17.06.2024, 21:42
Wenn man mit Belastung den Verfahrensbestand insgesamt meint, dann sind wir schon ziemlich dicht. Viel zu alt gewordene Verfahren, ob nun Asylrecht oder andere Gebiete, haben wir auch mehr als genug. Die arbeitet man eben Stück für Stück ab, solange man nicht durchgehend mit Eilsachen beschäftigt ist.
17.06.2024, 23:18
Welche Asyljahre würdest du denn als alt bezeichnen? 3-4 Jahre zurück hört man ja schon öfter.
18.06.2024, 19:13
3-4 Jahre sind bei uns überhaupt nicht ungewöhnlich. Ich habe auch schon so einige > 5 Jahre alte Verfahren gesehen. Mit effektivem Rechtsschutz hat das natürlich nicht mehr viel zu tun. Aber wenn die Politik die erforderlichen Stellen nicht schaffen will, was soll man dann schon machen. Ich kommuniziere in solchen Fällen bei mündlichen Verhandlungen gegenüber den Beteiligten bisweilen auch recht deutlich, dass ich diese Zustände selbst für inakzeptabel halte.
18.06.2024, 19:31
Hier (ebenfalls VG in NDS) hängt das Alter aber auch stark von dem Herkunftsland ab. Kammern mit vorwiegend sicheren Herkunftsländern haben oft nur 1-2 Jahre alte Verfahren, dafür aber sehr viele von diesen Verfahren. Gerade Georgien und Moldau haben in den letzten beiden Jahren bei uns sehr viele Eingänge ausgemacht. Mit klassischem Asylrecht hat das auch nicht viel zu tun, wenn ich mir die Entscheidungen der Kolleg:innen so anschauen. So unterschiedlich kann das auch sein mit dem Asylrecht, sollte man als Interessent auch wissen.
Noch zu den Fragen des TE: zu 1 und 2 verweise ich auf die Ausführungen meiner Vorredner. Ich (und viele andere) Kollegen haben ca. 120-150 Verfahren im Dezernat, die Einarbeitungsdauer hängt naturgemäß vom Rechtsgebiet ab. Verwaltungsrecht ist sehr breit gestreut und der Praxis und auch vermeintlich klassische Gebiete werfen Fragen auf, die man aus dem Studium/Ref nicht kennt. Das macht es für mich aber so spannend :-) wie viel Zeit man für ein Gebiet oder gar keine Akte braucht, kann man nicht pauschalieren.
Noch zu den Fragen des TE: zu 1 und 2 verweise ich auf die Ausführungen meiner Vorredner. Ich (und viele andere) Kollegen haben ca. 120-150 Verfahren im Dezernat, die Einarbeitungsdauer hängt naturgemäß vom Rechtsgebiet ab. Verwaltungsrecht ist sehr breit gestreut und der Praxis und auch vermeintlich klassische Gebiete werfen Fragen auf, die man aus dem Studium/Ref nicht kennt. Das macht es für mich aber so spannend :-) wie viel Zeit man für ein Gebiet oder gar keine Akte braucht, kann man nicht pauschalieren.
19.06.2024, 08:15
Die Menge an Verfahren allein sagt an sich wenig bis nichts über die Belastung im Dezernat oder das Alter der Verfahren aus. Zu Hochzeiten der "Asylkriese" hatte ich zeitweise knapp 400 Asylverfahren im Dezernat, insgesamt zwischen 450 und 500 Verfahren. Der Großteil der Asylverfahren waren allerdings Verfahren aus sicheren Herkunftsstaaten, bei denen in der Regel schon das BAMF auf ou erkennt. Die Dinger muss man dann halt mal ein halbes Jahr handfest durchentscheiden, d.h. einmal pro Woche terminieren, und dann nicht drei Verfahren laden, sondern zehn oder fünfzehn. Ich muss sagen, dass mich das "Rumgeheule", es sei alles so viel und so kompliziert und deshalb werde alles so alt, manchmal wirklich nervt.
19.06.2024, 09:02
Wenn es so einfach wäre, wie du sagst, hätten wir auch keine Probleme mit überlangen Verfahren. Das „Problem“ sind bei uns allerdings nicht alleine die Asylverfahren, sondern der Umstand, dass wir ja auch noch einiges an klassischer Materie haben, gerne auch eilverfahrenslastig. Da wäre es zB für unsere Kammer keine Option, einfach mal 6 Monate eine reine Asylkampagne zu machen. Zumal die Herkunftsländer auch längst nicht alles Selbstläufer sind. 10-15 Sachen auf einer Rolle pro Woche wären da völlig utopisch, eher 5-6. Und dann käme ich schon kaum zur klassischen Materie.
19.06.2024, 09:16
5 bis 6 pro Woche wäre in meinen Zuständigkeiten selbst dann nicht sachgerecht zu machen, wenn ich mich gänzlich auf Asyl konzentrieren könnte.
Das mag mit Georgien oder so gehen, oder mit reinen Aufstockerklagen aus Syrien, aber doch nicht mit Ländern, in denen man das volle Programm hat.
Das mag mit Georgien oder so gehen, oder mit reinen Aufstockerklagen aus Syrien, aber doch nicht mit Ländern, in denen man das volle Programm hat.
19.06.2024, 10:00
Ja, das ginge bei uns auch nur, weil wir überwiegend mittelschwere Länder haben und wäre auch schon das Maximum. Für klassische Materie bliebe da auch kaum noch Zeit.
19.06.2024, 10:03
Natürlich geht das. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung und der Arbeitsweise. Die Kolleginnen und Kollegen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit schaffen es auch, zwei Sitzungstage pro Woche abzuhalten und die Verfahren dort sind sicherlich nicht minder komplex.
19.06.2024, 10:15
Da ich selbst am Landgericht in Zivilsachen war, macht man dort definitiv keine zwei Sitzungstage pro Woche und ich kenne auch keinen Kollegen, der regelmäßig mehr als 4 bis 5 Sachen auf den Sitzungstag geladen hat. Im Asylrecht gibt es so gut wie keine unstreitigen Erledigungen, am LG lag die Quote bei mir dagegen bei 1/3 bis 2/3 pro Sitzungstag. Auch die mündlichen Verhandlungen dauern in einem normalen Zivilsachendezernat zwischen 15 Minuten und 1 Stunde, wenn man nicht ausnahmsweise mal Zeugen hört. In Asyl ist doch unter 1 Stunde schon illusorisch, allein schon wegen der Dolmetschung.
Es ist nicht vergleichbar. Zudem gebietet Art. 19 IV GG verbunden mit der beinahe gegebenen Unanfechtbarkeit der Entscheidung ja nun auch eine gewisse andere Prioritätensetzung. Als LG Richter kann ich mir immer sagen, soll es das OLG richtiger machen. Aus dem Grund (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit) ist gegen die ernstinstanzliche VG Asylsache nicht mal die Berufungszulassung möglich.
Aber wenn das der eigene Anspruch sein soll, dann bitte.
Es ist nicht vergleichbar. Zudem gebietet Art. 19 IV GG verbunden mit der beinahe gegebenen Unanfechtbarkeit der Entscheidung ja nun auch eine gewisse andere Prioritätensetzung. Als LG Richter kann ich mir immer sagen, soll es das OLG richtiger machen. Aus dem Grund (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit) ist gegen die ernstinstanzliche VG Asylsache nicht mal die Berufungszulassung möglich.
Aber wenn das der eigene Anspruch sein soll, dann bitte.