29.09.2021, 15:47
(28.09.2021, 20:57)BerlinerReffi123 schrieb: Du sprichst mir absolut aus der Seele...ich habe mich während des gesamten Refs (engagierte AG-Leiter und ein auf die Bedürfnisse der Referendare eingehendes OLG wären ja schön gewesen!), und insbesondere während der Examensvorbereitung im fast sechsmonatigen Lockdown einfach schrecklich gefühlt.
Das mit dem fehlenden Gemeinschaftsgefühl habe ich auch so empfunden. Klar kann man sich auch über Zoom mit seiner Lerngruppe verabreden und AG-Leiter per E-Mail kontaktieren. All die "ungezwungenen" Gespräche in der Bibliothek zwischen Tür und Angel ("sage mal, fandest du das Probeexamen auch so schlimm...?" oder "wie intensiv lernst du eigentlich den einstweiligen Rechtsschutz im Zivilprozess?" oder "mir geht es heute echt beschissen, ich fühle mich so überfordert und mein Ausbilder nervt mich...") fallen dafür komplett weg. Mir jedenfalls hat das sehr gefehlt. Dazu kam, dass nahezu alle Stationen ausschließlich im Home Office stattfanden und dementsprechend auch da keine richtigen Kontakte geknüpft werden konnten.
Besonders schlimm fand ich zudem, dass es nahezu gar keinen Ausgleich zum Lernen gab. Über Monate waren strenge Kontaktbeschränkungen einzuhalten, alles an Sport- und Freizeitaktivitäten ersatzlos gestrichen. Für introvertierte Menschen, die generell Probleme haben sich zum Lernen zu motivieren und in ihrer Freizeit am liebsten am PC zocken, war das vielleicht der absolute Jackpot. Für extrovertierte Menschen mit generell gutem Zeitmanagement wie mich, die ungern allein sind und all ihre Energie aus dem Kontakt mit anderen (Menschen oder Aktivitäten) ziehen, war es der absolute Albtraum. Ich habe es als eine echte Zumutung empfunden, unter diesen Bedingungen meine Höchstleistung abzurufen.
Hat sich die gesamte Situation auf meine Leistungsfähigkeit im Examen ausgewirkt. Ja, das hat sie definitiv. Nur was folgt nun daraus...? Interessiert unsere zukünftigen Arbeitgeber, ob unsere Ausbildung unter Pandemiebedingungen erschwert war? Nein. Meine Korrektoren im 2. Examen hat es auch nicht die Bohne interessiert...ich habe in meinem gesamten Leben jedenfalls noch nie so schlechte Noten gehabt. Ich nehme auch mal an, dass ich damit nicht allein bin, denn die Berliner Kampagne aus Juni 2021 ist richtig katastrophal ausgefallen. Klar habe ich mir meine schlechten Ergebnisse in erster Linie selbst zuzuschreiben...ich habe aufgrund der Gesamtumstände einfach nicht "gut genug funktioniert". Frust hat sich bei mir allerdings trotzdem eine ganze Menge angestaut, denn ich weiß, dass ich unter normalen Umständen bestimmt besser hätte sein können. Von einer insgesamt schöneren Zeit im Ref mit neuen Bekanntschaften, Erfahrungen usw. mal ganz abgesehen...
Nun gut...letztlich bleibt mir aber nichts anderes übrig, als mich auf den Verbesserungsversuch vorzubereiten und all die verrückten Götter da oben anzuflehen, dass der nächste Winter nicht ganz so schlimm wird. Und all den Menschen, die mein Beitrag schon jetzt zu Aussagen à la "Stell dich mal nicht so an, du dumme Memme, wie willst du jemals im Jobmarkt bestehen...?" den allerdicksten imaginären Mittelfinger zu zeigen.
Tipps, wie man aus der Einsamkeit herauskommt, kann ich dir leider nicht wirklich geben. Außer dich mit all der vorhandenen Energie aufs Lernen zu konzentrieren und dir von Herzen zu wünschen, dass du es auch "als Einzelkämpfer" gut durchs Examen schaffst.
Mir ging es in meinem Durchgang genauso. Noch nie habe ich so schlecht in den Prüfungen abgeschnitten. Examen ist psychisch eh schon nicht zwingend das einfachste, was man machen kann, aber mit den Einschränkungen von Corona war es einfach nur furchtbar. In Maske Examen schreiben kann ich wirklich auch niemandem empfehlen. Ich bin glücklich um jeden, der es damit in den Klausuren zurecht kam. Ich gehöre leider nicht zu dieser Gruppe. Dementsprechend hoffe ich, dass ich mich für den Verbesserungsversuch gut aufraffen kann und dass ich einen guten Ausgleich finden kann (und dass wir nicht in Maske schreiben müssen).
Ich denke, Sport und/oder einfach Spazieren gehen ein guter Ausgleich sein kann. Manchmal muss man Jura einfach Jura sein lassen und dann einfach etwas abschalten.
Was ich noch empfehlen kann, ist euch auf Vitaminmangel testen zu lassen. Ich hatte dauernd mit Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und mit Konzentrationsmängeln zu kämpfen. Vor allem um das Examen rum. Ich dachte, das war alles psychisch. Im Nachgang wurden bei mir Vitaminmängel festgestellt und seit ich supplementiere geht es mir viel besser. Also, vielleicht da bei einem Verdacht mal testen lassen. Ist zwar teuer, kann sich aber lohnen.
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Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gastref - 28.09.2021, 20:20
RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von BerlinerReffi123 - 28.09.2021, 20:57
RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gast345 - 29.09.2021, 15:47
RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gast - 29.09.2021, 20:12
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RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gast - 28.09.2021, 23:49
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RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gadt345 - 30.09.2021, 07:31
RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gast117 - 29.09.2021, 22:05
RE: Ref - Scheuklappen und Einsiedlerstimmung - von Gast - 30.09.2021, 13:35