12.06.2022, 21:26
Ich bin weder noch. Habe nur die Erfahrungen aus dem Ref, bei dem ich von der Richterschaft doch etwas angetan war. Bei der StA waren die Erfahrungen durchweg (krass) negativ. Mag bei anderen StAen anders aussehen. Aber einige Aspekte dürften doch standortunabhängig sein. Ich würde mich daher ganz klar für den Richterdienst entscheiden.
Die Richter sind teilweise wirklich sehr gut in ihren Verfahren drin, sowohl was das Aktenstudium als auch die Rechtslage betrifft. Bei der StA muss viel über den Tisch gehen. Selbst bei dem anschaulichsten Vergleich zwischen StA und Strafrichter am Amtsgericht (der auch viele Verfahren hat) fällt das noch auf. Seiten der StA wird da teilweise brutal geschlampt. Das betrifft die Ausermittlung des Sachverhalts, die Darstellung in der Anklageschrift, die Bewertung der Rechtslage, die Anstellung von "taktischen" Überlegungen und auch ganz einfach den "gesunden Menschenverstand". Fehler, die zum Glück durch den Strafirchter wieder ausgebügelt wurden (mit teilweise irreperablen Schäden).
Oft wird die "Fehlvorstellung" klargestellt, dass Staatsanwalt nur werden würde, wer es als Richter nicht geschafft hat. Meiner Meinung nach ist an dieser "Fehlvorstellung" aber durchaus etwas dran. Im Richterdienst befinden sich meiner Meinung nach tendenziell die besseren Juristen (betreffend alle möglichen Kompetenzbereiche). Ich vermute auch, dass die Richterschaft den (deutlich) besseren Notenschnitt hat (wenn man denn darauf abstellen will). Das alles ergibt auch nur Sinn. Wo hättest du als Ottonormalverbraucher leiber den guten und wo könntest du den eher mäßig guten Juristen verkraften? Vom Richter hängt einfach viel mehr ab.
Als Richter bleibst du bezüglich des Rechtsbietes flexibel. Als StA bleibst du für immer im Strafrecht.
Als Richter bist du bekanntlich krass unabhängig (Extremfall Einzelrichter). Als StA bist du weisungsbefunden musst durchaus auch Marschrouten einschlagen, die du nicht ganz so für geboten hälst.
Der Richter steht in der "Hierachie" nunmal über jedem StA. Der Richter entscheidet. Der StA kann sich auf den Kopf stellen, aber dagegen nicht viel machen. Das ist in der Sache eigentlich eine typische Vorgesetzten-Untergebenen-Konstellation. In der Hauptverhandlung ist der StA nur noch so etwas wie ein "Berater" des Richters. In Form der Anklage erstattet der StA an den Richter Bericht. Und der Richter sagt dann, was hier zu tun ist. Deutlicher könnte die Rolle eines angestellten Sachbearbeiters nicht sein. Wenn ich mich intensiv (?) mit einem Fall befasst habe, dann will ich nach Möglichkeit auch möglichst stark beeinflussen können, was aus diesem Fall wird und wozu mein Engagement letztendlich geführt hat.
Als Richter siehst du "dein" Verfahren vom "Anfang" an bis zum Schluss. Als StA gibst du es mglw. irgendwann aus der Hand oder vertrittst in der Hauptverhandlung plötzlich Fälle, die irgendein Kollege angeklagt hat (was für dich nicht immer ganz nachvollziehbar sein muss). Ich hatte als Ref einige (im Freispruch gemündete) Anklagen verlesen, bei denen ich mich schon beim vorherigen Studium der (Hand-)Akte gefragt habe, wie der unterzeichnende StA (nicht AA!) nur auf sowas kommen konnte.
Die StA übernimmt für die Gerichte eine "Filterfunktion". Wenn ein Fall zum Gericht kommt, dann geht es zwangsläufig um etwas. Bei der StA auf dem Tisch landet aber auch viel, bei dem gar keine Straftat erkennbar ist, bei dem der Sachverhalt sich offensichtlich nicht beweisen lässt oder bei dem es einfach nur um nervenverzehrenden Kleinkram geht.
Dabei fällt bei der StA auch noch mehr Papierkram an. Bei Gericht findet man die Antworten auf die dem StA durch den Kopf gegangenen Fragen ganz einfach auf der nächsten Seite. Auch ist es zunächst die StA, die sich als ersten mit einem 1000seitigen Gutachten oder ewig langen Zahlenreihen/Tabelle befasst und die Nadel im Heuhaufen suchen muss. Bei Gericht hat man schon die Ausführungen der StA oder Verteidigung dazu als "Lektürehilfe".
Bei der StA läuft man auch Wegen hinterher, die am Ende zu nichts führen. Es liegt in der Natur der menschlichen Psyche, dass das nicht gerade als "Erfolgserlebnis" aufgefasst wird und (wenn je nach Typ auch nur geringfügig) tendenziell deprimierende Wirkung hat.
In gewisser Weise macht die StA also die Drecksarbeit für das Gericht und muss am Ende der Grenze ihrer Kompetenz entgegensehen. Das Gericht aber hat das Sagen und über sich nichts. Nichtmals Einstellen kann die StA mehr, wenn ein Richter seine Finger am Fall hatte.
Das Prestige beim Richterberuf ist nunmal höher. Das mag mancher hier anders sehen. Es entspricht aber meiner persönlichen Einstellung und auch meiner Wahrnehmung von meinem Umfeld. Was ein StA überhaupt so macht, wissen die meisten nicht. Sie halten die Polizei für die Ermittlungsbehörde. Je nach "Umfeld" hat die StA sogar ein negatives Image. Bei Betrachtung der Arbeit der StA hier bei mir vor Ort kann man das auch niemandem verübeln und ist das nicht irgendwie auf "Gangsterkreise" beschränkt.
Als Richter hast du irgendwann alle Beteiligten in deinem Saal. Die StA delegiert die meisten Ermittlungsmaßnahmen und insbesondere Zeugenvernehmungen.
Als Richter kannst du zur Rechtsfortbildung beitragen und bist ggf. der erste, der über diese oder jede Konstellation zu entscheiden hat. Dass mal eine Einstellungsentscheidung einer StA in der NJW veröffentlich wird, ist aus guten (freilich noch anderen) Gründen absolut selten. Da dürfte es mehr Fälle geben, bei denen das Gericht aus Rechtsgründen "ablehnend" entscheidet.
Als Richter hast du dein Leben lang den gleichen Arbeitsort und feste Sitzungstage (die du nichtmals unbedingt einhalten musst). Als StA erfärhst du am Montag, zu welchem AG du am Dienstag hinzufahren hast. Wenn die vor dor terminierte Verhandlung überzogen wird, dann wartest du brav auf dem Flur. Der Richter sitzt durchgehend bequem auf seinem Stuhl und entscheidet, wie die Uhr in seinem Saal tickt. Kommt der Angeklagte nicht, hat der StA die Reise umsonst gemacht (siehe oben: Aufwand ohne Ergebnis = alles andere als ein Erfolgserlebnis). Der Richter musste nur eine Treppe von seinem Büro aus runter kommen und kann dort oben die Zeit bis zur nächsten Verhandlung verbringen.
Jedes größere Gericht hat eine taugliche Kantine oder ist halbwegs zentral gelegen. Bei den beiden mir bekannten StAen wurde die Kantine geschlossen und es sind 20 Minuten Fußmarsch bis zur nächsten Gelegenheit etwas zu essen.
Das Gerichtsgebäuse wird eher saniert als das der StA. Über Gerichtsgebäude präsentiert die Justiz sich der Öffentlichkeit und man ist dort auf vernünftige Technik angewiesen, man will sich auch nicht gegenüber den GK-Anwälten etc. blamieren. Aber die StA? Die muss nicht besser ausgestattet sein als das Bauamt.
Allgemein ist das Amt des Staatsanwalts für mich so wie das in jeder anderen Behörde auch. Einfacher Sachbearbeiter, der zwar juristisch geschult ist, dessen tägliche Arbeit diese Schulung aber nicht so richtig erfordert, und bei manchen Staatsanwälten bleibt das ein Leben lang so. Klarer Fall der Überqualifikation (wenn denn taugliche Examina vorliegen); die Ausbildung zum AA hätte in 99% der Fälle auch locker gereicht. In der Kammer für Wettbewerbssachen hingegen will ich den AA eher nicht sitzen haben. Zeichnet sich auch insofern ab, als man in NRW anscheinend die strategische Entscheidung getroffen hat, mehr AA- und weniger StA-Posten zu schaffen (Erstere aber durchaus auch mit Volljuristen zu besetzen, genial!).
Richter > StA
Die Richter sind teilweise wirklich sehr gut in ihren Verfahren drin, sowohl was das Aktenstudium als auch die Rechtslage betrifft. Bei der StA muss viel über den Tisch gehen. Selbst bei dem anschaulichsten Vergleich zwischen StA und Strafrichter am Amtsgericht (der auch viele Verfahren hat) fällt das noch auf. Seiten der StA wird da teilweise brutal geschlampt. Das betrifft die Ausermittlung des Sachverhalts, die Darstellung in der Anklageschrift, die Bewertung der Rechtslage, die Anstellung von "taktischen" Überlegungen und auch ganz einfach den "gesunden Menschenverstand". Fehler, die zum Glück durch den Strafirchter wieder ausgebügelt wurden (mit teilweise irreperablen Schäden).
Oft wird die "Fehlvorstellung" klargestellt, dass Staatsanwalt nur werden würde, wer es als Richter nicht geschafft hat. Meiner Meinung nach ist an dieser "Fehlvorstellung" aber durchaus etwas dran. Im Richterdienst befinden sich meiner Meinung nach tendenziell die besseren Juristen (betreffend alle möglichen Kompetenzbereiche). Ich vermute auch, dass die Richterschaft den (deutlich) besseren Notenschnitt hat (wenn man denn darauf abstellen will). Das alles ergibt auch nur Sinn. Wo hättest du als Ottonormalverbraucher leiber den guten und wo könntest du den eher mäßig guten Juristen verkraften? Vom Richter hängt einfach viel mehr ab.
Als Richter bleibst du bezüglich des Rechtsbietes flexibel. Als StA bleibst du für immer im Strafrecht.
Als Richter bist du bekanntlich krass unabhängig (Extremfall Einzelrichter). Als StA bist du weisungsbefunden musst durchaus auch Marschrouten einschlagen, die du nicht ganz so für geboten hälst.
Der Richter steht in der "Hierachie" nunmal über jedem StA. Der Richter entscheidet. Der StA kann sich auf den Kopf stellen, aber dagegen nicht viel machen. Das ist in der Sache eigentlich eine typische Vorgesetzten-Untergebenen-Konstellation. In der Hauptverhandlung ist der StA nur noch so etwas wie ein "Berater" des Richters. In Form der Anklage erstattet der StA an den Richter Bericht. Und der Richter sagt dann, was hier zu tun ist. Deutlicher könnte die Rolle eines angestellten Sachbearbeiters nicht sein. Wenn ich mich intensiv (?) mit einem Fall befasst habe, dann will ich nach Möglichkeit auch möglichst stark beeinflussen können, was aus diesem Fall wird und wozu mein Engagement letztendlich geführt hat.
Als Richter siehst du "dein" Verfahren vom "Anfang" an bis zum Schluss. Als StA gibst du es mglw. irgendwann aus der Hand oder vertrittst in der Hauptverhandlung plötzlich Fälle, die irgendein Kollege angeklagt hat (was für dich nicht immer ganz nachvollziehbar sein muss). Ich hatte als Ref einige (im Freispruch gemündete) Anklagen verlesen, bei denen ich mich schon beim vorherigen Studium der (Hand-)Akte gefragt habe, wie der unterzeichnende StA (nicht AA!) nur auf sowas kommen konnte.
Die StA übernimmt für die Gerichte eine "Filterfunktion". Wenn ein Fall zum Gericht kommt, dann geht es zwangsläufig um etwas. Bei der StA auf dem Tisch landet aber auch viel, bei dem gar keine Straftat erkennbar ist, bei dem der Sachverhalt sich offensichtlich nicht beweisen lässt oder bei dem es einfach nur um nervenverzehrenden Kleinkram geht.
Dabei fällt bei der StA auch noch mehr Papierkram an. Bei Gericht findet man die Antworten auf die dem StA durch den Kopf gegangenen Fragen ganz einfach auf der nächsten Seite. Auch ist es zunächst die StA, die sich als ersten mit einem 1000seitigen Gutachten oder ewig langen Zahlenreihen/Tabelle befasst und die Nadel im Heuhaufen suchen muss. Bei Gericht hat man schon die Ausführungen der StA oder Verteidigung dazu als "Lektürehilfe".
Bei der StA läuft man auch Wegen hinterher, die am Ende zu nichts führen. Es liegt in der Natur der menschlichen Psyche, dass das nicht gerade als "Erfolgserlebnis" aufgefasst wird und (wenn je nach Typ auch nur geringfügig) tendenziell deprimierende Wirkung hat.
In gewisser Weise macht die StA also die Drecksarbeit für das Gericht und muss am Ende der Grenze ihrer Kompetenz entgegensehen. Das Gericht aber hat das Sagen und über sich nichts. Nichtmals Einstellen kann die StA mehr, wenn ein Richter seine Finger am Fall hatte.
Das Prestige beim Richterberuf ist nunmal höher. Das mag mancher hier anders sehen. Es entspricht aber meiner persönlichen Einstellung und auch meiner Wahrnehmung von meinem Umfeld. Was ein StA überhaupt so macht, wissen die meisten nicht. Sie halten die Polizei für die Ermittlungsbehörde. Je nach "Umfeld" hat die StA sogar ein negatives Image. Bei Betrachtung der Arbeit der StA hier bei mir vor Ort kann man das auch niemandem verübeln und ist das nicht irgendwie auf "Gangsterkreise" beschränkt.
Als Richter hast du irgendwann alle Beteiligten in deinem Saal. Die StA delegiert die meisten Ermittlungsmaßnahmen und insbesondere Zeugenvernehmungen.
Als Richter kannst du zur Rechtsfortbildung beitragen und bist ggf. der erste, der über diese oder jede Konstellation zu entscheiden hat. Dass mal eine Einstellungsentscheidung einer StA in der NJW veröffentlich wird, ist aus guten (freilich noch anderen) Gründen absolut selten. Da dürfte es mehr Fälle geben, bei denen das Gericht aus Rechtsgründen "ablehnend" entscheidet.
Als Richter hast du dein Leben lang den gleichen Arbeitsort und feste Sitzungstage (die du nichtmals unbedingt einhalten musst). Als StA erfärhst du am Montag, zu welchem AG du am Dienstag hinzufahren hast. Wenn die vor dor terminierte Verhandlung überzogen wird, dann wartest du brav auf dem Flur. Der Richter sitzt durchgehend bequem auf seinem Stuhl und entscheidet, wie die Uhr in seinem Saal tickt. Kommt der Angeklagte nicht, hat der StA die Reise umsonst gemacht (siehe oben: Aufwand ohne Ergebnis = alles andere als ein Erfolgserlebnis). Der Richter musste nur eine Treppe von seinem Büro aus runter kommen und kann dort oben die Zeit bis zur nächsten Verhandlung verbringen.
Jedes größere Gericht hat eine taugliche Kantine oder ist halbwegs zentral gelegen. Bei den beiden mir bekannten StAen wurde die Kantine geschlossen und es sind 20 Minuten Fußmarsch bis zur nächsten Gelegenheit etwas zu essen.
Das Gerichtsgebäuse wird eher saniert als das der StA. Über Gerichtsgebäude präsentiert die Justiz sich der Öffentlichkeit und man ist dort auf vernünftige Technik angewiesen, man will sich auch nicht gegenüber den GK-Anwälten etc. blamieren. Aber die StA? Die muss nicht besser ausgestattet sein als das Bauamt.
Allgemein ist das Amt des Staatsanwalts für mich so wie das in jeder anderen Behörde auch. Einfacher Sachbearbeiter, der zwar juristisch geschult ist, dessen tägliche Arbeit diese Schulung aber nicht so richtig erfordert, und bei manchen Staatsanwälten bleibt das ein Leben lang so. Klarer Fall der Überqualifikation (wenn denn taugliche Examina vorliegen); die Ausbildung zum AA hätte in 99% der Fälle auch locker gereicht. In der Kammer für Wettbewerbssachen hingegen will ich den AA eher nicht sitzen haben. Zeichnet sich auch insofern ab, als man in NRW anscheinend die strategische Entscheidung getroffen hat, mehr AA- und weniger StA-Posten zu schaffen (Erstere aber durchaus auch mit Volljuristen zu besetzen, genial!).
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Staatsanwalt oder Richter? - von Klaus349 - 11.06.2022, 09:56
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Gast - 11.06.2022, 10:19
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Inter Partes - 11.06.2022, 11:38
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Carbonarius - 11.06.2022, 12:20
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RE: Staatsanwalt oder Richter? - von DMOWMYH - 12.06.2022, 19:48
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Gast - 12.06.2022, 20:17
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Staatsfeind #1 - 12.06.2022, 21:26
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Staatsfeind #1 - 12.06.2022, 21:45
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Praktiker - 12.06.2022, 22:38
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Gast - 12.06.2022, 21:52
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Bitte mehr Realismus - 12.06.2022, 22:09
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Gast - 13.06.2022, 11:26
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Lucille - 13.06.2022, 11:40
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Drin - 13.06.2022, 18:05
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Gast - 13.06.2022, 17:03
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RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Das ist dann - 13.06.2022, 19:40
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Drin - 13.06.2022, 19:56
RE: Staatsanwalt oder Richter? - von Gast - 13.06.2022, 20:13