12.04.2025, 17:47
Hallo zusammen,
ich bin mittlerweile Volljurist und wollte mich nach dem 2. Examen bewusst nicht klassisch als Anwalt bewerben, sondern habe mich seit Januar fast ausschließlich bei Unternehmen mit Sitz in Berlin beworben – ca. 15–20 Bewerbungen.
Das Ergebnis war ernüchternd:
Nur eine Einladung zu einem Telefonat, das dann von AG-Seite nicht weiterverfolgt wurde – der Rest waren Absagen.
Ganz anders lief es bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder gemeinnützigen Einrichtungen, bei denen es ziemlich schnell zu Rückmeldungen und Gesprächen kam. Zumindest war dies nun 2 Mal so.
Mein Profil:
Rückblickend bin ich vielleicht etwas zu naiv an die Jobsuche herangegangen und der Fokus auf Unternehmen (ohne Berufserfahung oder wirtschaftsnahen Lebenslauf) war vielleicht etwas zu optimistisch. Ich hatte gedacht, dass meine Examensnoten (vor allem das Erste) mir einen soliden Start in den Unternehmensbereich ermöglichen könnten – auch ohne „klassische“ Großkanzlei-Stationen im Lebenslauf. In Berlin dürfte die Konkurrenz allerdings besonders groß sein – sowohl durch sehr gut qualifizierte Absolventinnen als auch durch Bewerberinnen mit Berufserfahrung.
Mich würde interessieren:
Ich freue mich auf eure Einschätzungen und Erfahrungen!
ich bin mittlerweile Volljurist und wollte mich nach dem 2. Examen bewusst nicht klassisch als Anwalt bewerben, sondern habe mich seit Januar fast ausschließlich bei Unternehmen mit Sitz in Berlin beworben – ca. 15–20 Bewerbungen.
Das Ergebnis war ernüchternd:
Nur eine Einladung zu einem Telefonat, das dann von AG-Seite nicht weiterverfolgt wurde – der Rest waren Absagen.
Ganz anders lief es bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder gemeinnützigen Einrichtungen, bei denen es ziemlich schnell zu Rückmeldungen und Gesprächen kam. Zumindest war dies nun 2 Mal so.
Mein Profil:
- Examen: 9,9 Punkte (staatlich 9,5)
- Examen: 6,9 Punkte
- Examen: 9,9 Punkte (staatlich 9,5)
- Keine Auslandserfahrung
- Keine Station bei Großkanzleien
- Kein Prädikat im Zweiten
- Werkstudentenstelle (5 Monate), ansonsten keine relevante Berufserfahrung
- Englischkenntnisse okay, aber nicht fließend
Rückblickend bin ich vielleicht etwas zu naiv an die Jobsuche herangegangen und der Fokus auf Unternehmen (ohne Berufserfahung oder wirtschaftsnahen Lebenslauf) war vielleicht etwas zu optimistisch. Ich hatte gedacht, dass meine Examensnoten (vor allem das Erste) mir einen soliden Start in den Unternehmensbereich ermöglichen könnten – auch ohne „klassische“ Großkanzlei-Stationen im Lebenslauf. In Berlin dürfte die Konkurrenz allerdings besonders groß sein – sowohl durch sehr gut qualifizierte Absolventinnen als auch durch Bewerberinnen mit Berufserfahrung.
Mich würde interessieren:
- Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht – insbesondere in Berlin oder auch in anderen Großstädten?
- Gibt es aus eurer Sicht bestimmte Stellenschwerpunkte oder Unternehmensgrößen, bei denen man als Berufseinsteiger ohne besonders auffälligen Lebenslauf bessere Chancen hat?
- Was würdet ihr mit diesen Voraussetzungen als realistisches Einstiegsgehalt ausgehend von eigenen Erfahrungen empfinden? Sowohl generell als auch im Unternehmensbereich?
- Und zuletzt: Was würdet ihr jemandem in meiner Situation raten – weiter den Unternehmensbereich fokussieren, doch über Kanzleien nachdenken, eher in den öffentlichen Dienst gehen?
Ich freue mich auf eure Einschätzungen und Erfahrungen!
12.04.2025, 19:48
Glückwunsch zu den tollen Examina. Wurde dir irgendwie kommuniziert, woran es liegen könnte? Notentechnisch bist du ja gut unterwegs (wobei Berlin natürlich sehr starke Konkurrenz).
Bewirbst du dich denn ausschließlich auf Stellen, die keine (bzw wenig) Berufserfahrung, keine Kenntnisse in Beratung der GF, keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, keine fließenden Kenntnisse in der englischen Sprache usw voraussetzen?
In große Unternehmen/Konzerne (also Richtung 1000 MA aufwärts) komm man idR erst rein, wenn ausreichend (einschlägige) Erfahrung bspw in einer Wirtschaftskanzlei gesammelt worden ist (Exit). Gleiches gilt natürlich für Boutiquen/Fonds/Holdings, die zwar wenig MA haben, aber bspw. im internationalen Finanz-, Transaktions- oder Immobilienbereich tätig sind.
Bei loaklen/regionalen KMU bzw Unternehmen in kommunaler Hand sieht es hingegen u.U. anders aus. Die schreiben teilweise ans Juristen mit 1. Examen, Volljuristen und Wirtschaftsjuristen gleichrangig aus. Auch da gibt es viele Möglichkeiten und sehr abwechslungsreiche Tätigkeiten.
Gehalt: 55-60k aufwärts würde ich für Berlin als Berufseinsteiger jetzt schätzen, natürlich abhängig von Branche und Größe. In Erfurt oder Jena natürlich weniger ;-)
edit: wenn du die Chance auf ÖD hast...denk auf jeden Fall sehr gut darüber nach! Wer weiß wie die wirtschaftliche Situation sich entwickelt usw.
Bewirbst du dich denn ausschließlich auf Stellen, die keine (bzw wenig) Berufserfahrung, keine Kenntnisse in Beratung der GF, keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, keine fließenden Kenntnisse in der englischen Sprache usw voraussetzen?
In große Unternehmen/Konzerne (also Richtung 1000 MA aufwärts) komm man idR erst rein, wenn ausreichend (einschlägige) Erfahrung bspw in einer Wirtschaftskanzlei gesammelt worden ist (Exit). Gleiches gilt natürlich für Boutiquen/Fonds/Holdings, die zwar wenig MA haben, aber bspw. im internationalen Finanz-, Transaktions- oder Immobilienbereich tätig sind.
Bei loaklen/regionalen KMU bzw Unternehmen in kommunaler Hand sieht es hingegen u.U. anders aus. Die schreiben teilweise ans Juristen mit 1. Examen, Volljuristen und Wirtschaftsjuristen gleichrangig aus. Auch da gibt es viele Möglichkeiten und sehr abwechslungsreiche Tätigkeiten.
Gehalt: 55-60k aufwärts würde ich für Berlin als Berufseinsteiger jetzt schätzen, natürlich abhängig von Branche und Größe. In Erfurt oder Jena natürlich weniger ;-)
edit: wenn du die Chance auf ÖD hast...denk auf jeden Fall sehr gut darüber nach! Wer weiß wie die wirtschaftliche Situation sich entwickelt usw.
12.04.2025, 19:50
Hallo bibtiger, (cooler Name)
erstmal Glückwunsch zu Deinen Examina. Damit musst Du Dich wirklich nicht verstecken.
Zu Deiner Frage:
15-20 Bewerbungen sind noch nicht zu viel, um unruhig zu werden. Die derzeitige Lage ist halt nicht mehr so gut wie 2022/23.
Natürlich herrscht große Konkurrenz, gerade in beliebten Städten, kenne ich selbst nur zu gut aus Hamburg.
Gerade Unternehmen stellen gerne erfahrene Mitarbeiter ein, vorzugsweise RAe aus Wirtschaftskanzleien. Natürlich gibts auch mal Stellen für Anfänger als Assistenz in der Rechtsabteilung, das sind aber meist größere Unternehmen, wo der Anfänger nicht auf sich allein gestellt ist und auch dort ist der Markt umkämpft.
Einfacher ist es, wenn Du etwas Erfahrung als Anwalt einer wirtschaftsrechtlich/ arbeitsrechtlich orientierten Kanzlei nachweisen kannst. Eine Option wäre auch ein Arbeitgeberverband, habe ich als Station im Ref gemacht und einen Wechsel eines Anwaltes dort zu einem Mitgliedsunternehmen als Justitiar erlebt.
Wenn Du nach 50 Bewerbungen noch keinen Einstieg ins Unternehmen gefunden hast, würde ich umschwenken und es auch in Kanzleien versuchen. Du musst ja nicht bis zur Rente dort bleiben. Verwaltungsbehörde geht natürlich auch, aber dann mit wirtschaftsrechtlichem Hintergrund, sonst wird’s mit der einschlägigen Erfahrung für Unternehmen schwieriger.
Auch IHK wäre eine Möglichkeit, verdienst nur nicht sonderlich gut, aber als Einstieg ok.
Als Anfängergehalt im Unternahmen halte ich 60-70.000 für möglich. Je nach Größe und Standort natürlich. Verbände und IHK zahlen allerdings weniger.
Du wirst was finden, da sitzen Juristen mit deutlich schlechteren Noten als Du auf allen möglichen Posten.
erstmal Glückwunsch zu Deinen Examina. Damit musst Du Dich wirklich nicht verstecken.
Zu Deiner Frage:
15-20 Bewerbungen sind noch nicht zu viel, um unruhig zu werden. Die derzeitige Lage ist halt nicht mehr so gut wie 2022/23.
Natürlich herrscht große Konkurrenz, gerade in beliebten Städten, kenne ich selbst nur zu gut aus Hamburg.
Gerade Unternehmen stellen gerne erfahrene Mitarbeiter ein, vorzugsweise RAe aus Wirtschaftskanzleien. Natürlich gibts auch mal Stellen für Anfänger als Assistenz in der Rechtsabteilung, das sind aber meist größere Unternehmen, wo der Anfänger nicht auf sich allein gestellt ist und auch dort ist der Markt umkämpft.
Einfacher ist es, wenn Du etwas Erfahrung als Anwalt einer wirtschaftsrechtlich/ arbeitsrechtlich orientierten Kanzlei nachweisen kannst. Eine Option wäre auch ein Arbeitgeberverband, habe ich als Station im Ref gemacht und einen Wechsel eines Anwaltes dort zu einem Mitgliedsunternehmen als Justitiar erlebt.
Wenn Du nach 50 Bewerbungen noch keinen Einstieg ins Unternehmen gefunden hast, würde ich umschwenken und es auch in Kanzleien versuchen. Du musst ja nicht bis zur Rente dort bleiben. Verwaltungsbehörde geht natürlich auch, aber dann mit wirtschaftsrechtlichem Hintergrund, sonst wird’s mit der einschlägigen Erfahrung für Unternehmen schwieriger.
Auch IHK wäre eine Möglichkeit, verdienst nur nicht sonderlich gut, aber als Einstieg ok.
Als Anfängergehalt im Unternahmen halte ich 60-70.000 für möglich. Je nach Größe und Standort natürlich. Verbände und IHK zahlen allerdings weniger.
Du wirst was finden, da sitzen Juristen mit deutlich schlechteren Noten als Du auf allen möglichen Posten.
12.04.2025, 20:06
Willst du eher in ein kleineres oder in ein größeres Unternehmen? Liegt dein Fokus auf einem bestimmten Rechtsgebiet?
In Berlin sind ja bekanntermaßen kaum Großkonzerne oder mittelständische Industriebetriebe, sondern vor allem Startups und Medienunternehmen ansässig, d. h. Vorkenntnisse im gewerblichen Rechtsschutz können von Vorteil sein. Ansonsten suchen kleinere Firmen eher erfahrene „Allrounder“, die zu einer großen Bandbreite von Fällen passende Ersteinschätzungen liefern und die Fälle ggf. an Kanzleien delegieren können.
Für den Berufseinstieg dürften sich eher Rechtsabteilungen größerer Unternehmen anbieten, da dort mehr Spielraum besteht, sich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet zu spezialisieren und meist mehr Kapazitäten für die Einarbeitung vorhanden sind. Wenn es dir wichtig ist, direkt in ein Unternehmen einzusteigen, ist es keine schlechte Idee, dich auch außerhalb Berlins umzuschauen. Auch mit ein paar Jahren Berufserfahrung als Anwalt im wirtschaftsrechtlichen Bereich wirst du bessere Karten haben, etwas in einem Unternehmen zu finden.
In Berlin sind ja bekanntermaßen kaum Großkonzerne oder mittelständische Industriebetriebe, sondern vor allem Startups und Medienunternehmen ansässig, d. h. Vorkenntnisse im gewerblichen Rechtsschutz können von Vorteil sein. Ansonsten suchen kleinere Firmen eher erfahrene „Allrounder“, die zu einer großen Bandbreite von Fällen passende Ersteinschätzungen liefern und die Fälle ggf. an Kanzleien delegieren können.
Für den Berufseinstieg dürften sich eher Rechtsabteilungen größerer Unternehmen anbieten, da dort mehr Spielraum besteht, sich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet zu spezialisieren und meist mehr Kapazitäten für die Einarbeitung vorhanden sind. Wenn es dir wichtig ist, direkt in ein Unternehmen einzusteigen, ist es keine schlechte Idee, dich auch außerhalb Berlins umzuschauen. Auch mit ein paar Jahren Berufserfahrung als Anwalt im wirtschaftsrechtlichen Bereich wirst du bessere Karten haben, etwas in einem Unternehmen zu finden.
12.04.2025, 22:24
Hallo,
Deine Schilderungen überraschen mich nicht. Unternehmen legen Wert auf einschlägige Berufserfahrung gern mit Zusatzqualifikationen (BWL, MBA). Gute Examensnoten sind zweitrangig.
Wenn Du ohne Berufserfahrung dennoch direkt in Unternehmen einsteigen möchtest, bewirb Dich auf Stellen, die auch für Wirtschaftsjuristen ausgeschrieben sind (Stichwort: Vertragsmanagement). Hier musst Du ggf. Abstriche beim Gehalt machen.
Ich habe auch schon Stellenausschreibungen gesehen, die neue Rechtsgebiete betreffen (KI) oder die bei „gestandenen Unternehmensjuristen“ nicht sonderlich beliebt sind (Digitalisierung, Compliance), so dass hier auch Berufsanfänger gute Chancen haben dürften.
Deine Schilderungen überraschen mich nicht. Unternehmen legen Wert auf einschlägige Berufserfahrung gern mit Zusatzqualifikationen (BWL, MBA). Gute Examensnoten sind zweitrangig.
Wenn Du ohne Berufserfahrung dennoch direkt in Unternehmen einsteigen möchtest, bewirb Dich auf Stellen, die auch für Wirtschaftsjuristen ausgeschrieben sind (Stichwort: Vertragsmanagement). Hier musst Du ggf. Abstriche beim Gehalt machen.
Ich habe auch schon Stellenausschreibungen gesehen, die neue Rechtsgebiete betreffen (KI) oder die bei „gestandenen Unternehmensjuristen“ nicht sonderlich beliebt sind (Digitalisierung, Compliance), so dass hier auch Berufsanfänger gute Chancen haben dürften.
12.04.2025, 23:30
(12.04.2025, 19:48)nachdenklich schrieb: Glückwunsch zu den tollen Examina. Wurde dir irgendwie kommuniziert, woran es liegen könnte? Notentechnisch bist du ja gut unterwegs (wobei Berlin natürlich sehr starke Konkurrenz).Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung und die Einschätzung – freut mich wirklich, dass du dir die Zeit genommen hast!
Bewirbst du dich denn ausschließlich auf Stellen, die keine (bzw wenig) Berufserfahrung, keine Kenntnisse in Beratung der GF, keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, keine fließenden Kenntnisse in der englischen Sprache usw voraussetzen?
In große Unternehmen/Konzerne (also Richtung 1000 MA aufwärts) komm man idR erst rein, wenn ausreichend (einschlägige) Erfahrung bspw in einer Wirtschaftskanzlei gesammelt worden ist (Exit). Gleiches gilt natürlich für Boutiquen/Fonds/Holdings, die zwar wenig MA haben, aber bspw. im internationalen Finanz-, Transaktions- oder Immobilienbereich tätig sind.
Bei loaklen/regionalen KMU bzw Unternehmen in kommunaler Hand sieht es hingegen u.U. anders aus. Die schreiben teilweise ans Juristen mit 1. Examen, Volljuristen und Wirtschaftsjuristen gleichrangig aus. Auch da gibt es viele Möglichkeiten und sehr abwechslungsreiche Tätigkeiten.
Gehalt: 55-60k aufwärts würde ich für Berlin als Berufseinsteiger jetzt schätzen, natürlich abhängig von Branche und Größe. In Erfurt oder Jena natürlich weniger ;-)
edit: wenn du die Chance auf ÖD hast...denk auf jeden Fall sehr gut darüber nach! Wer weiß wie die wirtschaftliche Situation sich entwickelt usw.
Tatsächlich wurde mir in keinem der Absageschreiben konkret mitgeteilt, woran es gelegen haben könnte. Ich vermute aber, dass es – wie du auch sagst – einfach an der sehr starken Konkurrenz in Berlin liegt, insbesondere an Bewerber mit zusätzlicher Berufserfahrung oder Stationen in der Großkanzlei.
Auf Stellen, die exakt meinen Profil entsprechen, konnte ich mich leider nicht bewerben. Berufserfahrung wurde bei bestimmt 95% der Stellenanzeigen, die ich mir so angesehen habe, mindestens mal erwähnt. Häufig auch vorausgesetzt. Soweit es nicht mehr als 2 Jahre waren oder zumindest nur "idealerweise" oder "wünschenswert" erwähnt wurde, habe ich mich dennoch beworben. Habe am meisten darauf geachtet, dass keine verhandlungssicheren/fließenden Englischkenntnisse vorausgesetzt werden, weil ich die halt nicht habe und daher auch ungern vertieft damit beruflich zu tun haben wollen würde.
Dein Hinweis auf KMU und kommunal geprägte Unternehmen ist auf jeden Fall hilfreich! Ich glaube, genau solche Zielgruppen habe ich bisher ein bisschen unterschätzt, gerade am Anfang, weil ich nicht davon ausging, dass sich das so schwierig gestaltet. Vielleicht wäre es gut, meinen Fokus stärker auch auf diese Art von Arbeitgebern zu richten – zumal ich genau diese Vielfalt und Abwechslung in der Tätigkeit sehr schätze. Wobei man dann natürlich wiederum Abstriche beim Gehalt machen muss, was mir jetzt nicht super wichtig ist, aber was auch nicht komplett irrelevant wäre.
Was das Thema Öffentlicher Dienst angeht: Habe ich zuletzt auch schon in Erwägung gezogen und mich zumindest mal bei 2 Stellen beworben. Wollte ich ursprünglich vermeiden, weil das einen schon sehr einschränkt und Flexibilität nimmt. Ich finde es schwer zu beurteilen, was zu mir passt und was mir liegen könnte. Wenn man einmal im ÖD angekommen und vielleicht verbeamtet ist, wäre ein Wechsel in die Wirtschaft (wo es einem dann vielleicht auch nicht gefällt) wenig sinnvoll. Ich wollte ursprünglich zumindest mal Erfahrungen außerhalb des ÖD sammeln. Aber ja, die wirtschaftliche Unsicherheit macht einen sicheren Job natürlich umso attraktiver. Danke auch dafür nochmal!
Bezüglich der Gehaltseinschätzung ist dein Richtwert auch sehr hilfreich. Habe ich in den jeweils gewünschten Gehaltsvorstellungen auch angegeben und war da jetzt nicht komplett weit entfernt von.
12.04.2025, 23:31
(12.04.2025, 19:50)Counsel schrieb: Hallo bibtiger, (cooler Name)Hallo und danke dir – auch für die netten Worte zu meinem Namen 😊
erstmal Glückwunsch zu Deinen Examina. Damit musst Du Dich wirklich nicht verstecken.
Zu Deiner Frage:
15-20 Bewerbungen sind noch nicht zu viel, um unruhig zu werden. Die derzeitige Lage ist halt nicht mehr so gut wie 2022/23.
Natürlich herrscht große Konkurrenz, gerade in beliebten Städten, kenne ich selbst nur zu gut aus Hamburg.
Gerade Unternehmen stellen gerne erfahrene Mitarbeiter ein, vorzugsweise RAe aus Wirtschaftskanzleien. Natürlich gibts auch mal Stellen für Anfänger als Assistenz in der Rechtsabteilung, das sind aber meist größere Unternehmen, wo der Anfänger nicht auf sich allein gestellt ist und auch dort ist der Markt umkämpft.
Einfacher ist es, wenn Du etwas Erfahrung als Anwalt einer wirtschaftsrechtlich/ arbeitsrechtlich orientierten Kanzlei nachweisen kannst. Eine Option wäre auch ein Arbeitgeberverband, habe ich als Station im Ref gemacht und einen Wechsel eines Anwaltes dort zu einem Mitgliedsunternehmen als Justitiar erlebt.
Wenn Du nach 50 Bewerbungen noch keinen Einstieg ins Unternehmen gefunden hast, würde ich umschwenken und es auch in Kanzleien versuchen. Du musst ja nicht bis zur Rente dort bleiben. Verwaltungsbehörde geht natürlich auch, aber dann mit wirtschaftsrechtlichem Hintergrund, sonst wird’s mit der einschlägigen Erfahrung für Unternehmen schwieriger.
Auch IHK wäre eine Möglichkeit, verdienst nur nicht sonderlich gut, aber als Einstieg ok.
Als Anfängergehalt im Unternahmen halte ich 60-70.000 für möglich. Je nach Größe und Standort natürlich. Verbände und IHK zahlen allerdings weniger.
Du wirst was finden, da sitzen Juristen mit deutlich schlechteren Noten als Du auf allen möglichen Posten.
Ich finde deine Einschätzung wirklich sehr hilfreich und aufbauend.
Du hast völlig recht: 15–20 Bewerbungen sind wahrscheinlich noch keine besonders große Zahl, aber ich hatte ehrlich gesagt mit etwas mehr Resonanz gerechnet (zumindest mal eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch) – umso mehr hat mich das Ganze zum Nachdenken gebracht. Den Hinweis mit dem Zeitfenster 2022/23 finde ich interessant. Habe schon mal gehört, dass es zu diesem Zeitpunkt bei Unternehmen für Einsteiger leichter war.
Auch deine Hinweise zu Kanzleien nehme ich mir sehr zu Herzen. Ich hatte diese Richtung bisher eher ausgeschlossen, weil ich befürchtet habe, dass dort oft viel zwischenmenschliche Arbeit mit wechselnden Mandanten im Vordergrund steht, während die eigentliche juristische Tätigkeit manchmal etwas in den Hintergrund rückt. Auch der Fokus auf reine Sachverhaltsaufklärung und das Führen vieler Gerichtsprozesse war für mich bisher eher abschreckend. In wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzleien, in denen man hauptsächlich mit juristisch vorgebildeten Ansprechpartnern arbeitet, könnte das aber ganz anders aussehen – gerade als Zwischenschritt, um praktische Erfahrung für den späteren Wechsel ins Unternehmen zu sammeln.
Arbeitgeberverbände, IHK, vielleicht auch Kammern – das sind super Anregungen, die ich in meiner Suche nochmal stärker mit aufnehmen werde. Bei der IHK habe ich mich tatsächlich auch vor 2 Wochen oder so bereits beworben.
Auch bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft hatte ich mich ja schon beworben und wurde zumindest zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dort hätte man 5.800 brutto bekommen und ein volles 13. Gehalt, was finanziell wahrscheinlich schon das Maximum war.
Danke auf jeden Fall für deine ermutigenden Worte und die vielen konkreten Hinweise – das hilft mir wirklich sehr weiter!
12.04.2025, 23:32
(12.04.2025, 20:06)LawyerTN schrieb: Willst du eher in ein kleineres oder in ein größeres Unternehmen? Liegt dein Fokus auf einem bestimmten Rechtsgebiet?Vielen Dank für deine Rückmeldung – das ist wirklich ein berechtigter Hinweis, gerade was die Unterschiede zwischen kleineren und größeren Unternehmen angeht.
In Berlin sind ja bekanntermaßen kaum Großkonzerne oder mittelständische Industriebetriebe, sondern vor allem Startups und Medienunternehmen ansässig, d. h. Vorkenntnisse im gewerblichen Rechtsschutz können von Vorteil sein. Ansonsten suchen kleinere Firmen eher erfahrene „Allrounder“, die zu einer großen Bandbreite von Fällen passende Ersteinschätzungen liefern und die Fälle ggf. an Kanzleien delegieren können.
Für den Berufseinstieg dürften sich eher Rechtsabteilungen größerer Unternehmen anbieten, da dort mehr Spielraum besteht, sich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet zu spezialisieren und meist mehr Kapazitäten für die Einarbeitung vorhanden sind. Wenn es dir wichtig ist, direkt in ein Unternehmen einzusteigen, ist es keine schlechte Idee, dich auch außerhalb Berlins umzuschauen. Auch mit ein paar Jahren Berufserfahrung als Anwalt im wirtschaftsrechtlichen Bereich wirst du bessere Karten haben, etwas in einem Unternehmen zu finden.
Um ehrlich zu sein habe ich nie auf die Unternehmensgröße geachtet und ich war und bin auch auf kein Rechtsgebiet fokussiert. Alles in die zivilrechtliche Richtung fand und finde ich grundsätzlich erstmal ansprechend. Ausgehend von den Rechtsgebieten fand ich bisher gefühlt jede Stellenanzeige interessant, was vermutlich auch daran liegt, dass ich abseits vom allgemeinen Zivilrecht keinerlei Erfahrungen habe und es dadurch nicht wirklich beurteilen kann.
Dass in Berlin viele Startups und Medienunternehmen sitzen, ist mir auch aufgefallen – aber die Nachfrage nach Juristen ohne Berufserfahrung scheint dort eher begrenzt zu sein, oder die Anforderungen (gerade im IP-/IT-Bereich) sind schon recht hoch, insbesondere was vielleicht Englischkenntnisse angeht.
Ein Einstieg in ein Unternehmen wäre mir jetzt nicht super wichtig. Ich hielt das für mich als Erstes am sinnvollsten, weil man dort ja häufig generalistischer arbeitet, während man in Kanzleien eher auf Teilrechtsgebiete beschränkt ist. Hatte mir dadurch erhofft, dass ich durch praktische Erfahrungen Teilrechtsgebiete zumindest mal kennenlerne und mich dann basierend auf diesen Erfahrungen nach idealerweise entwickelten Präferenzen spezialisieren kann.
Ich merke auch immer mehr, dass es für den Einstieg eventuell wirklich sinnvoll sein könnte, stärker über eine Station in einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzlei nachzudenken, um praktische Erfahrung zu sammeln und sich ggf. später gezielter auf Unternehmensstellen bewerben zu können.
Danke dir auf jeden Fall für die hilfreichen Gedanken – gerade deine Unterscheidung nach Unternehmensgröße und Fokus finde ich super einleuchtend!
12.04.2025, 23:35
(12.04.2025, 22:24)peetje vs schrieb: Hallo,Vielen Dank auch für deine Einschätzung – das deckt sich ziemlich halt wirklich gut mit meinen bisherigen Eindrücken und bestätigt das dann auch nochmal.
Deine Schilderungen überraschen mich nicht. Unternehmen legen Wert auf einschlägige Berufserfahrung gern mit Zusatzqualifikationen (BWL, MBA). Gute Examensnoten sind zweitrangig.
Wenn Du ohne Berufserfahrung dennoch direkt in Unternehmen einsteigen möchtest, bewirb Dich auf Stellen, die auch für Wirtschaftsjuristen ausgeschrieben sind (Stichwort: Vertragsmanagement). Hier musst Du ggf. Abstriche beim Gehalt machen.
Ich habe auch schon Stellenausschreibungen gesehen, die neue Rechtsgebiete betreffen (KI) oder die bei „gestandenen Unternehmensjuristen“ nicht sonderlich beliebt sind (Digitalisierung, Compliance), so dass hier auch Berufsanfänger gute Chancen haben dürften.
Den Hinweis auf Stellen, die auch für Wirtschaftsjuristen ausgeschrieben sind, finde ich spannend. Vertragsmanagement hatte ich bisher nicht so stark im Fokus, könnte aber tatsächlich eine interessante Option sein, um Praxiserfahrung zu sammeln – auch wenn man dafür möglicherweise beim Gehalt erstmal Kompromisse eingehen muss. Wobei ich mir unsicher wäre, ob mir das liegen würde.
Legal Tech und KI fand ich tatsächlich von Anfang an super interessant. Eigentlich lag mein Fokus auch darauf eine solche Stellen zu finden. Habe sowas aber nur ganz vereinzelt gesehen und wurde auch dahingehend schnell abgelehnt. Habe halt auch in diesen Bereichen keinerlei Kenntnisse oder Erfahrungen, was dann auch eher ungünstig ist und es für mich persönlich auch etwas aussichtslos gemacht hat. Daran hatte ich aber großes Interesse. Habe zwar schon gezielt danach gesucht, aber nichts Passendes gefunden.
Danke dir nochmal für die Impulse!
13.04.2025, 09:39
(12.04.2025, 23:35)bibtiger schrieb:(12.04.2025, 22:24)peetje vs schrieb: Hallo,Vielen Dank auch für deine Einschätzung – das deckt sich ziemlich halt wirklich gut mit meinen bisherigen Eindrücken und bestätigt das dann auch nochmal.
Deine Schilderungen überraschen mich nicht. Unternehmen legen Wert auf einschlägige Berufserfahrung gern mit Zusatzqualifikationen (BWL, MBA). Gute Examensnoten sind zweitrangig.
Wenn Du ohne Berufserfahrung dennoch direkt in Unternehmen einsteigen möchtest, bewirb Dich auf Stellen, die auch für Wirtschaftsjuristen ausgeschrieben sind (Stichwort: Vertragsmanagement). Hier musst Du ggf. Abstriche beim Gehalt machen.
Ich habe auch schon Stellenausschreibungen gesehen, die neue Rechtsgebiete betreffen (KI) oder die bei „gestandenen Unternehmensjuristen“ nicht sonderlich beliebt sind (Digitalisierung, Compliance), so dass hier auch Berufsanfänger gute Chancen haben dürften.
Den Hinweis auf Stellen, die auch für Wirtschaftsjuristen ausgeschrieben sind, finde ich spannend. Vertragsmanagement hatte ich bisher nicht so stark im Fokus, könnte aber tatsächlich eine interessante Option sein, um Praxiserfahrung zu sammeln – auch wenn man dafür möglicherweise beim Gehalt erstmal Kompromisse eingehen muss. Wobei ich mir unsicher wäre, ob mir das liegen würde.
Würde ich an deiner Stelle sein lassen, wäre karrieretechnisch ein richtiger Schuss ins Knie. Wirtschaftsjuristen / Diplomjuristen fahren in Rechtsabteilungen einen eigenen Karrieretrack - sie sind deutlich günstiger und bekommen im Regelfall die Aufgaben, auf die sonst keiner Bock hat. Du kannst dich auf 20-40% weniger Gehalt im Vergleich zu Volljuristen in vergleichbaren Unternehmen einstellen.
Selbst wenn Du dich bewähren und höherwertige Aufgaben übertragen bekommen solltest, müsstest Du immer gegen den Malus ankämpfen, zu niedrig eingestiegen zu sein. Gehaltserhöhungen / Beförderungen erfordern im Unternehmen Budget. Anders als in der Kanzlei finanzierst Du dich nicht selbst, sondern die 'Enabling Functions' müssen dem 'Business' zusätzliche Kohle hart abringen.
Volljuristen bewerben sich auf solche Stellen, wenn sie a) die Stellenbeschreibung nicht richtig gelesen haben oder b) verzweifelt sind.
Der Weg in die Inhouse-Beratung führt im Regelfall über die Wirtschaftskanzlei als Sprungbrett. Wenn Du diesen Zwischenschritt nicht gehen möchtest, solltest Du dich auf Stellenausschreibungen konzentrieren, bei denen die Anforderungen an die Berufserfahrung niedrig sind.
Bei uns ist fehlende Berufserfahrung ein Showstopper, selbst wenn der Rest (Noten, Schwerpunktsetzung, persönlicher Eindruck) positiv ist.