04.11.2023, 14:52
(31.10.2023, 16:30)Friedman schrieb:(30.10.2023, 19:49)LMH schrieb: Habe dieses Jahr von Bewerbungsverfahren bei der bayerischen Justiz gehört, in denen sogar nach Noten aus Probeklausuren (Stationszeugnisse) gefragt wurde
Die bayerische Justiz hat auch einen Schuß weg, was das Einstellungsprozedere betrifft. Da werden Leute nach ihren suboptimalen Noten gefragt, da es im zweiten Examen "nur" ein VB nach einem Gut im ersten wurde. Es wird jungen Leuten mehr oder weniger unverblümt angedroht, dass es in der Justiz garantiert nichts wird, wenn sie die Halbtagsstelle in Hintertupfing nicht annehmen, die dann doch oh Wunder entgegen vorheriger Stellenknappheit frei sei. Langsam im Bewerbungsprozess sind sie sowieso. Das dauert bspw. in der Finanzverwaltung zwischen Bewerbung, Interview und Zusage nicht einmal einen Monat.
Ich kenne daher allein drei Juristen aus meinem engeren Umkreis, die durch das teils unverschämte, teils unprofessionelle Gebahren der Justiz lieber in der (Finanz-)Verwaltung untergekommen sind, ein weiterer ist dem Staatsdienst gleich ganz fern geblieben. Das sind allesamt Leute mit mindestens Doppel-VB, einer sogar mit vierfachem Lametta. Die hocken jetzt als Referenten in Oberbehörden und Ministerien, bis es ans VG/FG geht. Lustigerweise mit Ausnahme des Dr. Doppel-VB LLM, der schnellstmöglich wieder ans FA will. So vergrault man sich in Bayern topqualifizierte Leute. Da hockt dann der junge Jurist mit voller Kriegsbemalung mit A14 am FA und gibt Urlaubsanträge frei, während in den abgelegenen Regionen Bayerns in wenigen Jahren ein Richter mit Prädikat eine Sagengestalt alter Ammenmärchen sein wird.
Es ist etwas dran, dass man in Bayern je nach Bewerberlage erst einmal zappeln gelassen wird und jedem signalisiert wird, dass es auch Bewerber mit besseren Noten gibt. Dass das abschreckt, kann ich aus eigener Erfahrung verstehen.
Fakt ist aber auch:
1. Wer die Note hat und nicht die Nerven verliert, der kommt mit etwas Geduld an einen wohnortnahen Standort. Meiner Erfahrung nach gibt man alle in Frage kommenden Orte an und bekommt dann auch nur diese angeboten oder bekommt es jedenfalls nicht nachteilig ausgelegt, wenn man ein anderes Angebot ablehnt. Mit den o.g. Schauergeschichten möchte man vielleicht die Leute an abgelegene Orte quatschen, aber niemand muss sich darauf einlassen, außer vielleicht man ist notenmäßig wirklich arg an der Grenze (selbst da könnte man es aber erst einmal ein paar Monate aussitzen).
2. Wenn man hier von Einstellungsverfahren aus anderen Bundesländern hört (Assessment-Center, Richterwahlausschuss), dann ist das Auswahlverfahren abgesehen von der Note nirgends so einfach wie in Bayern. Wer die Note hat und in einem harmlosen Vorstellungsgespräch nicht irgendetwas ganz Komisches raushaut oder irgendwie als Extremist auffällt, der wird auch genommen. Man muss höchstens einer Frage à la "Warum haben Sie in AG 2 plötzlich nur 6 Punkte gehabt?" normal begegnen können, ohne patzig zu werden oder in Tränen auszubrechen - was man von einem künftigen Richter doch erwarten kann.
Nachrichten in diesem Thema
Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von Gast2342 - 14.10.2023, 18:07
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von juraistschön - 14.10.2023, 19:13
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von Farbwenz - 29.10.2023, 13:52
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von ohmann75 - 29.10.2023, 14:06
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von Law.NRW - 30.10.2023, 15:55
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von LMH - 30.10.2023, 19:49
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von Friedman - 31.10.2023, 16:30
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von Farbwenz - 04.11.2023, 14:52
RE: Schlechte Einzelnote - schlecht für Justizeinstieg? - von Spencer - 04.11.2023, 18:47