05.02.2022, 21:56
(03.02.2022, 12:13)t_m schrieb: Ich habe schon öfter gehört, dass man, um in der Justiz Karriere zu machen, Mitglied in einer Partei sein sollte (bzw. bis hin zu Aussagen wie "Ohne Parteibuch hat man keine Chance, in der Justiz aufzusteigen").
Als "Außenstehende" kann ich überhaupt nicht beurteilen, inwieweit das zutrifft und verstehe auch nicht so ganz, wie das gemeint ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die bloße Mitgliedschaft in irgendeiner Partei da relevant ist. Geht es also dabei darum, in einer Partei (und zwar möglichst eine der im eigenen Bundesland regierenden?) zu netzwerken und Kontakte in die Politik zu haben?
Ist das wirklich so essentiell oder eher ein netter Faktor, aber kein Muss?
Die erste Frage ist ja, wie man "Karriere" definiert. Außerdem sollte man im Folgenden zwischen Geschäftsbereich und Ministerium differenzieren.
Ad. 1: Ich würde einmal sagen, R2 zählt in der Justiz sicherlich als erstrebenswert, aber noch nicht als "Karriere", sondern erst R 3 und aufwärts (Geschäftsbereich) bzw. B 2 und aufwärts (Ministerium).
Ad. 2: Für den Sprung von R 2 (Beisitzer) auf R 3 (Vorsitzender) am Obergericht braucht man nicht zwingend eine parteiliche Affinität; hier ist eher das Verhältnis zum Präsidenten das Entscheidende. Letzteres kann natürlich dadurch beeinflusst werden, dass beide in derselben Partei aktiv sind und sich langjährig kennen bzw. ggf. schon zusammen am Ministerium waren (s.u.).
Für den Sprung von R 2 (alternativ: R 1 mit Amtszulage, ggf. auch A 16 oder sogar nur R 1) auf B 2 am Ministerium ist eine parteiliche Affinität nicht zwingend erforderlich, aber schon äußerst hilfreich. Es gibt einfach sehr wenig Stellen in dem Bereich, weil das MJ als "Durchlauferhitzer" für Beförderungen im Geschäftsbereich dient und regelmäßig nicht auf eine dauerhafte Tätigkeit bis zur Pensionierung angelegt ist. Je nachdem, wer gerade das Ministerium besetzt, spielen parteipolitische Erwägungen schon eine hervorgehobene Rolle.
Ab B 3 und aufwärts ( B 6) würde ich schon sagen, dass eine Parteizugehörigkeit bzw. Nähe den absoluten Regelfall darstellt.
Die Präsidentenstellen (R 3 aufwärts) im Geschäftsbereich werden auch regelmäßig parteilich besetzt mit Leuten, die aus dem Ministerium wieder in den Geschäftsbereich wechseln. (Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen.)
Dass R 3 am Obergericht für Parteien uninteressant ist, würde ich in der Allgemeinheit so nicht sagen. Nicht selten werden ja auch Leute, die im Ministerium eine B 2 Stelle haben, vor einem Regierungswechsel an einem Obergericht auf einer R 3 Stelle "geparkt", um sie später bei einer anderen Regierungskonstellation auf eine B 6 Stelle zurückzuholen.
Zu den Bundesrichterwahlen wurde ja schon viel geschrieben. Hier würde ich auch sagen, dass eine Parteizughörigkeit oder zumindest Nähe den Regelfall darstellt.
Zusammenfassend: Dass die Beförderungspraxis in der Justiz unpolitisch ist, habe ich vielleicht früher im Ref. gedacht, würde das jetzt aber in dieser Allgemeinheit nicht mehr annehmen. Dazu gibt es zu viele Verknüpfungen zwischen dem Geschäftsbereich und dem Ministerium. Für wirklich äußerst gute Juristen gibt es natürlich auch andere Möglichkeiten, aber der Markt um die Beförderungsstellen in dem Bereich ist schon umkämpft.
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Karriere in der Justiz "nur mit Parteibuch"? - von t_m - 03.02.2022, 12:13
RE: Karriere in der Justiz "nur mit Parteibuch"? - von Gast - 03.02.2022, 12:20
RE: Karriere in der Justiz "nur mit Parteibuch"? - von t_m - 03.02.2022, 18:03
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RE: Karriere in der Justiz "nur mit Parteibuch"? - von Meerjungfraumann und Blaubarschbube vereint - 05.02.2022, 21:56