollegeninnen korrigieren, aber ich würde sagen, dass das Ziel einer Examensklausur-Lösung die folgenden Punkte sein sollten:
- Fertig werden
- Struktur einhalten
Gutachtenstil; Rechtsgrundlage, Tatbestand, Rechtsfolge; Definition, Subsumption; Anspruchsentstehung, Anspruchsuntergang; Objektiver Tatbestand, subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld; Formelle Rechtmäßigkeit, Materielle Rechtmäßigkeit
- Verständlichkeit/Nachvollziehbarkeit
Jedes juristische Dokument, egal ob Urteil, Klausur oder Klageschrift, ist dafür gemacht, von anderen Menschen gelesen und verstanden zu werden.
- Alle "Probleme" erkennen, an der richtigen Stelle in der Struktur verordnen (Tatbestand oder Rechtsfolge, Formell oder Matriell?) und zu einer vertretbaren Lösung kommen.
Insoweit unterscheidet sich die Klausur von der Praxis. Im ersten Examen ist fast jeder Satz des Sachverhalts an irgendeiner Stelle der Klausurlösung anzusprechen. Je nach Bundesland gibt es vielleicht auch mal Nebelkerzen, die in die Irre führen sollen, aber das ist die Ausnahme.
- Zu einer überzeugenden Lösung kommen
Jura ist keine Mathematik, deshalb heißt es "2 Juristen, 3 Meinungen". Für eine gute Note muss man nicht die BGH-Rechtsprechung treffen. Man muss die Gegenseite überzeugen, im Examen eben die Prüfer.
In der Klausur darf man sich nicht selbst widersprechen und an den 2-3 schwierigen/streitigen Schwerpunkten sollte man ein paar Argumente liefern. Ob man die Argumente auswendig gelernt hat oder ob sie einem spontan eingefallen sind, ist egal, solange sie gut sind.
- Schwerpunkte setzen
Manche Punkte dürfen auch im Ersten Examen im Urteilsstil abgehandelt werden, weil sie so offensichtlich sind. Andere Punkte müssen über 2 Seiten erläutert werden.
Man muss nicht 1zu1 die Musterlösung wiedergeben. Ich bin selbt in beiden Examen knapp ins VB gekommen, aber in meinen Klausuren war immernoch so viel falsch, das ich es selbst kaum fassen konnte.
Wie lernt man das? Ich habe selbst immer ein ganz gutes Rechtsverständnis gehalbt. Mein Problem war nur, dass ich zu faul war, auch nur irgendwas auswendig zu lernen. Ich habe mein ganzes Studium über in kein Lehrbuch geschaut (nur für Hausarbeiten), und in der Examensvorbereitung vor allem Prüfungsschemata und Definitionen auswendig gelernt.
Ich habe erst im 6.-7. Semester ernsthaft mit dem Studium angefangen und empfehle dringends, es anders zu machen. Mein Lernen, außerhalb des Repetitoriums ab dem 7. Semester sah so aus:
1. Erst Prüfungsschema anfertigen und lernen
Keine Defintionen usw.
Nur:
Anspruch aus §280 I BGB: Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Vertretenmüssen, Kausaler Schaden
Rechmäßgkeit eines VA: Rechtsgrundlage, Formelle Rechtmäßigkeit (Zuständigkeit, Verfahren, Form), Materielle Rechtmäßigkeit (Tatbestand, Rechtsfolge)
Ansprüche im Zivilrecht: Vertraglich, Quasi-Vertraglich, EBV (Sperrwirkung!), GoA, Delikt, Bereicherung
usw.
Wobei du es vertikal schreiben solltest. Dann prägt sich das besser ein. Das sind nämlich deine Zwischenüberschriften im Gutachten.
Diese Dinge müssen 100% sitzen, auch nachts um 3, auch bei 1,5 Promille.
2. Dann die wichtigsten Definitionen
Die wichtigsten Definitionen möglichst im Wortlaut, periphäre Definitionen dem Sinn gemäß. ggf. wird in der Definition ein Begriff verwendet, dessen Defintion man kennen sollte (Diebstahl, Wegnahme, Gewahrsamsbruch, Gewahrsam, Bruch, usw.)
3. Rechtstechnik
Gutachtenstil: Definition, Subsumption
Argumentationstechniken: Umkehrschluss, Erstrechtschluss, usw; Im Jura-Latein: argumentum e contrario, a maiore ad minus, ad absolutum/absurdum, usw., wobei man nicht das latainische Wort kennen muss, aber den jeweiligen Gedankengang, der dahinter steht.
Auslegungstechniken: Wortlaut, System, (Historisch), Sinn und Zweck(!!!)
Selbst wenn man die Klausur nicht kennt oder von dem Problem noch nicht gehört hat, kann man mit guter Technik und einem guten Argument einiges rausholen.
"Fraglich ob mit XY auch Z gemeint sein könnte. Der Wortlaut spricht dafür, weil [...]. Vom Sinn und Zweck her kann es aber nicht sein, dass [...], weil [...]. Im Ergebnis [...]."
5. Klausuren schreiben
Hab ich zu wenig gemacht. Kann ich nur empfehlen. Mir wurde es empfohlen, ich habe es nicht gemacht und dann bereut....
Wenigstens Lösungsskizzen anfertigen.
4. Meinungsstreitigkeiten
Im ersten Examen durchaus wichtig. Aber!! Meinungsstreite nicht im luftleeren Raum lernen, sondern im Hinterkopf haben, an welcher Stelle im der Struktur der Streit anzusprechen ist. Meistens geht es entweder um eine bestimmte Definition oder den Anwendungsbereich einer Norm.
Ich wünsche viel Erfolg!
Nachrichten in diesem Thema
Wie waren eure Lernstrategien? - von Frischling - 10.03.2024, 19:44
RE: Wie waren eure Lernstrategien? - von GPAKandidat2023 - 11.03.2024, 00:21
RE: Wie waren eure Lernstrategien? - von Heyyho - 16.03.2024, 20:27