12.10.2022, 02:16
(12.10.2022, 01:21)Desperados schrieb:Eine Glaskugel habe ich natürlich auch nicht. Wenn man die Frage stellt, ob weniger als vorher eingestellt wird, geht es als Vergleichsmaßstab um das Vorkrisenniveau. Ich bin mir aber gar nicht sicher, dass das Vorkrisenniveau der Einstellungen so hoch war. Im vergangenen Geschäftsjahr sind die Umsätze um 6,5 Prozent gestiegen, die Anzahl der Berufsträger dagegen nur um 3 Prozent (hab ich mir nicht ausgedacht: https://www.juve.de/pressemitteilungen/j...r-2021-22/). Der Personalbestand dürfte also gar nicht allzu hoch sein. Nach meinem Eindruck haben manche Kanzleien sogar weniger eingestellt, als sie eigentlich wollten. Gute, arbeitswillige Kandidaten sind bekanntlich rar.(12.10.2022, 00:40)Gast schrieb:(11.10.2022, 21:33)naservas schrieb:2020 war für manche Teile der Wirtschaft sicherlich nicht leicht. Die Großkanzleien gehören aber nicht dazu. Nahezu jede Kanzlei hat Umsatzrekorde erzielt (https://www.juve.de/pressemitteilungen/j...rona-jahr/). Das hat man nur nicht allzu offensiv vor dem eigenen Klientel, dem es bisweilen schlechter erging, ausbreiten wollen.(11.10.2022, 21:30)Gast schrieb: Ne, ist gerade Bewerbermarkt.
Das war es bis 02/2020 und ab, sagen wir 06/2021 mit Sicherheit. Aber wie wird nun in der ungewissen Situation entschieden? Prognosen gehen ja für 2023 von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0.x% bis hin zu 8% aus.
Ob das im nächsten Jahr genauso weiter geht, kann noch niemand mit Gewissheit sagen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Kanzleien auf breiter Front Einstellungsstopps oder ähnlich drastische Schritte verkünden. Die erfahreneren Partner haben selbst schon etliche Krisen erlebt und wissen daher, dass nach einer Krise auch immer ein Boom kommt. Wer 2023 bis 2025 seine Neueinstellungen stark reduziert, wird in den Nachkrisejahren mit der lückenhaften Associate-Mannschaft keine Chance haben. Das gilt erst recht für zyklische Rechtsgebiete. Wer sich nach dem Ende des Hochs über das Tief beschwert, hat das Spiel nicht verstanden.
Es kann aber sein, dass sich die Personalgewinnung wieder auf einem normalen Level einpendelt. Wenn man sich äußerst kostspielige HR-Maßnahmen wie den Griechenland-Trip von Latham oder den Gehälterkrieg anschaut, war das zum Schluss nicht mehr nachhaltig. Für uns Bewerber waren das zugegebenermaßen sehr positive Entwicklungen, aber langfristig hätte das aus Kanzleisicht nicht funktioniert.
"Personalgewinnung" back to normal - qualitativ (kein Bauchpinseln mehr mit Santorini-Ausflügen und >150k-Einstiegsgehältern, weil irgendwelche Amis mit vier Neueinstellungen im Jahr auf 180 gegangen sind) oder auch quantitativ (es wird weniger - nicht null - eingestellt)?
Davon abgesehen gibt es bei vielen Kanzleien keinen großen Spielraum für Kürzungen der Associate-Anzahl. Leverage, also der deutliche Überhang von angestellten Anwälten gegenüber Partnern, gehört nunmal zur Grundlage des Geschäftsmodells. Vielleicht führt die Krise dazu, dass der ein oder andere deutliche Überhang etwas zurückgeschraubt wird. Ein Partner wird aber weiterhin mindestens zwei, eher drei Associates haben wollen und dazu muss man wegen der branchenüblichen Exits permanent Berufseinsteiger suchen.
Das heißt natürlich nicht, dass es nicht doch bei der einen oder anderen Kanzlei zu deutlichen Rückgängen kommen kann. Bei einem Geschäftsmodell, das maßgeblich auf dem Verkauf von Anwaltsstunden basiert, wäre eine drastische Kürzung von Anwaltsstellen aber eher ein Akt der Verzweiflung. Für wahrscheinlicher halte ich, dass das Modell der Service Hubs in günstigeren Städten und das IT-Outsourcing Schule machen (s. Freshfields). Damit drückt man die Personalkosten, ohne die Umsatzbringer anzutasten.
tl;dr: Mit einem vernünftigen Profil sollte man sich keine Sorgen machen. Und selbst wenn man möglicherweise die (moderat) ansteigenden Notenhürden zu verpassen droht, kann man ohnehin nichts dagegen machen. Insofern lohnt das ganze Kopfzerbrechen nichts.
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Auswirkungen der drohenden Rezession auf den Arbeitsmarkt? - von naservas - 11.10.2022, 21:14
RE: Auswirkungen der drohenden Rezession auf den Arbeitsmarkt? - von Gast - 11.10.2022, 21:30
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