14.09.2020, 16:59
Ca. genau so habe ich es mir auch bei einer FWW-Kanzlei vorgestellt, evtl aber mit höherer Arbeitsbelastung, 9h Tag so kenne ich es aus dem Ref.
Den Post könnte ich immer auf die ewige Frage: "wolltest du kein Anwalt werden?" absenden, danke für den ausführlichen Bericht.
Ich bin mit 12,5 in der Sachbearbeitung unter und warte auf bessere Zeiten um mich im ÖD zu bewerben.
Den Post könnte ich immer auf die ewige Frage: "wolltest du kein Anwalt werden?" absenden, danke für den ausführlichen Bericht.
Ich bin mit 12,5 in der Sachbearbeitung unter und warte auf bessere Zeiten um mich im ÖD zu bewerben.
14.09.2020, 18:41
Wow, das ist wirklich mal ein schonungsloser Bericht und eine (leider nicht völlig aus der Luft gegriffene) Abrechnung mit vielen Anwälten, die aus Kostendruck, Überlastung aber auch charakterlicher Schwäche den Berufsalltag zur Hölle machen und auch dem Bild des Anwalts als Rechtsdienstleister schwer schaden.
Ist es für dein Nischengebiet (Sozialrecht?) nicht möglich, sich selbstständig zu machen? Du scheinst ja zumindest dort über fundierte Kenntnisse zu verfügen, kennst inzwischen die Organisationsstruktur einer Kanzlei und machst ja ohnehin bereits das allermeiste selbst, damit kannst du dir auch erstmal eine ReNo sparen. Wenn es zudem wirklich eine Nische ist, kann das doch durchaus einträglich werden. Die von dir geschilderte Beratungshilfe und Massenverfahren sprechen natürlich nicht für große Sprünge, aber zumindest mehr als die 3000 € brutto sollten schon drin und du wärst deine eigene Chefin. Zumindest hast du bei der Beratungshilfe mit dem Staat wenigstens einen solventen Schuldner.
Ich drücke dir jedenfalls alle Daumen für den Verbesserungsversuch (bin hier auch meist eher zynisch unterwegs, aber das klingt echt übel)
Ist es für dein Nischengebiet (Sozialrecht?) nicht möglich, sich selbstständig zu machen? Du scheinst ja zumindest dort über fundierte Kenntnisse zu verfügen, kennst inzwischen die Organisationsstruktur einer Kanzlei und machst ja ohnehin bereits das allermeiste selbst, damit kannst du dir auch erstmal eine ReNo sparen. Wenn es zudem wirklich eine Nische ist, kann das doch durchaus einträglich werden. Die von dir geschilderte Beratungshilfe und Massenverfahren sprechen natürlich nicht für große Sprünge, aber zumindest mehr als die 3000 € brutto sollten schon drin und du wärst deine eigene Chefin. Zumindest hast du bei der Beratungshilfe mit dem Staat wenigstens einen solventen Schuldner.
Ich drücke dir jedenfalls alle Daumen für den Verbesserungsversuch (bin hier auch meist eher zynisch unterwegs, aber das klingt echt übel)
14.09.2020, 19:09
Ich hoffe deine Schilderung betrifft ne Kleinstadt im Osten, aus der du nicht wegziehen wolltest. Ich hab nur 11 P. und auf ein Gehalt über 40 k gehofft...
14.09.2020, 19:17
Wenn mir eine Kanzlei in Hamburg oder Frankfurt so ein Gehalt genannt hätte (unter 3000 brutto) hätte ich denen einen Vogel gezeigt, 2 x a hin oder her...
14.09.2020, 19:43
Hallo,
die Kanzlei hat ihren Sitz in einer Kleinstadt im Südwesten. Hier gibt es einige Jura-Fakultäten, aber kaum größere Unternehmen. Mandantschaft besteht aus mehr oder weniger solventen Privaten und einigen Handwerks- oder Gastronomiebetrieben. Ergo viele potentielle Bewerber, aber vergleichsweise wenig Beratungsbedarf.
Meine Kanzlei ist übrigens bei Weitem nicht das schlimmste, was ich so erlebt habe. In der Ausbildung bin ich mit einigen noch freakigeren Kanzleien in Kontakt gekommen. Wie gesagt, die Anwaltskollegen sind ganz nett, aber professionell geführt ist der Laden nicht. Ich sage nicht, dass ich es besser könnte. Daher will ich auch die Selbstständigkeit als Anwältin gerne vermeiden.
Noch ein letztes an die Richterschaft hier: Mir ist bewusst, dass viele hier Anwälte für völlig inkompetent halten. Das mag teilweise zutreffen. Oft ist es aber auch einfach so, dass der Mandant einem einen Leitz-Ordner mit (unwichtigen) Unterlagen auf den Tisch knallt. Man muss dann erstmal den ganzen Ordner sichten, feststellen, dass dort nur Müll drin ist, dem Mandanten hinterherrennen, wieder alles sichten, Beratungshilfe beantragen, Beratungshilfeunterlagen anfordern, dem Rechtspfleger Rechenschaft ablegen, irgendwann dann mal die Rechtslage prüfen und vielleicht irgendwann Klage mit PKH-Antrag erheben. Dass man dann weder Zeit noch Lust hat, dem Richter die Sache urteilsreif aufzuarbeiten, liegt auf der Hand. Alternative ist es, den Mandanten zur Konkurrenz zur verweisen. Lose-Lose-Lose-Situation für alle Beteiligten.
die Kanzlei hat ihren Sitz in einer Kleinstadt im Südwesten. Hier gibt es einige Jura-Fakultäten, aber kaum größere Unternehmen. Mandantschaft besteht aus mehr oder weniger solventen Privaten und einigen Handwerks- oder Gastronomiebetrieben. Ergo viele potentielle Bewerber, aber vergleichsweise wenig Beratungsbedarf.
Meine Kanzlei ist übrigens bei Weitem nicht das schlimmste, was ich so erlebt habe. In der Ausbildung bin ich mit einigen noch freakigeren Kanzleien in Kontakt gekommen. Wie gesagt, die Anwaltskollegen sind ganz nett, aber professionell geführt ist der Laden nicht. Ich sage nicht, dass ich es besser könnte. Daher will ich auch die Selbstständigkeit als Anwältin gerne vermeiden.
Noch ein letztes an die Richterschaft hier: Mir ist bewusst, dass viele hier Anwälte für völlig inkompetent halten. Das mag teilweise zutreffen. Oft ist es aber auch einfach so, dass der Mandant einem einen Leitz-Ordner mit (unwichtigen) Unterlagen auf den Tisch knallt. Man muss dann erstmal den ganzen Ordner sichten, feststellen, dass dort nur Müll drin ist, dem Mandanten hinterherrennen, wieder alles sichten, Beratungshilfe beantragen, Beratungshilfeunterlagen anfordern, dem Rechtspfleger Rechenschaft ablegen, irgendwann dann mal die Rechtslage prüfen und vielleicht irgendwann Klage mit PKH-Antrag erheben. Dass man dann weder Zeit noch Lust hat, dem Richter die Sache urteilsreif aufzuarbeiten, liegt auf der Hand. Alternative ist es, den Mandanten zur Konkurrenz zur verweisen. Lose-Lose-Lose-Situation für alle Beteiligten.
14.09.2020, 19:48
(14.09.2020, 19:43)FWW-Anwältin schrieb: Hallo,
die Kanzlei hat ihren Sitz in einer Kleinstadt im Südwesten. Hier gibt es einige Jura-Fakultäten, aber kaum größere Unternehmen. Mandantschaft besteht aus mehr oder weniger solventen Privaten und einigen Handwerks- oder Gastronomiebetrieben. Ergo viele potentielle Bewerber, aber vergleichsweise wenig Beratungsbedarf.
Meine Kanzlei ist übrigens bei Weitem nicht das schlimmste, was ich so erlebt habe. In der Ausbildung bin ich mit einigen noch freakigeren Kanzleien in Kontakt gekommen. Wie gesagt, die Anwaltskollegen sind ganz nett, aber professionell geführt ist der Laden nicht. Ich sage nicht, dass ich es besser könnte. Daher will ich auch die Selbstständigkeit als Anwältin gerne vermeiden.
Noch ein letztes an die Richterschaft hier: Mir ist bewusst, dass viele hier Anwälte für völlig inkompetent halten. Das mag teilweise zutreffen. Oft ist es aber auch einfach so, dass der Mandant einem einen Leitz-Ordner mit (unwichtigen) Unterlagen auf den Tisch knallt. Man muss dann erstmal den ganzen Ordner sichten, feststellen, dass dort nur Müll drin ist, dem Mandanten hinterherrennen, wieder alles sichten, Beratungshilfe beantragen, Beratungshilfeunterlagen anfordern, dem Rechtspfleger Rechenschaft ablegen, irgendwann dann mal die Rechtslage prüfen und vielleicht irgendwann Klage mit PKH-Antrag erheben. Dass man dann weder Zeit noch Lust hat, dem Richter die Sache urteilsreif aufzuarbeiten, liegt auf der Hand. Alternative ist es, den Mandanten zur Konkurrenz zur verweisen. Lose-Lose-Lose-Situation für alle Beteiligten.
Dann soll der Richter das doch urteilsreif aufarbeiten. Er wird ja gut genug bezahlt dafür. Manche mit guten Noten werden auch einfach arrogant mit der Zeit und gucken dann auf 2 x a Anwälte herab...
14.09.2020, 21:24
Das ist keine Arroganz sondern Unwissenheit. Viele Richter waren nie Anwalt und wissen nicht dass Anwälte wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt sind und fast immer der Mandant für vieles das schief läuft verantwortlich ist
14.09.2020, 21:58
(14.09.2020, 21:24)Gast schrieb: Das ist keine Arroganz sondern Unwissenheit. Viele Richter waren nie Anwalt und wissen nicht dass Anwälte wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt sind und fast immer der Mandant für vieles das schief läuft verantwortlich ist
Ja, der Richter kann ja auch jahrelang bei sicherem Einkommen über Urteilen brüten, wenn ihm danach ist. Und für die Altersversorgung muss er auch nichts ansparen von einem mickrigen Gehalt unter 2000 netto.
14.09.2020, 22:12
(14.09.2020, 21:24)Gast schrieb: Das ist keine Arroganz sondern Unwissenheit. Viele Richter waren nie Anwalt und wissen nicht dass Anwälte wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt sind und fast immer der Mandant für vieles das schief läuft verantwortlich ist
Meiner Erfahrung nach wissen das eigentlich alle Richter. Zudem sind sie den Anwälten meist dankbar, weil nichts schlimmer ist, als eine Partei ohne Anwalt. Dann kann man nämlich erstmal ne halbe Stunde drüber reden, was denn überhaupt beantragt wird.
14.09.2020, 22:25
(14.09.2020, 13:54)FWW-Anwältin schrieb: Halllo zusammen,
ich möchte hier mal einen Erfahrungsbericht meiner täglichen Arbeit nach rund 1 Jahr Berufserfahrung zusammenfassen, und zwar in einem eigenen Thread. Einerseits weil ich auch Berichte anderer FWW'ler hören möchte, andererseits weil mich da Arbeit massiv nervt und ich schon den Ausstieg aus Jura vorbereite und andere vorwarnen möchte. Natürlich ist nicht alles negativ und ich will auch keinen beunruhigen oder gar entmutigen, aber trotzdem will ich einfach mal sagen, wie es so bei mir abläuft. Wird ein langer Text, daher bitte ich nur diejenigen ihn zu lesen, die sich auch dafür interessieren. Die Mehrheit der Juristen ist nunmal als FWW-Anwalt tätig, daher wird es auch hier einige geben, die diesen Job machen (müssen). Ich würde dafür auch die oft gehässigen und herablassenden Forenmitglieder einmal bitten zu schweigen. Ja, wir wissen, dass ich das Examen mit 2x8 gerockt habt und die Geilsten seid und alle anderen nur der Bodensatz. Sonnt euch in eurem Status und macht den anderen das Leben nicht noch schwerer.
I. Vorbemerkungen
Ich habe in beiden Examen insgesamt 11,5 Punkte erzielt und dürfte damit einigermaßen im Gesamtdurchschnitt liegen, vielleicht auch etwas darunter. Mit etwas mehr Glück hätte ich auch 13 Punkte haben können - oder eben mit Pech auch <8. Daher gehen die Ergebnisse für mich schon so in Ordnung. Ich habe gelernt, was ich konnte, habe alles gegeben, mehr ging halt nicht. Ich kann durchaus anerkennen, dass es viele Juristen gibt, die mehr drauf haben als ich.
Glücklicherweise habe ich zeitnah einen Job in einer FWW-Kanzlei gefunden. Gehalt und zu bearbeitende Rechtsgebiete wurden früh besprochen, aber letztlich wurde sich nicht daran gehalten.
II. Rechtsgebiete
Vorwiegend bearbeite ich ein Nischenrechtsgebiet, das nicht sonderlich einträglich ist oder jedenfalls nur als Massengeschäft. Die Kanzlei möchte es aber betreuen. In der Ausbildung spielt es keine Rolle. Die materiellrechtlichen Normen füllen mehrere Gesetzbücher, auch das Prozessrecht ist eigens gefasst. Ich hatte am Anfang 0.0 Plan davon. Ich habe auch keine große Hilfe bekommen, abseits von irgendwelchen mehr oder weniger professionellen Broschüren. Mittlerweile komme ich damit aber ganz gut zu Recht. Es macht sogar ab und zu Spaß, vielleicht in 50% der Fälle, je nachdem, worum es inhaltlich geht. Leider muss ich oft Beratungshilfe beantragen und den Mandanten ewig hinterherrennen. Die sind juristisch oft völlig grün, was die Arbeit nicht leichter macht. Glücklicherweise gilt hier der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass letztlich der Richter mir hinterherlaufen muss, wenn er meint, dass er noch was braucht. Tut mir leid, das mache ich nicht absichtlich, ist aber als Anfänger natürlich angenehm.
Zudem bearbeite ich noch allgemeines Zivilrecht (da trete ich aber kürzer). Das ist selten schwierig. Ich habe einen größeren Fall, bei dem die Rechtslage von 1850 eine Rolle spielt und der viel Arbeit macht, alles andere schüttele ich auch als Unterdurchschnittsjuristin mithilfe von Juris und Beck-Online halbwegs aus dem Ärmel. Ich bemühe mich auch, anders als mein Chef, die Schriftsätze so aufzubauen, wie man es in der Ausbildung gelernt hat. Leider halten sich nicht alle Kollegen daran. Manche schreiben in einer einfachen Angelegenheit 10 Seiten ohne Absätze und fehlerhafter Interpunktion. Tatsachen und Rechtsansichten muss man mühsam voneinander trennen, teilweise liest man Beweisangebote für Rechtsmeinungen.
Die Kompetenz der Kollegen ist selbst verglichen zu meiner eigenen fragwürdig. Eine Kollegin warf mir vor, einen Betrug zu begehen, weil sie die falsche Partei verklagt hatte und ich dies nicht ausreichend gerügt hatte (tatsächlich rügte das der Mandant von sich aus mehrmals telefonisch). Andere Kollegen sind permanent unsachlich und pinkeln mir ständig persönlich ans Bein, nur weil ich teilweise möglicherweise abwegige Rechtsansichten vertreten muss. Gerade in Nachbarschaftssachen sind die Mandanten völlig irrational und man muss entweder "kreativ" werden, um noch irgendwas retten zu können (verteidigt mal einen Zaun von 4m Höhe eures Mandanten, genau auf der Grundstücksgrenze), oder man legt das Mandat nieder, was weder wirtschaftlich ist noch guten Eindruck bei dem Mandanten und seinen Bekannten hervorrruft. Man ist oft gezwungen, Unsinn zu schreiben, um den Mandanten zu verteidigen, während man ihm eindringlich rät, seinen Quatsch einzustellen (was er nicht tun wird im Nachbarschaftsstreit).
Ich finde das ehrlich gesagt zum Kotzen. Man bezeichnet sich als "Kollegen", während man permanent darauf schielt, den Anwalt der Gegenseite vor dessen Mandanten und dem Gericht möglichst minderbegabt erscheinen zu lassen und ihm potentielle Kundschaft abzujagen. Aus diesem Grund bin ich auch nicht im Anwaltsverein.
Ich betreute gezwungenermaßen zuweilen auch noch andere Rechtsgebiete, von denen ich absolut keinen Plan habe, die aber für die Mandanten enorm wichtig sind. Natürlich lernt man mit der Zeit einige Floskeln, um sowohl Mandanten als auch Haftpflichtversicherung glücklich zu machen ("Ihr Fall ist enorm komplex und schwierig, da kann ich so spontan absolut nix sagen, auch die Rechtsprechung ist sich hier uneinig. Das muss ich erstmal in Ruhe prüfen. Ich melde mich dann in 2 Wochen wieder". Wenn ich ehrlich bin: Jemanden in diesem Rechtsgebiet zu finden, der weniger Ahnung hat von dem was er macht als ich, das ist schon echt schwer. Ich mach schon ziemlich beschissene Arbeit. Weiß auch nicht so recht, wie ich das ändern soll. Das Rechtsgebiet interessiert mich null und ich mache es nur, weil ich es muss. Niemals würde ich mich da privat fortbilden.
III. Kanzleiintern
Ich bin Berufsanfängerin, daher war mein Gehalt anfangs ziemlich niedrig (<3k pro Monat). Das bekomme ich auch nach wie vor, da eine entsprechende schriftliche Aufstockungszusage unbenannter Höhe fürs Frühjahr bislang nicht erfolgt ist und wohl auch nicht erfolgen wird, jedenfalls nicht in einer Höhe, die die vorangegangenen Gehaltseinbußen rechtfertigen könnte.
Die ReNos sind auch keine echte Hilfe. Ich schreibe Rechnungen und Mahnungen selbst, lege manchmal selbst Akten an, vereinbare Termine mit Mandanten, überprüfe Zahlungseingänge, mache Kleinkram wie Übersendungen an Mandanten und Gericht usw. Das einzige, was ich tatsächlich nicht mache, sind Post und das Einsortieren loser Blätter (das machen die Azubis). Die älteren ReNos haben meine Verfügungen nie oder nur extrem motzig entgegengenommen. Meist hatten sie keine Zeit für mich oder wollten keine für mich freimachen. Statt mich jedes Mal mit denen zu streiten, mach ich es seitdem einfach selbst. Vielleicht nehmen sie mich nicht so ernst, weil ich nicht ihr Arbeitgeber bin, sondern nur eine Kollegin, die eben mal Unterstützung haben möchte. Aber sei's drum.
Meine Kollegen sind auch nicht immer hilfreich. Selten haben sie wirklich Zeit für mich. Sie sind auch keine Spezialisten, eher Generalisten. Da wird von Verkehrsrecht über Versicherungsrecht, Architektenrecht, Baurecht und Familienrecht auch easy Strafrecht und Asylrecht gemacht. Ich behaupte, dass jeder Kollegen von der Gegenseite, sei es Behörde oder Anwalt, und vor allem der Richter, solange er nur etwas Erfahrung in dem Rechtsgebiet hat, deutlich besser qualifiziert ist als meine Kollegen. Die Schriftsätze, die ich manchmal von denen zu lesen bekomme, sind oft haarsträubend.
Häufig lese ich auch in Verfügungen und Mails, die ich bekomme, eine Herabsetzung von mir heraus. Da wird dann behauptet, ich hätte dem Chef nichts weitergeleitet, "wie immer". Oder dass ich "mal wieder, obwohl die Chefsekretärin es mir 100x gesagt hätte", die Übersendung an den Mandanten vergessen hätte. Nichts davon hat gestimmt, anfangs hab ich das richtig gestellt, mittlerweile ist es mir egal.
Ich muss aber auch sagen, dass die Kollegen durchaus nett und verständnisvoll sind. Möchte ich Urlaub bzw. frei, bekomme ich das in der Regel (und wenn ich dann notfalls noch einen Termin mitnehmen muss, dann ist es halt so).
IV. Arbeitsumfang
Schwankt stark. Vor und nach dem Urlaub ist es tatsächlich viel, aber davon abgesehen ist es hier ziemlich gemütlich. Ich arbeite von meinen Kollegen vollständig autonom; wenn ich gerade keine Fristen am Laufen und alle Akten bearbeitet habe, lerne ich für den Verbesserungsversuch oder verbringe meine Arbeitszeit anderweitig sinnlos. Anfangs habe ich den Kollegen meine Unterbelastung angezeigt, ab und zu habe ich auch dann Arbeit übertragen bekommen, oft aber auch nicht. Das führt dann halt dazu, dass ich von 9 Arbeitsstunden effektiv eigentlich nur so maximal 3 Stunden netto arbeite. Frustrierend und ineffektiv, aber nicht wirklich mein Problem. Mehr als Mitteilung machen kann ich auch nicht.
Gerichtstermine nehme ich mit meinem PKW auf eigene Kosten wahr. Leider sind die manchmal in Hinterdipfelbach am Loch, was echt ins Geld geht. Theoretisch bekomme ich das erstattet, praktisch aber wie die Gehaltserhöhung eben nicht. Häufig muss ich auch für eine andere Kanzlei Termine in Untervollmacht wahrnehmen. Da bekommt die Kanzlei dann 100 Euro dafür, dass sie mich durchs halbe Bundesland jagt. Theoretisch müsste ich mir eigentlich auch die oft 300 seitige Akte mal durchlesen, aber dann wird das für die Kanzlei zum Minusgeschäft. Also gehe ich halt hin, lass den Richter seinen Vortrag halten und schreibe es mit. Dem Mandanten erzähle ich, dass ich top vorbereitet bin, der Richter aber "wahrscheinlich" ohnehin noch kein Urteil fällen möchte. In Wahrheit kenne ich aber nur den Klageantrag.
V. Fazit:
Ich denke, es verwundert nicht, dass ich hier den Ausstieg suche. Die Zeit als FWW-Anwältin hat bei mir dazu geführt, dass ich andere Juristen, vor allem Anwälte, mittlerweile verachte. Meinem Umfeld rate ich, ohne Rechtsschutz (und ohne Selbstbeteiligung) nur dann zu einem Anwalt zu gehen, wenn es dafür einen spezialisierten Kollegen einer zumindest mittelständischen Kanzlei gibt und dann eben mit diesem eine Gebührenvereinbarung zu treffen. Einige nehmen ja pauschal zB bei Schadensersatzsachen 1/3 der gewonnenen Summe, was ich fair finde. Was Anwälte so treiben, die nach RVG abrechnen (müssen), ist kaum vorstellbar. Davon nehme ich mich nicht aus. Ich hab ein meinem Nischengebiet (siehe oben) durchaus Kompetenz, leider darf ich aber nicht nur da arbeiten, sondern muss auch vielen Kram machen, wovon ich keine Ahnung habe. So will ich nicht mein ganzes Leben lang arbeiten. Entweder der Verbesserungsversuch glückt oder ich lege Jura beiseite. Aber als FWW-Anwältin arbeite ich nur noch so lange wie ich muss. Je schneller ich was besseres finde, desto glücklicher bin ich.
Wollt ihr noch etwas wissen?
das ist jetzt gar kein "hate", aber wieso hat man insbesondere im 1. Examen so eine schlechte Note, wenn sogar der Schwerpunkt mit einfließt?
Ich kannte persönlich niemanden unter 8,5 Punkten im 1. Examen und bin immer wieder verwundert, dass das nicht die Regel ist, weil der Schwerpunktbereich halt massiv die Leute hochzieht, wenn sie im Staatsteil nicht abliefern.