11.02.2023, 14:57
(11.02.2023, 00:19)Praktiker schrieb: Das ist in dieser Pauschalität unrichtig und nicht in Ordnung gegenüber den Kollegen, die ihre Fälle in der bezahlten Zeit und trotzdem ordentlich bearbeiten.
Das ist auch das Ärgernis an dem Freiburger Fall: dass hier jemand für sich beansprucht hat, selbst bestimmen zu dürfen, wie viel er arbeitet, und zugleich suggeriert wird, alle anderen, die mehr arbeiten, würden das dafür in schlechterer Qualität tun.
Und ja: als Steuerzahler und als Kollege, der nicht bei einem Bruchteil des Gehalts ein Mehrfaches arbeiten wollte, fand ich es richtig, dass ein solches Verhalten ab irgendeiner Grenze sanktioniert wird - wenn auch nur in Form eines folgenlosen Vorhalts...
Es gibt einen Unterschied zwischen erbrachter Leistung und Erledigungszahlen. Selbstverständlich darf ein Richter nicht "selbst bestimmen, wie viel er arbeitet". Das verlangt auch niemand. Es ist indes völlig unstreitig, dass in dem konkreten Fall die geschuldete Arbeitszeit erbracht wird (und sogar mehr Stunden gearbeitet wurde, als eigentlich geschuldet). Nun mag es sinnvoll sein, zumindest eine absolute "Untergrenze" für die Erledigungszahlen zu definieren, weil ~40 Wochenstunden zumindest in irgendeinem konkreten Ergebnis münden sollten.
Der entscheidende Punkt ist aber: Die indirekt vorgegebenen Erledigungszahlen sind in meinen Augen (du magst das anders sehen) zu hoch. Das trotz >40 Wochenstunden allein die Zahl von 68% der Erledigungen des Durchschnitts (der wie gesagt durch die Verwaltung schon stark noch oben geschoben wurde) zu einer Sanktionierung führt, ist bedenklich.
Solange einige Kollegen eine Kritik am Sparzwang und der Überlastung der Justiz und den hohen indirekten Erledigungsvorgaben durch die Exekutive als eine Unterstellung "man selbst würde nicht gründlich arbeiten" versteht, wird sich dieses System indes nicht ändern. Während andere Berufsgruppen wie Ärzte oder Lehrer geschlossen gemeinsam ihre Interessen vertreten, sind deutsche Juristen vornehmlich damit beschäftigt, sich gegenseitig fertig zu machen. Da muss man sich dann über die Arbeitsbedingungen und Bezahlung in der deutschen Justiz - die nachweislich im europäischen Vergleich ziemlich schlecht sind - auch nicht wundern.
Wie gesagt: Es lässt sich statistisch klar nachweisen, dass die Einstellungen nach § 153 oder Vergleiche im Zivilrecht deutlich zunehmen. Es wird übrigens auch immer weniger Beweis erhoben. Mit materiellem Recht hat das wenig zu tun: Aber wenn die Aktenstapel immer weiter wachsen, gibt es eben unbewusst deutliche Anreize, sein Verhalten anzupassen. Wer vorhat, zur Justiz zu gehen, sollte das berücksichtigen.
Wen es interessiert, zum Zivilprozess hier eine gute Untersuchung aus dem Jahr 2018: (https://www.bundestag.de/resource/blob/5...r-data.pdf).
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