24.03.2023, 18:08
Hallo zusammen,
zusammengefasst vorweg: ich bin am überlegen, das Referendariat abzubrechen und nach Möglichkeit im Unternehmen im Compliance-Bereich unterzukommen und würde gerne mit euch brainstormen, ob dies sinnvoll ist.
Zu mir und meiner Geschichte: Ich bin jetzt Mitte/Ende 20 und mache seit 1 Jahr das Referendariat in Bayern und bin mit den Nerven am Ende. Aber Schritt für Schritt.
Mein Studium war auch schon ein einziger Krampf. Nie habe ich gute Noten geschrieben und mich von Klausur zu Klausur geschleppt. Im Examen hatte ich dann einen Schnitt von knapp über 5 Punkten im schriftlichen Staatsteil und 13 Punkte im Schwerpunkt. Insgesamt also knapp über 8 Punkte im 1. Examen. Im Studium habe ich keine einzige Klausur besser als 7 Punkte geschrieben, außer die Schwerpunktsklausur mit 13 Punkten. Woran hat es gelegen? Nun ja, vermutlich am Wissen, da ich mich nie wirklich motivieren konnte, strukturiert zu lernen. Ich war keinesfalls faul, sondern vielmehr dauergestresst, weil ich immer großartigen Vorstellungen von mir selbst nachhing. Und in den Klausuren wurde ich zwar häufig für gute Argumentationen gelobt aber immer hakte der Aufbau oder es fehlten schlicht Dinge, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich musste mir stets alles selbst herleiten, da ich ja kaum materielles Wissen hatte. Und so konnten die meisten anderen Studierenden schneller eine Lösung zu Papier bringen, die auch vollständiger war. Eine Juraklausur ist nunmal kein Essay-Wettbewerb.
Was hat mich denn überhaupt motiviert, Jura zu studieren? Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Internationales und bin auch einigermaßen sprachenbegabt (Englisch und Spanisch). Ich habe mir erhofft, mit Jura aufregendere Jobs zu bekommen, als wenn ich Sprachen oder Politik studiert hätte. Ich habe sehr gerne die Hausarbeiten geschrieben und kann sehr gut argumentieren und überzeugen. Aber der große Funken ist nie wirklich übergesprungen und ich habe immer weitergemacht nach dem Motto "später wirds besser".
Nun bin ich also im Referendariat und wandele von einer Sinnkrise zur nächsten. Begonnen habe ich das Referendariat mit dem Willen, von Anfang an mitzulernen. Das hat überhaupt nicht geklappt und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt auch nur ein einziges Mal an den Schreibtisch gesetzt, um Theorie zu lernen. In den AGs war ich aber aufmerksam und habe fast alle Pflicht- und freiwilligen Klausuren mitgeschrieben. Schnitt nach 15 Klausuren: 4,1 Punkte, mehrere Klausuren nicht bestanden. Ich habe die praktische Arbeit gerne und fleißig erledigt, sodass ich hier auch sehr gute Ausbildungszeugnisse erhalten habe. Allerdings hat vor einigen Wochen der Steuerrechtslehrgang stattgefunden, den ich gar nicht nachgearbeitet habe. Dies ist problematisch, da ich keine Ahnung vom Steuerrecht habe und Steuerrecht eine Klausur von 9 ausmacht in Bayern. Zudem wackelte ich im öffentlichen Recht sehr stark, da ich Baurecht überhaupt nicht kann. Auch vom Erbrecht habe ich schlicht gar keine Ahnung und auch dies kommt wahrscheinlich dran, da die Kautelarklausuren immer beliebter werden. Es sieht also ohnehin eher düster aus. Zudem frage ich mich ständig, wofür ich den ganzen Kram lernen soll, wenn es doch genug Leute gibt, die sich mit Freude tagein tagaus stundenlang damit beschäftigen.
Seit einigen Wochen geht's jedoch rapide bergab mit meiner ohnehin schon geringen Motivation. Ich hatte zunächst gesundheitliche Probleme, sodass ich ca 1,5 Wochen im Bett lag. Seitdem konnte ich mich nicht mehr motivieren, irgendetwas für das Ref zu tun, also auch keine Klausuren mehr zu schreiben. Stattdessen hat sich der Gedanke breitgemacht, dass ich ja das Referendariat abbrechen, mich der ganzen Quälerei entledigen und einfach einen Job als Diplomjurist anfangen könnte. Denn eigentlich will ich ja gar nicht rein juristisch arbeiten (glaube ich momentan zumindest), da man hierfür ja tiefgreifende Kenntnisse aus der Ausbildung bräuchte. Die Aneignung dieser Kenntnisse habe ich jedoch größtenteils versäumt.
Ich habe nach einer kurzen Suche zahlreiche Jobangebote auf den einschlägigen Jobportalen im Compliance-Bereich gefunden. Auf den ersten Blick vereint der Beruf des Compliance Managers alles, was mir gefällt: Internationales Umfeld mit Reisemöglichkeiten, sicheres Gehalt, Arbeit auf Englisch und in einigen Unternehmen sogar auf Spanisch, keine strikt juristische Tätigkeit.
Nun würde ich gerne wissen; welches Risiko würde ein solcher Bruch im Lebenslauf darstellen? Ist es überhaupt möglich, ohne weiteres als Diplomjurist im Unternehmen durchzustarten? Und sollten meine Gedanken nicht sinnvoll sein, wie stellt man es an, bis zum Examen durchzuhalten und nicht die Flinte ins Korn zu werfen?
Danke und liebe Grüße!
zusammengefasst vorweg: ich bin am überlegen, das Referendariat abzubrechen und nach Möglichkeit im Unternehmen im Compliance-Bereich unterzukommen und würde gerne mit euch brainstormen, ob dies sinnvoll ist.
Zu mir und meiner Geschichte: Ich bin jetzt Mitte/Ende 20 und mache seit 1 Jahr das Referendariat in Bayern und bin mit den Nerven am Ende. Aber Schritt für Schritt.
Mein Studium war auch schon ein einziger Krampf. Nie habe ich gute Noten geschrieben und mich von Klausur zu Klausur geschleppt. Im Examen hatte ich dann einen Schnitt von knapp über 5 Punkten im schriftlichen Staatsteil und 13 Punkte im Schwerpunkt. Insgesamt also knapp über 8 Punkte im 1. Examen. Im Studium habe ich keine einzige Klausur besser als 7 Punkte geschrieben, außer die Schwerpunktsklausur mit 13 Punkten. Woran hat es gelegen? Nun ja, vermutlich am Wissen, da ich mich nie wirklich motivieren konnte, strukturiert zu lernen. Ich war keinesfalls faul, sondern vielmehr dauergestresst, weil ich immer großartigen Vorstellungen von mir selbst nachhing. Und in den Klausuren wurde ich zwar häufig für gute Argumentationen gelobt aber immer hakte der Aufbau oder es fehlten schlicht Dinge, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich musste mir stets alles selbst herleiten, da ich ja kaum materielles Wissen hatte. Und so konnten die meisten anderen Studierenden schneller eine Lösung zu Papier bringen, die auch vollständiger war. Eine Juraklausur ist nunmal kein Essay-Wettbewerb.
Was hat mich denn überhaupt motiviert, Jura zu studieren? Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Internationales und bin auch einigermaßen sprachenbegabt (Englisch und Spanisch). Ich habe mir erhofft, mit Jura aufregendere Jobs zu bekommen, als wenn ich Sprachen oder Politik studiert hätte. Ich habe sehr gerne die Hausarbeiten geschrieben und kann sehr gut argumentieren und überzeugen. Aber der große Funken ist nie wirklich übergesprungen und ich habe immer weitergemacht nach dem Motto "später wirds besser".
Nun bin ich also im Referendariat und wandele von einer Sinnkrise zur nächsten. Begonnen habe ich das Referendariat mit dem Willen, von Anfang an mitzulernen. Das hat überhaupt nicht geklappt und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt auch nur ein einziges Mal an den Schreibtisch gesetzt, um Theorie zu lernen. In den AGs war ich aber aufmerksam und habe fast alle Pflicht- und freiwilligen Klausuren mitgeschrieben. Schnitt nach 15 Klausuren: 4,1 Punkte, mehrere Klausuren nicht bestanden. Ich habe die praktische Arbeit gerne und fleißig erledigt, sodass ich hier auch sehr gute Ausbildungszeugnisse erhalten habe. Allerdings hat vor einigen Wochen der Steuerrechtslehrgang stattgefunden, den ich gar nicht nachgearbeitet habe. Dies ist problematisch, da ich keine Ahnung vom Steuerrecht habe und Steuerrecht eine Klausur von 9 ausmacht in Bayern. Zudem wackelte ich im öffentlichen Recht sehr stark, da ich Baurecht überhaupt nicht kann. Auch vom Erbrecht habe ich schlicht gar keine Ahnung und auch dies kommt wahrscheinlich dran, da die Kautelarklausuren immer beliebter werden. Es sieht also ohnehin eher düster aus. Zudem frage ich mich ständig, wofür ich den ganzen Kram lernen soll, wenn es doch genug Leute gibt, die sich mit Freude tagein tagaus stundenlang damit beschäftigen.
Seit einigen Wochen geht's jedoch rapide bergab mit meiner ohnehin schon geringen Motivation. Ich hatte zunächst gesundheitliche Probleme, sodass ich ca 1,5 Wochen im Bett lag. Seitdem konnte ich mich nicht mehr motivieren, irgendetwas für das Ref zu tun, also auch keine Klausuren mehr zu schreiben. Stattdessen hat sich der Gedanke breitgemacht, dass ich ja das Referendariat abbrechen, mich der ganzen Quälerei entledigen und einfach einen Job als Diplomjurist anfangen könnte. Denn eigentlich will ich ja gar nicht rein juristisch arbeiten (glaube ich momentan zumindest), da man hierfür ja tiefgreifende Kenntnisse aus der Ausbildung bräuchte. Die Aneignung dieser Kenntnisse habe ich jedoch größtenteils versäumt.
Ich habe nach einer kurzen Suche zahlreiche Jobangebote auf den einschlägigen Jobportalen im Compliance-Bereich gefunden. Auf den ersten Blick vereint der Beruf des Compliance Managers alles, was mir gefällt: Internationales Umfeld mit Reisemöglichkeiten, sicheres Gehalt, Arbeit auf Englisch und in einigen Unternehmen sogar auf Spanisch, keine strikt juristische Tätigkeit.
Nun würde ich gerne wissen; welches Risiko würde ein solcher Bruch im Lebenslauf darstellen? Ist es überhaupt möglich, ohne weiteres als Diplomjurist im Unternehmen durchzustarten? Und sollten meine Gedanken nicht sinnvoll sein, wie stellt man es an, bis zum Examen durchzuhalten und nicht die Flinte ins Korn zu werfen?
Danke und liebe Grüße!
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