01.07.2023, 12:10
Guten Morgen,
zunächst einmal ist deine Frage aus meiner Sicht gar nicht so ungewöhnlich - viele fragen sich zu Beginn, wie sie ihren Alltag strukturieren können.
Hinsichtlich der Arbeitsabläufe dürfte das zumindest im Rahmen der gerichtlichen Tätigkeit (StA kann ich nicht beurteilen) ohne größeren Aufwand möglich sein. Am Anfang steht hier jeder wie der sprichwörtliche "Ochs vorm Berg" und hat eigentlich keine Ahnung was er tut - das Fragen bei Kollegen ist daher in den ersten Monaten unumgänglich aber auch vollkommen in Ordnung - an unserem Gericht gäbe es da glaube ich keinen, der nicht bereitwillig Antworten geben würde.
Ansich sind die Arbeitsabläufe der Richter jedoch für 90 % der Fälle relativ standardisiert (je nach Fachgebiet natürlich unterschiedlich, aber eben immer Standard). Die meisten kommen da auch ohne Skripte und ähnliche Merkhilfen ganz gut rein, sodass ich denke in diesem Bereich wirst du das nicht unbedingt brauchen. Für die mündliche Verhandlung haben die meisten Gerichte (oder wenigstens einige erfahrene Kollegen) Vorlagen, die gerade für die Anfangszeit sehr praktisch sind um keine Formalia zu vergessen. Am besten einfach bei den Kollegen erfragen.
Sollten die paar wenigen Ausnahmefälle eintreten wirst du auch als erfahrener Praktiker ggf. nicht um das Fragen herumkommen, aber auch da dürfte sich immer jemand finden, der das schonmal gemacht hat.
Hier vielleicht noch ein Tipp (weil viele sich auch manchmal nicht trauen zu oft zu fragen): Du wirst in nicht unerheblichen Maße an deinen Erledigungen gemessen und hast wie jeder Mensch nur eine begrenzte Arbeitszeit. Lieber 5 Minuten für eine Frage opfern, als 60 Minuten in Kommentaren und Fachbüchern nach der Antwort suchen, sonst entgleitet dir die Arbeitszeit schneller als du gucken kannst.
Zu deiner zweiten Frage kann ich mich grundsätzlich Leo@ius anschließen.
Im Idealfall jede Akte nur einmal lesen. Alles andere ist zumeist Zeitverschwendung.
Ich mache es in meinem Zivildezernat in den Einzelrichtersachen in der Regel wie folgt: (Die obligatorische Zuständigkeitsprüfung lasse ich mals raus^^)
Ich überfliege jeweils Klage und Klageerwiederung und überlege dann ob ich bereits jetzt ein weiteres Vorgehen bestimmen kann und will oder nicht. Falls nicht warte ich noch die Replik ab.
Spätestens jetzt lese ich die Akte komplett und schreibe mir dabei nebenbei den Tatbestand. So habe ich a) den Akteninhalt sowohl für die mündliche Verhandlung als auch für ein späteres Lesen kompakt zusammengefasst und b) kann ihn bei Notwendigkeit (ggf. ergänzt / geändert bei späteren Änderungen der Sachlage) per Copy/Paste in ein Urteil übernehmen.
Gleichzeitig schreibe ich mir die rechtlichen Erwägungen in Stichsätzen heraus, jeweils mit Beweislastverteilung und ggf. angebotenen Beweismitteln.
Hier darauf achten, dass man nur dass aus eigener Sicht rechtlich erhebliche aufführt - sonst führt man hinterher ggf. vollkommen unnötige Beweisaufnahmen durch (das ist ärgerlich ;)).
Dann schaue ich ob ein Sachverständigenbeweis erhoben werden muss, falls ja: Beweisbeschluss und beten, dass man die Akte innerhalb eines Jahres wiedersieht.
Falls nein: Gottseidank. Dann terminiere ich und lade ggf. Zeugen (auch hier wieder prüfen: Zeugenbeweis wirklich notwendig?).
Ich terminiere grundsätzlich nie ohne die o.g. Vorbereitung - das bringt einen vor dem Termin nur in unnötigen Zugzwang und es ist nicht notwendig. Das Charmante: Wenn ich die Akte zum Termin wiedervorgelegt bekomme, dann habe ich ja bereits meine Terminsvorbereitung abgefasst, die kann ich wenns gar nicht anders geht auch eine Stunde vor dem Termin noch durchlesen und weiß wieder was Sache ist.
Mit dieser Vorgehensweise kriege ich die meisten meiner ER-Sachen (ohne Sachverständigenbeweis) innerhalb von 6-9 Monaten nach Eingang erledigt, was für die vorgenannten (sehr relevanten) Erledigungszahlen nachtürlich nicht schlecht ist.
In Kammersachen sieht das natürlich anders aus. Hier bist du vollends von deinem Vorsitzenden abhängig, dazu kann man hier daher leider kein wirkliches Schema vorstellen, weil ich da echt sehr unterschiedliche Herangehenweisen kennengelernt habe.
Abschließend wünsche ich dir einen guten Einstieg in die Justiz :)
zunächst einmal ist deine Frage aus meiner Sicht gar nicht so ungewöhnlich - viele fragen sich zu Beginn, wie sie ihren Alltag strukturieren können.
Hinsichtlich der Arbeitsabläufe dürfte das zumindest im Rahmen der gerichtlichen Tätigkeit (StA kann ich nicht beurteilen) ohne größeren Aufwand möglich sein. Am Anfang steht hier jeder wie der sprichwörtliche "Ochs vorm Berg" und hat eigentlich keine Ahnung was er tut - das Fragen bei Kollegen ist daher in den ersten Monaten unumgänglich aber auch vollkommen in Ordnung - an unserem Gericht gäbe es da glaube ich keinen, der nicht bereitwillig Antworten geben würde.
Ansich sind die Arbeitsabläufe der Richter jedoch für 90 % der Fälle relativ standardisiert (je nach Fachgebiet natürlich unterschiedlich, aber eben immer Standard). Die meisten kommen da auch ohne Skripte und ähnliche Merkhilfen ganz gut rein, sodass ich denke in diesem Bereich wirst du das nicht unbedingt brauchen. Für die mündliche Verhandlung haben die meisten Gerichte (oder wenigstens einige erfahrene Kollegen) Vorlagen, die gerade für die Anfangszeit sehr praktisch sind um keine Formalia zu vergessen. Am besten einfach bei den Kollegen erfragen.
Sollten die paar wenigen Ausnahmefälle eintreten wirst du auch als erfahrener Praktiker ggf. nicht um das Fragen herumkommen, aber auch da dürfte sich immer jemand finden, der das schonmal gemacht hat.
Hier vielleicht noch ein Tipp (weil viele sich auch manchmal nicht trauen zu oft zu fragen): Du wirst in nicht unerheblichen Maße an deinen Erledigungen gemessen und hast wie jeder Mensch nur eine begrenzte Arbeitszeit. Lieber 5 Minuten für eine Frage opfern, als 60 Minuten in Kommentaren und Fachbüchern nach der Antwort suchen, sonst entgleitet dir die Arbeitszeit schneller als du gucken kannst.
Zu deiner zweiten Frage kann ich mich grundsätzlich Leo@ius anschließen.
Im Idealfall jede Akte nur einmal lesen. Alles andere ist zumeist Zeitverschwendung.
Ich mache es in meinem Zivildezernat in den Einzelrichtersachen in der Regel wie folgt: (Die obligatorische Zuständigkeitsprüfung lasse ich mals raus^^)
Ich überfliege jeweils Klage und Klageerwiederung und überlege dann ob ich bereits jetzt ein weiteres Vorgehen bestimmen kann und will oder nicht. Falls nicht warte ich noch die Replik ab.
Spätestens jetzt lese ich die Akte komplett und schreibe mir dabei nebenbei den Tatbestand. So habe ich a) den Akteninhalt sowohl für die mündliche Verhandlung als auch für ein späteres Lesen kompakt zusammengefasst und b) kann ihn bei Notwendigkeit (ggf. ergänzt / geändert bei späteren Änderungen der Sachlage) per Copy/Paste in ein Urteil übernehmen.
Gleichzeitig schreibe ich mir die rechtlichen Erwägungen in Stichsätzen heraus, jeweils mit Beweislastverteilung und ggf. angebotenen Beweismitteln.
Hier darauf achten, dass man nur dass aus eigener Sicht rechtlich erhebliche aufführt - sonst führt man hinterher ggf. vollkommen unnötige Beweisaufnahmen durch (das ist ärgerlich ;)).
Dann schaue ich ob ein Sachverständigenbeweis erhoben werden muss, falls ja: Beweisbeschluss und beten, dass man die Akte innerhalb eines Jahres wiedersieht.
Falls nein: Gottseidank. Dann terminiere ich und lade ggf. Zeugen (auch hier wieder prüfen: Zeugenbeweis wirklich notwendig?).
Ich terminiere grundsätzlich nie ohne die o.g. Vorbereitung - das bringt einen vor dem Termin nur in unnötigen Zugzwang und es ist nicht notwendig. Das Charmante: Wenn ich die Akte zum Termin wiedervorgelegt bekomme, dann habe ich ja bereits meine Terminsvorbereitung abgefasst, die kann ich wenns gar nicht anders geht auch eine Stunde vor dem Termin noch durchlesen und weiß wieder was Sache ist.
Mit dieser Vorgehensweise kriege ich die meisten meiner ER-Sachen (ohne Sachverständigenbeweis) innerhalb von 6-9 Monaten nach Eingang erledigt, was für die vorgenannten (sehr relevanten) Erledigungszahlen nachtürlich nicht schlecht ist.
In Kammersachen sieht das natürlich anders aus. Hier bist du vollends von deinem Vorsitzenden abhängig, dazu kann man hier daher leider kein wirkliches Schema vorstellen, weil ich da echt sehr unterschiedliche Herangehenweisen kennengelernt habe.
Abschließend wünsche ich dir einen guten Einstieg in die Justiz :)
Nachrichten in diesem Thema
Wieviel schreibt man sich auf und wann verlässt man sich auf sein Gedächtnis? - von Jegxa - 01.07.2023, 06:20
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