01.04.2020, 09:22
(01.04.2020, 08:31)Gast schrieb:(31.03.2020, 22:50)Gast schrieb: Es gibt nur wenige Assessoren, die hinschmeißen.
Dies ist eine bloße Behauptung, da meines Wissens eine derartige landes und bundesweite Statistik hinsichtlich der ausgeschiedenen Proberichter und Probestaatsanwälte nicht existiert!
Und selbst wenn sich diese Behauptung beweisen ließe, wäre damit noch immer nicht das Argument "es handelt sich im individuelles Versagen, weil die Zustände allgemein nicht so schlimm sind" nicht beweisen.
Genauso könnte als Argument angeführt werden, es gibt wenige Bewerber und dies beweist, dass die Zustände bei Gericht katastrophal sind, weil es ja sonst mehr Bewerber geben würde.
In dem Landgerichtsbezirk in dem ich tätig war haben im vergangenen Jahr mit mir mindestens 3, ich habe sogar von einer 4 Person gehört, hingeschmissen. Wenn wir ausgehen, dass jeden Monat ein neuer Proberichter anfängt, und zumindest 3 sicher aufgehört haben dann entspricht dies 25 % der neuen Proberichter, die aufgehört haben.
Und selbst wenn die Behauptung, dass wenige Proberichter hinschmeißen stimmen sollte-was nach oben Gesagtem zumindest nicht für den Bezirk gilt, in dem ich eingesetzt war und eine Statistik mir nicht bekannt ist und auch nicht angeführt wird, dann lässt sich auf dieser Basis auch nicht auf paradiesische Arbeitsbedingungen schließen:
Ich habe mit vielen Proberichtern, Staatsanwälten und auch! verplanten Richtern gesprochen und ausnahmslos alle haben sich hinter vorgehaltener Hand beschwert. So und davon ausgehend hätten wir die Frage zu klären, weshalb trotzdem "relativ" wenige hinschmeißen. Ich habe mir diese Frage lange Zeit gestellt und habe keine Antwort drauf finden können, bis ich das Buch "die narzisstische Gesellschaft" gelesen habe und mir ein Licht aufging(Mir !ging ein Licht auf und ich bin kein Psychologe, sondern habe wie die meisten unter uns lediglich Jura studiert,aber es scheint mir doch eine taugliche Erklärung zu sein). Meiner Meinung nach sind Juristen stark verdächtig, an einer narzisstischen Persönlichkeit zu leiden. Dies weil das Studium und auch das Ref eine lange Durststrecke darstellt, in dem wir-bekanntermaßen- auf einiges verzichten müssen. Dieser krasse Selbstverzicht ist häufig nur damit zu erklären, dass wir uns von der Leistung(Examen 1 und 2 und schließlich Richteramt) die Anerkennung erhoffen zu bekommen bzw. zu kompensieren, die wir in unserer Kindheit nicht erfahren haben(unbedingte Liebe). Und nun das Erreichte einfach hinzuschmeißen, was häufig von einem selbst und von der Gesellschaft als Scheitern gewertet wird, tja das fällt einigen recht schwer.
Ich persönlich habe mit vielen gesprochen und habe auch selbst Erfahrung im Justizdienst sammeln können. Ich sage nicht, dass es überall so zugeht, wie an meiner ehemaligen Stammdienststelle, aber die oben angeführte Doku und auch die Beschreibungen von anderen deuten darauf hin, dass eine vergleichbare Problematik an einigen Orten existiert.
Absolute Zustimmung! Und ich muss eingestehen, auch ich wollte in die Justiz, weil ich mir davon Anerkennung erhofft hatte. Nichtsdestotrotz habe ich aber dann doch den Stecker gezogen.
Am LG, an dem ich tätig war, herrschte eine solch schlechte Stimmung, dass ich regelrecht schockiert war. Unter den Assessoren wirkte keiner, ja wirklich keiner, glücklich und zufrieden. Vielmehr wurden Durchhalteparolen ausgegeben, mit der Hoffnung auf baldige Besserung der eigenen Situation. (Ich glaube aber auch, dass es viel braucht, um dieses "Scheitern" vor sich und anderen einzugestehen.)
Die erfahrenen Richter hatten m.E. überwiegend resigniert und waren überwiegend verbittert. Das zeigte sich vor allem in der fehlenden Solidarität ggü den Proberichtern. Wenn überhaupt, konnte man nur von anderen Proberichtern Hilfe bekommen, die älteren wollten damit meist nichts (mehr) zu tun haben, sondern ihren nach ihrer Auffassung wahrscheinlich wohlverdienten Feierabend um 12.30 Uhr antreten.
Als ich versucht habe, im Einvernehmen mit den Verantwortlichen eine Lösung für meine Situation zu finden, wurde ich damit allein gelassen. Ich hatte den Eindruck, man möchte von Missständen absolut NULL wissen. Wie von Gast123 wird man dann als "Einzelfall" abgestempelt, der es eben nicht gebacken bekommt. Es wird weggeschaut, weggeduckt, nach dem Motto "haben wir immer so gemacht, wird auch weiter laufen". Ich glaube aber, das ist ein gewaltiger Irrtum, der sich rächen kann.
01.04.2020, 10:08
(01.04.2020, 08:31)Gast schrieb:(31.03.2020, 22:50)Gast schrieb: Es gibt nur wenige Assessoren, die hinschmeißen.
Dies ist eine bloße Behauptung, da meines Wissens eine derartige landes und bundesweite Statistik hinsichtlich der ausgeschiedenen Proberichter und Probestaatsanwälte nicht existiert!
Und selbst wenn sich diese Behauptung beweisen ließe, wäre damit noch immer nicht das Argument "es handelt sich im individuelles Versagen, weil die Zustände allgemein nicht so schlimm sind" nicht beweisen.
Genauso könnte als Argument angeführt werden, es gibt wenige Bewerber und dies beweist, dass die Zustände bei Gericht katastrophal sind, weil es ja sonst mehr Bewerber geben würde.
In dem Landgerichtsbezirk in dem ich tätig war haben im vergangenen Jahr mit mir mindestens 3, ich habe sogar von einer 4 Person gehört, hingeschmissen. Wenn wir ausgehen, dass jeden Monat ein neuer Proberichter anfängt, und zumindest 3 sicher aufgehört haben dann entspricht dies 25 % der neuen Proberichter, die aufgehört haben.
Und selbst wenn die Behauptung, dass wenige Proberichter hinschmeißen stimmen sollte-was nach oben Gesagtem zumindest nicht für den Bezirk gilt, in dem ich eingesetzt war und eine Statistik mir nicht bekannt ist und auch nicht angeführt wird, dann lässt sich auf dieser Basis auch nicht auf paradiesische Arbeitsbedingungen schließen:
Ich habe mit vielen Proberichtern, Staatsanwälten und auch! verplanten Richtern gesprochen und ausnahmslos alle haben sich hinter vorgehaltener Hand beschwert. So und davon ausgehend hätten wir die Frage zu klären, weshalb trotzdem "relativ" wenige hinschmeißen. Ich habe mir diese Frage lange Zeit gestellt und habe keine Antwort drauf finden können, bis ich das Buch "die narzisstische Gesellschaft" gelesen habe und mir ein Licht aufging(Mir !ging ein Licht auf und ich bin kein Psychologe, sondern habe wie die meisten unter uns lediglich Jura studiert,aber es scheint mir doch eine taugliche Erklärung zu sein). Meiner Meinung nach sind Juristen stark verdächtig, an einer narzisstischen Persönlichkeit zu leiden. Dies weil das Studium und auch das Ref eine lange Durststrecke darstellt, in dem wir-bekanntermaßen- auf einiges verzichten müssen. Dieser krasse Selbstverzicht ist häufig nur damit zu erklären, dass wir uns von der Leistung(Examen 1 und 2 und schließlich Richteramt) die Anerkennung erhoffen zu bekommen bzw. zu kompensieren, die wir in unserer Kindheit nicht erfahren haben(unbedingte Liebe). Und nun das Erreichte einfach hinzuschmeißen, was häufig von einem selbst und von der Gesellschaft als Scheitern gewertet wird, tja das fällt einigen recht schwer.
Ich persönlich habe mit vielen gesprochen und habe auch selbst Erfahrung im Justizdienst sammeln können. Ich sage nicht, dass es überall so zugeht, wie an meiner ehemaligen Stammdienststelle, aber die oben angeführte Doku und auch die Beschreibungen von anderen deuten darauf hin, dass eine vergleichbare Problematik an einigen Orten existiert.
Ohne Zweifel gibt es in der Gesamtausstattung vieler Dienststellen erhebliche Luft nach oben, so dass ein nicht unerheblicher Teil der Proberichter von den Zuständen geschockt und ebenso ein nicht unerheblicher Teil der Lebenszeitrichter davon ausgezehrt sein kann.
Um ehrlich zu sein, hatte auch ich mir vor meinem Wechsel in die Justiz nicht vorstellen können, wie schlecht die Personal- und Sachmittelausstattung im Vergleich zur freien Wirtschaft war und teilweise noch ist.
Auch liegt es mir fern, dem Einzelnen seine persönlichen Wahrnehmungen abzusprechen - wer sagt, ihm oder ihr mache der Beruf des Richters keine Freude, der wird das selbst am besten einschätzen können. Auch mag der bzw. die ein oder andere - neben dem allgemein hohen Aktendruck - auf schwierige Präsidial- oder LUV-Richter und Vorsitzende getroffen sein, die einen Verbleib an der Dienststelle - jedenfalls subjektiv - unmöglich gemacht haben.
Allerdings finde ich die Verallgemeinerungen in Deinem letzten Abschnitt irritierend:
Dass Juristen gemeinhin eine schwierigere und entbehrungsreichere Ausbildung hätten als Medinziner, Psychologen, Pharmazeuten, MINTler, Theologen und viele andere anspruchsvolle Studiengänge und Ausbildungsberufe halte ich bestenfalls für ein Gerücht, schlimmstenfalls für Eitelkeit. Eine Vielzahl von Studiengängen und Ausbildungen stellt ganz erhebliche Anforderungen an die Kandidaten, man denke nur an einen Ausbildungsberuf in der Pflege oder an die Durchfallquoten bei vielen MINT-Studiengängen...
Unabhängig davon dürfte sein, wie das Individuum diese Anforderungen bewertet und damit umgeht. Ob die Ausbildung, das Studium und das Referendariat eine "lange Durststrecke" darstellen oder nicht, dürfte daher subjektiv sein.
Eigene Erfahrungen und Nahbereichsempirie bei mir: Klar, gibt es Zeiten, in denen man als angehender Jurist an der Sinnhaftigkeit des Ganzen zweifelt oder feststellen muss, dass Klausur/Hausarbeit einen nicht brennend interessieren und gleichzeitig heftig überfordern... Dennoch hatte ich während meines Studiums insgesamt eine gute Zeit. Meinem juristischen Freundes- und engeren Bekanntenkreis ging es weitgehend ähnlich. Viele von uns hatten einen Nebenjob und haben uns auch stets Zeit und Raum für Freunde und Hobbies gelassen. Hatten wir am Ende alle zwei VB und besser und sind jetzt alle Richter? Nein, einige sind auch keine Volljuristen -muss man aber auch nicht, um ein erfolgreicher und glücklicher Mensch zu sein!
Vielleicht können wir uns also darauf einigen, dass ein ehemaliger Richter, der sein Amt niederlegt, ebenso wenig zwingend "ein ungeeigneter Versager" sein muss, wie ein Lebenszeitrichter zwingend "ein Narzist"?
01.04.2020, 10:15
(01.04.2020, 09:22)Exit BW schrieb: Absolute Zustimmung! Und ich muss eingestehen, auch ich wollte in die Justiz, weil ich mir davon Anerkennung erhofft hatte. Nichtsdestotrotz habe ich aber dann doch den Stecker gezogen.
Am LG, an dem ich tätig war, herrschte eine solch schlechte Stimmung, dass ich regelrecht schockiert war. Unter den Assessoren wirkte keiner, ja wirklich keiner, glücklich und zufrieden. Vielmehr wurden Durchhalteparolen ausgegeben, mit der Hoffnung auf baldige Besserung der eigenen Situation. (Ich glaube aber auch, dass es viel braucht, um dieses "Scheitern" vor sich und anderen einzugestehen.)
Die erfahrenen Richter hatten m.E. überwiegend resigniert und waren überwiegend verbittert. Das zeigte sich vor allem in der fehlenden Solidarität ggü den Proberichtern. Wenn überhaupt, konnte man nur von anderen Proberichtern Hilfe bekommen, die älteren wollten damit meist nichts (mehr) zu tun haben, sondern ihren nach ihrer Auffassung wahrscheinlich wohlverdienten Feierabend um 12.30 Uhr antreten.
Als ich versucht habe, im Einvernehmen mit den Verantwortlichen eine Lösung für meine Situation zu finden, wurde ich damit allein gelassen. Ich hatte den Eindruck, man möchte von Missständen absolut NULL wissen. Wie von Gast123 wird man dann als "Einzelfall" abgestempelt, der es eben nicht gebacken bekommt. Es wird weggeschaut, weggeduckt, nach dem Motto "haben wir immer so gemacht, wird auch weiter laufen". Ich glaube aber, das ist ein gewaltiger Irrtum, der sich rächen kann.
Ich kann immer wieder nur festhalten, wie leid es mir tut, wenn ich lese, auf welche Lebenszeitrichter einige Foristen hier getroffen sind! Ich hatte bei meinem Start großartige Kollegen, die mich unterstützt haben und einen fachlich und menschlich herausragenden Vorsitzenden. Von dessen Lektionen und Unterstützung und denen bzw. der der sonstigen Kollegen profitiere ich jeden Tag. Auch bei meiner jetzigen Dienststelle kann man grundsätzlich mindestens 80 Prozent der Kollegen bis in den Abend ansprechen und findet einen guten Sparringpartner.
01.04.2020, 10:33
(01.04.2020, 10:15)Auch Bln schrieb:(01.04.2020, 09:22)Exit BW schrieb: Absolute Zustimmung! Und ich muss eingestehen, auch ich wollte in die Justiz, weil ich mir davon Anerkennung erhofft hatte. Nichtsdestotrotz habe ich aber dann doch den Stecker gezogen.
Am LG, an dem ich tätig war, herrschte eine solch schlechte Stimmung, dass ich regelrecht schockiert war. Unter den Assessoren wirkte keiner, ja wirklich keiner, glücklich und zufrieden. Vielmehr wurden Durchhalteparolen ausgegeben, mit der Hoffnung auf baldige Besserung der eigenen Situation. (Ich glaube aber auch, dass es viel braucht, um dieses "Scheitern" vor sich und anderen einzugestehen.)
Die erfahrenen Richter hatten m.E. überwiegend resigniert und waren überwiegend verbittert. Das zeigte sich vor allem in der fehlenden Solidarität ggü den Proberichtern. Wenn überhaupt, konnte man nur von anderen Proberichtern Hilfe bekommen, die älteren wollten damit meist nichts (mehr) zu tun haben, sondern ihren nach ihrer Auffassung wahrscheinlich wohlverdienten Feierabend um 12.30 Uhr antreten.
Als ich versucht habe, im Einvernehmen mit den Verantwortlichen eine Lösung für meine Situation zu finden, wurde ich damit allein gelassen. Ich hatte den Eindruck, man möchte von Missständen absolut NULL wissen. Wie von Gast123 wird man dann als "Einzelfall" abgestempelt, der es eben nicht gebacken bekommt. Es wird weggeschaut, weggeduckt, nach dem Motto "haben wir immer so gemacht, wird auch weiter laufen". Ich glaube aber, das ist ein gewaltiger Irrtum, der sich rächen kann.
Ich kann immer wieder nur festhalten, wie leid es mir tut, wenn ich lese, auf welche Lebenszeitrichter einige Foristen hier getroffen sind! Ich hatte bei meinem Start großartige Kollegen, die mich unterstützt haben und einen fachlich und menschlich herausragenden Vorsitzenden. Von dessen Lektionen und Unterstützung und denen bzw. der der sonstigen Kollegen profitiere ich jeden Tag. Auch bei meiner jetzigen Dienststelle kann man grundsätzlich mindestens 80 Prozent der Kollegen bis in den Abend ansprechen und findet einen guten Sparringpartner.
Dann Glückwunsch!
01.04.2020, 10:37
(01.04.2020, 10:08)Auch Bln schrieb:(01.04.2020, 08:31)Gast schrieb:(31.03.2020, 22:50)Gast schrieb: Es gibt nur wenige Assessoren, die hinschmeißen.
Dies ist eine bloße Behauptung, da meines Wissens eine derartige landes und bundesweite Statistik hinsichtlich der ausgeschiedenen Proberichter und Probestaatsanwälte nicht existiert!
Und selbst wenn sich diese Behauptung beweisen ließe, wäre damit noch immer nicht das Argument "es handelt sich im individuelles Versagen, weil die Zustände allgemein nicht so schlimm sind" nicht beweisen.
Genauso könnte als Argument angeführt werden, es gibt wenige Bewerber und dies beweist, dass die Zustände bei Gericht katastrophal sind, weil es ja sonst mehr Bewerber geben würde.
In dem Landgerichtsbezirk in dem ich tätig war haben im vergangenen Jahr mit mir mindestens 3, ich habe sogar von einer 4 Person gehört, hingeschmissen. Wenn wir ausgehen, dass jeden Monat ein neuer Proberichter anfängt, und zumindest 3 sicher aufgehört haben dann entspricht dies 25 % der neuen Proberichter, die aufgehört haben.
Und selbst wenn die Behauptung, dass wenige Proberichter hinschmeißen stimmen sollte-was nach oben Gesagtem zumindest nicht für den Bezirk gilt, in dem ich eingesetzt war und eine Statistik mir nicht bekannt ist und auch nicht angeführt wird, dann lässt sich auf dieser Basis auch nicht auf paradiesische Arbeitsbedingungen schließen:
Ich habe mit vielen Proberichtern, Staatsanwälten und auch! verplanten Richtern gesprochen und ausnahmslos alle haben sich hinter vorgehaltener Hand beschwert. So und davon ausgehend hätten wir die Frage zu klären, weshalb trotzdem "relativ" wenige hinschmeißen. Ich habe mir diese Frage lange Zeit gestellt und habe keine Antwort drauf finden können, bis ich das Buch "die narzisstische Gesellschaft" gelesen habe und mir ein Licht aufging(Mir !ging ein Licht auf und ich bin kein Psychologe, sondern habe wie die meisten unter uns lediglich Jura studiert,aber es scheint mir doch eine taugliche Erklärung zu sein). Meiner Meinung nach sind Juristen stark verdächtig, an einer narzisstischen Persönlichkeit zu leiden. Dies weil das Studium und auch das Ref eine lange Durststrecke darstellt, in dem wir-bekanntermaßen- auf einiges verzichten müssen. Dieser krasse Selbstverzicht ist häufig nur damit zu erklären, dass wir uns von der Leistung(Examen 1 und 2 und schließlich Richteramt) die Anerkennung erhoffen zu bekommen bzw. zu kompensieren, die wir in unserer Kindheit nicht erfahren haben(unbedingte Liebe). Und nun das Erreichte einfach hinzuschmeißen, was häufig von einem selbst und von der Gesellschaft als Scheitern gewertet wird, tja das fällt einigen recht schwer.
Ich persönlich habe mit vielen gesprochen und habe auch selbst Erfahrung im Justizdienst sammeln können. Ich sage nicht, dass es überall so zugeht, wie an meiner ehemaligen Stammdienststelle, aber die oben angeführte Doku und auch die Beschreibungen von anderen deuten darauf hin, dass eine vergleichbare Problematik an einigen Orten existiert.
Ohne Zweifel gibt es in der Gesamtausstattung vieler Dienststellen erhebliche Luft nach oben, so dass ein nicht unerheblicher Teil der Proberichter von den Zuständen geschockt und ebenso ein nicht unerheblicher Teil der Lebenszeitrichter davon ausgezehrt sein kann.
Um ehrlich zu sein, hatte auch ich mir vor meinem Wechsel in die Justiz nicht vorstellen können, wie schlecht die Personal- und Sachmittelausstattung im Vergleich zur freien Wirtschaft war und teilweise noch ist.
Auch liegt es mir fern, dem Einzelnen seine persönlichen Wahrnehmungen abzusprechen - wer sagt, ihm oder ihr mache der Beruf des Richters keine Freude, der wird das selbst am besten einschätzen können. Auch mag der bzw. die ein oder andere - neben dem allgemein hohen Aktendruck - auf schwierige Präsidial- oder LUV-Richter und Vorsitzende getroffen sein, die einen Verbleib an der Dienststelle - jedenfalls subjektiv - unmöglich gemacht haben.
Allerdings finde ich die Verallgemeinerungen in Deinem letzten Abschnitt irritierend:
Dass Juristen gemeinhin eine schwierigere und entbehrungsreichere Ausbildung hätten als Medinziner, Psychologen, Pharmazeuten, MINTler, Theologen und viele andere anspruchsvolle Studiengänge und Ausbildungsberufe halte ich bestenfalls für ein Gerücht, schlimmstenfalls für Eitelkeit. Eine Vielzahl von Studiengängen und Ausbildungen stellt ganz erhebliche Anforderungen an die Kandidaten, man denke nur an einen Ausbildungsberuf in der Pflege oder an die Durchfallquoten bei vielen MINT-Studiengängen...
Unabhängig davon dürfte sein, wie das Individuum diese Anforderungen bewertet und damit umgeht. Ob die Ausbildung, das Studium und das Referendariat eine "lange Durststrecke" darstellen oder nicht, dürfte daher subjektiv sein.
Eigene Erfahrungen und Nahbereichsempirie bei mir: Klar, gibt es Zeiten, in denen man als angehender Jurist an der Sinnhaftigkeit des Ganzen zweifelt oder feststellen muss, dass Klausur/Hausarbeit einen nicht brennend interessieren und gleichzeitig heftig überfordern... Dennoch hatte ich während meines Studiums insgesamt eine gute Zeit. Meinem juristischen Freundes- und engeren Bekanntenkreis ging es weitgehend ähnlich. Viele von uns hatten einen Nebenjob und haben uns auch stets Zeit und Raum für Freunde und Hobbies gelassen. Hatten wir am Ende alle zwei VB und besser und sind jetzt alle Richter? Nein, einige sind auch keine Volljuristen -muss man aber auch nicht, um ein erfolgreicher und glücklicher Mensch zu sein!
Vielleicht können wir uns also darauf einigen, dass ein ehemaliger Richter, der sein Amt niederlegt, ebenso wenig zwingend "ein ungeeigneter Versager" sein muss, wie ein Lebenszeitrichter zwingend "ein Narzist"?
Diese Behauptung stellt niemand auf. Ich versuche nur mir zu erklären, warum so viel Kritik im Stillen geübt wird, ohne Konsequenzen für sich selbst zu ziehen. Mir viel die Entscheidung aufzuhören auch nicht leicht, was dadurch erschwert wurde, dass viele Leute versuchten auf mich einzuwirken : du kannst doch nicht einfach hinschmeissen etc.
Ich habe mich mit den Problemen an den Personaldezernenten gewendet, der mir vorwarf, meine Erfahrung und Kritik in einer Email formuliert und dadurch fixiert zu haben "haben sie überhaupt darüber nachgedacht, welchen Einfluss das auf ihre Karriere haben kann". Das war mein Hilferuf, der seitens der Verwaltung völlig ignoriert wurde. Danach sagte ich offen, dass ich aufzuhören gedenke. Seine Worte: die von ihnen bearbeiteten Akten waren nicht schlecht, gefallen mir sogar teilweise richtig gut. Wieder wurde von meiner Kritik an den Umständen auf mein "Versagen" geschlossen oder dieses versucht damit zu rechtfertigen. Meine Person war gar nicht Gegenstand meiner Kritik, warum wird plötzlich an meiner fachlichen Befähigung gezweifelt!?
Wisst ihr, ich war gerne Richter, aber konnte in der Arbeitszeit (höchstens 10 Stunden am Tag, danach macht mein Kopf dicht) den hinter den Akten stehenden Menschen nicht gerecht werden, weshalb ich aufgehört habe.
Deswegen wird es tatsächlich so sein, dass Menschen mit Ansprüchen an sich und ihre Arbeit und wirklich Gerechtigkeit im Sinne einer möglichst "richtigen Entscheidung" - und dies streitwertunabhangig - suchen, langfristig unzufriedene Richter sind als solche, die einfach akten abarbeiten.
01.04.2020, 10:55
"Deswegen wird es tatsächlich so sein, dass Menschen mit Ansprüchen an sich und ihre Arbeit und wirklich Gerechtigkeit im Sinne einer möglichst "richtigen Entscheidung" - und dies streitwertunabhangig - suchen, langfristig unzufriedene Richter sind als solche, die einfach akten abarbeiten."
Dem kann ich 100%ig zustimmen. Man muss einfach um langfristig glücklich zu werden den Anspruch aufgeben (oder darf ihn gar nicht erst entwickeln) für die "Gerechtigkeit" zuständig zu sein. Das sind Juristen nicht und das wurde zumindest mir auch schon recht früh im Studium klar gemacht. Der Job des Richters ist letztlich auch nur ein Rad im System, dem Beamten nicht unähnlich. Man muss halt seine Akten in einem Maße vertretbar erledigen, dass bei den Betroffenen nicht das Gefühl von Beliebigkeit besteht. Das ist alles. Wer für Gerechtigkeit sorgen will sollte zu einer NGO oder meinetwegen in die Politik gehen. In der Justiz ist man da schlicht falsch.
Dem kann ich 100%ig zustimmen. Man muss einfach um langfristig glücklich zu werden den Anspruch aufgeben (oder darf ihn gar nicht erst entwickeln) für die "Gerechtigkeit" zuständig zu sein. Das sind Juristen nicht und das wurde zumindest mir auch schon recht früh im Studium klar gemacht. Der Job des Richters ist letztlich auch nur ein Rad im System, dem Beamten nicht unähnlich. Man muss halt seine Akten in einem Maße vertretbar erledigen, dass bei den Betroffenen nicht das Gefühl von Beliebigkeit besteht. Das ist alles. Wer für Gerechtigkeit sorgen will sollte zu einer NGO oder meinetwegen in die Politik gehen. In der Justiz ist man da schlicht falsch.
01.04.2020, 11:00
(01.04.2020, 10:55)Gast schrieb: "Deswegen wird es tatsächlich so sein, dass Menschen mit Ansprüchen an sich und ihre Arbeit und wirklich Gerechtigkeit im Sinne einer möglichst "richtigen Entscheidung" - und dies streitwertunabhangig - suchen, langfristig unzufriedene Richter sind als solche, die einfach akten abarbeiten."
Dem kann ich 100%ig zustimmen. Man muss einfach um langfristig glücklich zu werden den Anspruch aufgeben (oder darf ihn gar nicht erst entwickeln) für die "Gerechtigkeit" zuständig zu sein. Das sind Juristen nicht und das wurde zumindest mir auch schon recht früh im Studium klar gemacht. Der Job des Richters ist letztlich auch nur ein Rad im System, dem Beamten nicht unähnlich. Man muss halt seine Akten in einem Maße vertretbar erledigen, dass bei den Betroffenen nicht das Gefühl von Beliebigkeit besteht. Das ist alles. Wer für Gerechtigkeit sorgen will sollte zu einer NGO oder meinetwegen in die Politik gehen. In der Justiz ist man da schlicht falsch.
Genau, deswegen hake ich meine Akten so
Schnellstmöglich ab und erkläre den unvertretenen vor dem
Gericht meine Entscheidungen nicht. Sondern arbeite solange meine Akten ab bis die Pension kommt oder die reichsbürger in der Zwischenzeit die Macht übernommen haben...
01.04.2020, 11:13
(01.04.2020, 10:15)Auch Bln schrieb:(01.04.2020, 09:22)Exit BW schrieb: Absolute Zustimmung! Und ich muss eingestehen, auch ich wollte in die Justiz, weil ich mir davon Anerkennung erhofft hatte. Nichtsdestotrotz habe ich aber dann doch den Stecker gezogen.
Am LG, an dem ich tätig war, herrschte eine solch schlechte Stimmung, dass ich regelrecht schockiert war. Unter den Assessoren wirkte keiner, ja wirklich keiner, glücklich und zufrieden. Vielmehr wurden Durchhalteparolen ausgegeben, mit der Hoffnung auf baldige Besserung der eigenen Situation. (Ich glaube aber auch, dass es viel braucht, um dieses "Scheitern" vor sich und anderen einzugestehen.)
Die erfahrenen Richter hatten m.E. überwiegend resigniert und waren überwiegend verbittert. Das zeigte sich vor allem in der fehlenden Solidarität ggü den Proberichtern. Wenn überhaupt, konnte man nur von anderen Proberichtern Hilfe bekommen, die älteren wollten damit meist nichts (mehr) zu tun haben, sondern ihren nach ihrer Auffassung wahrscheinlich wohlverdienten Feierabend um 12.30 Uhr antreten.
Als ich versucht habe, im Einvernehmen mit den Verantwortlichen eine Lösung für meine Situation zu finden, wurde ich damit allein gelassen. Ich hatte den Eindruck, man möchte von Missständen absolut NULL wissen. Wie von Gast123 wird man dann als "Einzelfall" abgestempelt, der es eben nicht gebacken bekommt. Es wird weggeschaut, weggeduckt, nach dem Motto "haben wir immer so gemacht, wird auch weiter laufen". Ich glaube aber, das ist ein gewaltiger Irrtum, der sich rächen kann.
Ich kann immer wieder nur festhalten, wie leid es mir tut, wenn ich lese, auf welche Lebenszeitrichter einige Foristen hier getroffen sind! Ich hatte bei meinem Start großartige Kollegen, die mich unterstützt haben und einen fachlich und menschlich herausragenden Vorsitzenden. Von dessen Lektionen und Unterstützung und denen bzw. der der sonstigen Kollegen profitiere ich jeden Tag. Auch bei meiner jetzigen Dienststelle kann man grundsätzlich mindestens 80 Prozent der Kollegen bis in den Abend ansprechen und findet einen guten Sparringpartner.
Ich kenne es auch nur so. (Fast) ausschließlich sehr motivierte Assesssoren, (fast) ausschließlich sehr hilfsbereite Planrichter/Vorsitzende.
Die Zahl derjenigen, die aufhören, wie im Justizministerialblatt des jeweiligen Landes veröffentlicht. Auch der DRB führt Statistiken. Die Zahl ist - sehr - niedrig.
01.04.2020, 11:15
(01.04.2020, 10:37)Gast schrieb:(01.04.2020, 10:08)Auch Bln schrieb:(01.04.2020, 08:31)Gast schrieb:(31.03.2020, 22:50)Gast schrieb: Es gibt nur wenige Assessoren, die hinschmeißen.
Dies ist eine bloße Behauptung, da meines Wissens eine derartige landes und bundesweite Statistik hinsichtlich der ausgeschiedenen Proberichter und Probestaatsanwälte nicht existiert!
Und selbst wenn sich diese Behauptung beweisen ließe, wäre damit noch immer nicht das Argument "es handelt sich im individuelles Versagen, weil die Zustände allgemein nicht so schlimm sind" nicht beweisen.
Genauso könnte als Argument angeführt werden, es gibt wenige Bewerber und dies beweist, dass die Zustände bei Gericht katastrophal sind, weil es ja sonst mehr Bewerber geben würde.
In dem Landgerichtsbezirk in dem ich tätig war haben im vergangenen Jahr mit mir mindestens 3, ich habe sogar von einer 4 Person gehört, hingeschmissen. Wenn wir ausgehen, dass jeden Monat ein neuer Proberichter anfängt, und zumindest 3 sicher aufgehört haben dann entspricht dies 25 % der neuen Proberichter, die aufgehört haben.
Und selbst wenn die Behauptung, dass wenige Proberichter hinschmeißen stimmen sollte-was nach oben Gesagtem zumindest nicht für den Bezirk gilt, in dem ich eingesetzt war und eine Statistik mir nicht bekannt ist und auch nicht angeführt wird, dann lässt sich auf dieser Basis auch nicht auf paradiesische Arbeitsbedingungen schließen:
Ich habe mit vielen Proberichtern, Staatsanwälten und auch! verplanten Richtern gesprochen und ausnahmslos alle haben sich hinter vorgehaltener Hand beschwert. So und davon ausgehend hätten wir die Frage zu klären, weshalb trotzdem "relativ" wenige hinschmeißen. Ich habe mir diese Frage lange Zeit gestellt und habe keine Antwort drauf finden können, bis ich das Buch "die narzisstische Gesellschaft" gelesen habe und mir ein Licht aufging(Mir !ging ein Licht auf und ich bin kein Psychologe, sondern habe wie die meisten unter uns lediglich Jura studiert,aber es scheint mir doch eine taugliche Erklärung zu sein). Meiner Meinung nach sind Juristen stark verdächtig, an einer narzisstischen Persönlichkeit zu leiden. Dies weil das Studium und auch das Ref eine lange Durststrecke darstellt, in dem wir-bekanntermaßen- auf einiges verzichten müssen. Dieser krasse Selbstverzicht ist häufig nur damit zu erklären, dass wir uns von der Leistung(Examen 1 und 2 und schließlich Richteramt) die Anerkennung erhoffen zu bekommen bzw. zu kompensieren, die wir in unserer Kindheit nicht erfahren haben(unbedingte Liebe). Und nun das Erreichte einfach hinzuschmeißen, was häufig von einem selbst und von der Gesellschaft als Scheitern gewertet wird, tja das fällt einigen recht schwer.
Ich persönlich habe mit vielen gesprochen und habe auch selbst Erfahrung im Justizdienst sammeln können. Ich sage nicht, dass es überall so zugeht, wie an meiner ehemaligen Stammdienststelle, aber die oben angeführte Doku und auch die Beschreibungen von anderen deuten darauf hin, dass eine vergleichbare Problematik an einigen Orten existiert.
Ohne Zweifel gibt es in der Gesamtausstattung vieler Dienststellen erhebliche Luft nach oben, so dass ein nicht unerheblicher Teil der Proberichter von den Zuständen geschockt und ebenso ein nicht unerheblicher Teil der Lebenszeitrichter davon ausgezehrt sein kann.
Um ehrlich zu sein, hatte auch ich mir vor meinem Wechsel in die Justiz nicht vorstellen können, wie schlecht die Personal- und Sachmittelausstattung im Vergleich zur freien Wirtschaft war und teilweise noch ist.
Auch liegt es mir fern, dem Einzelnen seine persönlichen Wahrnehmungen abzusprechen - wer sagt, ihm oder ihr mache der Beruf des Richters keine Freude, der wird das selbst am besten einschätzen können. Auch mag der bzw. die ein oder andere - neben dem allgemein hohen Aktendruck - auf schwierige Präsidial- oder LUV-Richter und Vorsitzende getroffen sein, die einen Verbleib an der Dienststelle - jedenfalls subjektiv - unmöglich gemacht haben.
Allerdings finde ich die Verallgemeinerungen in Deinem letzten Abschnitt irritierend:
Dass Juristen gemeinhin eine schwierigere und entbehrungsreichere Ausbildung hätten als Medinziner, Psychologen, Pharmazeuten, MINTler, Theologen und viele andere anspruchsvolle Studiengänge und Ausbildungsberufe halte ich bestenfalls für ein Gerücht, schlimmstenfalls für Eitelkeit. Eine Vielzahl von Studiengängen und Ausbildungen stellt ganz erhebliche Anforderungen an die Kandidaten, man denke nur an einen Ausbildungsberuf in der Pflege oder an die Durchfallquoten bei vielen MINT-Studiengängen...
Unabhängig davon dürfte sein, wie das Individuum diese Anforderungen bewertet und damit umgeht. Ob die Ausbildung, das Studium und das Referendariat eine "lange Durststrecke" darstellen oder nicht, dürfte daher subjektiv sein.
Eigene Erfahrungen und Nahbereichsempirie bei mir: Klar, gibt es Zeiten, in denen man als angehender Jurist an der Sinnhaftigkeit des Ganzen zweifelt oder feststellen muss, dass Klausur/Hausarbeit einen nicht brennend interessieren und gleichzeitig heftig überfordern... Dennoch hatte ich während meines Studiums insgesamt eine gute Zeit. Meinem juristischen Freundes- und engeren Bekanntenkreis ging es weitgehend ähnlich. Viele von uns hatten einen Nebenjob und haben uns auch stets Zeit und Raum für Freunde und Hobbies gelassen. Hatten wir am Ende alle zwei VB und besser und sind jetzt alle Richter? Nein, einige sind auch keine Volljuristen -muss man aber auch nicht, um ein erfolgreicher und glücklicher Mensch zu sein!
Vielleicht können wir uns also darauf einigen, dass ein ehemaliger Richter, der sein Amt niederlegt, ebenso wenig zwingend "ein ungeeigneter Versager" sein muss, wie ein Lebenszeitrichter zwingend "ein Narzist"?
Diese Behauptung stellt niemand auf. Ich versuche nur mir zu erklären, warum so viel Kritik im Stillen geübt wird, ohne Konsequenzen für sich selbst zu ziehen. Mir viel die Entscheidung aufzuhören auch nicht leicht, was dadurch erschwert wurde, dass viele Leute versuchten auf mich einzuwirken : du kannst doch nicht einfach hinschmeissen etc.
Ich habe mich mit den Problemen an den Personaldezernenten gewendet, der mir vorwarf, meine Erfahrung und Kritik in einer Email formuliert und dadurch fixiert zu haben "haben sie überhaupt darüber nachgedacht, welchen Einfluss das auf ihre Karriere haben kann". Das war mein Hilferuf, der seitens der Verwaltung völlig ignoriert wurde. Danach sagte ich offen, dass ich aufzuhören gedenke. Seine Worte: die von ihnen bearbeiteten Akten waren nicht schlecht, gefallen mir sogar teilweise richtig gut. Wieder wurde von meiner Kritik an den Umständen auf mein "Versagen" geschlossen oder dieses versucht damit zu rechtfertigen. Meine Person war gar nicht Gegenstand meiner Kritik, warum wird plötzlich an meiner fachlichen Befähigung gezweifelt!?
Wisst ihr, ich war gerne Richter, aber konnte in der Arbeitszeit (höchstens 10 Stunden am Tag, danach macht mein Kopf dicht) den hinter den Akten stehenden Menschen nicht gerecht werden, weshalb ich aufgehört habe.
Deswegen wird es tatsächlich so sein, dass Menschen mit Ansprüchen an sich und ihre Arbeit und wirklich Gerechtigkeit im Sinne einer möglichst "richtigen Entscheidung" - und dies streitwertunabhangig - suchen, langfristig unzufriedene Richter sind als solche, die einfach akten abarbeiten.
Die Reaktion des Personaldezernenten ist ehrlich gesagt nachvollziehbar..
01.04.2020, 11:19
(01.04.2020, 11:13)Gast123 schrieb:(01.04.2020, 10:15)Auch Bln schrieb:(01.04.2020, 09:22)Exit BW schrieb: Absolute Zustimmung! Und ich muss eingestehen, auch ich wollte in die Justiz, weil ich mir davon Anerkennung erhofft hatte. Nichtsdestotrotz habe ich aber dann doch den Stecker gezogen.
Am LG, an dem ich tätig war, herrschte eine solch schlechte Stimmung, dass ich regelrecht schockiert war. Unter den Assessoren wirkte keiner, ja wirklich keiner, glücklich und zufrieden. Vielmehr wurden Durchhalteparolen ausgegeben, mit der Hoffnung auf baldige Besserung der eigenen Situation. (Ich glaube aber auch, dass es viel braucht, um dieses "Scheitern" vor sich und anderen einzugestehen.)
Die erfahrenen Richter hatten m.E. überwiegend resigniert und waren überwiegend verbittert. Das zeigte sich vor allem in der fehlenden Solidarität ggü den Proberichtern. Wenn überhaupt, konnte man nur von anderen Proberichtern Hilfe bekommen, die älteren wollten damit meist nichts (mehr) zu tun haben, sondern ihren nach ihrer Auffassung wahrscheinlich wohlverdienten Feierabend um 12.30 Uhr antreten.
Als ich versucht habe, im Einvernehmen mit den Verantwortlichen eine Lösung für meine Situation zu finden, wurde ich damit allein gelassen. Ich hatte den Eindruck, man möchte von Missständen absolut NULL wissen. Wie von Gast123 wird man dann als "Einzelfall" abgestempelt, der es eben nicht gebacken bekommt. Es wird weggeschaut, weggeduckt, nach dem Motto "haben wir immer so gemacht, wird auch weiter laufen". Ich glaube aber, das ist ein gewaltiger Irrtum, der sich rächen kann.
Ich kann immer wieder nur festhalten, wie leid es mir tut, wenn ich lese, auf welche Lebenszeitrichter einige Foristen hier getroffen sind! Ich hatte bei meinem Start großartige Kollegen, die mich unterstützt haben und einen fachlich und menschlich herausragenden Vorsitzenden. Von dessen Lektionen und Unterstützung und denen bzw. der der sonstigen Kollegen profitiere ich jeden Tag. Auch bei meiner jetzigen Dienststelle kann man grundsätzlich mindestens 80 Prozent der Kollegen bis in den Abend ansprechen und findet einen guten Sparringpartner.
Ich kenne es auch nur so. (Fast) ausschließlich sehr motivierte Assesssoren, (fast) ausschließlich sehr hilfsbereite Planrichter/Vorsitzende.
Die Zahl derjenigen, die aufhören, wie im Justizministerialblatt des jeweiligen Landes veröffentlicht. Auch der DRB führt Statistiken. Die Zahl ist - sehr - niedrig.
Ich habe aber ernste Zweifel ob man das als Kriterium für die Zufriedenheit mit dem Job heranziehen kann. Wer ewig darauf hingearbeitet hat, Richter*in zu werden, wird viel in Kauf nehmen, um diesen Job auch durchzuziehen. Hinzu kommt, dass es so ab einem Alter von 35-40 Jahren finanziell ein Desaster wäre, aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden, da der Staat nur den Arbeitgeberanteil an die Sozialversicherungen nachzahlt. Spätestens ab diesem Alter ist man also finanziell gebunden und kann auch gar nicht mehr frei entscheiden. Ich kenne jedenfalls mehrere Staatsanwältinnen persönlich, für die genau das der Grund ist, ihren Dienst fortzusetzen. Freude an der Arbeit oder ähnliches spielt bei denen schon lange keine Rolle mehr.